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Nr.372 37.Jahrgang Ausgabe A nr. 49

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Dienstag, den 27. Juli 1920

Die Spa- Debatte im Reichstag.

Simons greift in Wespennester.

ge.

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Die Zukunft der 2. Internationale

Eine Unterredung mit Ramsay Macdonald . Ein Teil der englischen. Besucher des Internationalen Sozialistenfongresses in Genf hat seinen Weg über Berlin

Gestern im Reichstag hatte man einen matten Aufguß der rascht dreinblickte, dann wieder Herr Gegler, der Reichswehr- genommen. Zu ihm gehörte auch der Genosse Ramsay schon gehörten Reden über Spa erwartet. Es kam anders. minister, in den Mittelpunkt einer lebhaft bewegten Offiziers- Macdonald, Mitglied der Erekutive der Labour Der Minister des Auswärtigen Dr. Simons hielt eine gruppe geriet. Inzwischen gingen die ältesten Parlaments Party und Angehöriger der Independent Labour Party. Rede, die sehr großes Aufsehen erregte und deren Besprechung propheten von Bank zu Bank und weisjagten große Ereignisse In einem Gespräch mit einem Mitglied unserer Redaktion wohl nun den Hauptinhalt der folgenden Debatte bilden wird. und unheilschwangere Konflikte. sette Genosse Macdonald auseinander, daß der bekannte Be­Der Grundgedanke dieser Rede, daß man den nun einmal Die Sozialdemokratie wird von der Broszeniumsloge, Sie schluß der 3. 2. P. aus der Zweiten Internationale auszu­unterzeichneten Friedensvertrag bis an die letzte Grenze des sie im parlamentarischen Theater bezogen hat, den weiteren treten, für ihn kein Hindernis sei, an dem Genfer Sozia­Möglichen zu erfüllen bestrebt sein müsse, ist an sich nicht neu, Gang der Dinge mit ruhiger Aufmerksamkeit verfolgen dürfen. liſtenfongreß beilzunehmen, zu dem er sich als Vertreter der nur die Energie, mit der er ausgeführt wurde, wirkte stark und Zunächst erweist sich Herr Simons als ein Mann, der seinen 2. P. begebe. Einige andere Mitglieder der englischen Dele­auf manche Zuhörer beinahe beklemmend. Auch sonst war die Weg geht, und dabei wenig darauf achtet, ob er nicht gation in Genf befinden sich in derselben Situation wie Rede Simons darauf angelegt, dem Auslande zu zeigen, diejem oder jenem auf die Hühneraugen tritt. Er will eine Genosse Macdonald, auch sie nehmen als Repräsen­daß man zur deutschen Regierung und besonders auch zu ihm bestimmte auswärtige Politif machen, die sich in ihren An- tanten der 2. P. an dem Kongreß teil, obgleich sie selbst volles Vertrauen haben könne. Um dieses Ver- fangsstadien befindet und von der darum nicht heute schon außerdem auch Mitglieder der J. L. P. sind. Die J. L. P. trauen wirbt Simons nicht nur nach Westen, sondern auch gesagt werden kann, daß sie richtig ist, aber er will sich vor wird als solche in Genf nicht vertreten sein, und darum nach Osten, und so sagte er der Moskauer Regierung zu allem die Voraussetzung schaffen, ohne die eine er- werden ihre dort weilenden Mitglieder auch für sie keinerlei ihren wirtschaftlichen Wiederaufbaubemühungen einige Artig- folgreiche auswärtige Politik überhaupt nicht getrieben werden Erklärung abgeben, vertreten sein wird aber die große eng. keiten, die bei den Unabhängigen und besonders auf ihrem fann: nämlich die Unterordnung aller in Betracht kommen- lische Arbiterpartei, die L. P., von der die J. 2. P. einen linken Flügel lauten Beifall auslöften, während man zu den Faktoren unter ihre Richtlinien. Möglich, daß ihm die Bestandteil bildet. gleich in der Mitte und auf der Rechten einige sonst sehr Kühnheit, mit der er zu behaupten wagte, eine Reichswehrkomgestellt batte, entwickelte sich zwischen ihm und unserem Nachdem Genosse Macdonald diesen Sachverhalt flar­bewegliche Gestalten zu Salzsäulen erstarren sah. pagnie habe die Mützen schief aufgehabt, den Hals brechen gestellt hatte, entwickelte sich zwischen ihm und unserem Rücksichtslosigkeit, die fast eine Panik bewirkte, mit verschiede- Gange sind, darf man ohne weiteres annehmen. Aber möglicher- Genfer Kongreß zu einer langen Debatte über die Striegs­Damit nicht genug! Herr Simons rechnete mit einer wird, daß derartige liebenswürdige Bestrebungen schon in Redaktionsmitglied folgende Unterredung: Frage: Sind Sie der Meinung, daß es auf dem nen Ressorts ab, die ihm bei seiner auswärtigen Politik weise wäre es auch schade... die Quere famen. Er sprach mit wenig diplomatischer Höflich­Als Herr Simons zu Ende war, beantragte Herr Streie- chuld und über das Verhalten der einzelnen sozialistischen keit über die völkerrechtlich nicht haltbare und auch schon wieder mann mit einer Miene, die nichts Gutes zu verraten schien, Parteien im Kriege kommen wird? rückgängig gemachte Verhaftung des Tr. Dorte n. Die heutige Sibung statt um vei erst um drei Uhr beginnen Fall sein wird. Ich glaube, diese Debatte wird sehr kurz Antwort: Ich hoffe zuversichtlich, daß das nicht der Er tadelte das Verhalten der Reichswehrkompagnie, zu lassen. Begründung: man müfie die Rede des Herrn Simons fein. Man soll sich nicht in Ereignisse einvühlen, die nur die mit beabsichtigter Saloppheit der Fahne auf der fran- erit in ihrem, stenographischen Zert tennen lernen. Später einmal der Geschichte angehören, sondern lieber für die zösischen Botschaft die geforderten militärischen Ehren erwies, hieß es, die Unmutswölfchen hätten sich wieder verzogen, und um gleich darauf zur Kompensation ein nationales Lied an- Herr Simons würde den Himmel der Regierungsparteien heiter 3ukunft arbeiten. zustimmen. Auch von dem Uebereifer, mit dem im Bela- Khun- finden. Im übrigen blieb es bei zwei Uhr, und der Redner Gefangenentransport nicht zugehörige Persönlichkeiten entdedt der sozialdemokratischen Fraftion, Genosse Friedrich Stamp wurden, scheint er nicht besonders entzückt zu sein. fer fommt als erster zu Wort. So kam es, daß je nach dem, wovon gerade die Rede einmal der Reichsjustizminister Dr. Heinze etwas über­

war

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Die übliche Ablenkung: Front gegen die Juden!

Die Jüdische Sozialistische Arbeiterorganisation Boale 3ion drahtet uns aus Wien unter dem 26. Juli:

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im

( Den ausführlichen Bericht über die Rede Simone finden unsere Lejer auf der 3. Seite der 1. Beilage beginnend.)

glauben Sie nicht, daß dann auch die deutschen Sozialdemo­Frage: Wenn es zu einer Kriegsichulddebatte kommt, fraten das Recht haben werden, die Frage aufzunverfen, was die Sozialisten der Ententeländer getan haben, um einen so undemokratischen und unsozialistischen Frieden wie den von Versailles zu verhindern?

Antwort: Das ist für mich ganz selbstverständlich. dem Gedanken widersprochen, daß die Verhandlungen über einen Wenn überhaupt über die Verantwortung während des Waffenstillstand noch zwischen anderen Mächten als Sowjetrußland Kriegs debattiert wird, dann ist auch das Aufrollen dieser einerseits und Polen andererseits in Angriff genommen würden. Frage unvermeidlich. Freilich, die Frage der Verantwortung Wenn die Sowjetregierung auf ihrem Standpunkt beharre, so habe für den werdenden Frieden ist außerordentlich kompliziert. die englische Regierung nicht die Absicht, auf ihrem Vorschlage zu Ich kann nur wiederholen, ich hoffe, daß man es vorziehen Warschauer Arbeiterblätter melden unerhörte Verfolgungen or Konferenz in Lendon nur vorgeschlagen, weil sie glaubte, daß bestehen. Die englische Regierung bebe den Zusammentritt wird, sich mit der Zukunft zu beschäftigen. Frage: Salten Sie ein gemeinsames Pro­ganisierter jüdischer Arbeiterschaft. Führende Genossen und dadurch Rußland in Beziehung zur Friedenskonferenz gebracht gramm der Zweiten Internationale für möglich? fast alle Vorstandsmitglieder der sozialistischen jüdischen Organisa- würde und der Weg für eine Verständigung zwischen Rußland und tionen Boale Zion" und" Bund" werden in aller: Städten ver- der übrigen Welt geebnet werde. Antwort: Tas hoffe ich doch ganz bestimmt. Was Was die englische Regierung zunächst die auswärtige Politif betrifft, so erwarte haftet, zum Teil auch ich wer mishandelt und in Ketten wünsche, sei, daß die Verhandlungen unverzüglich geführt ich, daß sich der Rongreß für einen wirklichen Rechtsfrieden. geschlagen. Die meisten Arbeiterinstitutionen, sogar tinder- würden, daß die Grenze zwischen Rußland und Polen seweit wie gegen jeden Gewaltfrieden aussprechen wird. Außer Frage Heime, Arbeiterküchen und Schulen, alle gewerk möglich mit den Wünschen der in Betracht kommenden Bevölkerung steht für uns das Recht der Bevölkerungen, frei über ihre schaftlichen und politischen Vereine und Lofale übereinstimme, und daß ein bauernder Friede zwischen Polen und Staatszugehörigkeit zu entscheiden, also z. B. auch das Recht werden geschlossen, zahlreiche Genoffen sind nach Poien feinem östlichen Nachbar hergestellt werde, der die Einstellung der Oesterreichs , sich aus freiem Willen der Deutschen Re­verschleppt worden und interniert, In der Arbeiterfiche eindseligkeiten und die Nichteinmischung beider Teile in die Ange- publik anzuschließen. Wir müssen zu einem wirklichen. demo­Poale Zion" in Warschau wurden an einem Abend alle anlegenheiten des Nachbars bringen würde. Um den Standpunkt der fratischen Völkerbund gelangen an Stelle des gegenwärtigen, wesenden zwei hundert Genossen verhaftet und teilweise Angelegenheit endgültig zu flären, sei die polnische Regierung von der doch nichts anderes als eine neue Heilige Allianz ist! in den berüchtigten zehnten Pavillon abgeführt. Die Regierung den Alliierten aufgefordert worden, sofort Waffen- Frage: Glauben Sie, daß der Kongreß imstande Grabeti beabsichtigt völlige Liquidierung des Bund" stillstands- und Friedensverhandlungen herbei sein wird, für die Behandlung des gegenwärtigen o ste uro­und der Boale Zion". zuführen. Sollten die Sowjetheere indessen trotz des Ersuchenspäi ichen Konflifts feite Richtlinien aufzustellen? Trotkis Drohungen. der polnischen Regierung um einen Waffenstillstand ihr Vorrücken Antwort: Ich halte den Genfer Rongreß für be­Amsterdam, 26. Juli. Eine bolschewistische Meldung vom fortjeßen, jo müßten die englische Regierung und die Alliierten not- sonders dazu geeignet. Die gegemvärtigen Machthaber haben 24. besagt: Troyti fagte in einer Rede, Polen werde binnen wendigerweise annehmen, daß die Sowjetregierung den Krieg gegen mit ihrer Ostpolitik Bankerott gemacht, ihre Politik und kurzem aufhören, ein defensiver Puffer gegen Rußland zu das polnische Volk wolle, und würden Polen Beistand und ihre ganze Geistesrichtung waren auf völlig falscher Fährte. sein. Es werde vielmehr eine rote Brücke für die soziale Unterstüßung leisten. Außerdem müsse die englische Revolution ganz Westeuropas werden. Dies sei auch der Regierung erklären, daß die Verhandlungen über die Wiederauf- n Genf versammeln sich die Vertreter der wahren Demo­fratie. Sie, müssen als Repräsentanten des wirklichen Grund, warum die Entente die Unterstützung Polens fieberhaft nahme der Handelsbeziehungen zwischen Rußland und Volksbundes dafür eintreten, daß die Grenzfestsetzun­steigere und weshalb die Bolschewisten sich bemühen mußten, die dem britischen Reiche zweckmäßiger nicht fortgesetzt werden Herrschaft der, weißen Pans" unwiderruflich und endgültig fönnten, wenn Sowjetrußland in Polen eindringe. Sie habe des gen im Osten unter sorgfältiger Berücksichtigung aller geo­graphischen, historischen und ethnographischen Tatsachen er­halb an Kamenew und Krassin telegraphiert, sie möchten ihre niederzuwerfen, bevor Hilfstruppen ankommen könnten. Abreise aus Reval verschieben, bis der Waffenstillstand abge- folgen. Sit auch eine vollständige Lösung nicht möglich io Lord Curzons entgegenkommende Autwort an fann die Entscheidung so getroffen werden, daß sie allen Tschitscherin. Feindseligkeiten ein Ende bereitet. Krassin mit Lloyd George unzufrieden. Amsterdam , 26. Juli Der am Sonnabend veröffentlichte Tert Paris , 26. Juli. der zwischen Curzon und Tschitscherin gewechselten Not en ( Meldung des Hollandsch Nieuwsbureaus.) betreffend einen Waffenstillstand zwischen Rußland und Bolen ente Echo de Paris" berichtet aus Stockholm : In einem Pressegespräch hält auch die Antwortnote Curzons bom 20. Juli. Diese drückte Krassin seine Empörung darüber aus, daß Lloyd besagt, die Sovjetregierung habe eine große Zahl von Streit George vor der Wiederaufnahme der Londoner Besprechungen fragen angeschnitten, über die zwischen der britischen und der neue Bedingungen gestellt habe. Der Waffen still. Sozialismus ohne Demokratie ist eine Sowjetregierung sowohl bezüglich der Tatsachen wie der Grundst and mit Polen habe mit den englisch - russischen Handelsbe- unmöglich feit. Die Revolution kann wohl eine Diktatur sätze tiefliegende Meinungsverschiedenheiten beziehungen nichts zu tun. bringen, aber Diktatur des Proletariats ist schließlich auch nicht ständen. Die gegenwärtige Depesche werde sich nicht damit befassen, besser als Diftatur der Aristokratie. Eine Revolution fann sondern sich auf das dringende Problem der Beendigung der Feind­durch eine Minderheit hervorgebracht werden, aber wenn dann London , 26. Juli. ( Meldung des Hollandsch Nieuwbureaus.) eine Weinderheit sich, durch militärische Maßnahmen, durch feligteiten zwischen Polen und Sowjetrußland, beschränken, die so schnell wie möglich erfolgen solle. Die Sowjetregierung habe ihre In Beantwortung einer Entschließung bezüglich des Verhaltens Unterdrückung der Meinungsfreiheit an der Macht halten will. Bereitwilligkeit fundgegeben, die Frage eines Waffenstillstandes mit von Churchill in der russischen Frage, die vom Great Council dann ist das eine Diktatur nicht des Proletariats, sondern einer Polen in freundschaftlichster Weise zu erwägen und Bolen angenommen wurde, erklärte Churchill , wenn die Arbeiter- leinen Führerflique."

schlossen sei.

Churchill zum Rücktritt bereit.

Die Unterhaltung ging dann auf Fragen der inneren Politif über.. Zu den Streitfragen Diftatur oder Demo­fratie äußerte sich Genosse Macdonald in den klarsten Aus­drücken. Er sagte:

eine Genze zuzugestehen, die nicht ungünstiger sei, partei ihm im Unterhaus ein Mißtrauensvotum aus- Die Frage der Sozialisierung, führte Genosse als die ursprünglich vom Obersten Rat vorgeschlagene. Die Sowjet- stellen wolle, werde er den Herrschaften sein Amt gern zur Ver- Macdonald weiter aus, fei auch in England aufgerollt. Eine regierung habe gleichzeitig in Sieser Erklärung in energischer Weise fügung stellen. der größten Fragen sei dabei die Sozialisierung der