Nr. 282 37.Jahrgang Ausgabe A nr. 4
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Sozialdemofcat Berlin".
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Freitag, den 4. Juni 1920
Denkt an die Kinder!
Der fiefste Sinn des sozialistischen Gedankens ift der, daß der wirtschaftliche Befreiungskampf die Grundlage und bas Mittel ist zum tulturellen Befreiungstampf. Wir wollen nicht mehr die bis zur Raffiniertheit verfeinerte Sulfur einiger weniger Bevorzugter auf dem Grunde des geiffigen und wirtschaftlichen Elends der Massen, sondern den lebendigen Anteil der gesamt en Boltsgemeinschaft an den Kulturgütern ihres Volkes und der Welt.
Das Recht auf& ultur soll nicht länger ein Privileg der Besitzenden
die Freiheit der Lehre und des Unterrichts, die Hochschulbildung aller Lehrer. Beseitigt ist:
die geistliche Schulaufsicht,
der Zwang zum Religionsunterricht. Bresche gelegt ist:
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Bei der bevorstehenden Reichstagswahl spielen die Privat angestellten in Handel, Industrie usw. eine weit größere Rolle als bei früheren Wahlen. Das Wahlrecht der Frauen und die Festsetzung des Wahlberechtigungsalters auf 20 Jahre hat den Kreis der stimmberechtigten Angestellten bedeutend erweitert, dazu kommt, daß die Wahl nach dem Verhältniswahlsystem und mit Zählung der Stimmen legten Endes durch das ganze Reich den Angestellten eine ganz andere Möglichkeit gibt, fich zur Geltung zu bringen. Die bürgerlichen Parteien waren es bei früheren Wahlen in die alte klassenschichtung der Bildung durch gewöhnt, daß die Angestellten mit vereinzelten Ausnahmen für sie stimmten und arbeiteten, und ein wesentlicher Teil das Grundschulgesetz, das trotz des Wider- der Angestellten bildete geradezu einen Stoßtrupp standes der reaktionären Parteien, trotz der der reaktionärsten Parteien. Diese Parteien wiffen sehr wohl, daß sie schon während des Krieges und noch Ablehnung durch die Deutschnationalen noch mehr nach der Revolution viel Boden in den Angestelltenkreisen von der Nationalversammlung befchloffen ist. verloren haben, und bemühen sich, ihn durch eine verlogene Agitation wieder zurückzugewinnen. darum hat die Sozialdemokratie für das Bolts bil- froh der Koalition. Es ist aber erst ein Anfang. Die monie- Angestelltenverbände als zutreiber der bürgerlichen Das alles hat die Sozialdemokratie erreicht dungswesen ebenso große Opfer geleistet wie für den poli- Schule der Zukunft wird so aussehen wie der Reichstag , den Parteien. Ganz besonders der Deutsch - nationale fischen und wirtschaftlichen Kampf. Die wirtschaftliche Befreiung war und ist freilich die es jetzt zu wählen gilt. Der 6. Juni ist der Borbedingung für die fulfurelle: die Bedingungen, zu denen der Mensch seine Arbeitskraft im fapitalistischen Zeitalter verkauft, find der Wertmesser seiner tulturellen Bedürfnisse.
fein, fondern ein Recht des Bolles.
Darum ftanden Fragen der Boltsbildung, der Erziehung, der Sule von jeher mit im Brennpunkt unferer Arbeit;
Schicksalstag der deutschen Schule.
Auch jetzt wieder betätigen sich wie schon früher die Har
Sandlungsgehilfen Verband übte eine umfangreiche politische Tätigkeit im Interesse der antisemitischen und konservativen Bestrebungen aus. 1906 gründete er aus seinen Mitgliedern eine besondere ,, WartDie Schulgesetze, die der kommende Reichstag zu erledigen burg- Bereinigung", um die Propaganda für die antisemitische hat, entscheiden darüber, ob die Entwicklung vorwärts oder Reichstags- Mandidatur feines Borsitzenden Schack zu betreiben. rüdwärts gehen soll, ob im äußeren und inneren Ausbau Die agitatorischen Kräfte und Geldmittel für die Antisemiten unseres Schulwesens die Lofung Fortschritt oder Roab. Battmann und andere wurden hauptsächlich vom D. H.-C. Stillstand oder Rüdfchritt heißen foll.
Die Grundlage für eine wirkliche suffurgemeinschaft Innerhalb eines Boltes bildet eine einheitliche Schulbildung. Die wahre Einheitsschule, die jeder Begabung die höchstmöglichste Ausbildung ohne Rüdsicht auf Befihunterschiede gewährleistet, ist nur möglich in einer klassenlosen, sozialistischen Gesellschaft. Darum tönnen fich weder die Rechtsparteien noch die auf dem Boden des Kapitalismus ftehenden Demo- Zentrum, haben es
Von allen Parteien hat einzig und allein die Sozialdemokratie durch die Tat bewiesen, daß sie bereit ist, ihr Schul- und Kulturprogramm in die Wirklichkeit umzusetzen, wenn ihr ein entscheidender Einfluß auf die Gesetzgebung möglich ist. Die übrigen Parteien, Konservative, Liberale und
fraten aus innerster Ueberzeugung für eine Einheits. bei schönen Worten bleiben lassen,
schule einsetzen.
gestellt.
1912 gab der D.-B. bei den Reichstagswahlen allgemein die Stichwahl- Parole gegen die Sozialdemokratie heraus und rühmte fich mit deren Erfolg.
när- politischen Charakter dieser Organisation zu beseitigen, Daß selbst die Revolution nicht vermocht hat, den reaktioergibt fich aus einem Artikel, den der Direktor des Verbandes Deutscher Handlungsgehilfen zu Leipzig , Gustav Schnei. ber, demokratisches Mitglied der Nationalversammlung, in einem Auffat in der„ Silfe" über den„ Gewerkschafts bund der Angestellten " veröffentlicht:
Ju der Berfaffung ist auf das Drängen der Sozial- auch wenn fie die Macht in Händen haffen. demokraten der Grund für eine wirkliche Einheitsschule Bon allen Parteien fann auch aus inneren Der Gewerkschaftsbund, wohl der stärkste Block in der Angegelegt. In einem einzigen Jahre ist für die Be- Gründen einzig und allein die Sozialdemokratie für stelltenbewegung, hat die große Aufgabe, Förderer und Träger freifreiung der Schufe aus den Fesseln des eine einheitliche und freie deutsche Schule heitlich- nationalen Geistes zu sein. Er ist das Bollwerk Klaffenstaates und der Kirche jest- dant tämpfen und arbeiten, weil sie zugleich mit allen anderen sowohl gegen den Ansturm sozialdemokratisch- bolder Mitarbeit der Sozialdemokratie - mehr Privilegien auch das Privileg auf Bildung beseitigeniche istifcher Gedanken, wie auch gegen die fonjergeschehen als in einem Menfchenalter vorher will. unter der Herrschaft der Rechtsparteien und des Liberalismus.
Gewährleistet ist:
der organische Aufbau des gesamten Schulwefens, eine einheitliche Grundschule,
die Schulpflicht bis zum 18. Lebensjahre,
Wer also feinen Kindern und dem heranwachsenden Geschlecht die Wege bahnen will zu einer schöneren und glüdlicheren Zukunft,
wer mithelfen will, alle in der Tiefe schlummernden Bräfte unseres Boltes zu entfalten, wer mit uns das Borrecht des Befihes und der Ge
die Gewährung von Erziehungsbeihilfen für be- burt auf eine beffere Schulbildung beseitigen will, gabte Kinder,
die Oberaufsicht des Reiches über das gesamte Schulwesen,
wer allen Bolfsgenossen die Güter unserer Kultur erschließen will,
der forge für einen entscheidenden Einfluß der Sozialdemokratie im neuen Reichstag und
wähle am 6. Juni sozialdemokratisch!
Ab 20. Juni.
Lenin unter der Lupe.
bativ reaktionären Elemente der Angestellten. bewegung.
Auch die allgemeine wirtschaftliche Tätigkeit dieser Verbände diente im Grunde nur dem Kampf gegen die Sozialdemokratie. Sie bemühten sich, den Angestellten klarzu. machen, daß zwischen ihnen und den Arbeitgebern fein Interessengegensat, sondern weitestgehende armonie bctände. Infolgedeffen wehrten sie sich gegen Streiks, Tarifverträge der Angestellten usw. Noch im Dezember 1917 schrieb der Vorsteher Reif des Leipziger Handlungsgehilfen - Verbandes in seinen Verbandsblättern":
Wir sind nicht Masse und können nicht als Masse wirken wie die Arbeiter. Unser Arbeitsvertrag ist wie unsere Arbeit individuell, Massenverträge wie Massenanstellungen und dementsprechende Bohnbemessung sind undentbar in unserem Berufe. Wir werden bezahlt nach Fähig feiten, Grfahrungen, Vertrauen, nach rein persönlichbestimmbaren Eigenschaften.
I
Ihm wurde von dem Direktor desselben Verbandes Schneider( Demokrat) im August 1917 auf einer Besprechung wegen Regelung der Stellenbermittlungsfrage affistiert. Und daß diese Organisationen es direkt darauf anlegten, Streits der Angestellten unmöglich zu machen, gab das Vorftandsmitglied A. Noth vom D. H.-B. auf dessen 12. Handlungsgehilfentag am 18. Juni 1911 in zynischer Weise zu, indem er in einem Vortrag über gewerkschaftliche Kampfmittel u. a.
Die englischen Sozialisten laffen sich nichts vormachen. Amsterdam , 3. Juni. ( WTB.) Das Burean des inter Helsingfors, 2. Juni. ( Dena.) Hier find Mitteilungen aus nationalen Gewerkschaftsbundes hat im Einvernehmen einwandfreier bolichewistischer Quelle durchgefidert, nach mit dem Generalrat der internationalen Transportarbeiter benen die Sowjetregierung gang und gar nicht einverstan föderation, der am 31. Mai nnd 1. Juni in Amsterdam zusammen- den ist mit den Untersuchungsmethoden der eng- erflärte: getreten war, beschloffen, von Sonntag, den 20. Juni, an den voll. lischen Arbeiterabordnung, die es offenbar mit ihrer tommenen Boytott gegen Ungarn zu verkünden. Ben Aufgabe sehr ernst nimmt. Die russische Presse, die ja durchweg biesem Zage an soll jeder Berlehr mit Ungarn durch Eisenbahn, jekt offiziell, weil nationalifiest" ist, gibt ihrem Erstaunen über Schiff, Boft, Telegraph oder welcher Art fonft als Proteft gegen die die wachsende 3urudhaltung, die feitens der britischen Berfolgung der ungarischen Arbeiterschaft vollständig kill. Mission an den Tag gelegt wird, Ausbrud und erflärt, daß die gelegt werden. Allen gewerkschaftlichen Landeszentralen, Trans. Delegierten mit borgefaßten Meinungen durchtränkt portarbeiter- und Eisenbahnerorganisationen werden entsprechende seien. Man hält es demnach nicht für wahrscheinlich, daß Anweisungen zugesandt. Ein an die Arbeiter aller 2äuber gerichteses ber Aufenthalt der englischen Arbeitermission in Rußland sich noch längere Zeit ausdehnen wird. Manifeft wird im Laufe der Woche erscheinen.
Wissenschaft oder Bolitik? Die Budapester Rünigliche Herstegesellschaft hat 22 Mitglieder wegen ihres Verhaltens wäbzenb der Proletarierherrschaft ausgefaloffen und gehn Mitliebern eine Rüge erteilt
Bolschewismus kein Exportartikel. Amsterdam , 2. Juni. Laut Daily Mail" hat 2enin den englischen Arbeiterbertetern zugegeben, daß die gesellschaftliche Umwälzung in England ihren eigenen Weg nehmen müsse, und daß die Forderung einer Anwendung der russischen Tattit auf anbere 2äuber verkehrt sei.
Aber auch selbst wenn die Silfsarbeiter und die Frauen mit organisiert wären, halte ich einen allgemeinen Streit der Handlungsgehilfen für ausgeschlossen, und unsere ganze berufsgenossenschaftliche Arbeit ist gerade barauf gerichtet, die ihm entgegenstehenden Schwierigkeiten noch au befestigen.
Infolgedeffen war es kein Wunder, daß zwar im Jahre 1913 für die Arbeiter 18 446 Tarifverträge für 218 033 Betriebe mit 2 072 456 beschäftigten Personen bestanden, für Angestellte fast nicht ein einziger.
Nimmt man dazu die Rechtlosigkeit der Angestellten in ihren Anstellungsverträgen, die Konkurrenzflausel usw., so ergibt sich ein Bild völliger wirtschaftlicher Knechtschaft. Bestand doch z. B. bei der Hubertus Hütte, Stattomis, noch furz vor dem Kriege die Bestimmung, daß der Angestellte die Erlaubnis zunt Beiraten einholen müffe, und daß sie ihm verweigert wird,