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Nr.314+ 37.Jahrgang Ausgabe A nr. 20

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Sozialdemokrat Berlin".

Morgen- Ausgabe

Vorwärts

Berliner Volksblatt

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Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutschlands

Redaktion und Expedition: SW. 68, Lindenstr. 3. Fernsprecher: Amt Moritplag, Nr. 15190-15197.

Mittwoch, den 23. Juni 1920

Vorwärts- Verlag G.m.b. H., SW. 68, Lindenstr. 3. Fernsprecher: Amt Moritplat, Nr. 117 53-54.

Fehrenbachs Schwierigkeiten.

Sozialdemokratische Erklärung. - Demokratische Bedenken. Neue Forderungen der Deutschen Volkspartei .

Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion beschäftigte| fratischen Vertrauenszusage in diesem Augenblick eilte zudem| stüme Rechtsdrängen der Deutschen Volkspartei ist abermals fich in ihrer Sigung am Dienstag mit der Frage der grund- den Ereignissen weit voraus. Weder lag der sozialdemokra- eine überaus fritische Situation entstanden. Die drei fählichen Stellungnahme zu der in Bildung begriffenen neuen tischen Fraktion eine endgültige Ministerliste noch der end- Parteien, die gestern noch zur gemeinsamen Regierungsbil­Regierung. gültige Text der Regierungserklärung vor. Selbst wenn dung fest entschlossen zu sein schienen, müssen selber sehen, wie nicht grundsäßliche Bedenken den Ausschlag gegeben hätten, was tatsächlich der Fall war, so hätte die sozialdemokratische Fraktion einer Regierung die noch gar nicht gebildet ist, und deren Programm noch gar nicht feststeht, unmög­lich das Versprechen geben können, sie werde ihr in öffent licher Sigung ein Vertrauensvotum ausstellen. Denn das hätte ungefähr geheißen: Wir kennen zwar die Absichten der Regierung noch nicht, wir kennen sogar die Regierung selber noch nicht, aber wir billigen sie."

Nachdem die Genossen Hermann Müller und Loebe über die bisherigen Verhandlungen berichtet hatten, wurde nach mehrstündiger Debatte, an der sich etwa 20 Redner be­teiligten, gegen 5 Stimmen beschlossen, bei der Vertrauensab­stimmung, die der Abgabe der Regierungserklärung folgen wird, Stimmenthaltung zu üben.

Die Fraktion glaubte nach Erwägung aller Gegengründe nicht weiter gehen zu können, da sich die Abgabe eines Ver­trauensvotums für eine Regierung, der Mitglieder der Deutschen Volkspartei angehören, mit ihren Auffassungen nicht verträgt.

Die Fraktion beabsichtigt ihre Stimmenthaltung so zu motivieren, daß der neuen Regierung in ihrer Stellung der Entente gegenüber in Spa teine Schwierigkeiten erwachsen. Außerdem hat die Fraktion beschlossen, die von der Na­ tionalversammlung infolge der Obstruktion der Rechten nicht erledigten Ausschußbeschlüsse über die

Abschaffung der Militärgerichtsbarkeit

als Initiativantrag einzubringen und zu beantragen, daß von einer neuen Ausschußberatung abgesehen werde.

Heute vormittag 11 Uhr tritt die Fraktion zu einer neuen Sigung zusammen, in der sie sich voraussichtlich auch mit der Frage des Reichstagspräsidiums zum erstenmal beschäftigen wird.( Zeitungsmeldungen, wonach sie zu dieser Angelegenheit schon Stellung genommen haben sollte, waren falsch.)

Die demokratische Reichstagsfraktion trat, nachdem sie von der Stellungnahme der sozialdemokrati. schen Fraktion Kenntnis erhalten hatte, zu einer Sigung zu­fammen. Man war sich darüber klar, daß unter diesen Um­ständen eine Regierung, die, vom Vertrauen der Mehrheit des Barlaments getragen, in Spa zu verhandeln vermöchte, auf der beabsichtigten Grundlage nicht gebildet werden könne, und man vor einer ganz neuen Situation stehe. Von diesem Beschluß wurde dem Parteiausschuß Kenntnis gegeben, der auch angesichts der neuen Situation das der Fraktion ausgesprochene Vertrauen ausdrücklich erneuerte.

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Konnte eine solche Zumutung ernstlich gestellt werden? Von der neuen Regierung war der Fraktion- außer einigen Bruchstüden zuverlässig nur soviel bekannt, daß die Deutsche Volkspartei an ihr teilnehmen werde, und diese Tatsache genügte ihr, um zu dem Beschluß zu kommen, daß der Regierung ein Vertrauensvotum nicht gegeben werden könne so sehr man auch den Wunsch hatte, ihr Gelegenheit zu geben, zu zeigen, was sie kann und was sie nicht kann. Wie wenig es angebracht war, der Deutschen Volkspartei mit blindem Vertrauen zu begegnen, zeigt ihr eigenes Ver­halten. Die Kombination Fehrenbach ist heute aufs äußerste gefährdet, auch ohne den Beschluß der sozialdemokratischen Fraktion durch die neueste taktische Schwenkung der Volks­partei. Gestern 9 Uhr abends schien folgende Ministerliste festzustehen: Aeußeres Simon 3, Justiz Heinze, Finanzen Wirth, Post Giesberts, Ernährung Hermes, Reichs­wehr Geßler, Inneres Roch, Berkehr Gröner. Noch nicht entschieden war über Wirtschaft, Schap, Wiederaufbau und Arbeit. Das letztere Reffort sollte auf alle Fälle an einen christlichen Gewerkschaftsvertreter fallen.

Bezüglich des Regierungsprogramm 3 war eine Ginigung wenigstens über den verfassungsrechtlichen Text zustande gekommen. Er sollte folgenden Wortlaut haben: fammengebrochenen Waterlandes. Ihn auf dem Boden der be­ſtehenden republikanischen Staatsform tatkräftig zu Barteien fordern wir auf, in einer Zeit, in der es um Leben und fördern, ist der einheitliche und feste Wille der Regierung. Alle Sterben bes Bolles geht, in der auswärtige wirtschaftliche und finanzielle Fragen unsere gesamte Kraft in Anspruch nehmen müssen, berfassungsrechtliche Kämpfe zurüdtreten zu laffen.

Die bordringlichste Songe ist der Wiederaufbau des zu­

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fie aus ihr wieder herauskommen, wenn anders sie nicht den Beweis erbringen wollen, daß das Bürgertum in Deutschland überhaupt nicht mehr imstande ist, eine Regierung zustande zu bringen. Die Sozialdemokratische Partei hat dem Zu­ftandekommen einer bürgerlichen Regierung wahrhaftig keine Schwierigkeiten in den Weg gelegt wenn aber schon ihre Neutralität genügen sollte, diese Regierung unmöglich zu machen, dann ist eine weiter nach rechts gerichtete Regie­rung, wie sie die Deutsche Volkspartei anstrebt, die dann naturgemäß die schärfste sozialdemokratische Opposition her­ausfordern würde, erst recht nicht möglich. Wenn sich also die Deutsche Volkspartei nicht bescheidet und wenn sich die Demokraten nicht mit einer abwartenden Neutralität der Krise hor neuem eröffnet, und alles ist wieder ins Ungewisse Sozialdemokratischen Partei begnügen wollen, dann ist die

gestellt.

Im Reichstag follte am Donnerstag die Konstituierung, am Freitag die Wahl des Präsidenten erfolgen. Für den Sonnabend wurde dann die Regierungserklärung und die Programmdebatte in Aussicht genommen. Ob angesichts der neu entstandenen Schwierigkeiten dieser Plan aufrechterhalten werden kann, steht dahin.

Selbsthilfe gegen den Wucher.

Lebensmittelunruhen im Westen.

spielten, haben wir bereits furz berichtet. Die Lage hat sich dort

Ueber die Lebensmittelunruhen, die sich in Osnabrück ab

in den letzten Tagen außerordentlich verschärft. Selbst die Scherl­presse, die im Dienste des Großkapitals den Kampf gegen die " Zwangswirtschaft" und für die Ausbeutungsfreiheit des freien

Handels" führt, muß heute aus Osnabrück berichten:

Die Unruhen nahmen ihren Ausgang auf dem Wochen=

markte, wo eine Anzahl von Landleuten und hiesigen Lebens­mittelhändlern für Kirschen, Erdbeeren usw. ganz außerordentlich und dann wurde, allerdings veichlich spät, durch die Polizei eine hohe Preise forderten. Es kam zunächst zu einem Käuferstreik erhebliche Serabsetzung der Preise für die genannten Obstsorten angeordnet.

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Infolge einer unvorsichtigen Aeußerung einer Gemüsehändle­Die Fraktion der Deutschen Volkspartei rin stürmte die Bevölkerung deren Laden und plün­in die nächsten Lebens= ist sich am Dienstag im Verlauf ihrer Aussprache darüber Die Regierung wird mit Entschiedenheit alle Versuche einer berte ihn aus. Dann ging man flar geworden, daß die vom Reichskanzler Fehrenbach vorge- gewaltsamen Umwälzung, woher fie auch fomme, be- mittelläden und verfuhr dort in derselben Weise. Wo nicht alles geraubt wurde, da wurde von einsichtigen Leuten zugunsten schlagene Ministerliste für sie nicht annehmbar fämpfen. Wir stehen auf dem Boden der politischen Gleich der Geschäftsinhaber die Ware zu angemessenen Preisen verkauft iit. Die Fraktion hält nach wie vor daran fest, daß das große berechtigung aller Deutschen und lehnen daher jeden Versuch und der Erlös dem Geschäftsinhaber übergeben. Schließlich griff Gebiet der Wirtschaft ein einheitliches Arbeitsgebiet ist, und der Aufrichtung einer Klassenherrschaft oder die Bewilligung von diese Selbsthilfe, an der sich eine große Menschenmenge beteiligte, daß deshalb die Fragen des Verkehrs, der Post, der Vorrechten an eine Klasse ab. Unser Ziel ist eine Politik der Ver- auch auf die Schuhwarengeschäfte über. Einige wurden Wirtschaft und der Finanz im Zusammenhang gelöst föhnung und des Ausgleichs auf politischem, sozialem und kultu fast gänzlich ausgeräumt und ausverkauft, und zwar das Paar werden müssen, und daß zu diesem Zweck hervorragende, rellem Gebiet. Deswegen bekämpfen wir jeden Klassen und Stiefel oder Schuhe, auf die Preise von 200 m: und darüber stan= fachmännisch geeignete Persönlichkeiten, unbeschadet der Par. Rassenbab, jebe soziale und religiöse Vergewaltigung Der den, zu dem Einheitspreise von 50 M. Auch die Gastwirtschaften teistellung, für die Lösung dieser Aufgabe gewonnen werden entscheidende Gesichtspunkt bei Besetzung der nicht vein politischen und Hotels wurden nach Lebensmitteln untersucht und müssen. Die Fraktion der Deutschen Volkspartei will, diesem Aemter wird für uns die persönliche Tüchtigkeit, nicht die Partei- berfauft", wo sich Vorräte vorfanden. Gestern waren die Grundsak entsprechend, dem Reichskanzler ihre Vorschlags- zugehörigkeit sein. Von den Beamten und von den Angehörigen Hauptgeschäftsstraßen von einer erregten Menschenmenge besetzt. liste überreichen. der Reichswehr verlangen wir, daß sie, auf dem Boden der Zum Schuße der Geschäftswelt wurde aus Hannover eine un= dertschaft der grünen Sicherheitspolizei herbei­Berfassung stehend, gewillt sind, in ihrer dienstlichen Tätig- gerufen, der es im Verein mit der hiesigen Polizei und der Orts­feit die Regierung rüdhaltlos zu unterstüben. wehr gelang, die Hauptgeschäftsstraßen gänzlich abzusperren und weitere Plünderungen und Selbsthilfen zu verhüten. Nachmittags fanden große Ansammlungen vor dem Gerichtsgefängnis statt, die ich abends wiederholten. Da die Menge eine drohende Haltung annahm, sah sich die Ortswehr genötigt, einige Schüsse abzu­geben, durch die eine Anzahl Einwohner verwundet wurde. Charakter, da die organisierte Arbeiterschaft der Bewegung fern­Die Lebensmittelunruhen haben bis jetzt offenbar keinen politischen steht und das ungefeßliche Treiben mißbilligt. Die Unabhängigen Osnabrüde ließen ein Flugblatt berbreiten, in dem es u. a. heißt: Laßt Guch von den Hebern nicht zu Gewalttätigkeiten hinreißen, denn diese Schurken versuchen hier wie schon in vielen anderen Städten ein Blutbad unter dem Volte anzurichten. Wir fordern Wären wir dem Wunsche der Demofraten nachgekommen, Guch auf, die Straße zu verlassen! Wahrt Ruhe und Besonnen­was wir, wie gesagt, aus grundsäblichen Erwägungen nicht Auch in Krefeld ist es zu ähnlichen Vorkommnissen gekom.. fonnten, so wären wir, auch rein taftisch genommen, die blamierten Europäer gewesen und die Bildung einer wirf- men wie in Osnabrüd. Es wird von dort berichtet: lich mittleren und nicht rechten Regierung wäre dann wahr- rung 30g eine große Menge zur Markthalle und plünderte Nach einer Massenkundgebung gegen die Teue= scheinlich erst recht noch an den übertriebenen Forderungen sie vollständig aus. Gegen abend stürmte die Menge das Waren­der Deutschen Volkspartei gescheitert.

Das Schiff Constantin Fehrenbach ist gestern abend kurz vor dem Hafen zugleich auf zwei Minen aufgelaufen. Der heutige Tag muß entscheiden, ob es scheitert, oder ob die Schäden reparierbar sind.

Es ist zur Stunde noch nicht festzustellen, ob die De mokraten in der Frage des Mittelblods wirklich schon das legte Wort gesprochen haben. Wäre dem so, so wäre das einigermaßen überraschend. Nachdem die Sozial­ demokratische Partei zuerst die Beteiligung an einer Regie rung, die von der Deutschen Volkspartei gebildet wird, dann aber auch die Beteiligung an einer Regierung, in der diese Partei vertreten ist, abgelehnt hatte, konnten die Demo fraten faum erwarten, daß die sozialdemokratische Fraktion einer Regierung, in der die Deutsche Volkspartei sitt, ihr Vertrauen aussprechen würde. Hätte unsere Fraktion zu einer solchen Regierung Vertrauen, was hinderte fie, in ihr mitzutun? Verweigert sie diese Beteiligung, so drückt sie schon dadurch aus, daß ein Vertrauensverhältnis nicht besteht -wie fann sie dann, ohne sich mit sich selbst in Widerspruch u sehen, ihr Vertrauen votieren?

Das Verlangen der Demokraten nach einer sozialdemo­

Inzwischen hat die Deutsche Volkspartei gegen die Mi­nisterliste Einspruch erhoben. Aendert sich aber die Zu­sammensetzung der Regierung, so ändert sich naturgemäß auch das Programm.

Und nach welcher Richtung die von der Deutschen Volks­ partei erstrebte Aenderung erfolgen soll, ist wirklich nicht schwer zu erraten.

In welcher Lage wäre die sozialdemokratische Fraktion heute, wenn sie gestern, dem Wunsch der Demokraten ent­sprechend, beschlossen hätte, der neuen Regierung ihr Ver­trauen auszusprechen?

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Durch das demokratische Drängen nach einer sozialdemo­fratischen Vertrauenserklärung, die nach Bage der Dinge gar nicht gegeben werden konnte, und mehr noch durch das unge

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heit!

baus von Leonhard Tick, zertrümmerte sämtliche Schaufenster. marf sämtliche Baren aus allen Stodiverfen aus den Fenstern auf die Straße und berschleppte sie dann. Auch mehrere andere Geschäftshäuser, borwiegend Schuhwarengeschäfte,