Nr. 65 ♦ 37. Jahrgang
Seilage des vorwärts
dovnerstag, 5. Februar 1H26
preußische Lanöesversammlung. IIS. Sitzung, Mittwoch, 4. Februar. 12 Uhr. Am Regier unyötisch: Broun. Der Gesetzentwurf über die Ermächtigung-des Justizministers KU verübergehenden Maßnahmen auf dem. Gebiet der Dienstaufsicht und Difziplinavgewalt aus Anlast der Ausführung des Friedensvertrages wind ohne Aussprache in zwei Lesungen angenommen. Auf der Tagesordnung steht sodann, die dringende förmliche Anfrage der Sozialdemokraten über die Maßregelungen von Lanöarbeltera in Pommern . Zur Begründung nimmt das Wort Abg. Schmidt-Köpenick (Sog.): Es wäre bester, wenn wir uns hier mit dem Aufbau der Landwirtschaft bcschäfligen könnten, statt mit dar Sabotage 'der Grundbesitzer. Bei keiner Unternehmergruppe spielt das politische Moment eine so graste Rolle wie hier. Die Landarbeiter sind zu jeder Zeit derhanotungSbereit. Trotzdem verlangt Herr V. Dewitz von der Reichsregierung Beschränkung des Streik rechts der Landarbeiter und verdüchltgt ihre getverkschaftliche Organisation als spartakistische Unternehmung. Das ist so ein Musterbeispiel für das Ehrgefühl der Herren, die sich soviel auf ihre gute Erziehung einbilden. Redner bringt eine gu-'ste Reihe von Einzelfällen aus Pommern zur Sprache, too Lartbarbeitern in Massen gekündigt wurde» nur«eil ste der Organisati»« angehörten. Der junge Herr von Wangenhewi unterzeichnete einen Brief an einen Vertrauensmann„Mit der Ihnen gebührenden Hochachtung". Ist das die gute Kinderstube? In Pommern sind nach den neuen Nachrichten 7000 Mastregelungen beabsichtigt gewesen. Familien, die sieben, zehn und mehr Jahre an einem Platz beschäftigt waren, Iverden rülksichtÄos gekündigt, und dafür sucht man Russen für die Arbeit zu gewinnen. Die Regieruno muh gegen die Verkürzung des Koalitionsrechts der Landarbeiter mit allen Mitteln einschreiten. Wenn die Grvstgrundbcsitzer nicht willig sind, soll man ihnen ihre Güter im Int« reffe der Produktion wegnehmen.(Beifall bei den Sozialdemokraten. Unruhe rechts.) La.adwirtschastsminister Braun: Hastersüllte Feinde versuchen den letzten Blutstropfen aus unserm Wirtschaftsleben heraus» zupressen. Unser Untergang ist gewist, wenn zu den äusteren Lasten auch noch innere Kämpfe kommen.(Lebhafte Zustimmung.) Heute müstten alle Kreise trctz aller sozialen Unterschiede zusamnien- wirken. Der grausamste Feind, der unS droht, ist oer Hunger. Wir können ihn nur bekämpfen» werm wir unserm Hennatboden das abringen. Millionen von Landarbeitern und Landarbeite» rinnen müssen zu verständnisvoller Zusammenarbeit herangezogen werden. Das kann nur durch sachgemüste Behandlung geschehen. Jetzt haben die Lardarbeiter freie? Loalitionsrecht. Nach den Bs- richten auS Pommern besteht aber dort eine Bewegung, ihnen die Äusnutztwg des Ki oliticnsrechts zu verkümmern. Es werden Kün- d-gungcn vorgenommen, die daß normale Mast weit überschreiten. Heute sollte man jede Arbeitskraft in der Landwirtschaft halten und neue heranziehen. Nach den Kündigungen hat man»eue Ar- beiter gesucht, auch ausländische, und vorwiegend find »ur Mitglieder de? Landarbeitrrverbandes von den Kündigungen getroffen worden. ES handelt sich um ein planmähigeß Vorgehen deS Pommerfchen Landbundes, und dadurch ist eine unhcilschmangere Situation geschaffen worden, so dast eS «ine Pflicht des Reichswehrministers war, sofort einzugreifen.(Bei» fall links.) Mao must berücksichtigen, dast der Landarbeiter» verband eine junge Oryanifattvn ist. Al» vor 25 Jahren der Bund der Landwirte gegründet wurde, sprachen ferne Führer fa auch davon, dast man die Schnrne krochen lassen würde. Für spart«. listtsch» Tendenzen im Landarbeiterverband habe ich noch nicht den geringsten Beweis gehört. Gerade da? Borgehen de» Landbundes in Po muie in bietet aber den besten Nährboden für kommunistische Bestrebungen. In der Industrie ist eS nicht gelungen, den Auf» ichwung der Gewerkschaften durch wirtschaftlichen Terror zu hemmen, und wo eS gelungen ist, da sind die Kerntruppen der Kam- rnunisten(Beifall bei der Mehrheit: Widerspruch rechts.) Die Zeiten, w» dir Regirrung sich znm Vorspann für Bestrebungen zur Unterdrückung de» K»«liti»«SrrchtS der Arbeiter mistbrauchen liest, sind cisttzsür allemal vorüber. Die pommerfchen Herren werden einsehen müssen, dast eine neue Zeit angebrochen ist. Auch hier must der Grundsich der Verfassung der Republik gelten:„Eigentum v e r p f l i ch t e t". ES darf nur im Interesse der Gesamtheit kmutzt werden.(Lebhafter Beifall bei der Mehrheit.)
Auf Antrag v. d. Osten(Dnat.) wird die Besprechung be- � llbg. v. d. Osten(Dnat.): Wir sind mit dem Minister darin einverstanden, dast in Deutschland die gezenfeitige Zcrfleischung endlich aufhören must. Hier handelt ed sich aber um Notwehr gegen Verhetzung. In ganz Pommern sind überhaupt nur 2700 Kün- digungen uorgekomnen, also eine Kündigung durchschnittlich für den Großbetrieb. Das Koaliiionsrech- mutz, nachdem eS nun einmal eingeführt ist, von beiden Seiten geachtet werden.(Beifall rechts.) Der Pommerfche Landbund ist eine interfraktionelle wirtschaftliche Organisation, der auch Demokraten angehören. Wir haben keine Veranlassring, ihn zu schützen oder anzuklagen. Aber Pommern wird nach bolschewistischem Muster verhetzt. Ein gewisser Schnitze, der aber Cohn heistt(Heiterkeit), hat Pommern nach bolschewisti- schein Muster bereift. In einer Versammlung sagte er:„Die Sprtzbäuche müssen an ihre Sch e u n e n t o r e ge- nagelt und gekreuzigt werden." In Pyritz wurde gesagt von einem Inspektor:„Der Hund müstte in die Dresch- Maschine geschmissen werden." Die Regierung möge sich vor übereilten Schritten hüten und dahin wirken, dast nicht durch Arbeitsunlust eine ungeheure nationale Gefahr heraufbeschworen wird.(Lebhafter Beifall bei den Deutschnattonalen.) Abg. Hartwig(Soz.): Mit dem Landarbeiterverband haben die bolschewistischen Bestrebungen gar nichts zu tun. Die Arbeitgeber erklären allerdings schon Leute für Spartakisten, die in Bersamm- lungen die bescheidene Anfrage stellen, ob denn auch der Landarbeiter nicht etwas von der neuen Zeit zu spüren bekomme. Möge doch erst einmal die Rechte mi t der Selbftzerfleischung aufhörenl Durch Massenkündigungen erzeugt man keine Ar» beitslust.(Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Westerman«(Dem.): Der landwirtschaftliche Betriebs- leiter befindet sich gegenwärtig in einer sehr schwierigen Lage. Die an sich nicht zu hohen Forderungen der Arbeiter belasten die Land» Wirtschaft doch zu stark, und bei den unsicheren Verhältnissen kann man jetzt keine Tarifverträg« abschlletzen. Dasselbe Recht wie die Streikenden muffen auch die Arbeitswilligen haben. Aber in Pommern tragen die Arbeitnehmer nicht allein die Schuld: Früher konnte dort nicht einmal einer Nachtwächter werden, wenn er nicht konservativ war. Di« alten.Konservativen must die Deutsch- national« Partei abschütteln. Auf beiden Seiten must nachgegeben werden, sonst können wir die Ernährung unseres Volkes nicht sicher» stellen. Wir kommen in der Landwirtschaft mit dem Achtstundentag nicht auS, sondern müssen au den LSstst Stunden im Jahre unbedingt festhalten. Langfristige Tarifverträge werden in der Landwirtschast nicht möglich sein. Gegen die Hetzer von beiden Seiten must die Regierung energisch vorgehen. Sollte eS nochmals zur Revolution kommen, dimn wird eS denen, die jetzt wieder daS grohe Wort führen, am S. November aber mit schlotternden Linien an de« Ecken standen(Lärm auf der Rechten)... Mestz� Herren, regen Tie sich doch nicht aus, ich habe ja die Deutschnattonalen gar nicht ge- nannt(Heiterkeit)..., denen wird eS dann schlecht«? gehen als bei der ersten Revolution.(Beifall bei den Demokraten.) Abg. Mehrhos(U. Soz.): Gerade die führende deutschnationale Presse beschönigt die Taten der Agrarier, die zu den heutigen Zu- ständen geführt haben. Die kapitalistische Entwicklung der letzten 40 Jahr« hat den Grundsatz'„Eigentum verpflichtet" zunichte ge- macht; dieser Entwicklung hat sich der Agrarier nicht entziehen können, die patriarchalischen Verhältnisse sind heut« unmöglich. Die Fürsorgepslicht ist aufgehoben, nur die Knechtschaft soll anstecht- erhalten werden. 2700 Kündigungen ssnd gerade genug.(Sehr richtig! links.) Die Drohungen" der erregten Landarbeiter sind doch nicht so tragisch zu nehmen. Sir sind eben der Ausfluh der man gel- basten Schulbildung, an der die Rechte schuld ist.(Zustimmung AnkS.) Abg. Stenbel(D. Vp.): Wst mistbilligen es auf» allerent- schiedenst«, wenn in Pommern Landarbeitern nur wegen ihrer Zu- gehörigkeit zu einer Organisation gekündigt worden ist. Wir sind Freunde der Tarifverträge. Die Landarveiter haben nicht das Rocht, bei Streiks Gewalt anzuwenden. Wir kommen nur weiter, wenn wir mehr arbeiten. Ich bedaure» dast m Deutsch - land ein so kurzer Arbeitstag eingeführt worden ist.(Hört, hört! links) Die förnckiche Anfrage des Zentrums über die Seßhlagnahme voa Vieh durch öle belgischen Truppe« «r der Rheinprovinz wird begründet von dem Abg. Schüling(Z.): Seit vielen Monaten werten die Besitzer auf die Bezahlumg der von den Belgiern requirierten Pferde. Aohn- lich ist eS in der amerikanischen Zone, wo viele Pferde infolge einer Säurebehandlung gegen die Räude zugrunde gegangen sind, die die Amerikaner angeordnet hatten. Di« Regierung must mehr
für die besetzten Gebiete tun, sonst vermehrt sie die Zahl der Aktivisten. Wir beantragen, bei der ReichSregievung vorstellig zu werden, dast bei der bevorstehenden Vieh- und Pferdeabl-ieferung für die Entente nicht der im November vorigen Jahres festgesetzte Preis, sondern der zur Zeit des Ankaufs geltende Marktpreis zugrunde gelegt wird. Ein Regierungsverttetrr: Die Requisitionen der Besatzungs. iruppcn werden auf Grund deS Gesetzes vom 2. März 1919 nach den Bestimmungen des KviegsleistungSgefetzeS abgegolten. Danvcki wird der FriedenSbetrqg mit einem Zuschlag bezahlt, wie es die Bekainntmachung deS Reichskanzlers vom 6. Mai 1918 vor- schreibt. Für die Herausgabe auf Gvund deS Friedenspertrages gilt die Verordnung vom 28. März 1919; nach ihr soll ein a n g e mesfener Preis unter Berücksichtigung der Gestehungskosten f zahlt werden, kommt kein« Einigung zustande» so erfolgt die reiSfestsetzung durch eine Komurtssion. Für beschlagnahmt co HecreSgut wird nach dem Erlast des Ministeriums vom 15. Mqi 1919 lediglich der Kaufpreis zurückgezahlt. DaS Haus beschließt Besprechung. Abg. Linz-Barmen(Dnat.): Die ReichSregierung must die Richtpreis« entsprechend den Marktpreisen erhöhen. Di« von den Belgiern im besetzten Gebiet ausgeübten Grausamkaiten über schreiten jedes Mast. Es gibt geradezu Ausschreitungen sadistische» Charakters, die auch nach der Ratifizierung noch nicht aufgehört haben. Abg. Sie«««(Dem.): Die kinksrhoimsche Landwiivtschast befindet sich m einer beispiellosen Notlage. Eine einzeln« Berussgrupp« darf nicht zugunsten der Allgemeinheit mit ungerechtem Lasten beladen werden. Die Milchversorgung der Städte ist jetzt schon knapp. Dir steigenden Eniährungsschwierigleiten mahnen, die Arbeitsfreudigkeit der Landiwrte nicht noch mehr zu schwächen. Mg. Mllllrr-MörS(Soz.): Die unteren Organe führen die Matznahmen der ReichSreaiernng zum Schaden der Allgemeinheit nicht durch. Die Unabhängigen haben durch chr Verhalten in MörS weder Deutschland noch der VÄkerversöhmmg gedient lUnruhe bei den U. Soz.), sondern die Bcsatzungsdchoirde in ihrem Unrecht bestärkt. Kalle(D. Vp.): In solchen Fragen müh de in Deutschland Ein- mütigkeit herrschen, dcnm werden wir lms die Achttmg der Gegner erzwingen. Damit schliestt die Aussprache. Der ZentrumSantray wird gegen die Unabhängigen angenommen. Es folgt die Beratmig über den Besch! ust der StaatSregierung über die Zuständigkeit des Ministeriums für Volkswohlfahrt. Aus eine Anfrage des Abg. Weyl(U. Soz.) erklärt ein Regierungsvertreter, dast die fitten- polizetluhem Mastnahmen vorläufig dem Pflegeamt für die Prostituierten noch nicht überwiesen sind. Der Antrag Hammer(Dnat.) und Genoffen auf Entschädigung der Tierhalter für gefallene Tiere wirb nach kurzer Debatte den� Lan dun r r schaft Sau S schust überwiesen. Ein Antrag Haseloff(Dnat.) und Genossen über Tteuemieber- schlagungen für Kriegsteilnehmer und Auslands- deutsche geht an den HauShaltSauSschust. DaS Haus vertagt sich. Nächste Sitzung Donnerstag, 12 Uhr.(Anträge» Verordnungen, kleine Vorlagen.) Schluß 6Va llhr.
Wirtschaft. SpekulationSwat an der Börse. DaS Publikum spekuliert an der Börse in einem solchen Grade, daß die Makler bereits teilweise die Annahme von- Aufträgen ablehnen miissen. Es ist allerhöchste Zeit, dast Börsenvorstände und Regierung Maßnahmen ergreifen, um diesem wüsten Treiben von Menschen, die sich mühelos er- wordene Spielgewinne verschaffen wollen, ein Ende zu be- reiten. Es fehlt uns dringend eine Zwangsanlethe, die alle diese im Ueberfluß vorhandenen Zettel verschwinden lästt, damit die Notenpresse der Reichsbank abgestellt werden kann. Mr Tausende von Säuglingen fehlt den armen Müttern daS Geld, um den Liter Milch mit 2 M. bezahlen zu können. hier wüsten die Kapitalisten, ohne zu wissen, welchen nützlichen Gebrauch sie mit ihrem Ueberflust machen sollen. Wahrlich. Zeichen der Demoralisation. Erscheinungen, die auch den sich sittlich noch verantwortlich fühlenden Kapitalisten die Augen darüber öffnen sollten, dast ein solches System keinen Bestand mehr haben kann.
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Jan Krebsereuter.
Seine Taten. Fahrten nnd Meinungen. Aufgezeichne, von HanS Müller-Tchlöffer. „Fernand, mach' mir den Jung mi schlecht) Der Jung ist gut. ich will ihn nit besser hon." »Aber Zucht und Ordnung must sein!" „Gewiß, aber kannst du bei einem jungen Pferd mit Zügei und Sporen viel ausrichten? Ena. sog' ich! Der Jung kömmt schon früh genug zur Bernunstl" „Wat du früh genug nennst, ist zu spät, Grades!" „Wie du willst. Fernand. AdchiisI" Grades nickte ihm zu und ging mit breiten Schritten an ihm vorbei nach dem Rhein zu. Ouaddelmechel wiegte den Kopf und zuckte mit den Achseln und ging wieder in sein Lädchen.— Jan und Tünncs statten sich unterdessen noch der Damm- )traße hinter aufgestapelt« und mit Segeltuch überdeckte Zuckerkisten geflüchtet. Tünnes hatte sich auf einen Haufen Tau« gesetzt und die Heringe sich auf die Knie gelegt. Jan stand, die Hände in den Hosentaschen, gegen die Kisten ge- lehnt und wartete, daß ihm TünneS den einen Hering mit- gab. Aber Tünnes mochte keine Miene dazu, sondern riß dem einen Hering den Kopf ab und versuchte, ihm die Haut abzuziehen. Da griff Jon noch dem anderen Hering, aber Tünnes schrie, indem er rasch den zweiten Hering wieder rn die Hosen- tasche steckte: „Ena, Jan, ich Hab' die Hering' gefiicht, ich!" „Und ich hob dir gezeigt, wo sie zu fischen waren? Der eine ist nwm!_ Her damit!" „Ena, enä! Ich eis' die Hering' ganz allein!" Und er hielt die Hand fest auf die Hosentasche, während er dem einen Henng ein Stück aus dem Rücken biß. Jan packte di« Hand und wollte sie fortziehen, ober Tmmes kugelte sich rasch herum and legte sich auf den Bauch. Da erarifs Jon seine Berne und zog ihn hoch. ..Mamma! Mamma!: schne Tünnes und verzog� sein Gesicht zu der Grimasse, die wir als Vorbereitung zu seinem Gebrüll schon kennen gelernt haben. Jan ließ die Beine wieder loS und blinzelte m Erwartung des Gebrülles mit den Augen..
Aber Tünnes drehte sich herum und setzte sich wieder auf die Taue. „Tünnes/ sagte darauf Jan zu ihm.„ich Hab' leckere, süße Pruhme*)!" „Ena," entgegnete Tünnes kauend. „O doch, di« ganze Buxetasch' voll!" Damit holte er eine Handvoll getrockneter Pflaumen hervor und zeigte sie dem Tünnes. ,�Haul" rief Tünnes und vergast für einen Augenblick daS Kauen.„Hau! wat feine Prichnre! Gib mir ein paar, Jan!" „Du sollst sie allemale han, wenn du mir die Hering' gibst." Tünnes. der mittlerweile dahintergekommen war, daß Salzheringe, ungewäffert und ohne Essig. Oel. Lorbeerblatt» chen. ohne Nägelchen und Zwiebelchen gar nicht so schön schmecken, wie er sich daS gedacht hatte, war mit dem Tausch einverstanden. Er legte auf Jans Geheiß die Heringe auf di« Erde und hielt die Hand auf. Jon gab ihm di« Pflaumen und nahm dann die Hering« und biß hinein, verzog aber so- gleich das Gesicht über den trmngen Geschmack. Ja. lieber Jan, du Wusttest damals noch nicht, dast die meisten Wünsche nicht mit ihrer beruhigenden Befriedigung, sondern mit einer zu neuen Wünschen reizenden Enttäuschung endigen. Seine Enttäuschung steigert« sich bis zum Schmerz, als er sah, wie Tünnes sich die Pflaumen so gut schmecken liest, dast er gleich drei, vier in den Mmri) stopfte und vor Behagen schmatztet Jan hätte die Pflaumen, deren Zahl zu seinem Schrecken sich rasch verminderte, für sein Leben gern wieder gehabt und dem Tunnes noch zehn solcher Heringe gegönnt. Darum sagte er schnell: � „Tünnes, halt! Hör' mal! Kannst du so rasch lausen wie ick?" „Eja, noch viel rascher!" „Enä Tünnes, bat kannst du nit." „O doch! Ich kann so ralch laufen wie— wie—" TünneS fand einfach keinen Vergleich. „Ich sag', Tünnes, du kannst nit so rasch laufen wie ich. Sollen wir wetten?" ...Jja," rief Tünnes und sprang auf,„ich weit' tam'end- Mllltonenhuridert Daler!"
•)--- Pflanm«.
„Nee, so nit! Post mal auf! Wir wollen mn die ganze Stadt herumlaufen." „Um die ganze Stadt??" „Ja. Dat ist doch bloß ein Katzensprung. Oder kannst du nit so wert laufen?" „Ich? He! Ich kann laufen bis— bis—" Dem Tünnes fiel einfach keine Entfernung em. „Also," sagte Jan,„um die ganze Stadt herum. Und wer zuerst Widder hier ankömmt, der kriegt die zwei Hering — und die Pruhmel" „Und die Pruhme?" „Jja, und die Pruhmel Die Hering' und die Pruhme legen wir solang' hier unter den Zipfel von dem Segeltuch." Er nahm dem Tünnes, der zwar noch nicht ganz willig war, die Pflaumen aus der Hand und legte sie in das Versteck. „Also, Tünnes," rief er dann,„jetzt geht es los! Ich kommandier: Eins, zwei— drrrei!" Und beide fingen an zu laufen, Tünnes, mit rotem Kopf und aufgeblasenen Backen, trillerte mit den dicken Beinchen, Jan schoß in großen Sätzen voran wie der Lotsen nachon seines Vaters, wenn er bei Nordwest über den Rhein setzte. Wer gut zu Fuß ist, der mag mit mir jetzt die beiden Helden begleiten, um auf diese Art. so gut eS in der Eile geht, Jans Geburtsstadt keimen zu lernen. Da rennen die beiden nach der Zitabellstraße zurück, die von dem mächtigen Berger Tor im Süden und im Norden von dem Nesselradeschen Palast als Gegenstück in ihrer ganzen Breite abgeschlossen, ein unverfälschter und unverstünrmelter Rest aus der Kurfürstenzeit war. Der dicke Kurfürst Karl Theodor hatte das Berger Tor erbaut, als der Große Fritz im Siebenjährigen Kriege auch den stillen Niederrhein be- unruhigte und dadurch den Kurfürsten zwang, seine Residenz- stadt Düsseldorf durch stärkere Befestigungen zu schützen. Der Schlußstein der großen Einfahrt bildet? ein behelmtes Kriegerhaupt auf einem Löwenkopfe. In Stein gehauene KriegStropqäen türmten sich in buntem Durcheinander über der Einfahrt zu beiden Seiten des Fensters auf, in dem an warmen Sommeradenden der Torwächter lag und seine lange Pfeife herunterhängen ließ. Ueber dem Fenster sah man in zwei Kartuschen die Monogramme OD und EA, gekrönt von der Kurfürstenkrone. (Forts, folgt.)