Volttifcho itclreultrfil. Berlin , den 21. September. Gin Attentat auf die deutschen Landarbeiter. Mit dieser durch den Inhalt voll gerechtfertigten Ueber- schrift finden wir in der heute erschienenen Nummer des „Sozialpolit. Zentralblatts" einen Artikel Dr. Quarck's über den monströsen Gesetzentwurf, den„der Verband zur Besserung der ländlichen Arbeiterverhältnisse im Gebiete des landwirthschastlichen Zeutralvereins der Provinz Posen :c." zur„Regelung der landwirthschastlichen Arbeiter- Verhältnisse" ausgearbeitet hat, und der jetzt der Reichs- regieruna vorliegt. Der Entwurf geht von der Anschauung aus, daß der ländliche Arbeiter im Gesindcverhältniß steht, und bezweckt die Bildung eines an die Scholle gefesselten, den Grundbesitzern in Leibeigenschaft uuterthänigen Land- sklavenheeres. Das Arbeitsbuch wird obligatorisch eingeführt, das Koalitionsrecht besteht nicht für die ländlichen Arbeiter. Wir wollen blas den ans das Koalitionsrecht bezüglichen§ 27 hier zum Abdruck bringen. Derselbe lautet: „Der Vertragsbruch landwirthschaftlicher Arbeiter wird mit Eefängniß bis zu einem I a h r e'bestraft, wenn sie mittels Vertragsbruches die Arbeitgeber zu gewissen Handlungen oder Zugeständnissen zu bestimmen suchen, indem sie die Ein- ftellung der Arbeil oder die Verhinderung desselben bei einzelnen oder mehreren Arbeitgebern unter einander verabreden oder zu einer solchen Verabredung andere auffordern. Die An- stifter hierzu unterliegen einer Gefänanißstrafe bis zu zwei Jahren, auch wenn sie keine landwirlhschaftlichen Arbeiter sind. Hierbei macht es keinen Unterschied, ob dcr»Ver- trag schon angetreten war oder nicht." Also der Arbeiter, der während der Dauer des Ver- träges vom Koalitionsrecht Gebrauch macht, verwirkt eine Gefängnißstrafe bis zu einem Jabr und die Anstifter bis zu zwei Jahren. Wir werden auf dieses abscheuliche Attentat zurückkomnien.s Für unsere Genossen ist dieser Entwurf, der die innersten Gedanken der Herren Landjunker ent- hält, treffliches Material für die Land- a g i t a t i o n.— Nordamerikanische Konkurrenz. In bürgerlichen Zeitungen lesen wir: Als im Jahre 1890 infolge einer Einladung des„American Institute of Mining Engineers" eine große Anzahl deutscher Industrieller, die noroamerikanischen Montandistrikte besuchte, und bei dieser Gelegenheit sich in sehr eingehender Weise über die dortigen Verhältnisse unterrichtete, ging das Eudurtheil der sehr ausführlichen Berichterstattung dahin, daß zwar in der nächsten Periode ein Wettbewerb der nordamerikanischen Montau-«Jndustrie noch nicht fühlbar werden, daß aber auch mit Ausnahme einiger Neu-England -Staaten und vielleicht Kaliforniens der Markt der Vereinigten Staaten für die fremden Nationen, wenige Artikel ausgenommen, verschlossen sein wird. Obgleich seitdem kaum vier Jahre verflossen sind, so haben sich doch die Verhältnisse in Nordamerika in der Zwischenzeit so wesentlich geändert, daß Europa nunmehr bereits nicht nur von dem Wettbewerb auch der Montanindustrie bedroht wird. Wie englische Zeitungen berichten, hat im Jahre 1893 die Ausfuhr an Sonder- und Werkzeugmaschinen, sowie Ackerbaugeräthen von Amerika nach England einen Werth von 3 2U 000 Dollar, die gleiche Aussuhr von England nach Amerika da- gegen nur einen Werth von 1 051000 Dollar dargestellt. Ebenso sind in den letzten Monaten des vergangenen Jahres mehr als 1000 Tonnen Ferromangan von Baltimore nach Glasgow , Antwerpen , Rotterdam und Hamburg verschifft worden, wie ja auch bereits nordamerikanische Kohlen in euro- päische Häfen eingedrungen sind. Ferner ist neuerer Zeit Nord- Amerika in Rußland als ei» scharfer Konkurrent Deutschlands bei Lieferung von Lokomotive» aufgetreten. Dieser Wettbewerb verdient um so mehr unsere Aufmerksamkeit, als Nord-Amerika uns durch seinen unerschöpflichen Reichthum an Kohlen und Erzen überlegen ist, und die ungeheuren Entfernungen durch überaus niedrige Frachtsätze auf den Eisenbahnen, Binnenwasser- straßen, sowie für den Seeverkehr mit Europa ausgeglichen worden, als ferner der Schutz, den uns bisher die niedrigen Gehalte und Löhne gewährten, mehr und mehr zu schwinden beginnt, weil man in Nordamerika einerseits bestrebt ist, die Handarbeit so viel als möglich durch Maschinenarbeit zu ersetzen, und weil ander- seits dort in letzter Zeit die Löhne so weit gesunken sind, daß einfache Tagelöhner aller Art kaum noch das IVs fache wie bei uns verdienen, und bei der fortschreitenden Verbilligung aller Lebensmittel und Verbrauchsgegenstände in Nordamerika die Löhne in gleichem Verhältniß sinken werden. alles, was ich weiß, und geheim halten will ich wie ein Pfaffe die Beichte, wenn Ihr ablaßt von dem Knaben."— „Brändliug hat Recht!" siel der Hornberger ein:„Wegen seiner auf's Rad gesetzt zu werden, gelüstet mich nicht. Sag' aber an, welche Bürgschaft leistest Du für den Buben?— denn haften mußt Du für ihn mit Haut und Haar!"—„Das will ich auch, Herr!" erwiderte der Wirth, von schwerer Angst erlöst und freier athmend:„Schwören soll der Knabe, daß, wenn er auch etivas vernahm, nichts über seinen Mund gehe, es zu verrathen." „Gottes Wunder!" höhnte Zodick:„was soll uns helfen ein leerer Schwur?"—„Schweig!" murrte Reisenberg : „dem Kinde da ist ein Eid heilig wie ein Tabernakel." Leuenberg lachte ungläubig, Zodick fletschte verdrossen die Zähne, und Hornberg hielt unterdessen dem Knaben das Kreuz seines Schwertes vor, indem er ihm die Eidesformel vorsprach:»„Ich gelobe handlich und festlich, auf dieses Kreuz, das des Erlösers Kreuz bedeutet, keiner Seele, die da lebt auf Erden, zu vertrauen und zu verrathen, was ich in der heutigen Nacht als unberufener Zeuge gehört und vernomnien. Verdammt will ich sein in Ewigkeit, und das schrecklichste Gebrest und Siechthum erdulden in dieser Welt, ivenn ich den Eid nicht halte, den ich hier schwur mit aufgehobeneu Händen zu Gott, seinem Sohne und allen Heiligen. Amen."— Ter Knabe sp'oach deutlich und sichtlich ergriffen und bewegt den Eid nach, und zerfloß nach dessen Leistung in Thränen. Reisrnbcrg nickte, zufriedengestellt, mit dem Kopfe, und der Hornberger übergab den Buben seinem Vetter Brändliug.„Das letzte für unsre Ruhe und Sicher- beit ist noch an Dir, zu thun," sprach er:„sperre den Buben ein in Deinen tiefsten Keller, und lasse ihn nicht eher los und tedig, als bis es Zeit geworden ist. Solch kurze Frist hindurch ist ein glatter Aal zu hüten; warum nicht ein junger Bursche? So Du redlich unseren Willen thust, sind wir Dir gewogen, alter Brändliug. Beim mindesten Versehen hingegen und bei der kleinsten Falschheit sollst Du der Erste sein, der den verdienten Lohn erhält."— Brändliug, Treue und Gehorsam gelobend, riegelte vor den Angen der wilden Gäste den Vetter Heinrich— ein duldsames Lamm—, in das hinterste Gewölbe seines Hauses, und beruhigt suchten die Verbündeten ihr dürftiges Lager. Wenn man nun auch in Nordamerika in dem Ersatz der Handarbeit'durch Maschinen bisweilen zu weit geht, so ist doch nicht zu verkennen, daß wir dagegen in dieser Beziehung weit zurückgeblieben sind, und zwar besonders in bezug auf die Be- wältigung des Verkehrs in den Häfen und Eisenbahnstationen. Die Klagen der Bourgeoispresse sind nicht unbegründet. Wir haben das, was hier als vollendete Thatsache gemeldet ist, vor Jahren schon vorhergesagt, und sind dafür von den- selben Blättern, die jetzt diesen Nothschrei ausstoßen, ver- Höhnt worden. Von der Milderung des amerikanischen Schutzzollsystems werden wir unter solchen Umständen nur sehr geringe Vor- theile haben. Die Zeiten sind für immer vorbei, wo die Vereinigten Staaten von Nordamerika unser bester Markt wären. Sie sind uns, und zwar aus dem ganzen Gebiete der Industrie, ein mächtiger Konkurrent geworden, der unseren eigenen Binnenmarkt bedroht.— Parteitage und nichts als Parteitage. Heute ver- sammeln sich in Eisenach die Vertreter der„Freisinnigen Volkspartei " zu dem großen Programmwerk— der Partei, die, so lange sie sich gesund suhlte, kein Programm haben wollte, so wenig wie der Teufel ein Gebetbuch— und die jetzt, da Matthäi am letzten, ein Programm haben will, wie der kranke Teufel den Rosenkranz . Die„Freisinnige Zeitung" giebt ihr Segenssprüchlein zum Rettungswerk, nachdem sie gestern den Programmentwurf in zweiter, jedoch nicht verbesserter Auflage den Gläubigen vor- gelegt hatte. An Köchen, den Brei zu salzen und zu versalzen, fehlt es in Eisenach nicht. Wie die„Fr. Z." mittheilt, sind 1S2 Wahlkreise mit 392 Delcgirten vertreten. Da kann wenigstens die Quantität die Qualität ersetzen. Einen Tag später versammeln sich die Delegirten der „Deutschen Volkspartei" in Aschaffenburg — nicht um ein neues Programm zu machen, sondern das alte, welches sehr löcherig und mangelhaft ist, zu verbessern. O diese Pro- grammschmerzen unserer Gegner— wie der liberalen, so auch der konservativen! Zentrum, Konservative aller Schattirnngen, Antisemiten, Nationattiberale, Volksparteiler u. s. w., wie froh wären sie, wenn sie ein Programm hätten! Was nun die zwei Volksparteien betrifft, die sich jetzt mit ihren Programmen abquälen, so begreifen wir wirklich nicht, warum sie die beiden kleinen Geschäfte noch länger getrennt halten. Ein prinzipieller Gegensatz oder auch nur Unterschied besteht unseres Wissens doch nicht. Oder glauben die beiden Firmen durch die Konkurrenz gewinnen zu können? Der Glaube macht selig. Ans Eisenach bringt die„Vossische Zeitung" heut Abend folgende Depesche: E i s e n a ch, 22. September. Der Parteitag der freisinnigen Volkspartei ist von 400 Mitgliedern aus 170 Wahlkreisen besucht. Dr. Langerhans eröffnet die Beralhmigen. Die Geschäftsordnung wird ohne Debatte angenommen. Durch Akklamation wird Ober- bürgermeister Baumbach zum Präsidenten gewählt. Baumbach betont in seiner begrüßenden Ansprache die Kraft der frei- sinnigen Ueberzeugungen. Eugen Richter berichtet über die Ein» leitung zum Programm, die freiheitliche Ausgestaltung des Ge- meinwesens und die Anfrechlerhaltung der bundesstaatlichen Grundlage des Deutsches Reiches. Die Einleitung und der Ab- schnitt I» wurden unverändert angenomincn. Munckel berichtet über die Entwickelung eines wahrhaft konstitutionellen Ver- fassungslebens.— Die Königsberger Rede des Kaisers hat zu so vielen Mißverständnissen geführt, daß der Sprecher es für nöthig hielt, in T h o r n bei Beantwortung der Empfangs- rede des dortigen Bürgermeisters eine kleine Erläuterung zu geben. Er richtete eine Mahnung an die„polnischen Mitbewohner", deren Verhalten in letzter Zeit nicht ein der- artiges gewesen sei, wie er es wünsche, und schloß also: Ich erinnere an die Worte, welche ich letzthin in Königsberg gesprochen habe:„Aus zum Kampf gegen die Umsturzparteien!" Nur diejenigen können sich meiner kgl. Gnade versichert halten, welche sich voll und ganz als preußische Unterthanen betrachten. Ich hoffe, daß die Thorner polnischen Mitbürger sich entsprechend dem, was ich in Königsberg gesagt, verhalten werden. denn nur dann, wenn wir alle. Mann an Mann ge- schlössen, wie eine Phalanx zusammen st ehen, ist es möglich, den Kampf mit dem Umsturz siegreich zu�Eude zu führen. Daß die Thorner in dieser Beziehung mit gutem Beispiel vorangehen, wünsche ich von Herzen." Dreizehntes Kapitel. Ich nehme den angeklagten ungehorsamen Mann hier aus den Rechten, aus dem Frieden, aus den Freiheiten, die Kaiser Carolus gesetzet, Papst Leo konfirmiret hat, und von allen Fürsten , Herr», Rittern, Knechten, Freien undFreischöppen beschworen und geleistet worden, in dem Lande zu Sachsen , und werfe ihn nieder vom höchsten Grade, und thue ihn mit all' seinen Freiheiten, Frieden und Rechten in des Königs Bann, und strafe ihn mit höchstem Unfrieden und Ungnade, und mache ihn unwürdig, achtlos, rechtlos, siegellos, redelos und unsähig zu allen Rechten und Verfahren, und fetze ihn aus nach den Satzungen der heimlichen Acht, und ver- fälle seinen Hals dem Strange, seinen Leichnam den Vögeln des Himmels und den Thieren der Lust zur Atzung, und befehle seine Seele Gott im Himmel in seine Macht und Gewalt, und erkläre seine Lehen und Gut für heimgefallen ihrem Herrn, von dem sie zu Leben rühren, oder der heiligen Kirche, sein Weib eine Wittib, seine Kinder Waisen! Der heimlichen Acht Bannfluch auf Haut und Haar. Der arme Heinrich erlebte eine üble Nacht auf dem Spreusack, den die Hand des mitleidigen Vetters ihm zu- geworfen hatte, um sich bequemer auf dem feuchten Boden des Kellers zu betten. Der Vorfall des Abends schien dem geschreckten Knaben nur ein Ficberbild, wie uns der un- ruhige Schlummer zuweilen vorführt, allein zu bald nur erinnerte er sich an die Wirklichkeit des Gräuelauftritts, indem er in der Stille der Nacht sich nach und nach aller Reden wieder erinnerte, welche von den bösen Gesellen ge- führt worden waren, und die er von Anbeginn alle ver- nommen, ob er gleich in der Todesangst es geleugnet; denn er war kurz nach dem Eintritt der furchtbaren Männer erwacht, und hatte sich, von einer dem Knabenalter sehr gewöhnlichen Scheu ergriffen, nicht getraut, seine An- Wesenheit kund zu geben, und mit Herzklopfen den Augen- blick erwartet, in welchem die Schrecklichen gehen würden, bis ihm das Entsetzliche ihres unverholen ausgesprochenen Vorhabens einen tiefen schmerzlichen Seufzer ausgepreßt. Und betrübter noch seufzte er jetzt in seines Kerkers Einöde, weil er Klugheit und Gefühl genug besaß, um das Verderben, das über die Stadt verhängt worden, zu wür- Auch diese weitere Erklärung schafft keine Klarheit. Wir ersehen blos, daß der Kaiser mit den polnischen Mit- bürgern nicht ganz zufrieden ist. Wie die„Phalmix" gebildet werden soll und von wem, ist heute ebenso wenig ersichtlich wie nach der Königsberger Rede. Ein mäiinerinordender Kampf, um mit der „Schlesischen Morgen- Zeitung" zu reden, ist jetzt in Deutschland entbrannt. Die Funken stieben— es hagelt zornige Hiebe und grimmige Worte.„Und wenn Ihr die schwarzen(schwarz-weißen, grauen, gelben und grünen) Gesellen fragt"— dann rufen sie Euch zu: Wir bereiten uns vor zu dem Kamps gegen die Parteien des Umsturzes; und um sie recht gründlich zu zerschmettern, üben wir uns einstweilen an uns selber! Ein komischeres Schauspiel hat die Welt nicht gesehen. Irgendwo wird eine Zauberformel gesprochen— sämmtliche Ordnungsparteien kommen in fieberhafte Bewegung wie Ameisenhaufen, die ein Knabe mit dem Stecken aufgerührt hat.„Auf zum gemeinsamen Kamps gegen die Umsturz- Parteien!" lautet die Zauberformel— und, o Wunder!, statt über den bösen Feind Umstürzler herzufallen, fallen die wild gewordenen Ameisenvölker, nein Ordnungsparteiler, wie die Berserker über einander her und klagen Jeder den Anderen an, selber nicht besser, ja noch weit schlimmer zu sein als die Umstürzler. Und während die Umstürzler ver- gnngt zuschauen, pauken die Ordnungs- Ameisen- Völker wild auf einander los, kratzen, beißen, schimpfen:„Selber Umstürzler! Vorfrucht der Sozial- demokratie!" Ungläubiger Materialist! Gottesleugner! Jesuit! Agrarischer Demagog! Schmarotzerpflanzen! Raubritter! Epheu, das die Eiche aushängt! Schlotjunker! — so geht das Stimmengewirr durcheinander, und immer dichter fallen die Hiebe. Und wenn die„männermordende Schlacht" vorüber ist, wer ist dann noch übrig von den Zukunfts- und Kreuz- fahrern? Wir aber reiben uns vergnügt die Hände. Die Hiebe, die unsere Feinde sich gegenseitig austhcilen, brauchen w i r ihnen nicht zu geben. Und unser Pulver bleibt hübsch trocken.— Ter Entrepreneur des Zukunft-Feldzugs gegen die Umsturzparteien, Pindter der Zweite, hat, gleich allen verkrachten Unternehmern, recht bittere Wahrheiten zu hören. So wird er z. B. heute von dem„Leipziger Tageblatt ", dessen Ehrlichkeit gegenüber dem neuen Kurs er bezweifelt hatte, der„nackten Unwahrheit" und der„groben Fälschung" geziehen. Das ist hart, wenn auch nicht recht verständlich. Eine„grobe Fälschung" begreifen wir allenfalls, aber was soll eine„nackte Unwahrheit" bedeuten? Daß die Wahr» h e i t nackt sei, haben wir in Kindermärchen gelesen, und es hat auch einen Sinn; doch eine nackte Unwahrheit— das faffen wir nicht. Die Unwahrheit bedarf gerade der Kleidung und Verkleidung, sie muß sich zurechtstutzen, im Gegensatz zur Wahrheit, die durch Ein- und Verhüllung nur leidet. Nun Herr Pindter II ist nicht so feinfühlig, und daß es keine Schmeichelei sein soll, was ihm an de» Kopf geworfen wurde, darüber ist er sich wohl im Klaren. Und— wohl bekomms ihm!— Pindter in Nöthen. Von„geschätzter Seite" bringt heute die„Norddeutsche Allgemeine Zeitung" eine Aufforde- rung zur Bildung eines„B ü r g e r b u n d e s", der alle dem Sozialismus nicht verfallenen und ihm feindlichen Elemente umfassen und für einen tüchtigen„Kriegs- schätz" sorgen soll. Auf den„Kriegsichatz" scheint es ganz besonders abgesehen zu sein. Ist oie„geschätzte Seite" etwa einer der vielen verkrachten antisemitischen„Agi- tatoren"?— „Polnischer Hochmuth und deutsche Demuth" lautet eins der neuesten Hetzworte, das aus der Werkstatt unserer patriotischen Falschmünzer hervorgegangen ist.„Hoch- müthig" sind die Unterdrückten,„demüthig" die Unterdrücker. Es ist das alte Rezept: die Wahrheit frech auf den Kops stellen, rechts zu links, links zu rechts machen. Dieselbe Methode, die den Emanzipationskampf der unterdrückten Arbeiter in„Terrorismus", die Verfolgungswuth der Arbeit« geber in„aufgedrungene Nothwehr" umlügt, und aus der schamlosesten Wahlbeeinflussung einen„Schutz der Wahl» freiheit" macht.— digen, und das jammervolle Schicksal der zum Tod bestimm» ten Bürger voll inniger Wehmuth beklagte. Und der gräß» liche Eid vollends, den er geschworen, den ihm der Vetter selbst noch dringend ans Herz gelegt, den er seinem Glauben und Gewissen zufolge, nicht einmal dem Priester im Beichtstuhle entdecken durfte, um nicht hinieden elend zu sterben, und jenseits auf ewig zur höllischen Flamme ver« dämmt zu sein! Der Knabe litt unaussprechlich, und zu diesem Seelenleiden gesellte sich noch körperliche Angst. Wenn ein Luftzug durch das hochgelegene Luftloch herein strich, glaubte er das mordgierige Schnauben Zodicks zu vernehmen; wenn eine Ratte an den Riegeln und Angeln der Thüre emporkletterte, fürchtete er die Annäherung seiner grausamen Feinde zu hören. Seines Vetters Gestalt sogar, die sich früh und mittags zeigte, um dem kleinen Gefangenen Atzung hinzustellen, beruhigte seine aufgeregten Sinne nicht. Er wußte ja leider, daß sein Verwandter selbst zu der abscheulichen Rotte gehörte; er durfte arg« wöhnen, daß vielleicht in der nächsten Stunde der ent- artete Mann selbst die Hand zu seines unschuldigen VetterS Tode bieten möchte. Und näher, und immer näher schlich schon wieder der Abend, und näher und näher kam die Zeit des Verderbens, und er, der um alles wußte, mußte schweigen, an Schwur und Kerker gefesselt!— Da wurden hastige Schritte in dem Vorgewölbe hörbar: geschäftige Hände riegelten auf und drehten den Schlüssel der Thüre beheilde, Aind Vrändling, blaß und zerstört, rannte in den Keller. Der erschrockene Knabe, nur seinen Tod ahnend, floh in die Ecke des Gewölbes, aber Brändliug beruhigte ihn durch Wort und Geberde, indem er zu ihm sprach: „Guter Vetter, lieber Heinrich! Du warst von jeher ein wackerer Knabe und Verwandter, und nicht meine Schuld ist's— Du weißt es wohl—, daß Du hier sitzest, gleich- wie in der Löwcngrnbe. Zürne mir darum nicht, und thu' mir das zu Liebe."— Der Knabe war bereitwillig und Vrändling fuhr fort:„Ein schlechter Mensch von meinen Zechgästen hat dem Weinstecher Veit verrathen, daß ich dann und wann stummen Wein ausschänke. Du lieber Gott ! in der Zerstreuung geht wohl manchmal dergleichen vor, und ich habe nicht'mal recht gewußt, daß ich ein unklar Faß im Keller habe. Veit war aber da, er hat's gefunden, und ist hinweg gegangen, mit der Drohung, noch heut den
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