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Nr. 370 37. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Die Verantwortungen im Weltkrieg.

Deutsche Denkschrift an den Genfer Sozialistenkongreß.

( Schluß aus der Sonnabend- Morgenausgabe.)

Sonntag, 25. Juli 1920

land war damals die Ueberzeugung allgemein, daß, wie immer der ders ist sie natürlich, so wenig wie irgendeine andere Partei, im­Die Veröffentlichung der Bolschewifi aus den russischen Staats- Krieg entstanden war, die Entente die alleinige Schuld für seine stande, alle persönlichen Aeußerungen einzelner ihrer Mitglieder archiven und der Prozeß gegen den früheren russischen Kriegs- Verlängerung zu tragen habe. Diese Ueberzeugung führte aber mit ihrer Verantwortung zu decken. Sie ist indes auch heute noch minister Suchomlinow enthüllten einen Teil der geschichte wiederum zu dem Rückschluß, daß der Entente dieser Krieg, an der Ueberzeugung, daß ihr die Grundlinien ihres Verhaltens lichen Wahrheit, indem sie zeigten, daß es auch im gegnerischen dem sie mit so großer Bähigkeit festhalte, von Anbeginn an nicht durch die Ereignisse selbst vorgeschrieben waren, und sie kann sich Lager an Kriegstreibern, die auf einen bewaffneten Zusammen- unwillkommen gewesen sein könne, daß sie ihn vielmehr als einen auch heute noch keinen Vorwurf daraus machen, daß sie nach Kräf­stoß der Völker hinarbeiteten, nicht gefehlt hat. Gerade hier aber willkommenen, wenn nicht gar geschickt von ihr selbst herbeigeführ- ten bestrebt war, den Sieg eines feindlichen Imperialismus über zeigte es sich, wie gefährlich Teil wahrheiten für das Ganze der ten Anlaß betrachte, ihre alte Rechnung mit Deutschland zu be- ihr eigenes Volk zu verhindern. Sie betrachtet es auf der anderen Seite als selbstverständlich, daß die englischen, französischen und geschichtlichen Wahrheit sind. Nach den russischen Beröffentlichungen gleichen. Die Kriegsziele der Ententeantvoort an Wilson find durch den belgischen Genossen das Ihre taten, um einen Sieg des deutschen schien den breitesten Kreisen des deutschen Volkes jeder Zweifel an der vollkommenen Unschuld der deutschen Regierung aus Frieden von Versailles erreicht worden, er greift in Militarismus und Annexionismus entgegenzuwirken und daß sie gelöscht. Indem die Bolschewiki die Schuld ihrer gestürzten Macht- manchem noch weit über sie hinaus. Das hochgesteigerte Morals sich ebensowenig auf den guten Willen der deutschen Sozialdemo haber an den Pranger stellten, erwiesen sie den deutschen Macht- gefühl, das die führenden Staatsmänner der Entente während des tratie verlassen konnten, eine imperialistische Ausnutzung eines habern wider Willen den allergrößten Dienst. Krieges zur Schau trugen, hat den Lodungen des Siegfriedens deutschen Sieges unmöglich zu machen, wie die deutschen Sozials nicht standgehalten, und es hat sich klar erwiesen, daß es ihnen demokraten sich den feindlichen Waffen unterwerfen konnten in der um ihr angebliches Ziel, die Freiheit und den Frieden aller Völker Hoffnung, der ausländische Sozialismus werde einem geschlagenen Die moralische Entrüstung über die deutschen Volke zu einem Frieden der Gerechtigkeit verhelfen. zu sichern, nicht ernst war. Wenn die Sozialisten von beiden Seiten gegeneinander Vor­deutsche Kriegsschuld war ihnen nur ein politisches Mittel zum politischen Zweck, und damit erweist sich die Zurückhaltung, die die würfe erheben, daß sie die Ausschreitungen des An­beutsche Sozialdemokratie wenigstens m großen und ganzen in negionismus nicht mit genügender Schärfe bekämpft hätten - auch die deutsche Sozialdemokratie glaubt gegen die aus diesem Punkte während des Krieges übte, als gerechtfertigt. fo Wären es wirklich nur das deutsche Kaisertum und der deutsche ländischen Sozialisten dieser Vorwurf erheben zu können Militarismus gewesen, die eine ständige Bedrohung des Welt- liegt der tiefere Grund eines solchen Versagens im allgemeine 1 friedens darstellten und war dieser nach ihrem Sturze wirklich ge- twohl in der Schwierigkeit des Problems selbst. Wie schwer, ja wie sichert, dann dürfte sich die Menschheit jeßt der Hoffnung auf einen unmöglich es ist, gegen einen siegreichen oder sich siegreich dün ewigen Frieden hingeben. Denn die deutsche Revolution tenden Imperialismus die Ansprüche internationaler sozialistischer bom November 1918 hat diese Kriegsursachen beseitigt; eine Gerechtigkeit durchzusehen, haben die Sozialisten auf beiden andere Frage aber ist, ob der Frieden von Versailles nicht neue Seiten der Reihe nach erfahren müssen. geschaffen hat. Eine restlose Aufklärung der Ursachen, die im Sommer 1914 zum Kriege führten, wird erst möglich sein, wenn einer objektiven geschichtlichen Forschung, die unbeeinflußt sein muß von allen nationalistischen Tendenzen, die Archive sämtlicher Staaten geöffnet sein werden. Bisher ist ihre Deffnung nur in Rußland , Desterreich und Deutschland erfolgt. Das Bild, das sich aus ihr ergibt, ist nach unserer Auffassung folgendes:

Das Bild änderte sich erst, als in der ausländischen Bresse die Denkschrift des deutschen Botschafters in London vor dem Kriege, des Fürsten Lichnowsky veröffentlicht worden war, wonach es unmöglich wurde, ihren Abdruck in der deutschen Preffe zu ver­hindern. Während diese Denkschrift für das Ausland nur eine Be­stätigung dessen war, wozu es sich seit Kriegsbeginn bekannte, schlug sie den neun Zehnteln oder neunundneunzig Hundertsteln der deutschen Oeffentlichkeit geradezu ins Gesicht. Aber nur ein kleiner Teil von ihr wurde durch fie in ihrer vorgefaßten Meinung er­schüttert. Die überwiegende Meinung ging dahin, daß der deutsche Botschafter Vertrauen an falichem Ort gebegt und sich von seinem schlaueren Gegenspieler, Edward Grey , habe übertölpeln lassen. Man buchte diese Denkschrift als einen neuen Beweis für die Un­fähigkeit der deutschen Diplomatie, eine Auffassung, der die Re­gierung in ihrer damaligen Notlage mit allen Kräften beitrat. Auch in parteigenössischen Kreisen sah man vielfach in dieser Dent­schrift nur eine start persönlich gefärbte und einseitige Darstellung des Verlaufs der Dinge, und man konnte sich mit diesem Urte:! auf vereinzelte englische Stimmen berufen.

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Der Kampf gegen den heimischen Imperialismus hatte uns deutsche Sozialdemokraten in eine Lage gebracht, die die aus­ländischen Genossen während des Krieges selbst beim besten Willen nicht verstehen fonnten. Sie glaubten es mit einem einheit lichen Deutschland zu tun zu haben, mit einem eroberungslufti­gen Kaiser an der Spike, dem die sozialdemokratischen Arbeiter blindgehorsam folgten. In Wirklichkeit war Deutschland - durch die Schuld der alldeutschen Annexionisten bom ersten Tage des Krieges an gespalten. Erst Veröffentlichungen, die nach dem Kriege erfolgt sind, ganz besonders die Aussagen vor dem parlamentari­schen Untersuchungsausschuß, haben dem Ausland die ganze Schärfe dieses inneren Stampfes und die Gruppierung der Kräfte in ihm enthüllt. Die treibende Kraft des Kampfes gegen die Militärpartei war von Anfang an die Sozialdemokratie, der Stampf fonnte aber nur auf dem Boden der Landesverteidigung geführt werden. Berließ die Sozialdemokratie diesen Boden, so trennte sie sich von Bundesgenossen, die zu stärken die einfachste tattische Erwägung gebot. Erschienen wir als die baterlands­Losen Gesellen", als die wir vor dem Kriege hingestellt worden waren, so hatte die Militärpartei leichtes Spiel. Wenn wir also den Ton, in dem wir uns zum Schuh unseres Landes bereit er­tlärten, gelegentlich forcierten, so taten wir das, um zu zeigen, daß niemand berechtigt sei, seine bessere Vaterlandsliebe gegen uns auszuspielen; wir taten es, um zu zeigen, daß wir, die wir für den Verständigungsfrieden eintraten, für Deutschland tämpften gegen diejenigen, die Deutschland verdarben. Durch unser Bekenntnis zur Landesverteidigung wollten wir uns nicht der Militärpartei unterwerfen, sondern im Gegenteil die Kraft finden, sie zu be kämpfen. Daraus ergaben sich taktische Situationen, die dem Aus­land ebenso unverständlich bleiben mußten, wie uns manche Vor­kommnisse im Ausland, die wir nur kopfschüttelnd betrachten

Hielt die Partei den Versuch, während des Krieges über die Verteilung der Verantwortlichkeit unparteiische und wissenschaftlich Die Sorge der deutschen und österreichischen Machthaber, fie haltbare Feststellungen zu treffen, für praktisch undurchführbar und bedenklich, so konzentrierte fie alle Kraft darauf, die Weltlage, fönnten eines Tages einem erdrüdenden Angriff auf allen Fronten soweit es an ihr lag, für einen Verständigungsfrieden ausgefeßt sein, war nicht unbegründet. Eine vorsichtige Staats­reif zu machen. Ihr Ziel war die Beendigung des Krieges in einer Kunst hätte trotzdem verlangt, daß alles getan wurde, um die Ge­militärischen Lage, die es feinem der beiden Teile ermöglichte, dit- fahr des Weltkrieges zu bannen. Sie erforderte die Auflösung der tatorische Forderungen zu stellen, sondern beide Teile nötigte, durch bestehenden Bündnissysteme und die Vereinigung Englands, Frant beiderseits freie Verhandlungen einen Ausgleich der Gegensäte reiche und Deutschlands zu dem Zweck, den Weltfrieden aufrecht herbeizuführen, also der status quo, modifiziert durch freiwillige zuerhalten. Eine solche vorsichtige Staatstunst ist in Deutschland bmachungen. Das war der sogenannte faule Frieden, der nicht getrieben worden, vielmehr war das Gegenteil der Fall. Der Scheidemannfrieden", wie man ihn in Deutschland nannte, la im Jahre 1914 ausgebrochene Krieg trägt auf paix boiteuse" oder la paix blanche", wie er in Frankreich hieß. deutscher Seite die Kennzeichen eines verwerf Wir deutschen Sozialdemokraten waren davon überzeugt, daß dieser lichen Präventivtrieges, der zwar nicht unmittelbar und " Frieden ohne Sieger und Besiegte" den Interessen des Inter - auf alle Fälle getvollt, aber doch in verbrecherisch leichtfertiger nationalen Sozialismus am meisten entsprach, und waren der Weise ristiert wurde. Die deutsche Strafrechtstheorie fennt den Begriff des fo­Meinung, die Sozialisten des Auslandes hätten uns besser in dieser richtigen Grundauffassung unterstüßt, statt durch überscharfe Kritit genannten dolus eventualis, der bösen Absicht, die den vers unserer wirklichen oder vermeintlichen Fehler unsere Stellung zu brecherischen Erfolg zwar nicht unter allen Umständen anstrebt, schwächen und damit ungewollt den Anhängern der Knock- out- Thn aber doch als mögliche Folge des Handelns voraussieht, ohne Theorie hüben und drüben entgegenzukommen, ihn innerlich abzulehnen. Ein solcher dolus eventualis war auf Durch ihre Forderung des Verständigungsfriedens geriet die feiten der deutschen Machthaber vorhanden, als sie ihre öfter­deutsche Sozialdemokratie in den schärfsten Gegensatz zur all- reichischen Bundesgenossen zum schärfsten Borgehen gegen Ser beutschen und Militärpartei. Er steigerte sich soweit, daß in der bien ermutigten, auch auf die Gefahr hin, daß daraus ein Welt imperialistischen Preffe der Ruf laut wurde, man müsse bext frieg entstehen könnte. Ihre eigentliche Absicht war, Desterreich and Scheidemann als Landesverräter auf den ein lokalisiertes Vorgehen gegen Serbien zu ermöglichen und zu Sandhaufen stellen und erschießen. Der Vorwärts" gleich die an den Balfanfragen mitinteressierten Mächte, nament­berfiel unter mehrheitssozialistischer Leitung einem Zensurberbot ich Rußland , durch Einschüchterung in Schach zu halten. Als Heute jedoch sollte die Stunde gekommen sein, in der sich die nach dem andern, und schließlich wurden seine Redakteure im jedoch Rußland gleichfalls zur Bolitit der Einschüchterung über­Januar 1918 tegen Landesverrats vor ein außerordentliches ging und die Mobilmachung seiner gesamten Streitkräfte ins arbeitenden Völker aller Länder wieder verstehen lernen. Kriegsgericht geftellt, wo es dann freilich nicht bis zur Aburteilung ert fette, fanden oder glaubten die deutschen Machthaber jeden Und so stehen wir nicht an, offen auszusprechen: Wir deutschen fam. Aehnliche Schicksale erlitten die sozialdemokratischen Partei- Rüdweg gesperrt. Manche von ihnen mögen ihn nicht einmal ernst Sozialdemokraten verstehen die Enttäuschung, die wir vielen von Euch, Genossen der bormals feindlichen Länder, bereiteten, wir Blätter in der Proving. lich gesucht haben. J Dezember 1916 hatte 23ilson feinen neutralen Lagen also die tieferen Ursachen des Weltkriegs in den im- berstehen Eure Erbitterung. Ihr saht nur das taiserliche Vermittlungsversuch unternommen. Die Antwort, die er perialistischen Strömungen aller Länder und in Deutschland , das in Euren Augen wie ein toller Hund über von der Entente erfuhr, wurde von der ganzen öffentlichen Mei- der unglücklichen Mächtefonstellation, so lag sein unmittel- die Welt herfiel, Thr fahet nur den deutschen Militarismus, der nung Deutschlands die der Unabhängigen mit eingeschlossen barer Anlaß hauptsächlich, wenn auch nicht aus auf fremdem Boden wütete wie ein wildes Tier- und unser Ver­dahin verstanden, daß die Entente an ihren imperialistischen schließlich, bei der mit Kopflofigteit gepaarten halten schien vielen von Guch nichts anderes als Mitschuld und Be Eroberungs- und Zertrümmerungszielen festhalte Gewiffenlejigtett der jett gestürzten deutschen teiligung an solchen Gräueln. Wir aber sahen ein Bolt, das sich und den Krieg bis zu ihrer Verwirklichung fortzusehen entschlossert und österreichischen Machthaber. Ihre Schuld führte angegriffen glaubte, das mit den höchsten Opfern sein nationales sei. Daß auch der deutsche Imperialismus den Vermittlungsversuch gu ihrem Sturz, der Zusammenbruch der Mittelmächte schuf dem Dasein verteidigte und das wußte, daß es am Tage seiner Nie­Wilsons zu durchkreuzen suchte, war damals noch nicht bekannt, Imperialismus der Weststaaten freie Bahn zur Erreichung längst derlage einem erbarmungslosen Gegner ins Auge bliden würde. Wir saben ein Volt, das in solchem Wissen Ungeheures leistete und bolle Marheit hierüber hat erst die Aussage des früheren deutschen verfolgter imperialistischer Ziele. Botschafters in Washington , Grafen Bernstorff, vor dem Un­Unnennbares erduldete, wir sahen die wachsende Ueber­tersuchungsausschuß der Nationalversammlung erbracht. In Deutsch­macht der Gegner und fühlten die würgende Hand der Hunger­

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Die deutsche Sozialdemokratie mag in ihrer Haltung während des Krieges im einzelnen Fehler begangen haben, und ganz beson­

tonnten.

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