Nr. 362 37.Jahrgang Ausgabe A nr. 44
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wurde.
Mittwoch, den 21. Juli 1920
Die Parteien über Spa.
Der Reichstagsausschuß für auswärtige Angelegenheiten trat| Stinnes und forderte, wie zuvor Bernstein , die Sozialisierung des gestern 29 Uhr abends zu einer Sigung zusammen, die auf An- Kohlenbergbaues. trag der Sozialdemokraten und Unabhängigen mit der verfassungs- Nach einer kurzen Entgegnung des Ministers Simons, in der mäßig notwendigen Zweidrittelmehrheit für öffentlich erklärt diefer Stinnes einigermaßen in Schutz nahm, sprach selffe rich( Dnatl.). Er schilderte die schwere Gefahr, die Deutschland Reichsminister Dr. Simons schilderte in längeren Ausfüh- durch die Entwaffnung namentlich im Often drohe. Die Entente rungen den Verlauf der in Spa geführten Verhandlungen. Er habe es leicht, zu erklären, die Waffenablieferung sei nicht geschloß mit der Erklärung, es habe sich wohl eine kleine Türe genügend, und dann im Ruhrrevier einzurüden. Die Regierungsparteien tamen gestern noch nicht öffnet, von der aus der Weg zu einer Verständigung zwischen Gleichberechtigten führen könne, aber im ganzen bedeute das Er zu Worte. Die Sigung wurde nach 11 Uhr abends vertagt, um gebnis von Spa keinen Erfolg, sondern eine Last, die zu tragen heute abends fortgesetzt zu werden. die Anspannung aller Kräfte erforderte.
Bernstein ( Soz.) erklärte sich mit dem Verhalten der Delegation im großen ganzen einverstanden, fand aber Einzelheiten außerordentlich tadelnswert, so besonders die Hecanziehung von Stinnes zur Konferenz. Im ähnlichen Sinne sprach sich Lede boar( U. Soz.) aus. Er erklärte, auch seine Fraktion wünsche, daß die Deutschen bei künftigen Berhandlungen als vollfommen gleichberechtigt behandelt würden. Daß die Regierung am deutschen Rechtsstandpunkt in der Einmarschfrage festgehalten habe, sei zu billigen. Im übrigen wandte sich auch Ledebour scharf gegen
Die Rede Millerands. Paris , 20. Juli. Die Kammer hat dem Ministerium Millerand mit 420 gegen 152 Stimmen das Vertrauen ausgesprochen.
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Zur Programmfrage.
In der Neuen Zeit" beschäftigt sich Gen. Heinrich Eunow mit der Frage der Revision des Erfurter Programms. Er erinnert daran, daß schon auf dem Würzburger Parteitag von 1917 der Ruf nach einer Revision des Erfurter Programms laut wurde und daß er wiederholt wurde, als vor einigen Wochen eine kombinierte Sigung der neugewählten Reichstagsfraktion und des Parteiausschusses sich für die Abhaltung eines Parteitags' im Spätherbst dieses Jahres entschied.
Cunow findet das Verlangen nach einem neuen Parti programım begreiflich, da die Forderungen des zweiten Teils programm begreiflich, da die Forderungen des zweiten Teits heute zum Teil schon verwirklicht, zum Teil überholt seien. Er fährt dann fort:
„ Auch die vielfach erhobene Forderung einer gleichzeitigen ReDas Reichskabinett und Spa. vision des sogenanten" the ore fischen" ersten Teils des Er. Weitere Kabinettsberatung. furter Programms, in dem Richtung und Ziel der WirtschaftsentBerlin, 20. Juli. Amtlich. Das Reichskabinett widlung mit ihren Folgen für die sozialistische Arbeiterbewegung feste heute in Anwesenheit des Reichspräsidenten die Be- furz skizziert werden, ist nur allzu verständlich. Weltkrieg und sprechung über die Beschlüsse von Spa fort. Der Hauptpunkt Revolution haben mit rauher Hand in das Reich der alten Vorder Erörterungen war die Frage der Entwaffnung, deren tech- stellungen, Thesen und Hypothesen eingegriffen, eine Reihe übernische Durchführung sehr eingehend auf Grund eines vom Reichs- lieferter Illusionen und Annahmen vernichtet und jedem, der sich minister des Innern vorgelegten Gesekentwurfes besprochen aus dem Bamn utopistischer Vorstellungen zu befreien vermochte, wurde. deutlich gezeigt, daß die Entwicklung zum Sozialismus sich feinswegs so rajch und glatt in den mit schönen Voraussetzungen und Hoffnungen gepflasterten Bahnen vollzieht, wie man vielfach 1891 nach dem Fall des Sozialistengesetzes glaubte in dem frohen Gefühl, daß nun die Wege zum schnellen Aufstieg freilägen. Die Erfahrung hat seitdem gezeigt, daß mit jedem neuen Fortschritt sich auch neue Verwicklungen, neue Umstellungen, neue Möglichkeiten und Unmöglichkeiten ergeben."
fenstillstandes angeknüpften Verhandlungen und wünsche ihnen Erfolg. Aber heute vormittag habe der französische Botschaffer in London mitgeteilt, daß ihren Gewohnheiten entsprechend die Sowjetregierung mit Impertinenz auf die Mitteilung geantwortet
mit allen Kräften unterstüßen
Paris , 20. Juli. In der heutigen Nachmittagssißung der fran- habe, die Lloyd George an sie richtete. Lloyd George habe den zösischen Kammer ergriff Ministerpräsident Millerend das Wort, um Mitteilungen zu machen über die Art, wie die fran- Soviets mitgeteilt, daß, wenn sie keinen Waffenstillstand annehmen würden, Großbritannien und seine Allierten Polen zösische Regierung die Inferesien Frankreichs in Spa verteidigt habe. Aber nicht nur diese Interessen habe die Regierung vertreten, sondern auch die Jnteressen der Staaten, deren Wieder- würden.( Starfer Beifall. Widerspruch auf der äußersien Linfen .) geburt sie begünstigt habe und die neu entstanden sind, nämlich Nachdem sich der Beifall gelegt hatte, fuhr Millerand fort, Bolens und der Tschechoslowakei . Die Alliierten seien der Ansicht, Frankreich werde sein Wort halten, wie auch sicher sei, daß Engdaß die türkische Regierung die Regierungen, die die Türken land dem seinigen treu bleiben werde. General Wrangel habe jeit einem halben Jahrhundert unterstützt hatten, verraten habe. gegen die Bolschewisten in der Krim Erfolge erzielt, wo tatsächlich In Anbetracht der verabscheuungswürdigen Mai- eine Regierung vorhanden sei, die die Sympathie der Bevölkerung fatres sei es nicht mehr möglich gewesen, unter der ottomani- habe und eine Agrarreform durchgeführt habe. Der Ministerschen Herrschaft Millionen von Menschen zu belassen. Der präsident geht dann zur Besprechung der Friedensvertrag mit der Türkei werde deshalb aufrechterhalten.
Verhandlungen mit den deutschen Delegierten Was Syrien anbetreffe, so habe die englische Regierung mit voll in Spa über, die den 3wed gehabt haben, die Ausführung des kommener Royalität erklärt, daß es Frankreich Fricbensvertrages von Versailles sicherzustellen. Frankreich sei allein zufalle, das Mandat über Syrien auszuüben. weit entfernt von dem Gedanken, sich in die innere Millerand besprach alsdann die polnische Frage und erklärte, die Konferenz von Spa habe sich bemüht, die Teschenec und die Danziger Frage zu regeln.
Um zu einer
wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Doutschland
deutsche Politit einzumischen. Der Vertrag von Verfailles habe das Deutsche Reich anerkannt.
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Cunom übt dann an dem theoretischen Teil des Erfurter Brogramms scharfe Kritif.. Schon insofern sei seine Auffassung falsch, als sie von der Annahme ausgehe, daß auf den Anfangsstufen der Wirtschaftsentwicklung ein Privateigentum an Produktionsmitteln gar nicht eristiert habe, der ganze Urfommunismus, den das Erfurter Programit konstruiere, jei eine Fiftion.
Ebenso wendet sich Cunow gegen die Auffassung, daß die Kleinbetriebe mit Naturnotwendigkeit" zum Untergang verurteilt seien:
Eine neue Wirtschaftsepoche hat eingefeßt, und mit dieser haben fich auch neue Tendenzen eingestellt. Für seine Zeit batie Mary also recht; ein grober Mißgriff war es aber, aus reinem Dogmatismus an der Margichen Stonzentrationsauffaffung feftzuhalten, nachdem 1891 bereits die ihr zugrunde liegenden Er fahrungstatsachen gewechselt hatten. Wäre tatsächlich, wie das Erfurter Programm behauptet, der Untergang des bäuerlichen Kleinbetriebs eine„ Naturnotwendigkeit“ und eine Vorbedingung der Durchführung des Sozialismus, dann müßten eigentlich der preußische sozialistische Landwirtschaftsminister und die ganze preußische Landtagsfraktion wegen ihrer Siedlungspolitik aus der
Man werde nicht versuchen, es heimtückisch zu demolieren. Frankreich werde sich nicht in separatistische In In engem Zusammenhang mit der Konzentrationstheorie friegerischen Anwandlungen verzichtet. Deshalb ten, daß die verschiedenen Elemente in Deutschland sich frei entwideln iit auch die Frage der Entwaffnung Deutschlands in Spa an fönnten, obne von der preußischen Segemonie bedroht zu steht die Verelendungstheorie, die ja ebenso wie die Konzenerster Stelle behandelt worden. Der Ministerpräsident erinnert werden, deren Triumph beinahe das Totengeläute der Zivilisation trationstheorie oder vielleicht noch allgemeiner von der Strifik sodann an die Strafbestimmungen, die in das Abkom- gewesen wäre und der Ruin Deutschlands . Deshalb habe die fran- verworfen wurde. Dazu wäre vielleicht zu bemerken, daß die men eingeschrieben wurden, also an die Besetzung des Bösische Regierung in München bei dem Minister, für Auswär- Verelendungstheorie als Theorie, d. h. als theoretisch feftRuhrgebiets. Er erklärt im einzelnen, wie die von Deutsch - tige Angelegenheiten einen Gesandten ernannt. Die Tätig gestellte unüberwindliche Tendenz der kapitalistischen Gesellfeit dieses Gesandten werde die Tätigkeit des französischen Botschaft zwar nicht haltbar ist, daß aber die Tatsache der daß aber die Tatsache der berteilt werden solle. Die Alliierten hätten erklärt, daß es schafters verstärfen. Laurent jei von der französischen Res Berelendung, als Kriegsfolge, sich dem Arbeiter unwidergierung deshalb als Botschafter für Berlin ausersehen worden, ſtehlich aufdrängt und im allgemeinen Intereffe liege, den Gesamtbetrag der zu Lasten weil die französische Regierung habe zum Ausdrud bringen theorie für ein theoretisch weniger geschultes Denten damit auch die VerelendungsDeutschlands gehenden setzen und von ihm Jahreszahlungen zu verlangen. Deutsch wollen, das Hauptziel ihrer Politik sei, normale wirtschaft wieder populär macht. Deutschland Deutschland wiederherzu- Trotzdem kommt Cunom dazu, vor dem Versuch einer Programmaufstellung in der gegenwärtigen Zeit zu warnen. Er führt darüber u. a. das Folgende aus:
zu gelangen, ist die erste Bedingung, daß Deutschland auf all: trigen einlassen( Widerspruch), aber die Alliierten wünsch Partei ausgeschlossen werden.
land zu erwartende Entschädigungssumme unter die Alliierten
land solle die Möglichkeit gegeben werden, sich von seiner Schuld zu befreien, indem mon Anleihen anfündige, die berechnet seien, sowohl für tie, Tilgung seiner Schuld, wie für jeine wirtschaftliche Wiedererhebung. Nachdem Millerand sodann das Protokoll, das in bezug auf die Kohlenlieferung unter zeichnet wurde, verlesen hatte, sagte er: Deutschland hat im Januar 497 000 Tonnen Kohle geliefert, im Februar 604 000 Ton nen, im März 583 000 Tonnen, im April 660 000 Tonnen, im Mai 942 000 Tonnen und im Juni 855 000 Tonnen. Nach der neuen. Verpflicting haben wir ein Anrecht auf
eineinhalb Millionen Tonnen im Monat.
Von Polen förnen wir erwarten 150000 Tonnen Kohle und Teer. Das Frankreich der alten Grenze fönne ollein mit dem, mas wir von Amerifa, England und Belgien erhalten, aut 4 200 000 Tonnen monatlich rechnen, also auf 80 Prozent feines normalen Ledarfs. Willerand sagte dann, er könne die Kritit, die geübt wurde, verstehen.
Die Spaer Konferenz habe sich aber auch eingehend mit den Nachwirkungen der Lage beschäftigt, die in Polen durch den Krieg mit Sowjetrußland
geschaffen worden sei. Die französische Regierung habe erklärt, daß sie mit der Sowjetregierung erst dann in Verbindung treten molle, wenn lettere gewisse Borbedingungen erfüllt haben würde. Die französische Regierung verfolge mit Shm pathie die von Lloyd George zivecs Abschluß eines af
stellen.
Die Flamenbewegung.
Antwerpen , 20. Juli. ( Savas- Reuter.) Der Gemeinde rat hat mit 20 gegen 7 Stimmen bei 3 Stimmenthaltungen eine Tagesordnung angenommen, die sich für die Serflamung der Universität Gent ausspricht.
Verhaftung des Münchener Rätebürgermeisters. In Berlin wurde der Kommunist Leo Werner verhaftet, der in der Münchener Rätezeit sich zum Bürgermeister von München aufgeschwungen hatte. Werner, der steckbrieflich verfolgt wurde, arbeitete auf einem Holzplatz in Stralan, wo ihn die Kriminal polizei am Montag nachmittag jestnahm. Hätte sich Werner doch von Hauptmann Pfeffer anwerben lassen, dann befände er sich noch heute in Freiheit!
Die Auflösung des Freikorps Aulod. Wie wir von zuständiger Stelle erfahren, ist das Freikorps Autod planmäßig seit dem 15. d. M. aufgelöst worden. Es befinden sich zurzeit nur noch Teile des ehemaligen Freikorps als Rivilisten in und bei Zeithain , die aber ebenfalls nach und nach abtransportiert werden. Widerstand gegen die Auflösung ist nicht geleistet worden. Richtig ist nur, daß sich etwa 11 Unteroffiziere und Mannschaften im Zusam menhang mit dem Kapp- Butsch seit März dieses Jahres in Inter . fuchungshaft befinden. Und wo versammeln sich die Aufgelösten von neuem?
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3.
Kompromiß
Trozdem halte ich heute, wie ich schon auf dem Würzbürger. Barteitag ausgesprochen habe, das Drängen nach einer Ersetzung des bisherigen theoretischen Teils des Erfurter Programms durch eine neue Programmeinleitung für verfehlt; denn was unter den gegebenen Umständen aus einer Beratung herauskommen würde, wäre voraussichtlich ein Gelegenheits produkt, das, wenn es auch mohl gewiiie fünstliche Konstrukti onen des Erfurter Programnis vermeiden würde, doch auf der anderen Seite wahrscheinlich viel zu fehr auf heutige Tagesbedürf nisse zugeschnitten und deshalb in turzem selbst wie der revisi onsbedürftig sein würde. Wir befinden uns heute eben nicht in einem normalen Stadium der Gesellschaftsentwicklung, sondern in einer Beriode überhafteter Umbildung überlieferter gesellschaftlicher Lebensformen, einer völligen n. sicher beit darüber, welche Umichläge im Gesellschaftsleben demnächst erfolgen und wie sich die internationale Wirtschaftsstruktur gestalten wird. Derartige Zeiten der Gärung und des revolutio nären Wechsels sind schon an und für sich wenig zur Aufstellung allgemeiner Richtlinien des sozialen Fortschrits geeignet, und noch weniger lassen sich aus den konvulfivischen Erscheinungen einer solchen Beit taftische Verhaltungsdirektiven für ferne Zukunften ableiten; im heutigen Fall kommt überdies noch hinzu, daß die mit früheren Erwartungen im Widerspruch stehenden Erfahrungstatsachen der