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Nr.316 37.Jahrgang Ausgabe A nr. 21
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Donnerstag, den 24. Juni 1920
Fehrenbachs Fortschritte.
W. T. B. meldet:
haben.
BO
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Auf dem richtungsneutralen Boben der Wiener Partsi presse entfaltet Karl Kautsky seit einiger Zeit eine rege stärksten Einfluß gehabt hätte, aus dem Bereich der Möglich schriftstellerische Tätigkeit, an der nur das eine zu bedauern Die Verhandlungen des Reichskanzlers über die feiten ausgeschieden ist, da ferner die Wiederherstellung der ist: nämlich, daß ihre Früchte immer erst nach Berlin zurüdBildung des Kabinetts haben heute ihren Fortgang genom. alten Roalition gegenwärtig als unmöglich betrachtet wird, importiert werden müssen. Was Rautsky zu sagen hat, verBildung des Kabinetts haben heute ihren Fortgang genom da schließlich auch eine Regierung weder wünschenswert noch dient feinen Platz in der deutschen sozialdemokratischen men, ohne das irgendeine Stockung eingetreten ist. Es darf möglich ist, in der die äußerste Reaktion ausschlaggebenden Parteipresse, es verdiente vor allem den Unabhängigen mit Sicherheit angenommen werden, daß in kürzester Zeit Einfluß befäße, ist tatsächlich nur noch eine Regierung vorgehalten zu werden, die ihrem Parteigenoffen( wenn wir das Kabinett zum mindesten in den entscheidenden Mini- der bürgerlichen Mitte möglich. Sie auf die Beine nicht irren, ist Sautsky formell immer noch Mitglied der sterien besett sein wird. Ueber die wesentlichen Fragen ist zu stellen, ist die Aufgabe der an ihr beteiligten Parteien, U. S. 3.) längst die Spalten ihrer Zeitungen verschloffen zwischen den an den Verhandlungen beteiligten Parteien nicht der Sozialdemokratie. Von dieser kann nur berlangt Uebereinstimmung erzielt worden, besonders auch insofern, werden, daß sie das Werk anderer nicht wieder in Trümmer als die bisherigen bemokratischen und 3enschlägt, solange sie nichts Besseres an seine Stelle zu setzen trums minister in ihren Aemtern ver ble i be n. hat oder solange sie nicht durch die Taten der neuen ReDie Besehung des Auswärtigen Amtes mit dem frühe- gierung zur schärfften Opposition herausgefordert wird. Diese Einsicht ist in der Sozialdemokratischen Partei ren Ministerialdirektor Simons hat allgemeine Zustim allgemein, und allgemein ist auch die Absicht, ihr entsprechend mung gefunden. Infolge der endgültigen Absage des Ge zu handeln. Die Demokraten haben, indem sie sich auf For heimrats Wiedfeld wird bereits mit einer anderen be- derungen versteiften, deren Ablehnung durch die sozial deutenden Persönlichkeit des Wirtschaftslebens verhandelt. demokratische Fraktion vorauszusehen war, sich selber kün stDer Abgeordnete Beder Hessen hat aus persönliche Hindernisse geschaffen. Nach ihrer Beseitigung lichen Gründen die Uebernahme eines Amtes ablehnen wird der Weg für sie wieder frei. Es war utopisch, von müssen. Der Minister Stegerwald, der für das Arbeitsministerium in Frage kam, hat gewünscht, sein preuzi. sches Portefeuille zu behalten. Der für dasselbe Ministerium vorgeschlagene Abgeordnete Baeder- Arnsberg hat gleich falls aus persönlichen Gründen gebeten, von ihm absehen zu
wollen.
Der optimistische Ton, in dem diese offigiöse Mitteilung des in Bildung begriffenen& abinetts Fehrenbach gehalten ist, ist nach unseren Informationen nicht unberech tigt. Die Nachricht, daß die bisherigen Minister aus den Steiben der Demokratischen Partei und des Zentrums in ihren Aemtern verbleiben, läßt darauf schließen, daß der Versuch der Deutschen Volkspartei , eine ganz neue Regierung nach ihrem Ebenbilde zu schaffen, mißlungen ist.
Begreiflicherweise! Denn die Aufsäge, die der berühmbe Theoretiker des Sozialismus, der bordem gerade von den Radikalen fast für unfehlbar erklärte wissenschaftliche Berfedyter marristischer Lehren, jetzt im Kampf" und in der Wiener Arbeiterzeitung " beröffentlicht, find jeder ein Seulenschlag gegen die konfuse unwahrhaftige Politik der 1. S. P.
Rautsty hat nach dem Crispien- Brief an Müller der Leichtfertigkeit, mit der die Unabhängigen errungene Machtpositionen preisgeben, Worte schärfster Kritik gewidmet. E: hat den Mout gehabt, offen gegen den Mißverstand oder die einer Partei, die sich an der Regierung nicht beteiligt ein Demagogie derer anzufämpfen, die so tun, als wäre es für pofitives Sandeln zu deren Gunsten zu verlangen; das sie eine Kleinigkeit, die ganze fapitalistische Wirtschaft sofort Söchte, was gefordert werden durfte, konnte doch nur ein in eine sozialistische zu verwandeln. Er hat in einem es unterlassen, diejenigen bürgerlichen Bolitiker, die in die öffentlichten, noch einmal mit der Fadel der Kritik in die Unterlassen sein. Die Sozialdemokratische Partei wird Rampf"-Artikel, den wir am Sonntag auszugsweise verRegierung geben, weil sie ihre Entwicklung nach rechts ver dunklen Frrgänge des Diktaturaberglaubens hinhindern wollen, deswegen anzugreifen. Sie wird es eingeleuchtet und ausgesprochen, was für jeden Sozialdemo unterfaffen, den Werdeprozeß der neuen Regierung abficht- fraten eine Selbstverständlichkeit, für den U.-.-.- Mann lich zu unterbinden. Sie wird es unterlassen, der neuen Re- aber schlimmste Reßerei ist daß es für den proletarischen gierung ein Mißtrauenspotum auszustellen, sofern ihre Zu Alaffenfampf feinen günstigeren Boden gibt als den der fammensetzung und ihr Programm dem entspricht, was bis Demokratie her darüber befannt geworden ist. Wenn es trobem sich als unmöglich herausstellen würde, die Regierung zustande zu bringen, so fönnte man wirklich nicht behaupten, daß die Sozialdemokraten die Schuld daran trügen, sondern es würde dadurch nur die Unfähigkeit der bürgerlichen Parteien erwiesen sein, ohne die Silfe der Sozialdemokratie eine Regierung zustande zu bringen.
Auch die Erregung über das Verhalten der Sozialdemofratischen Reichstagsfraktion scheint sich zu legen und der besseren Einsicht zu weichen, daß es durchaus nicht in der Absicht der Fraktion liegt, die Bildung einer Regierung der bürgerlichen Mitte durch irgendwelche taktische Kreuz- und Der Reichsausschuß der Bentrumspartei trat gestern zu Querfprünge zu verbindern. Man beginnt zu erkennen. einer für zwei Tage berechneten Tagung zusammen. Wie daß die Linie der sozialdemokratischen Politit ganz gerade die Germania " berichtet, erstattete Abg. Dr. Trimborn borgezeichnet ist, und daß taktische Meinungsverschiedenhei- ein ausführliches Referat über die politische Lage. Der ten, soweit jie vorhanden waren, nur die Mittel betrafen, Reichsausschuß sprach darauf der Fraktion sein Vertrauen aber nicht den 8 med. aus und dankte den Abgeordneten Trimborn und FehrenDa durch das Verhalten der Binksunabhängigen eine bach für ihre Bemühungen zum Zustandekommen der NeKombination, in der die sozialistische Arbeiterschaft den gierung.
Aus der Reichstagsfraktion.
Ein Amnestieerlak.
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Paris , 22. Juni. Havas meldet aus Boulogne : Das deutDie Sozialdemokratische Reichstagsfraktion wählte in ihrer liche Ergebnis der Konferenz in Boulogne ist die bolllommene geftrigen Sitzung zu Borfizenden die Genossen Hermann Müller , Uebereinstimmung der Alliierten in der Frage der HerabScheidemann und Wels. In den Fraktionsvorstand wurden minderung des deutschen Heeres auf 100.000 Mann. Die Stärte weiter gewählt die Genpffen Fischer Berlin, och, 2oebe, der Polizeitruppen darf nicht über die im Friedensvertrag vorgeMollenbubr, Juchacz , Stolten, Sildenbrand und sehene Anzahl hinausgeben. Schumann- Berlin . In den Seniorentonvent delegiert wurden: Loebe, Mollenbubr. Hod, Hermann Müller , Scheibe mann, Juchacz und Wels, als Vorsitzender des Reichsbausbaltsausschusses wurde wieder der Genosse Heimann- Berlin in Aussicht genommen.
Die Sozialdemokratische Reichstagsfraktion hat beschlossen, folgenden Antrag einzubringen:
Der Reichstag wolle beschließen: Die Regierung wird ersucht, den Entwurf eines allgemeinen Amnestiegefezes vorzulegen, durch den die Straffreiheit entsprechend der Bielefelder Bereinbarung vom 29. März gewährleistet wird.
Durch diesen Antrag wird eine für das ganar Reich geltende Amnestie im Geiste des Bielefelder Abkommens gefordert.
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In einem Artifel laffenfampf und Roalition", der in der Wiener Arbeiterzeitung " vom 18. Juni erschienen ist, feßt sich nun Kautsky mit der Koalitionsfrage auseinander. Sein Artikel ist die schlagendste Widerlegung all der Albernheiten, mit denen die unabhängige Agitation gegen die grundsägliche Stellungnahme der Sozialdemokratischen Partei vorzugehen liebt.
Kautsky wendet sich gegen jene Unabhängigen und Kommunisten, die es als einen Berrat an den sozialistischen Grundsägen, als ein Aufgeben des Klassenfampfes betrach ten, wenn sich eine sozialistische Partei mit Bürgerlichen in einer Regierung foaliert. Er schreibt dazu:-
Diejenigen, die jede solche Regierung von vornherein als elenden Verrat brandmarken, scheinen anzunehmen, dieser Verrat fet so offenfundig, daß er irgend eines Beweises nicht erst bedürfe. Mir ist wenigstens kein Bersuch bekannt, sie absolute Berwerflichkeit jeglicher Koalitionsregierung eingehend zu begründen. So viel ich weiß, begnügt man sich einfach damit, auf die Prinzipien des Klassentampfes und lassen- gegensabes hinzuweisen, die ein Zusammenwirken mit dem Klassengegner ausschließen. Jede derartige Zusammenarbeit bebeute ein Aufgeben des grundlegenden Prinzips des Klaffentampfes.
Kautsky weist dagegen darauf hin, daß die Lage im politischen Kampf nicht so einfach ist, da die Welt der Bourgeois wiederum in zahlreiche, gegenfäßliche Klassen zerfalle. Darum Die Konferenz billigte den Vorschlag der franzöfifchen und habe Marr auch stets die Auffassung Lassalles abgelehnt, daß englischen Sachverständigen für die Ausarbeitung der finanzi dem Proletariat gegenüber alle anderen Klassen ,, eine reafellen Klaufeln des Vertrages. Die Alliierten werden am 5. Juli tionäre Masse" seien. Er erinnert an die Parteidifferenzen, in Spa die Borschläge der deutschen Delegierten die es schon früher gab, wenn es galt, sich bei Stichmahlen zu über die Art, in der Deutschland seinen Verpflichtungen nachkommen entscheiden oder eine freiheitliche bürgerliche. Regierung gegen win, entgegennehmen. Die veröffentlichten Schägungen der vor eine reaktionäre Opposition zu unterstützen. Er erinnert läufig geheim gehaltenen Summe, die die Alliierten festge weiter an die von ihm beantragte und angenommene Pariser ftelt haben, schwanken zwischen 90 und 120 Milliarden Resolution von 1900 über den Ministerialismus, die den EinColomart. Deutschland wird den Betrag in 37 Jahres- tritt einzelner sozialistischer Minister in eine bürgerliche Reraten zu zahlen haben, von denen die ersten fünf nicht unter gierung als ausnahmsweisen Notbehelf in einer Zwangs3 Milliarden betragen sollen. Die anderen werden lage" auließ. Guesde hat damals diese Resolution bekämpft fich automatisch, je nach der Wiederaufrichtung der wirtschaftlichen und sie später ilbertreten, als er selber 1914 Minister wurde. Berhältnisse Deutschlands , erhöhen. Böllige lebereinstimmung Rautsty hält seine Auffassung von damals auch heute noch wurde über die Art der Maßnahmen erzielt, die getroffen werden für zutreffend. Er fagt darüber: follen, falls Deutschland seine Verpflichtungen nicht erfüllt. Nach wie ver halte ich ein Busammenarbeiten von Sozialisten Sie werden wirtschaftlicher und militärischer mit bürgerlichen Elementen in einer Regierung für ein gefähr Natur sein.
Die schwäbischen Unruhen. Belagerungszustand in Ulm. Stuttgart , 23. Juni. WTB. Bei den Unruhen in Im Berichte über Deutschland an die„ Daily News" mit einem Brief wurden, soweit bis jetzt feststeht, acht Polizeiwehrleute zum Teil aus Köln , in dem er ausfübit: Der preußische Militarismus ift aus der Seele des Deutschen heransgerissen und vernichtet. Das erheblich verlegt. Fünf Demonftranten find tot. Aus Naven 8- burg werden insgesamt zwei Tote und 20 Verwundete gemeldet.„ Militarist" ist zum Schimpfwort geworden. Der Krieg und die deutsche Volt zittert vor dem Bolshevismus. Die Bezeichnung Stuttgart, 28. Juni. Sur Wiederherstellung der gefährdeten Bledade waren eine heilsame Lehre für das deutsche Volt. Sicherheit und Ordnung hat das Staatsministerium im Oberamis-| Der Militarismus wird nie mehr die Oberhand gewinnen. begirt Im den Belagerungszustand verhängt. Redakteur
Th. Körner von der bauernbündlerischen Schwäbi- Dauerkrise auch in Polen. Nach zweitägigen Beratungen mit schen Tageszeitung" ist wegen Aufforderung zum Biefer- dem Zentrum und den Linteparteien, die das neue Kabinett bilden streit in Nahrungsmitteln an Stuttgart oder sonstige Industrie bezirke, in denen Unruhen irgendwelcher Art entstehen sollten, in Schughaft genommen worden.
sollten, hat Abg. Witos gestern abend die Unmöglichkeit festgestellt, ein positives Ergebnis zu erzielen und feinen Auftrag in die Hände des Staatschefs zurüdgelegt.
liches Erperiment, das man auf keinen Fall suchen, sonbern vielmehr nach Tunlichkeit meiden soll. Doch zeigte mir die historische Erfahrung und das Durchdenken aller fünftigen Möglichkeiten, das Zwangslagen eintreten tönnen, in denen für eine fozialistische Partei die Zusammenarbeit mit bürgerlichen GleAbwehr größerer wird. menten in einer gemeinsamen Regierung das fleinere Nebel zur
Durch die Flucht zum„ Rätesystem" fönne man diesem gwang nicht entgehen:
In Westeuropa ist eine Rätebiltahir heute nicht mehr möglich; findet hier ein sozialistisches Regime nicht eine Mehrheit sozialistischer Wähler hinter sich, dann muß es, will es nicht abbanken, fich zu einer Koalition verstehen. Eine solche wird möglich mit Glementen, die zum mindesten ein Interesse an der Demokratie, an der Zurüddrängung der Herrschaft der Mauveau