Str. 356 37.Jahrgang Ausgabe A nr. 41
Bezugspreis:
Berteljährl. 30,-, monatl.10,- frei ins Saus, voraus zahlbar. Boft bezug: Monatlich 10,- ML, ertl. 8u itellungsgebühr. Unter Kreuzband für Deutschland und Oesterreich 16,0 Mt. für das übrige Ausland bei täglich einmal. 8uftellung 21.50 M. Boſtbeftellungen nehmen an Desterreich Ungarn, Tschecho Glomatei, Däne mart, Solland, suremburg, Schweben und die Schweiz. -Eingetragen in
B
-
die Boft- Zeitungs- Breisliste. Der Vorwärts" mit der Gonntags beilage, Bolt u. 8eit erscheint wochen. täglich zweimal. Sonntags und Montags einmal
Telegramm- Adreffe
Sozialpemotrat Berlin".
Morgen- Ausgabe
Vorwärts
Berliner Volksblatt
30 Pfennig
Anzeigenpreis:
Die achtgespaltene Ronpareillezetle toftet 3.-M., Teuerungszuschlag 50% Aleine Anzeigen", Das fettgebrudte Wort 1,- M.( auläffig amei fettgedruckte Worte), jedes meitere Bort 60 Pfg. Stellengesuche und Schlafftellenanzeigen das erste Wort 65 Bfg., jedes meitere Bort 40 fg. Borte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Teuerungszuschlag 50%- Familien Anzeigen für Abonnenten 8eile 2, M., politische und ge werkschaftliche Bereins- Anzeigen 3,-. die geile ohne Aufschlag. Anzeigen für die nächste Nummer müssen bis 5 Uhr nachmittags im Sauptgeschäft, Berlin SW 68, Lindenftraße 3, abgegeben werden. Geöffnet Don 9 Uhr früh bis 5 Uhr abends.
Redaktion und Expedition: SW. 68, Lindenstr. 3.
Fernsprecher: Amt Morisplas, Nr. 15190-15197.
Sonnabend, den 17. Juli 1920
Vorwärts- Verlag 6.m. b. H., SW. 68, Lindenste. 3. Ferniprecher: Amt Morigplas, Nr. 117 53-54.
Unterzeichnung Konferenzschluß.
Wiedergutmachungskonferenz in Gent .
Spa, 16. Juli. WTB.( Amtlich.) In der heutigen| Alliierten damit einverstanden, daß der Artikel 7 nicht von uns Bolligung der Konferenz hat die deutsche Delegation die unterzeichnet werde. Die Sigung wurde dann für einige Minuten Forderungen der Entente in der Kohlenfrage angenom- aufgehoben, und es fand darauf die Unterzeichnung statt, men und unterzeichnet, nachdem in der oberschlesischen wobei für die Deutschen Reichskanzler Fehrenbach und ReichsKohlenverteilungsfrage eine Berücksichtigung der minifter Dr. Simons unterzeichneten mit bem ausdrücklichen$ in deutschen Forderungen in Aussicht gestellt worden war, und unter Ablehnung des§ 7 des Vertrages, der die Einmarschklausel enthält.
Die Beratung der Wiedergutmachungsfrage wurde auf eine neue Konferenz, die in einigen Wochen in Gent stattfinden soll, vertagt.
Die Unterzeichnung gleichzeitiger Ablehnung der Einmarschklausel entspricht den Vermutungen, die schon im gestrigen Abendblatt hier aus gesprochen worden sind. Betrachtet man das Zugeständnis der deutschen Delegation vom Standpunkt unserer Leistungsfähigbeit und unserer tatsächlichen bisherigen Beistungen, so findet man es allerdings beängstigend hoch. Es legt uns die Verpflichtung auf, monatlich 800 000 Tonnen Kohle mehr zu liefern als bisher, und niemand sieht, wie diese Verpflichtung ohne schwere Schädigung der deutschen Ar. beiterflasie erfüllt werden kann. Im Verhältnis zu ben ursprünglichen Forderungen des Friedens von Verfailles erreicht aber das deutsche Bugeständnis sozusagen nur die halbe Höhe der Unmöglichkeit, denn in Versailles wurden von uns 20 Millionen Tonnen im Halbjahr gefordert, in Spa nur zwölf, in Versailles wollte man uns für die Lieferungen gar nichts geben, in Spa bewilligte man uns gegen neue Bugeständnisse das Almosen von. 50 Papiermart pro Zonne und ansehnliche Vorschüsse. Nun muß eben ehrlich versucht werden, ob es so geht!
des Kohlenabkommens unter
-
-
So hart das Ergebnis für uns ist, würde es doch leichter getragen werden, wenn die Gegner nicht abermals mit militärischen Pressionen und mit der Drohung eines Bölferrechtsbruchs gearbeitet hätten. Daß der an gedrohte Einmarsch tatsächlich einen Bruch des Völferrechts darstellen würde, das in das Bewußtsein Der ganzen zibilisierten Welt einzuhämmern, ist jekt die wichtigste Aufgabe unserer auswärtigen Politit. Durch ihre Lösung wird uns beffer gedient sein als durch die nationalistische See, gegen die angeblich zu große Nachgiebigkeit der deutschen Regierung, die schon wieder allerorten einzusegen beginnt.
Das letzte Ringen.
zufügen der üblichen diplomatischen Formel: sous reserve de l'article sept. Nach weiteren Reben von Millerand, Lloyd George , Sforza und Chinda, denen Minister Dr. Simons antwortete, schloß Ministerpräsident Delacroix die Sigung der Konferenz, nachdem er mitgeteilt hatte, daß die Reparationsfrage hier nicht mehr beraten werden solle.
Es solle in einigen Wochen in Genf eine neue Konferenz, der von iebem Lande nur zwei Delegierte angehören, zur Beratung dieser Frage zusammentreten.
So ist die Entscheidung gefallen, die nicht zweifelhaft fein fonnte, und, wenn auch unter schweren Opfern, ift der Ein marsch in bas Ruhrgebiet abgewendet. Die Ablehnung des Brotokolls hätte den sofortigen Einmarsch bedeutet, und es unterliegt keinem Zweifel, daß die Bestimmungen des Friedensvertrages in ihrer vollen Wucht und Schärfe von der Entente in Kraft gefegt worden wären, b. h. Frankreich hätte bie im Friebens. vertrag vorgesehenen 39 Millionen Tonnen jährlich rüdfichtslos aus ber Förderung des Ruhrgebiets eingehalten und sie zum Beltmartt preis für fich verkauft. Deutschland wäre dann gezwungen gewesen, biefe Rohlen zu dem ungeheuren Weltmarktpreis zurüdzukaufen. Kritische Stunden.
V. S. Spa, 16. Juli, abends.( Eigener Drahtbericht bes„ Borwärts".) Seit 5 Uhr find Fehrenbach und Simons im Schloß La Freineuse mit dem Obersten Rat. Jest ist es 9 Uhr und fie finb noch nicht zurückgekommen. Gegen 7 Uhr waren die Minister scholz, Wirth und hermes dorthin bringend gebeten worden, offenbar wegen irgendeiner Rapitalentscheidung, die nur durch das Kabinett getroffen werden konnte. Bis jest herfcht jedoch eine völlige Ungewißheit. Die Entspannung unter den übrigen Mitgliedern der Delegation ist um so größer, als beschlossen wurde, nicht bedingungslos zu unterzeichnen, sondern nur, wenn die Entzute bestimmte Konzessionen mit der ober fchlesischen Roble uns gewährt. Indessen verlautet aus Ententekreisen, daß die Entente fich zu einer neuen Ron geffion bereit erklärt. Zwei Stunden nach Ablauf des Iti. matum& also seit 7 hr sollte der Einmaria begonnen haben. Obwohl man es für unwahrscheinlich hält, daß diefe militärischen Zwangsmaßnahmen bereits eingeleitet worden find, während noch die Staatsmänner der beiden Seiten verhandeln, ist man sich sehr darüber im Ungewissen, ob der Einmarsch tatsächlich schon begonnen hat.
-
-
Abreise der Sachverständigen.
Spa, 16. Juli. ( WTB.) Es war wieder Ruhe, als die im Sotel Anette et Lubin weilenden Minister, die an der heutigen Sigung nicht teilnahmen, bringend nach La Froinenfe gebeten wurden. Dort hatte unterbeffen ein schweres Ringen um die Spa, 16. Juli. ( Gigener Drahtbericht des„ Vorwärts".) Heute leste Faffung eingefest. Die deutsche Delegation hatte zu den Borschlägen der Entente einige Gegenvorschläge eingereicht, nachmittag ist ué nach Essen zurückgefahren. Er will eine sodie fich auf folgende Buntte bezogen: 1. die finanziellen fortige Bersammlung der Bertrauensleute des BergRiaufeln, 2. bie oberfchlesische Frage und 3. die Nuhr- arbeiterverbandes einberufen, die zu den Forderungen der Entente klausel. Die Gegner berieten lange und teilten uns schließlich Stellung nehmen soll. mit, daß ihre endgültige Antwort keinerlei Abänderung erfahren könne. Was wir in Oberschloften wollten, wollten fie auch, und sie würden das in der Kommission, die später zufam mentreten folle, vertreten, daß wir nämlich mit Ottohlen se
leiften.
Abends sind Stinnes und wiedfeld( Strupp) sowie Buebsen( Sohlensyndikat) nach Deutschland abgereist. Man mißt dieser Abreise eine demonstrative Bedeutung bei. Diese Herren waren die Bertreter des unnachgiebigen Standpunktes. Man nimmt an, daß sie mit der Abreise die Verantwortung für bie Unterzeichnung ablehnen wollen.
wirtschaftet werden, wenn unsere Ruhrkohlenförderung zur Befriedigung ber Zweimillionenforderung nicht aus. reicht. Die deutschen Delegierten baten darauf, da schwerwie Die deutsch - italienischen Handelsbeziehungen. gende Entschlüsse zu faffen waren, die nicht anwesenden Minister Spa, 16. Juli. ( WTB.) Reichsminister Dr. Simons batte nach dem Schloß, und die sofort abgehaltane Kabinettsfizung ergab, heute vormittag mit dem italienischen Minister des Aeußern, bak zwei Buntte der Forderungen der Alliierten unannehm- Grafen Sforza, eine Unterredung. Nach den Besprechungen bar waren: der oberschlesische und der Einmarschpunkt. Das Ar der Kohlenfrage wurden auch die deutsch - italienischen Handels. binett beschloß, an diesen beiden Forderungen festzuhalten. Es beziehungen unter Einfeßung einer Art schiebsgericht entspann sich alsdann ein erbittertes Ringen, in dem die Alliier- lichen Verfahrens für die zurüdliegenden Streitigkeiten ten immer wieder durch Drohung mit militärischen Maßnahmen wegen Nichterfüllung der deutschen Lieferungsberpflichtungen und uns zwingen wollten, unsere Unterschrift bedingungslos zu die Einführung eines gewissen Typenvertrages für die fünftige andelsvertragsabschlüsse ins Auge geSchließlich wurde uns in der oberfchlesischen Frage faßt. Es wurde sodann die Frage eines Gebäudes für die zugestanden, daß uns fofort ein Protokollauszug mit den deutsche Botschaft beim Quirinal besprochen, die zu der Frage Erklärungen bon Lloyd George ausgehändigt werden solle. der Entsendung eines deutschen Botschafters in näherer BeAnders mit dem Artikel 7. Sier schien ein Nachgeben der En- ziehung steht. tente nicht eraielbar. Ministerpräsident Delacroix , ber zwischen dem deutschen Kabinett, das in einem besonderen Zimmer faß, und ben Alliierten hin- und herging, kam immer wieder zurüd und erklärte, die Alliierten könnten in diesem Punkte nicht nachgeben, Schließlich erklärte Reichsminister Dr. Simons, daß wir am Ende wären, und wir machten nicht mebr mit, wenn man uns in diesem Puntte nicht entgegenkomme. Daraufhin erklärten fich bie
Vom Erhabenen zum Lächerlichen
Paris , 16. Juli. Sumanité schreibt: Dieses fenfa tionelle Geben und kommen der Brotagonisten ( gemeint sind die Marschälle) wäre tomisch, wenn das gesamte Wirtschaftsleben Europas nicht von der Annahme eines vernünftigen Planes abhängen würde, den unsere Schuldner freiwillig und night als 8mang Besiegter annehmen sollten,
Braucht Frankreich unsere Kohle?
Nach dem, was in den letzten Tagen von französischer Seite in Spa gejagt wurde, muß man annehmen, daß Frank reich ohne einen erheblichen Teil unserer Kohlenproduktion sein Wirtschaftsleben nicht, wieder aufrichten könne. Das wäre ja auch erklärlich, weil durch Kriegsmaßnahmen wichtige seiner Kohlengruben unprdouftiv gemacht wurden. Eine andere Frage ist aber, ob denn diese Gruben nicht mit einiger Mühe in absehbarer Zeit wieder instandgesezt werden könnten, so daß sie für die Kohlenproduktion wieder in erheblicherem Umfange in Frage fämen. Geht man, was bereits geschehen ist, an den Wiederaufbau von zerstörten Gebäuden, weil es notwendig ist, so muß man sich, wenn man Kohle so dringend braucht, doch auch mit Plänen befassen, die zerstörten Kohlengruben wieder ausbeutungsfähig zu machen. Darüber scheint aber in Spa gar nicht gesprochen worden zu sein.
Spinnen, sondern auf einen Umstand hinweisen, der von den französischen Machthabern unseres Wissens noch nicht gebührend gewürdigt worden ist, nämlich: daß Frankreich garnitio arman Roble ist, wie es von franzöfifcher Seibe jest fo gern bingestellt wird, fondern daß es wohl in ber Bage wäre, neue Gruben in großer Zahl einzurichten, alte ergiebiger zu machen, und daß es viel Rohle bei fich selbst gewinnen fönnte, wenn es darauf brängte, daß alle längst erteilten Rohlenfonzeffionen weidlich ausgenutt würden.
Wir wollen aber diesen Gedanken heute nicht weiter aus
Auf dem 14. Rongreß der Fédération du Sous- Sol ( Bergarbeiterverband), abgehalten in Saint Etienne bom 25. bis 29. Juni d. J., hielt der Generalsekretär des Landesverbandes der Arbeiter unter Tage( Fédération Nationale des Travailleurs du Sous- Sol), Bartuel, eine Rede zum Generalstreit und zur Nationalisierung( Sozialifierung) der Bergwerke, in der er u. a. sagte:
.... Die französische Industrie wie die Hauswirtschaft haben zu allen Zeiten den Brennstoff mit einem höheren Preise bezahlen müffen, als das in einer Anzahl Nachbarländer geschah. Durch das Gefeß geschützt, untersagten die Gesellschaften, durch Erwerbung der Stongeffionen, jede Initiative, von wo sie immer tam, und sorgten so dafür, daß sich der Gedanke im Lande feftsetzte, unser Boden sei arm an Mineral und man müsse sich damit abfinden, au importieren, um den für unseren Verbrauchy nötigen Vorrat zu vervollständigen.
Die Nationalisierung wird neue Grundsäße aufbringen, die ihre Rückwirkung auf die technische Organisation der Minen haben werden. 8um Beispiel wird jebt die Ausbeutung eines Bagers nur entschieden und organisiert unter dem Gesichtspunte eines unmittelbaren ( Unternehmer-) Gewinns. Nun, der Zwed der Nationalis fierung wird nicht allein in niedrigem( Berwaltungs-) Gewinn, sondern( auch) in der Erhöhung der Produktion bestehen, in einer besseren Organisation der Arbeit, in einer besseren Sygiene der Arbeiter usw.
Zum Beispiel wäre es in einer Grube des Pas- de- Calais , wo/ bas Ausbeutungsfeld 600 Heftar beträgt, von großem Nußen, awei oder brei Förderschächte an Stelle eines einzigen zu haben. Die Produktion würde intensiver werden, das Abrollen wäre weniger mühsam, aber auch die Lüftung, und in Verfolg davon würde die Hygiene biel besser werden.
Es ist eine Lüge zu fagen, daß unser Tiefboden weniger reich fei an mineralischen Substanzen als der der anderen Länder Eurovas! Wir werden es zeigen.
Ungeachtet des Artikels 31 des Gesetzes von 1810, welches den Stonzeffienären vorschreibt, die Ausbeutung aller ihrer Stongessionen im Gange zu erhalten, fann man beweisen, daß in gegenwärtiger Stunde mehr als 400( vierhundert) Konzessionen unausgebeutet bleiben.
Es ist schwer, im Hinblid auf unsere Gesetzgebung, den Inbabern die erwähnten Konzeffionen zu entziehen, da fie in ihren Rechten durch den Artikel 12 bestärkt werden, welcher den Konsessionär gegen jedes unbefugte Eindringen derer schüßt, welche in diesen Konzessionen Recherchen orstellen wollen. Es ist dasselbe mit dem Gesetz von 1810 das den Gesellschaften wie viele andere so günstig ist: man zieht alle borteilhaften Bestimmungen des Gefebes zu feinen Gunsten an und tritt die mit Füßen, welche einem die geringste Pflicht auferlegen.
-