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Nr.344 37.Jahrgang Ausgabe A nr. 35

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Vorwärts

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Zentralorgan der fozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Redaktion und Expedition: SW. 63, Lindenstr. 3. erniprecher: Amt Morinplas, Nr. 15190-15197.

Sonnabend, den 10. Juli 1920

Die Kohlenforderung der Entente.

roligt,

Vorwärts- Verlag G.m.b. H., SW. 68, Lindenstr. 3. Fernsvrecher: Amt Moritplas, Mr. 117 53-54.

Zu den Schwierigkeiten in Spa.

Bon Philipp Scheidemann  .

Das Mißtrauen des Auslandes dem neuen Deutschland  

Wir haben zahlreiche solcher Unterredungen gehabt und manchmal mußten wir sie mit dem Gefühl des größten Un­behagens und Unwillens beenden.

Spa, 9. Juli.  ( WTB.) Die Sonderbesprechung der Kriegsverbrecher, die auch ganz Deutschland   in eine sehr begreif- gegenüber ist anscheinend gar nicht, sicherlich aber nur schwer Justizminister trat heute um 3 Uhr nachmittags im liche Erregung verfekt hat, ist hier nur fura erörtert worden, und und erst ganz allmählich zu zerstreuen. Man glaubt unserer Schloß de la Freineuse zusammen, die Beratungen führten awar auf die zweckmäßigste Art, nämlich zwischen dem zuständigen Regierung nicht, wenn sie sagt, daß wir ernstlich gewillt sind, za dem Abschluß eines Uebereinkommens. Es wird dadurch Justisminister und den Sachverständigen. Lloyd George   war selbst die übernommenen Pflichten nach Möglichkeit zu erfüllen. em deutschen   Reichsgericht der direkte Verkehr mit den Justiz- der Ansicht, daß die Konferens als solche gemeint sind die Man glaubt dem neuen republikanischen Deutschland   nicht, behörden der Alliierten ohne Benugung des diplomatischen führenden Delegierten nicht fähig fei, diese juristische Frage zu weil noch zu viel Vertreter des alten Raiserreiches im In­Weges zur Beschleunigung der Verfahren gegen die Kriegs- regein. Nur wenn die Beratung der Justizminifter ergebnislos und Ausland in offizieller Stellung find. Man glaubt vor chuldigen ermöglicht. Das Abkommen wurde in der späteren verlaufen wäre, sollte die Frage wieder vor die eigentliche Kon- allem aber nicht unserer vollkommenen Friedfertigkeit, Wehr­Bellfibung genehmigt und unterschrieben. ferenz zurüdtommen. Die Besprechung zwischen den Fachleuten lofigkeit und militärischen Ohnmacht. Wie anders sollen Die Vollitung trat um 25 Uhr zur Besprechung der ergab glüdlicherweise ai e mlich rasch und im wesentlichen denn auch die Ausführungen Lloyd Georges in Spa dem Kohlenfrage zusammen. Die Delegierten waren von einem eine Verständigung. Daraufhin wurde von den Delegierten Herrn Reichswehrminister Geßler gegenüber sonst zu ver­hlreichen Stabe von Sachverständigen begleitet. Minister- das( an anderer Stelle mitgeteilte) Protokoll beiderseits unter stehen sein! präsident Millerand   machte im Namen der Alliierten zeichnet. Die darin getroffenen Vereinbarungen zeugen zweifellos Wenn man mit Ausländern über diese Dinge spricht, ngere Ausführungen, die darin gipfelten, das Deutschland   von einem etwas versöhnlichen Geist. und der vereinbarte dirette machen sie Andeutungen, die wir zunächst nicht verstehen. mit den Kohlenlieferungen, zu denen es durch den Friedens. Verkehr zwischen dem Reichsanwalt in Leipzig   und den Justiz- Wir sind gut informiert, glauben Sie uns." Wenn man pertrag verpflichtet fei, im Rüd ftande wäre. Die Alli- ministern der Alliierten unter Umgebung der diplomatischen Stellen dann opponiert und auf Grund genauer Kenntnis der Dinge ten hätten deshalb bestimmte Beschlüsse gefaßt, ist sicherlich der vernünftigste. Es wäre allerdings verfehlt, daraus ihre Einwände zu zerstreuen sucht, weisen sie immer wieder die sie Deutschland   zur Unterzeichnung vorlegen. Nach diesem zu schließen, daß die Alliierten die Angelegenheit verfanden lassen darauf hin, daß wir vielleicht selbst getäuscht würden, sie Beschlußt der Alliierten wird wollten, und nichts berechtigt zu dieser Auffassung aber dürften sich nicht täufchen lassen, müßten und würden 1. den Kohlenanforderungen Frankreichs   die Priori- Aber selbst wenn dies der Fall wäre, so müßten wir aus Gründen also auch die Augen und Ohren offen halten. tät aus allen deutschen   Förderungen gesichert, der Gerechtigkeit die Bestrafung überführter Kriegsverbrecher 2. eine alliierte Kohlenkontrollkommis- durchführen. fion mit dem Site in Berlin   eingerichtet, um die gesamte Das ist die Bichtseite bes heutigen Tages. Berteilung der in Deutschland   geförderten Kohle zu über- Die Unterzeichnung des Entwaffmingsprotokolls vollzog sich um Jezt sind unsere Vertreter in Spa und wir wünschen innchen und zu beaufsichtinen, 1 Uhr 15 Minuten nachmittage, nachdem die fieben in Spa anwesen ihnen alles Gute bei den Verhandlungen, über deren Schwierig 3. Deutschland   zur Vorlage eines genauen Kohlenden Reicheminister sich einstimmig auf den Standpunft geftelt feiten sich fein vernünftiger Mensch täuschen kann. Wir über­Tieferungsplanes für feine gefamte Kohlenmirtschaft hatten, daß diese Unterwerfung bei weitem bas leinere legen, wie wir ihnen helfen tönnen? Wie kann man die Genehmigung durch diese Kohlenkontrollfommission ge. Uebel sei. Minister Simons hatte nun ausbrüdlich den Vor- Ententemächte überzeugen, daß wirklich kein ernst zu nehmen­behalt gemacht, daß die Einmarsabrohung eine Erweiterung der Mensch bei uns an Revanche denkt oder denten kann, weil bes Friebensvertrages barstelle unb bag biefe Buftimmung anberer mir ja vollkommen am Boden liegen, weil wir weder Mann­feits eigentlich ber vorherigen Genehmigung des Meichstages be- fchaften haben, die bereit wären, sich die Köpfe einzu­dürfte. Lloyd George   erflärte baraufhin, daß diese Drohung eine rennen, noch Geschüße oder Munition; weil es überhaupt einseitige Mitteilung der Iliierten barstelle unb berrüdt ist, an einen neuen Strieg zu denken. daß die Unterschrift der deutschen   Delegierten sich auf diese Mit­teilung nicht beziehe. Damit war dem deutschen   Vorbehalt Rech nung getragen, und der Unterzeichnungsatt wurde vollzogen. Er wähnt fei noch, daß uns zuletzt noch 50 000 Reservegewehre und 230 weitere Offiziere besonderer Gattungen( Sanität  , Intendantur) augebilligt wurden. Kriegsverbrecherfrage. Nun zu der neuen Schattenfeite: die Sohlen= Spa, 9. Juli.  ( Meldung des Hollandsch Nieuws. frage. Die Alliierten haben nach einem scharfen Referat Mille hureaus.) In der heutigen Vormittagssigung verteidigte rands, der sich über die ungenügenden Kohlenlieferungen Deutsch­Reichsminister des Aeußern Dr. Simons zunächst noch lands an die Alliierten beklagte, wieber einmal ein Ultimatum ge­mals seine Vorbehalte in der Abrüstungsfrage und erklärte, ftellt, das wir morgen( Sonnabend), vormittag 11 Uhr, unterzeich die deutsche Delegation sei nicht berechtigt, die Besehung nen müssen. weiteren deutschen   Gebietes durch ihre Unter­Schrift zu sanktionieren, da das eine Erweiterung des Versailler Abkommens bedeuten würde und die deutschen   Vertreter nicht das Recht hätten, ohne die vor berige Zustimmung des Reichstages hierüber zu entscheiden. Lloyd George   erwiderte darauf, daß die Deutschen  von dieser Bestimmung in gar nicht berührt würden. Sie gehe lediglich die Entente selbst an und stelle eine Noch weniger aber als militärische Fragen lassen sich Drohung dar, mit dem Zweck, Deutschland   zur Erfül- wirtschaftliche durch Defrete von außenher regeln. Was die lung seiner Verpflichtungen zu zwingen. Alliierten in Spa treiben, ist umgefehrter Bolsche. mis mus; mit diesem gemeinsam ist ihr Vorgeher der Verfuch, das wirtschaftliche Leben durch eine Summe von Verordnungen zwangsläufig zu machen. Der Unterschied be­steht nur darin, daß hier der Versuch in durchaus kapitalisti­ichem Sinne erfolgt, und zhvar von außenher ohne genügende Kenntnis der deutschen   Verhältnisse.

4. werden im Falle der Richterfüllung diefer Bedin. ungen auf Verlangen der Reparationsfommission bestimmte Strafmaßnahmen in Aussicht genommen. Minister Dr. Simons erklärte im Namen der deutschen  Delegation, daß die deutsche Regierung nicht imstande sei, phne eingehende Besprechungen mit den Sachver. Standigen zu der Angelegenheit sich zu äußern. Es wurde bacanf gegen 7 Uhr eine neue Situng auf Sonnabend 11 Uhr angefent.

Unterzeichnung

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68 trat dann eine furze Mittagspause ein, die dazu benutzt wurde, um die Dokumente zur Unterzeichnung fertigzustellen. Reichskanzler Fehrenbach erklärte sich offiziell bereit, das Gesamtprotokoll zu unterschreiben, nachdem Lloyd George   nochmals flar gemacht hatte: Das Brotokoll besteht aus zwei Teilen, einem, der Deutschland   die Pflight der Abrüstung auferlegt, und einem zweiten, der den Alliierten Pflichten auferlegt für den Fall, daß die Deutschen   die Bestimmungen nicht erfüllen. Lloyd George   erinnerte an das Abkommen, das die Deutschen   im Januar unterschrieben hätten und aus dem die Berech tigung der Alliierten zur Besetzung des Nuhrgebietes hervorgehe.

Reichskanzler& ehrenbach stimmte dieser Ansicht Lloyd Georges zu.

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Ebenso wie die militärischen Fragen sind nun auch die wirtschaftlichen auf den Weg des 24stündigen ultimatum 3 geleitet worden Man sieht, daß man auch auf diesem Gebiet von einer wirklichen Verständigung noch weit entfernt ist. Die Alliierten sind mit vorgefaßten Beschlüssen nach Spa ge­fommen, und die deutschen   Delegierten haben keine andere Aufgabe mehr als zu unterschreiben.

Unerfüllbares fann man zwar versprechen, aber nicht holten. Unerfüllbares tann man mit mechanischen Druck­mitteln zu erreichen versuchen, aber nur zum eigenen Schaden. Die Alliierten treffen durch ein solches Berfahren einer Wirt­schaftspolitik, die von Gesichtspunkten einer militärischen Prestigepolitik geleitet wird, nicht nur den Lebensnerv des deutschen   Wolfes, sondern auch ihren eigenen.

Bayern   treibt Obstruktion!

Das müßten die Franzosen  , Engländer und Italiener in Spa doch einsehen. Und dennoch: das Mißtrauen schwindet nicht. Warum nicht? Wir fangen an, zu begreifen

Vor uns liegt die Nummer 18 der Zeitschrift des Natio­nalverbandes deutscher Offiziere, die letzte Nummer des Blattes vor Spa. Da ist u. a. zu lesen:

Von Feinden gefnebelt das Vaterland, Erdrosselt, gemeuchelt von ruchloser Hand, Der deutsche Siegfried von hinten erstochen, Das glorreiche Deutschland   am Boden zerbrochen, Das Bolt bis auf's Blut schon ausgesogen,

Von Volksbeglüdern" verhezt und betrogen!

20

Ihr welschen Bluthunde, gebet acht!

Jhr Volksbeglüder der Internation,

Es ist kein Hohn! Nein, wahrlich, kein Sohn! Noch lebt die alte treudeutsche Wacht. Euch, die ihr gefallen in Ehre und Treu  Am heutigen Tage euch schwör'n wir's aufs neu: Will uns der Erbfeind den Rest noch geben, Oder will auch der inn  're Feind uns an's Leben, Dann wird der alte Weckruf erschallen, Von allen Bergen berab widerhallen, Dann werden die alten Fahnen wehn, Ein Heer von Deutschen  " in Waffen stehn, Dann richten die alte Ghre wir auf, Die Faust wie eh'dem am Schwertesknauf. Es lommt einst die Zeit! Wir sind bereit,

Sind alle dabei: Furchtlos und treu!"

Dichtern und solchen, die es zu sein glauben, halten wir manches zugute. Aber der gräfliche Major, der die Zeit­schrift herausgibt, sollte soviel politisches Verständnis haben, um einzusehen, wieviel Unheil er mit seinen Versen für unser ganzes Volt anrichten kann.

Die Zeitschrift des National- Verbandes deutscher   Offiziere ist offenbar eine wahre Fundgrube für die Vertreter der Entente. Fischen wir noch einige Brocken aus der angeführten Nummer:

Gegen ein Uhr mittags fand die Unterzeichnung Es weigert sich, die Einwohnerwehr aufzulösen. des Protokolls statt. München  , 9. Juli. Die Korrespondenz Hoffmann meldet: Dann wurde die sogenannte Frage der Kriegs. Die bayerische   Regierung hat wiederholt, auleht in der berbrecher in Behandlung genommen. Reichsjustiz Nacht vom 8. auf den 9. Juli, bei der Reichsregierung Stellung Die neue Regierung ist nun endlich nach vielen Mühen, um in minister Bizetanzler Dr. Heinze sette auseinander, wie weit dahin genommen, daß die Einwohner und Sicherheitswehr in Spa wenigstens etwas vorführen zu können, au­das Reichsgericht mit der Behandlung dieser Prozesse bereits Bayern   unter feinen Umständen entbehrt werden kann und daß stande gekommen, aber so, wie sie sich gestaltet hat, ist sie gewiß gekommen fei. Lloyd George   erklärte darauf, diese An- die vorliegenden Forderungen der Entente auf Entwaffnung dieser nicht derart, daß ihr von irgendeiner Seite be­gelegenheit gehöre nicht vor die Bollfisung. Es wurde ein Wehren abzulehnen sei. Die Nachrichten aus Spa haben biefe fonderes Bertrauen entgegengebracht wird. Auch Sachverständigenausschuh gebildet, der aus einem Saltung der bayerischen   Regierung nicht zu ändern vermocht wir find dazu beim besten Willen nicht imstande.... Franzosen  , einem Belgier, einem Engländer und dem Bize. Sie wird von biefem ihrem uuverrüdbaren Es ist politisch gewiß ungeheuer flug von einem Offiziers­fanzler Dr. Heinze besteht und der die Angelegenheit weiter standpunkt aus ihre Bemühungen fortfegen, blatt, in dieser Weise nach Spa zu schreiben:" Habt Ihr behandeln wird. dem Lande den Schuh zu erhalten, deffen Staat und etwa Vertrauen zu dieser Regierung? Bei uns hat es nie­Spa, 9. Juli.  ( Eigener Drahtbericht des Vorwärts".) Der Wolf zu ihrer Sicherheit unbedingt bedürfen. mand! Es wird erst dann wieder besser werden in Deutsch­Gang der Verhandlungen fand ähnlichen Wechsel mie bas Dies Verhalten der Regierung Rahr dharakterisiert sich land, wenn Hieftge Wetter. Die allgemeine Note des diplomatischen Bölfer- als Gemiffenlosigkeit, für die das ganze deutsche  gerichts ist eine siemlich trübe. Nur felten flärt sich ber politische Volt büßen muß, wenn fie nicht beizeiten ber Himmel auf und auch dann nur für kurze Zeit. Die Frage der hindert wird.

bir Offiziere dereinst wieder Führer werden unserem Bolle, wie wir es früher waren und wie es uns auch fernerhin autommt..."