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Nr. 278 37.Jahrgang Ausgabe A nr. 2.

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Der Vorwärts" mit der Sonntags beilage ,, Bolt u. 8eit" erscheint wochen. täglich zweimal. Sonntags und Mon tags einmal

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Sozialdemokrat Berlin .

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Vorwärts

Berliner Volksblatt

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Zentralorgan der fozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Expedition: SW. 68, Lindenstr. 3. Fernsprecher: Amt Morisplag, Nr. 15190-15197..

Mittwoch, den 2. Juni 1920

Der Weg aus der Not.

Not lehrt beten! sagt ein altes Sprichwort.| auf Opfer, denn die Mechanik der Wirtschaft ist Die Not ist es, die die Menschen, die sonst unerbittlich, sie geht über Menschenleichen. Da­gedankenlos in den Tag hineinleben, zwingt, bei übersteht die wohlhabende Oberschicht sich die Frage vorzulegen, warum eigentlich jede wirtschaftliche Krisis, die sie selbst er­diese oder jene für sie verhängnisvolle Erschei- 3 eugt, weil die vermögenslose Unterschicht nung kommen mußte! die Opfer zu bringen hat. Die Erscheinungen der Wirtschafts- In der Krisis legt der Unternehmer den Be­krisen mit ihren Folgen Arbeitslosigkeit trieb still, um sein Kapital zu retten, um sich zu und soziales Elend haben die Arbeitermassen schützen. Das ist gegen jegliche Gerechtigkeit, aufgerüttelt und zur Entstehung einer neuen gegen jedes natürliche soziale Empfinden. Lehre von der Wirtschaft, zum Sozialismus, geführt. Wiederum stehen wir in einer schwe­ren Wirtschaftskrisis, die nicht wie früher

Wer ändert das?

Vorwärts- Verlag G.m.b. H., SW. 68, Lindenstr. 3. Fernsprecher: Amt Moritplats, Nr. 117 53-54.

Stärkste Wahlbeteiligung!

Von der Wahlstimmung ist keine Partei ganz befriedigt. Die Versammlungen sind, wenn nicht die größten Kanonen" aufgefahren werden, und wenn man sich nicht auf eine volts­tümliche Sensation gefaßt macht, nicht immer gut besucht. Man spricht von Wahl müdigkeit. Man meint, daß die letzten anderthalb Jahre die Menschen politisch erschöpft haben und daß man sie in der Hochspannung trop Kapp- Butsches und S.-.- P.- D.- Schrecks nicht erhalten könne.

Bei all dem aber läuft der Irrtum mit, daß man in den Wahlversammlungen einen Maßstab für das Wahlergebnis zu finden sucht. Man zieht als Vergleich unbewußt die Wahl­bewegung vom Januar 1919 heran und kommt da bei zu einem falschen Ergebnis. Unter dem starken Eindruck der Erschütterung vom November war das Interesse an der Wahl zur Nationalversammlung außerordentlich rege. Für die Frauen, für die jungen Leute, für die aus dem Kriege Heimgekehrten, für alle die, die noch niemals gewählt hatten, war der Wahltag etwas ganz Außerordentliches. Die Wähler wenn man weiter zurückdenkt, entsinnt man sich, daß bei und Wählerinnen tamen in Scharen zu den Urnen. Aber mancher früheren Wahl- wir erinnern nur an die Berliner Wahl von 1898- der Besuch der Versammlungen depri Bartei glänzend war und auch die Wahlbeteiligung die düsteren mierend schlecht war, während das Wahlergebnis für unsere

Allein das Volk selbst, vor allem die 75 Pro3., aus der Ueberproduktion einer zügellofen die als Arbeitnehmer Lohn oder Gehalt emp­Wirtschaft, sondern aus der Unterproduk- fangen. Das Volk hat die Macht, denn es hat tion mit dem Kennzeichen der Warenüber- die Mehrheit. Es darf daher fordern, daß feuerung entstanden ist. Die Ursachen beider die Produktion und die Verteilung nach den Be- Voraussagungen Lügen strafte. find die gleichen. dürfnissen des Volksganzen, nicht aber nach Wir können den Wählern und Wählerinnen nicht allein dem Profitstreben einer kleinen Schicht wir werden manche mahnen müssen, ihre Pflicht der Partei Den zügellosen Wirtschaftsegoismus kapitalstarker Unternehmer geleitet gegenüber zu erfüllen; wir werden manche erinnern, daß bändigen die Naturgesehe ohne Rücksicht werden.

die Verantwortung überlassen, ob sie zur Wahlurne gehen.

jeder über 20 Jahre alte Mann und jede über 20 Jahre alte Frau oder Jungfrau das höchste politische Recht auszuüben hat, daß sie sich der Verantwortung nicht entziehen dürfen, über die 8usammensetzung des Parlaments, über das Stärkeverhältnis der Parteien und damit über die Gestalt der Re­gierung zu entscheiden. Hier ergeben sich be­deutsame Aufgaben für jeden Parteigenossen, für jede Ge­noffin. Die Lauen und die Gleichgültigen, die sich ihrer politischen Pflichten nicht bewußt sind, sind aufzurütteln, sind zu mahnen, daß der nächste Sonntag nicht ihnen, sondern der

Wort, durch eine Kluge Einwirkung, durch eine vernünftige Belehrung zu gewinnen, daß sie am 6. Juni ihre Stimme

Allein planmäßige fozialistische Wirtschaftsführung durch organisierte Wirtschaftszweige unter Leitung der tüchtigsten Fachleute und unter öffentlicher Kontrolle vermag das Volk von den verheerenden Wir­fungen einer zügellofen privatfapitalistischen Wirtschaft zu befreien. Der füchtige Betriebsleiter foll ehrgeiziger, machthungriger Unternehmer auf Bartet der Arbeiterklasse, der Sozialdemokratischen Partei Wirtschaftsführer werden und als solcher Kosten ihrer Angestellten und Arbeiter soll ein Deutschlands gehört. Zehntausende sind durch ein richtiges dem Volk verantwortlich sein. Daß das Ende finden. privatkapitalistische Unternehmertum nur auf Der verlorene Krieg hat das deutsche Volk für die Kandidaten und Kandidatinnen der Sozialdemokrati­den eigenen persönlichen Vorteil bedacht ist, be- so arm gemacht, daß alle seine Kräfte zusam- schen Bartei abgeben. Weit mehr sollten sie tun, sie sollten weist schlagend die Tatsache, daß es jederzeit mengehalten werden müssen, um dem wüsten noch für die Wahl wirken im Streise ihrer Bekannten, sich für den Wahltag zu dieser oder jener notwendigen Aufgabe in bereit ist, Spiel der Kräftezersplitterung, unter der den Dienst unserer Organisation stellen. Man wird nicht genug ilfs träfte für den Wahl­Keine Werke den Ausländern zu verkaufen, wir so schwer zu leiden haben, Einhalt zu tun. dienst an diesem großen Tage haben. Kein zuverlässiger wenn es auf diesem Wege zu höherem Profit Sozialismus ist höhere Wirtschaftsform. Mann, teine hilfsbereite Frau, fein Jüngling und, tein gelangt. Daher müssen die Produktions - Er ist keine Erfindung, sondern Ent- man wird für sie alle Verwendung finden. Man denke nur, miffel, d. h. Grund und Boden, Bergwerke, wicklungsergebnis. Die höchsten Formen wie viele notwendig sind, um den Schlepperdienst am Wahl­tage auszuüben; wieviel Gänge nötig sein werden, wie viele Fabriken und Rohstoffe usw., Gesellschafts- des Kapitalismus, die kapitalistische Vergesell- Arbeit sich am Wahltage noch ergeben wird, an die gar viele, eigentum werden, damit sie zum Besten des schaffung, sind in gewaltigem Ausmaß bereits da. die das wählen für ein einfaches Geschäft halten, gar nicht Volkes verwaltet werden. Am 6. Juni 1920 hat das arbeitende deutsche denken. Mehr als bei irgendeiner Wahl vorher wird es gelten, Das bedeutet nicht Aufhebung des Pri- Volk zu zeigen, wie weit es in der Erkenntnis daß es auf jede Stimme ankommt, Bar es früher vateigentums an all den Gütern, die zur fortgeschritten ist, daß nicht das Chaos der nur ein Ehrenpunkt für die Sozialdemokratie, daß sie in der Ausgestaltung der privaten Lebensführung freien Wirtschaft, sondern die plan­der Arbeiter sich beschafft hat, die als Lohn be- mäßige Wirtschaftsführung allein es aus sonderer Tüchtigkeit und besonderen Fleißes er- seiner Armut zu erträglicher und zu höherer Lebenshaltung führen kann. worben wurden.

Aber das Gegeneinanderarbeiten

Wer in dieser Richtung arbeiten will, wird

am 6. Juni sozialdemokratisch wählen.

Mädchen wird die Hände in den Schoß zu legen haben;

Statistit mit einer möglichst großen Stimmenzahl in einem erfreulichen Abstand der gewonnenen Stimmen gegenüber denen der vorangegangenen Wahl dastand, so wiegt heute jede einzelne Stimme tatsächlich mehr, als

das früher der Fall war.

bekommen, desto mehr Abgeordnete werden wir erhalten, desto

Das gilt vor allem politisch, denn je mehr Stimmen wir größer wird die Aussicht, daß mehr als die Hälfte aller Ab­geordneten auf den sozialdemokratischen Bänken sizzen werden, und daß wir deshalb aus eigener Straft bestimmen werden können, wer künftig in Deutschland regiert, und daß wir entscheiden können, wie fünftig in Deutsch­ land regiert werden soll. Früher waren wir man könne in diesem Deutschösterreich die Räterepublik ausrufen. eine waren Oppositionspartei; wir im kaiserlichen Ein Sowjetösterreich würde sich wirtschaftlich nicht halten Deutschland eine Partei, die nach menschlichem Ermessen können. Da die Eingliederung Deutschösterreichs in ein größeres in absehbarer Zeit nicht zur Regierung fommen Wirtschaftsgebiet zu einer engeren Fühlung mit dem revolutionären konnte. Da schien es ziemlich gleichgültig, ob 60 000 Proletariat führen würde, so hätte er nichts gegen den Anschluß Stimmen mehr oder 60 000 Stimmen, weniger abgegeben an Deutschland . Ein anderer Kommunist gab die Erklärung wurden. Da war es füglich zuletzt auch keine Frage von ab, daß die Kommunisten durchaus nicht die Gewerkschaften sprenentscheidender Bedeutung, ob ein Vierteldugend Abgeordneter gen, sondern sie nur radikalisieren wollten. mehr oder weniger gewählt wurde. Ganz anders jetzt. Das Und dann sind nach unseren deutschen Erfahrungen bie Radi- gilt, wenn sich unser hohes Ziel verwirklichen soll, daß wir kalifeure von gestern heute schon Bonzen!

Sowjetrußland kann nichts liefern. Bernünftige Kommunisten in Deutschösterreich. Wien , 1. Jnni.( Eigener Drahtbericht des Vorwärts".) Dem Kreisarbeiterrat überbrachte in der heutigen Sigung ein aus Ruß­ land zurückgekehrter Kriegsgefangener die Grüße eines Kameraden. Da er für die Handelsbeziehungen mit Sowjetrusland ein­trai, gab Abg. Emmy Freundlich Aufschluß über die Berhand­lungen, die sie seinerzeit in Wien und später in London im Namen der Genossenschaften mit russischen Genossenschaftern geführt hat. Sie erklärte, daß die Russen gar feine Susage machen, Wie die Wiener ,, Neichspost" erfährt, hat die Entente gegen fonnten, wirklich etwas zu liefern. Deutschösterreich könnte keine die geplante Erhöhung der Kopfbrotmenge in brei Wochen von dem leben, was Rußland schicken würde, selbst Desterreich Borstellungen erhoben, da diese Maßregel wenn es Lokomotiven und Wagen hätte. Der Kommunist von ihrem guten Willen abhänge, fie aber nicht befragt worden Friedländer führte aus, daß auch die Kommunisten, die auf sei, zumal auch die Weltversorgung mit Brotgetreide eine solche Die Weltrevolution hinarbeiten, nicht auf, dem Standpunkt stehen, Erhöhung nicht begünstige.

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die Mehrheit im Parlament erhalten, das gilt auch, wenn diese Zielsetzung durch das Wahlergebnis als verfrüht fest­gestellt werden sollte. Denn auch dann kommt es auf iede Stimme an, auf jede Abgeordnete und auf jeden Abgeordneten, der mehr gewählt werden kann; denn wenn wir wieder zu einer Koalitionsregierung gezwungen werden, Iso hängt die Stärte unserer Partei innerhalb dieser Koalitions­