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1. Beilage zumVorwärts" Berliner Volksblatt. Nr. 223. Dienstag, den 2o. September 1894. 11. Jalzrg. Arbeiter! �arteigenojfen? Der brutal« Willküralt des Brauereirings harrt noch der Sühne. Den Hunderten unschuldig aufs Pflaster geworfenen Arbeitern ist noch keine Genugthuung ge» worden. Arbeiter und Parteigenossen! Ohne Eure opferwillige Unterstützung würden die Eemaßregclten der bittersten Roth verfallen und gezwungen sein, um Gnade zu betteln. Die Hochherzigkeit der Berliner Arbeiterschaft hat diese Schmach verhindert. Der erste Sturmlauf des Protzenthums scheiterte an Eurem Solidaritätsgefühl. Nicht eine Bresche vermochte der Bierring in Eure Reihen zu legen. Einig, geschlossen, kampfesmuthig und opferwillig seid Ihr fest entschlossen, den entbrannten Kampf zum siegreichen Ende zu führen. Arbeiter, Parteigenossen! Euer Wollen garantirt Euer Können! Ihr könnt, wenn Ihr wollt. Den zweiten Sturmlauf auf Euere Phalanx mußten die dem Bierring Lehensdienste leistenden Saalbesitzer unternehmen. Die Agitation sollte unterbunden, das Mund- todtmachungssystem praktizirt werden. Auf der Mine, die sie gegraben, sind die Saalbesitzer aufgeflogen. Ihr Wehgeschrei könnte Mitleid erwecken. Arbeiter, Parteigenossen! Selbst der Himmel, auf den der Bierring seine letzte Hoffnung setzte, ist mit uns im Bunde. Die Saison kann dem Ring nicht mehr über die Verlegenheiten hinweghelfen, die mit jedem Tag des weiteren Kampfes sich thurmhoch häufen. Ausharren bedeutet für uns siegen. Unsere Position ist uneinnehmbar. Der Stand des Boykotts ist ein vorzüglicher. Wir können zuwarten, ohne entbehren zu müssen. Arbeiter, Genossen! Je konsequenter der Boykott durchgeführt wird, desto nachhaltiger seine Wirkung, desto entscheidender der Sieg. Duldet keine Ausflüchte, keine Ausreden. Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns. Soweit unser Einfluß reicht, muß das Ringbier verpönt werden. Nicht ein Tropfen darf getrunken werden. Arbeiter, Genossen! Die Bierzufuhr ist eine geregelte. Sie wird mit jedem Tag der Fortdauer des Boykotts eine bessere. Alle Ansprüche können befriedigt werden. Darum widersteht jeder Versuchung, Ringbier zu trinken. Die schwerste Arbeit ist gethan. Die Periode der Organisirung des Kampfes war die aufreibendste. Jetzt wird uns der Kamps leicht, weil wir das Terrain zum guten Theil beherrschen. Der Sieg muß unser werden, wenn wie bisher mit gleicher Schärfe und Ausdauer der Parole gefolgt wird. Hoch der Boykott sämmtlicher Ringbranereien! Trinkt keinen Tropfen Ringbier! Die BoykoMommlsfion. BoyWrties Bier liefern Brauerei Carlsberg , Friedrich Reichenkron, Char l o t t e n b n r g. Brauerei Wilhelmshöhe , E. Lehmann, Berlin . Brauerei Pichelsdorf, Direktor Hofsmann. Miincheuer Brauhaus, Aktien-Gesellschaft, Berlin . Süddeutsche Brauerei, Karl Kintz u. Ko., Berlin . Brauerei Muggelschlöstchen, Friedrichshagen . Nordsteru-Brauerei, Berlin . Rathenower Exportbrauerei- Niederlage. Jnh. Max Dennhardt, N.W. , Hannoverschestr. 18a. Tel. III. 8178. Schloßbrauerei, Fürsten weil de. Niederlage bei Franz Heiser, 15l., Liesenstr. 5. Bürgerliches Brauhaus(in Firma Müller), Frank s u r t a. O. Phönix-Brauerei, C. Radon, L i ch t e r f e l d e. Brauerei Jagdschlößchen, Eberswalde . Niederlage, Edm. Renter, Swinemünderstr. 45. Brauerei Wusterbause», Vertreter: Max Fleischer , Reichenbergerstr. 155. Brauerei Tivoli, Strausberg . Niederlage Stabernack, Mühlenstraße 49a. Brauerei in Storkow (in Firma A. Miethe), Vertreter Spiekermann, Weberstraße 66. Louisen-Brauerei, Bellermannstr. 71a/72. Brauerei Danz, Freienwalde a. O. Vertreter: W.Marten, 1�., Gartenstr. 152. Bürgerliches Brauhaus, Luckenwalde . Niederlage Gust. Spieker mann, Weberstr. 66. Dolrsles. des Heute, Dienstag, Abend, kann die Sprechstunde Rechtsanwalts nicht abgehalten werden. Ein Verein der Saalbesitzer soll in einer zum nächsten Donnerstag einberufenen Versammlung sämmtlicher Saalbesitzer Berlins und der Umgegend gegründel werden. Ein von den Einberufern bereits ausgearbeitetes Statut sagt im ZI: Der Verein bezweckt die Förderung aller gemeinsamen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere soll der Verein seinen Mit- gliedern Schutz gewähren gegen sämmtliche geschäftliche Ueber. griffe und Verrufserklärungen, von welcher Seite diese auch »mnier kommen mögen. Politik ist ausgeschlossen. Der Sitz des Vereins ist Berlin. Die Mitglieder unterwerfen sich einer Konventionalstrafe von 600 M. für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung gegen die übernommenen Ver- pflichtungen. Als Gegenleistung des Vereins bestimmt der Z 6 des Entwurfs:Der Verein gewährt seinen Mitgliedern Eni« Schädigungen bei Verrufserklärungen und sonstigen unvorher. gesehenen Unglücksfällen, wie auch beim sogenannten stillen Boykott, d. h. wenn ein Lokal ohne Verschulden des Besitzers von einer bestimmten Partei, welche fast immer dort verkehrte, ge« stiffentlich gemieden wird." Darf man den Ringblättern glauben, so soll dieser Verein «inSchutz- und Trutzbündniß gegen die Uebergriffe der sozial- demokratischen Vereinigungen" fem. Mag sein, daß dies der fiveck ist, ob er aber erreicht wird, das ist vorläufig ein« andere rage. Ter geheime Boykott. Ueber das schwarze Buch der Hausbesitzer sucht man allerhand beschönigende Notizen in die Presse bineinzulanciren. Die ganze Maßregel soll äußerst harmlos sein und sich nur gegenganz böswillige" Miether richten. Man weiß. wieviel auf derartige Versicherungen zu geben ist. Die Verwerflichkeit des Boykottirungsversuchs der Hausagrarier charakterisirt sich aber dadurch, daß er geheim betrieben wird und daher nicht allein jeder Böswilligkeit Thür und Thor öffnet. sondern auch seinen Opfern jede Möglichkeit nimmt, sich zu vertheidigen und zur Wehr zu setzen. Es ist natürlich nichts anderes zu erwarten, als daß dieselbe Presse, die den offenen ehrlichen Boykott der Arbeiterschaft am liebsten mit Polizei und Strafgesetz aus der Welt geschafft sehen möchte, gegen den versteckten Boykott der Hauspaschas nichts einzuwenden dat. Als Urheber desschwarzen Buchs" gilt der Hausbesitzer Röhricke in Moabit . Unter der Oberhoheit des Herrn Thielen ist nicht allein die Arbeiterschaft, sondern auch das reisende Publikum vortrefflich aufgehoben. Auf bemerkenswertheFortschritte" im Eisenbahnwesen verweist ein Vergleich des heutigen Kursbuches mit dem des Jahres 1877. Damals vor 17 Jahren gab es einenSchnellzug" zwischen Berlin und Dresden , der nur 2 Stunden 49 Minuten fuhr, jetzt durchfährt der schnellste Schnellzug die 176 Kilometer in 3 Stunden 6 Minuten. Während damals Köln von Berlin aus über Hannover in 9 Stunden 16 Minuten erreicht werden konnte, braucht jetzt derHarmonikazug" 9 Stunden 36 Minuten. Immer langsam voran; man muß gestehen, daß Herr Thielen sich dem Geist der Zeit, so wie er in der Aera des Verkehrs und der Sozialreform von oben herab verstanden sein will, vortrefflich anzupassen versteht, Pietätlos. An dem altehrwürdigen Roland zu Branden bürg a. H., wo man mit der Einrichtung einer städtischen Wasser leitung beschäftigt ist, fand man kürzlich eines Morgens ein zroßes Nachtgeschirr mit der Aufschrift:Sammelbecken für die pädtische Wasserleitung" aufgehängt. Die Wirksamkeit unserer Polizei. Zu demKaiser- manöver", das dieser Tage abgehalten worden ist, sind von Berlin aus nicht weniger als zwei Polizei-Osfiziere, zwei Wacht meister und vierzig Schutzleute nach Ostpreußen kommandirt worden. Das Kommando hat, wie gemeldet wird, zu Ab sperrungen Verwendung gefunden und ist jetzt wieder wohl behalten nach Berlin zurückgekehrt. Zu den Getverbegerichts-Wahle». Vorflehend bringen wir das Wahllableau für die Arbeitgeber und bemerken daß die Wahl von 129 Uhr ununterbrochen stattfindet. Die Wahl ist geheim und findet mittels Stimmzettel statt. I. Wahlbez. Wahllokal: Verl . Rathhaus, Zimmer Nr. 63 I.(Eingeschr. Wähler 268. Zu wählen 2 Arbeit gebet.) 2. Wahlbez. Wahllokal: Roßstr. 6, bei Götsch.(Eingeschr. Wähler 192. Zu wählen 3 Arbeit geber.) 3. Wahlbez. Wahllokal: Deutscher Dom . Eingang Mohrenstaße.(Eingeschr. Wähler 168. Zu wählen 3 Arbeitgeber.) 4. Wahlbez. Wahllokal Markgrafeustr. 78 bei Rost. (Eingeschr. Wähler 249. Zu wählen 2 Arbeitgeber.) 6. Wahlbez. Wahllokal: Albrechtsgarten, Wilhelmstr. 106. (Eingeschr. Wähler 147. Zu wählen 3 Arbeitgeber.) 6. Wahlbez. Wahllokal: Lützowstr. 10 bei Gutsseld. (Eingeschr. Wähler 76. Zu wählen 1 Arbeitgeber.) 7. W a h l b e z. Wahllokal 167. Gemeindeschule, Derfflingcrstr. 18.4 (Eingeschr. Wähler 118. Zu wählen 3 Arbeitgeber.) 8. Wahl bezirk. Wahllokal: 126. Gemeindeschule, Culmstr. 16.(Ein geschriebene Wähler 161. Zu wählen 1 Arbeitgeber.) 10. Wahlbez. Wahllokal: 76. Gemeindeschule, Barutherstr. 20. (Eingeschr. Wähler 164. Zu wählen 2 Arbeitgeber.) 11. Wahl- bezirk. Wahllokal: 149. Gemeindeschule, Bergmannstr. 28/29 (Eingeschr. Wähler 161. Zu wählen 1 Arbeitgeber.) 12. Wahl bezirk. Wahllokal: 116. Gemeindeschule, Skalitzerstr. 66/66. (Eingeschr. Wähler 208. Zu wählen 2 Arbeitgeber.) 13. Wahlbez. Wahllokal: Manteuffelstr. 67 bei Hilbert. (Eingeschr. Wähler 148. Zu wählen 1 Arbeitgeber.) 14. Wahlbez. Wahllokal: 80. Gemeindeschule, Wrangelstr. 133. (Eingeschr. Wähler 133. Zu wählen 3 Arbeitgeber.) 16. Wahlbez. Wahllokal: Oranienstr. 34 bei Meinicke. (Eingeschr. Wähler 107. Zu wählen 1 Arbeitgeber.) !7. Wahlbez. Wahllokal: 129. Gemeindeschule, Wasserthorstr. 31 (Eingeschr. Wähler 133. Zu wählen 2 Arbeitgeber). 18. Wahl- bezirk. Wahllokal: Alexandrinenstr. 110 bei Wohllebe.(Ein- geschriebene Wähler 332. Zu wählen 1 Arbeitgeber.) 20. Wahlbez. Wahllokal: 2. Gemeindeschule. Schmidtstr. 16. (Eingeschr. Wähler 242. Zu wählen 3 Arbeitgeber.) 21. Wahlbez. Wahllokal: Seydelstraße 30 bei Arendt. (Eingeschr. Wähler 280. Zu wählen 1 Arbeitgeber) 22. W a h l b e z.: Wahllokal: 49. Gemeindeschule, Blumenstr. 634 (Eingeschr. Wähler 186. Z» wählen 2 Arbeitgeber.) 23. Wahlbez. Wahllokal: 34. Gemeindeschule, Langestr. 76. (Eingeschr. Wähler 110. Zu wählen 1 Arbeitgeber. 25. Wahl: bezirk. Wahllokal 87. Gemeindeschule, Memelerstr. 24/25. (Eingeschr. Wähler 77. Zu wählen 1 Arbeitgeber.) 26. Wahl- bezirk. Wahllokal I36./137. Gemeindeschule, Friedenstr. 37 (Eingeschr. Wähler 160. Zu wählen 2 Arbeitgeber. 27. W a h l: bezrrk. Wahllokal 94. Gemeindeschule, Strausbergerstr. 8. (Eingeschr. Wähler 201. Zu wählen 2 Arbeitgeber.) 23. Wahlbezirk. Wahllokal: 6. Gem.- Schule, Georgen kirchstraße 11.(Eingeschr. Wähler 113. Zu wählen 3 Arbeit- geber.) 29. Wahlbezirk. Wahllokal: 66. Gem.-Schule. Friedenstr. 23.(Eingeschr. Wähler 102. Zu wählen 2 Arbeit- geber.) 30. Wahlbezirk. Wahllokal: Alte Schönhauser- straße 23/24 bei Schütte.(Eingeschr. Wühler 67. Zu wählen 2 Arbeitgeber.) 31. Wahlbez. Wahllokal: 63. Gcin.-Schule, Gipsstr. 234.(Eingeschr. Wähler 116.»Zu wählen 1 Arbeitgeber.) 32. Wahlbez. Wahllokal: Templinerstr. II bei Berger.(Ein- geschriebene Wähler 106. Zu wählen 2 Arbeitgeber.) 34. Wahl- bezirk. Wahllokal: 67. Gemeindeschule, Ackerstr. 234.(Ein- geschriebene Wähler 160. Zu wählen 1 Arbeitgeber.) 35. Wahlbez. Wahllokal: 26. Gemeindeschule, Ruppiner- straße 48.(Eingeschr. Wähler 391. Zu wählen 1 Arbeitgeber. 36. Wahlbez. Wahllokal: 110. Gemeindeschule, Schönhauser Allee 1664.(Eingeschr. Wähler 161. Zu wählen 3 Arbeitgeber.) 37. Wahlbez. Wahllokal: 142, Gemeindeschule, Demmiuer- straße 67.(Eingeschr. Wähler 361. Zu wählen 1 Arbeitgeber.) 33. Wahlbez. Wahllokal: 14. Gemeindeschule Kesselstr. 3. (Eingeschr. Wähler 147. Zu wählen 1 Arbeitgeber.) 39. Wahlbez. Wahllokal: 179. Gemeindeschule, Albrechtstr. 16. (Eingeschr. Wähler 82. Zu wählen 2 Arbeitgeber.) 40. Wahlbez. Wahllokal: 128. Gemeindeschule, Thurmstr. 86. (Eingeschr. Wähler 468. Zu wählen 4 Arbeilgeber.) 41. Wahlbez. Wahllokal: 118. Gemeindeschule Pankstr. 7/8. (Eingeschr. Wähler 303. Zu wählen 3 Arbeitgeber.) 42. Wahlbez. Wahllokal: 32. Gemeindeschule, Pankstr. 26. (Eingeschr. Wähler 266. Zu wählen 1 Arbeitgeber.) Znerst die liebe Geistlichkeit. Nicht weniger als 44 be- vorstehende Subhastationen von sHausgrundstücken sind beim Pfarramt Schöneberg innerhalb fünf Wochen zur Kenntniß gebracht worden. Wenn man frägt, warum diese Meldungen die Kirche mit ihren etwa vorhandenen Forderungen an Grund- stücken befriedigt werden muß. Bei allem Schwindel und aller schlechten Zeilen haben die Diener des Mannes, der nicht wußte, wo er sei» Haupt hinlegen sollte, also am wenigsten Ursache zu pekuniärer Bekümmerniß. In der Volks-Kaffechalle Neue Schönhauserstraße»ahm die Polizei wieder einmal eine der üblichen Massensistirungeu vor. Etwa 80 Personen, die sich in diesen Räumen aufhielten, mußten den etwa 30 Schutzleuten, die unter Anführung eines Polizei- lieutenants in dasLokal eindrangen, aufs Revierbureau in derOranien- burgerstraße folgen, woselbst ihre Personalien festgestellt wurden. Einige der Sistirten wurden in Haft behalten. Diese Maßregel hatte natürlich einen großen Zusammenlauf verursacht; das Publikum unterhielt sich noch lange lebhaft über die Popularität, welche die segensreiche Einrichtung der Volks-Kaffeehallen sich bei der Polizei erworben hat. Die Polizei stattete ebenfalls dem Kaffee Kullmann in der Kleinen Haniburgerstraße 2 einen unerwarteten Besuch ab und nahin von hier 14 Gaste mit. I» diesen soll sie einen guten Fang gemacht habe»; denn es war anscheinend gestohlenes Gut vorhanden, das die Verhafteten den Augen der Polizei zu ver- bergen, vergeblich bemüht waren. Zur Lokalliste. Herr Fritz Meyer, Pankow , Flora- straße 69, erklärt, daß das Gerede, er verzapfe boykottirtes Bier. auf Unwahrheit beruhe; seit Beginn des Boykotts habe er kein anderes Bier als solches aus der Brauerei Pichelsdorf geführt. In der letzten Lokalliste ist der Gastwirth K i e r st e i n, irr- thümlich als in der Admiralstr. 36 wohnhaft ausgefüyrt worden; er wohnt Admiralstr. 33. Der Gastwirth E. Mettge, AndreaSstr. 44 mußte wegen Verkaufs von Ringbier von der Lokalliste gestrichen werden. Die Kindersterblichkeit ist i» Berlin in diesem Sommer. obwohl derselbe zu den kühleren gerechnet werden muß, immer noch recht hoch gewesen. Den Einfluß der Temperatur auf die Zahl derErkrankungen an Diarrhoe, Brechdurchfall, Magen- und Darmkatarrh und damit auf die Höhe der Kindersterblichkeit haben wir in Nr. 191 für die Monate Juni und Juli gezeigt. In dem ganzen Sommer, d. h. in den Monaten Juni, Juli und August die Meteorologen rechnen den Sommer nicht. wie der Kalender, vom 21. Juni bis 21. September, sondern vom 1. Juni bis 1. September sind in Berlin 4278 Kinder unter 1 Jahr gestorben. Das Steigen und Fallen der Sterblich- keit läßt die Znsammenstellung nach Wochen genau erkennen. Es starben in den 13 Wochen des Sommer-Pierteljahrs 167, 174, 133, 212, 310, 296, 342, 447, 615, 640, 461, 364, 287, zusammen 4273 Kinder unter 1 Jahr. Bei 3742 davon war die Er- nährungsweise angegeben. Es wurden ernährt: mit Brust- milch 280, mit Thiermilch, Surrogat, gemischter oder sonstiger Nahrung 3462; das heißt: von je 1000 gestorbenen Kindern unter 1 Jahr, bei denen die Ernährungsweise angegeben wurde. waren 76 mit Brustmilch und 926 mit Thiermilch u. s. w. ernährt morden. Um diese Zahlen vollkommen würdigen zu können, muß man die Vertheilung der verschiedenen Ernährungsarten aus die lebenden Kinder unter 1 Jahr zur Vergleichung heran- ziehen. Den Jrrthum, daß eben nur ein egeringe Zahl von Kindern mit Brustmilch ernährt werde, sodaß diese Kinder auch nur in geringer Zahl unter den Gestorbenen vertreten sein könnten, haben wir bereits früher widerlegt. Nach Ermittelungen, die bei der letzten Volkszählung gemacht wurden, wurden von allen am I. Dezember 1890 in Berlin vorhandenen Kindern unter 1 Jahr unter je 1000 Kindern 630 mit Brustmilch, 463 mit Thiermilch u. f. w. und 17 mit Brust- und Thiernülch u. s. w. ernährt. (In dem ArtikelDie Ernährung derSäuglinge" in Nr. 177 haben wir die Zahlen für einzelne Monate angegeben, ivobei andere Zahlen herauskommen als für das ganze Jahr.) Für 1894 sind natürlich die absoluten Zahlen nicht mehr dieselben wie für 1890, aber in ihrem Verhältniß zu einander dürsten sie sich kaum wesentlich verschoben haben. Die Zahl der mit Thiermilch u. f. w. ernährten Kinder ist also, wenn man die ganze Gruppe der Kinder unter ein Jahr ohne Unterscheidung Zer einzelnen Monate betrachtet, immer noch geringer als die der Brustkinder. Dagegen starben im Sommer 1894 von mit Thier- milch u. f. w. ernährten Kindern über zwölfmal soviel als von Brustkinder». Eine recht dunkel und zweifelhaft klingende Geschichte wird von einer Lokalkorrespondenz in folgendem gemeldet: Die nicht kontrollirbare Nachricht, daß am II. d. M. im Manöver bei Ruhlsdorf 16 Soldaten vom 12. bczw. 62. Infanterie- Regiment verschwunden seien, ist von mehreren Reservisten nach Berlin gebracht worden. Die beiden Regimenter hatte», so heißt es, vom 10. bis U.d.M. das zweite Biwak bezogen. Ilm 3 Uhr Morgens feien die Truppen alarmirl worden und hätten einen umpsigen Graben überschreiten müssen. Später bei dem Sammeln der Kompagnien sollen 6 Mann vom 12 und 10 Mann vom 62 Regiment gefehlt haben. Unter den erstercn sollen stch 3 zur Entlassung stehende Soldaten befunden haben. Die Ver» mißten wurden, wie versichert wird, von einer aus die Suche kommandirten K"n>pagnie nicht aufgefunden. Die Nachricht klingt so ungeheuerlich, daß sie bis zur amtlichen Bestätigung mit großer Vorsicht aufzunehmen sein dürfte. Wir geben die Nach- richt, um das Generalkommando des dritten Armeekorps zu ver- anlassen, die in das Publikum hineingetragene Meldung eventuell auf das richtige Maß zurückzuführen. Zur Wucheraffäre erfährt ein Berichterstatter, daß dieselbe gerade ans Pfarramt ergangen sind, so lautet die Antwort, daßenorme Dimensionen annimmt, und es soll den Anschein haben,