auch das jus primae noctis der Herren Gutsbesitzer beimGesinde gedeckt sei, enthüllt doch nur die ausschweifenden„Phantasien" gewisser Agrariergehirne, nichts weiter. InZiffer 4 halt der juristische Helfershelfer der Agrarierdarauf, unsere Aeußerung über die formellen Schwierig-leiten, die angeblich einer einheitlichen Revision der Gesinde-Ordnungen entgegenstehen, durch«in ausführliches Zitatans seiner Begründung zu bestätigen; dagegenhaben wir natürlich nichts einzuwenden. Ziffer özeigt, daß Herr Suchsland unseren Artikel in Nr. 223nicht recht verstanden hat. Wir schrieben, daß diein K 3 des agrarischen Gefetzentwurfes enthaltene Definitiondes Gesindes, deren sich ja Herr Suchsland auch jetztschämt, da er vermeidet, sie zu zitiren, noch weiter gehe,als z. B. die rheinische Gesinde-Ordnung von 1844, die nochRücksicht auf die Körperkräfte des Gesindes nimmt. DaHerr Suchsland diesen Hinweis nicht verstanden zu habenscheint, so trifft seine Bemerkung die Sache nicht.'WasZiffer 6 betrifft, so setzen wir einfach eine Prämie fürDenjenigen aus, der zwischen der Führung der Strafregisterüber Verurtheilte durch die Gemeindebehörde und demvon Herrn Snchsland jetzt selbst ausführlich geschildertenVorschlag seines � Gesetzentwurfes im Effekt einenUnterschied nachweist. Ziffer 7 erklärt sich wohl daraus,daß Herr Suchsland zu wenig Kenntniß von den praktischenArbetterverhältniffen hat. Da das Leben des Arbeiters ebenim ruhelosen Wandern von einer Arbeitsstelle zur anderenbesteht, so bedeutet die regelmäßige Verzeichnung dieserArbeitsstellen die lückenlose Aufzeichnung dcS Lebenslaufesdes Arbeiters.Manche Genoffen wollten bisher gar nicht glauben, daßdie Agrarier indem bis vor kurzem so unbekannt gebliebenenGesetzentwurf sich so offen ausgedrückt hätten. Wir freuenuns deshalb über jdie Bestätigung durch Herrn Suchsland.Hoffentlich ist die Drnckausgabe des Gesetzes, die so langenoch nicht vorliegen kann, recht billig. Dann empfehlenwir sie nochmals als beste Agitationsschrift für das Land.Armer Casimir!Paris, 5. Oktober 1Sg4.Casimir Perier ist in diesem Augenblick der geärgertsteBourgeois von Frankreich.Er soll Thränen vergossen haben, als er seine Ernennungzum Präsidenten erfuhr. Boshafte Spötter behauptete», er habeüber das traurige Ende Carnot's geweint. Welcher Schwindel!Ist es glaublich, daß in dieser Welt des Kapitalismus sich einErbe findet, der den Verstorbenen bedauert, welcher das Geld ver-zehrte oder das Amt besetzt hielt, das er selber, seit zum Vernunft-aller gekommen, für sich ersehnte? Easimir Perier war ein zu guterKapitalist, um sich über einen Todesfall zu grämen, der für ihnein Glücksfall war. Er begleitete den Leichnam seines Vor-gängers gewissenhast bis auf den Kirchhof, um sich su überzeugen,daß er auch wirklich unter die Erde kam und nicht als Bankoverkleidet wieder zurückkommen und bei dem Bankelt des Elise«*)einen Platz beanspruchen könnte.Der Anfang ist bekanntlich die schönste Zeit für die Neu-vermählten; er scheint es auch für die Präsidenten, Königeund Kaiser zu sein. Während der Flitterwochen seiner Präsident-schaft schwamm Casimir in einem Meer von Wonne, das ihndie einfachsten Vorsichtsmaßregeln vergessen ließ, welche nöthigwaren, um Frankreich seine kostbare Persönlichkeit zu erhalten.Er ging zu Fuß aus seiner Privatwohnung in das Elusie, under wagte sich in einen Krämerladen, wo er für das Töchterchcneines Gärtners eine Schreipuppe kaufte. Es ist wahr, erannte das Sprichwort:— no bis In iäern— zweimal geschiehtnicht das Gleiche; und er war überzeugt, daß ihm die Auarchisten«ine Galgensrist gewähren würden, eheste wieder einem Präsidentenzu Leibe gingen. Aber die Zeitungen des Elysee waren begeistertund standen wie verzückt da vor soviel Muth und Einfachheit.Die Bewunderung war so mittheilsam, daß sie einen alten Oberstmit Namen Casimir aus seiner dunklen Zurückgezogenheil hervor-treten ließ, der seine Ernennung zum Präsidenten der Republikerwartete, um der Welt zu verkünden, daß er der Tapferste derTapferen im Krieg von 1870/71 gewesen.") Das Lobeslonzert') Elysöe— das Elysinm: Name des Palastes, in dem diePräsidenten der französischen Republik wohnen.") Casimir diente einige Wochen im Krieg 1870/71; darauswurde eine ganze Legende gemacht.war allgemein. Casimir war der Ritter ohne Furcht undTadel. der St. Georg des Kapitalismus; er war einAdonis. an Schönheit; die Damen fanden ihn liebens-würdig, die Untergebenen leutselig; er hatte die Beredt-samkeit Mirabeau's, die politische Tiefe Macchiavelli's,die unerschütterlich« Thatkrast seines Großvaters u. s. w. Under war Erz-Millionär— wohlgemerkt! denn das ist die Haupt«fache, Erz-Millionär!Casimir war der Phönix von einem Präsidenten! In ihmwar der ermordet« Prästdent wieder aufgelebt, verjüngt, ver-schönt, hundertfach stärker.Wohl brachten die Sozialisten häßliche Mißtöne in diesesschöne Konzert der Anbetung, aber sie haben nichts zu bedeuten,und man müßte verrückt sein, wollte man sich um ihr Gelnurrekümmern.Casimir war berau,cht� er dünkte sich König und Kaiser, undsprach davon, an seinem Hofe nur echte Adelige und bankfähigeMillionäre zu empfangen. Er war so groß, daß nichts mehrfür ihn paßt: er ließ den Bahnhof in Pont-snr-Seineerweitern, wo er seine Tuilerien hat: es wurde ein besondererEingang für Seine Majestät hergerichtet; und wenn Er sich insein Schloß begab, wurden Ihm Teppiche gelegt, damit Seinemajestätischen Füße nicht mit dcm plebejischen Straßenschmutz,in dem Arbeiterschiveiß steckt, in Berührung kämen. Casimirbildete sich ein, dieses paradiesische Glück werde ewig dauern.Aber die Flitterwochen waren bald vorüber.Der Mensch hat leider nur wenige der edlen Eigenschaftendes Hundes, dafür hat er desto mehr Eigenschaften desSchweins: er liebt es im Schmutze herumzuwühlen. Mit einemEiier, der gegen jeden Ekel gefeit machte, ging man daran, denMisthaufen der Familie Perier umzuwendcu und zu durchsuchen;man zog das Andenken eines Bruders von Casimir aus derVergessenheit hervor— eines lüderlichen Offiziers, der das Geldzum Fenster hinauswarf, und dessen die Familie sich entledigte,indem sie ihn nach Südamerika schickte, um am gelben Fieber zusterben.— dessen Schulde» zu bezahle» sie jedoch hartnäckig ver-weigerte, damit die Familien-Millionen nicht angegriffen würden.Vom Sohne kletterte man hinauf bis zum Großvater: dem„berühmten Mann" der Dynastie Casimir— und man entkleideteihn der Poesie.Die Legende erzählte, er hätte sich den Tod beim Besuch vonCholerakranken geholt.�) Die Wahrheit ist festgestellt worden:aus Angst hat Casimir der Erste die Cholera bekommen, die denbraven Äürgerkönig Louis Philippe von seinem unausstehlichenMinister befreite. Er war das hervorragendste Mitglied der„Schwarzen Bande"(bamle noire) gewesen— einer Diebes-gesellschaft, ivelche die Adligen ihrer Landgüter beraubte, Wucherim Großen trieb und wahrend der Kontinentalsperre Schmuggelim Großen. So hatte der Gründer der Castmir-Dynastie seineReichthümer zufammengestohlen und als Minister der Orleans-Monarchie hatte er sich der Annexion von Belgien widersetzt,damit die Steinkohlengniben von Möns und Charleroi(Belgien)nicht den Steinkohlengruben von Anzin, deren Hauplaktionär erwar, Konkurrenz machten.Die farblose und nichtssagende politische Vergangenheitunseres Casimir konnte keine so glänzenden Entdeckungen bieten.Jndeß vernahm man doch, daß er zur Bande der Panamistengehört und als Zeuge mit seiner Ehrenhaftigkeit Baihaut gedecktGatte, der von einem Journalisten beschuldigt worden war, seineöffentliche Stellung zu Schachergeschäften zu benutzen. DerSchriftsteller, von so ehrenwerthen Leuten wie Perier denunzirt,wurde vom Tribunal wegen Verleumdung eines Ministers auf dreiMonate ins Gefängniß geschickt. Zwei Jahre später waren die Gerichtegezwungen, denselben Baihaut zu verurthcilen, weil er 300 000 Fr.Panamagelder eingesteckt hatte. Andere Zeile», andere Urtheile.Wenn das Sprüchwort Recht hat, das sagt: Gleich und Gleichgesellt sich gern, so muß Casimir mit all' den edlen Eigenschaftenseines Großvaters geziert sein.Die Karrikatur bemächtigte sich des pomadisirten und ge-ölten Präsidentenkopfs, der auf einen langen bis zum Brustbeinentblößte» Hals gepflanzt ist. Ein Journalist folgte dem Casimirin seine Garderobe, wie JaqneS Clement, der Heinrich III. vonFrankreich auf seinem Nachtsiuhl ermordete, und' schlug ihn mitdemBeinamen: der Hartleib. DieserDolchstjchwarso schmerzhaft, daßCasimir den unglücklichen Geschichtsschreiber setner Gedärme zu einemMonat Gefängniß und 1000 Fr. Buße verurtheilen ließ. Nach-dem man so in die Gehennnisse seines innersten Lebens eingedrungenwar, schien es ganz angezeigt, daß man sich auch mit de» LebenS-gewohuheiten der Frau Präsidentin ein wenig beschäftigte, die,eine würdige Enkelin des Juden Moselmann, mit grausam un-erbitllichcr"Sparsamkeit wirthschaftet. Man erzählt sich, daß siejeden Abend Punkt zehn Uhr höchsteigenhändig das Gas in den') Casimir Perier, der berüchtigte Minister LouiZ Philipp«'?,starb an der Cholera.Küchen auslöscht. Sie schont ihren Wein so, daß sie dreihundertund einigen Bürgermeistern und anderen einflußreichen Personen,die ihr Mann in Pont-sur-Seine zur Förderung der Kandidaturseines Schützlings Robert eingeladen hatte, nur 30 Flaschen Cham-pagner vorsetzte.Bevor man sich für Casimir's Gedärme interessirte, hatte mansich mit seinem Herzen beschäftigt; und man versicherte, daß seinMuth der ersten Tage dahingeschmolzen sei, wie der Schnee vordem Südwind. Er geh« nur inmitten eines Schwarmes von Polizei-Agenten aus und habe Pont-sur-Seine mit Spitzeln bevölkert— zurgroßen Entrüstung der Einwohner, die nicht an den Umgang mitsolch unsauberen Individuen gewöhnt seien. Bei der letztenRevue hat er sich aus Furcht vor einem Zwischenfall in einerhochrädrigen, von Kürassieren dicht umschlossenen Kalesche un-sichtbar gehalten; und erst dann hat er eingewilligt, Chateaudunzu betreten, nachdem man die Straßen von Menschen geräumtund mit Polizisten angefüllt hatte.Man wirft ihm bitter vor, daß er die Bergleute von Anzin,die ihm Millionen verdienen, nicht mit der gleichen Sorg-samkeit gegen die nur zu wirklichen schlagenden Wetter schützt,wie er sich selber gegen eingebildete Gefahren schützt, denen dieStirn zu bieten die Ehre seiner Stellung erheischte.Casimir der Phönix-Präsident ist ein mißachteter, lächer-licher Präsident geworden, den die Pariser ausgepfiffen haben.Die braven Wähler von Nogent-sur-Seine haben eS auf sichgenommen, ihn mit der öffentlichen Meinung bekannt zu machen.Er trat offen für den Kandidaten Robert ein; er glaubte, daßer dlos seinen Wunsch zu äußern brauche und selbsteine Vogelscheuche würde in diesem„seinem" Wahl-kreis, der ihn mehrmals mit überwältigender Mehrheit gewählthatte, zum Abgeordneten gewählt. Robert fiel schmählich durch,iveil er der Kandidat Casimir Perier's war, und dastrotz der Unbedeutendheit seines Gegners. Vor der Stichwahlsuchte der Unglückliche, da er den Glauben an die UnterstützungPerier's verloren halte, die Sozialisten durch Zugeständnisse zugewinnen, die bei diesen aber kein geneigtes Ohr fanden und beider Reaktionspresse Entrüstung erregten. Robert brachte esfertig, aller Welt zu mißsallen.Der Friede, der in der Umgebung Casimir's herrschte, ist zuEnde. Casimir liegt sich mit Dnpuy in den Haaren, derdie Niederlage Robert'? unter der Hand hatte herbeiführen helfen.Er will den fetten Dickhäuter fliegen lassen und an seineStelle Waldcck-Nousseau setzen, den früheren Minister Gambetta'sund jetzigen Panamistenvertheidiger. Die Lage bietet jedoch sowenig Verlockendes dar, daß Waldeck lange zögerte, ehe er an«nahm— für die Zukunft.Casimir, der nothgedrungen Dupuy noch ertragen muß, kannsich nicht einmal seines Sekretärs Lafargue entledigen, der ihndadurch so sehr kompromittirt hat, daß er, in seiner Schwatz-hafttgkcit, Casimir's Plan von der Deportation der Sozialistenenthüllte, und der sich außerdem die Offiziere des Militär«kabinets zu bitteren Feinden gemacht hat. Casimir hatte ihmunbegrenzten Urlaub gegeben; aber der Jude Raynal und Bur-deau, das Werkzeug Rothschild's. habe» ihn zur Rückberusungdieses Lafargue gezwungen, des Vertrauensmannes der Panamisten,deren Gefangener Casimir ist.Die republikanischen und demokratischen Zeitungen lassenCasimir keine Ruhe und überschütten ihn täglich mit schwerenAngriffen und beißenden Spöttereien; einzelne Zeitungen habe»ihm eine stehende Rubrik gewidmet; der„Jntransigeant" betiteltdiese Rubrik: Mi mi r.(Castmi— m i— m i r I) Sie werfen ihmseinen Großvater vor, seine orleanistische Vergangenheit, seineMillionen von Anzin und wer weiß, was sonst noch; sie machenihn verantivortlich für alles, was sich ereignet, sogar für den Regen,der unaufhörlich fällt. Die Regierungsblätter sind in Heller Verzweif-lung, sie schreien aus vollerKehle: Casimirist der beste derRepublikaner,er ist der edelherzigst« der Millionäre. Der„TempS" wendetsich gegen die Angriffe auf Casimir im Namen de? konstitutionellenRegierungsprinzips; er erklärt: Casimir ist eine politische Null,die für nichts verantwortlich ist, und er bittet flehentlichst dieRepublikaner, den guten Casimir doch in Ruhe zu lassen undsich mit ihren Angriffen an die Minister halten. Man mußdie Franzosen sehr"wenig kennen, wenn man sich in der Ein-bildung wiegt, durch derartige Beschwörungen die Angriffe undSpöttereien zum Aufhören zu bringen.Und da denke man: dieser Casimir wurde für«inenNemäischen Herkules gehalten, der mit einem Hieb die Köpfe dersozialistischen Hydra abhauenk sollte! Einfache Nadelstiche habenhingereicht, diesen Erretter der kapitalistischen Gesellschaft wieeinen Luftballon in sich zusammenklappen zu lassen. ArmeBourgeoisie I Gallus.poUftmie MebevsttM.Berlin, den 8. Oktober.Nach offiziösen Anslaffunaen liegen„Entwürfe"von Gesetzen zur Bekämpfung der Umsturzparteicn vor, undsoll das Staatsministerium„Ende der Woche" über diese„Entwürfe" sich schlüssig machen. Also sin e h r e r e Ent-würfe. Nun wir werden ja sehen, welche Stilübungen dieTrott von Solz und Genossen fertig gebracht haben.—Tie internationalen Lügenpeter des Kapitalismushaben die Nachricht, daß der nächste Parteitag der deutschenSozialdemokratie zu einer furchtbaren Musterung und amEnde natürlich zu der famosen Spaltung führen werde, inaller Herren Länder hinausgesandt. Je nach den ver-schiedenen Ländern hat die Nachricht eine verschiedene Form.um Beispiel in den französischen Bourgeoisblättern, dieollmar einstmalen für den Radikalsten der Radikalenhielten, wird der»versumpften" Parteileitung, dem lästiggewordenen»Triumvirat Singer, Bebel, Liebknecht", vonden„bayerischen Jntransigenten" der Standpunktklar gemacht und das Lebenslicht ausgeblasen. Wenn dieseSozialistentödter nur wenigstens einmal das Lügen ordent-lich lernten. Am guten Willen fehlt es doch wahrhastignicht.—Ter neue Tavakstenergesetz- Entwurf soll„soziemlich fertig sein". Vielleicht finden sich in demselbeneinige Erleichterungen für die Fabrikanten, so in bezngauf die peinlichen Kontrollmaßregeln. Für die Arbeiterdürfte bei der Umarbeitung keine Besserung der Aussichtenerfolgt sein, denn die infolge des Gesetzes unausbleiblicheVertheuerung der Produkte wird Verminderung deS Konsums und dementsprechend gesteigerte Arbeitslosigkeit zurFolge haben.—Süchsischcs. Soeben erhalten wir folgende Privat«Depesche:Das Landgericht Zwickau verurtheilte heute den VorsitzendendeS Berg- und Hüttenarbeiter-Verbandes Hermann Sachse wegenBeleidigung, begangen in einem Flugblatt gegen die Urheber derbekannten Ergebenheitsadreffe königstreuer Bergarbeiter an dasMinisterium deS Innern zu einem Jahre Gefängniß. Sachsewurde sogleich in Haft genommen.Ein Jahr Gefängniß und sofortige Verhaftung wegeneiner obendrein, so viel wir uns erinnern, sehr maß-vollen Kritik der bekannten von sächsischen Behörden inSzene gesetzten„Bergarbeiter"-Kundgebung! Das ist un-erhört. Ein solches Urtheil bedeutet thatsächlich das Ver-bot der Kritik an Handlungen nicht blos der Be-mir der Baron Meylan, den Kopf stolz im Nacken, schritter siegcsgewiß an mir vorüber, mich absichtlich vielleichtnicht beachtend. Ich läutete und die Pforte öffnete sich.Als ich dieselbe wieder schloß, fühlte ich eine kleine weib-liche Hand die meinige drücken.„Guten Tag, Louise," begrüßte ich ein großes, hübschesMädchen, ihr die vollen rosigen Wangen küssend.»Guten Tag, Jacques," erwiderte sie meinen Gruß mitleiser Stimme.„Gehe nicht hinauf-- höre," fuhr sie«rröthend fort,„ich thue etwas für Dich, was ich für Nie-wand und für nichts auf der Welt sonst thäte. DeineMutter und Dein Bruder sind gestern ganz außer sich nachHause gekommen. Ich war im Salon, ich weiß nicht mehr,was ich dort that, als sie kamen. Die Baronin befahl mir,hinauszugehen, und ich hörte an ihrem Tone, daß etwasWichtiges vorgefallen sein mußte und hatte eine Ahnung,daß man von Dir sprechen würde. Ich wollte es wissenund horchte an der Thür, ich habe Alles gehört."»Nun erzähle mir, was Du vernommen."Louise, die ein ebenso feines Ohr als gutes Gedächtnißhatte, erzählte mir Wort für Wort die Unterredung, welchestattgefunden.„So, das ist Alles," schloß sie ihren Bericht.»Ich danke Dir, meine gute Louise, aber daS verhindert mich nicht, meiner Mutter meine Aufwartung zumachen. Gehe, bitte, hinauf und melde mich."Louise war meine Milchschwester. Wir hatten unS alsKinder geliebt, mit einander gespielt und trotzdem wirjung getrennt wurden, erinnerte ich mich ihrer sehr ivohl,als ich nach so langen Jahren zurückkehrte. Währendmeiner Abwesenheit waren ihre Eltern gestorben und meineMutter rechnete es sich hoch an, daß sie die Waise alsKammerzofe zu sich nahm. Bei meiner Rückkehr hatte ichsie wie eine Schwester behandelt, sie geduzt und von ihrverlangt mich gleichfalls als Bruder zu betrachten.Doch die Frau Baronin Meylan, meine Mutter, fandein solches Betragen im höchsten Grade unschicklich, warfmir meinen plebejischen Geschniack vor und verbot Louisenbei Strafe sofortiger Entlaffnng jede Art familiärer Ber-traulichkeit gegen mich.Das arme Mädchen weinte, nannte mich hinfort imBeisein der Anderen„Sie" und»junger Herr", abersie trug es meiner Mutter nach und liebte mich um somehr. Auf solche Weise war sie mein guter Geist in demmir sonst so feindlichen Hanse meiner Angehörigen.Als ich zu meiner Mutter ins Zimmer trat, über-schüttete sie mich mit dem ganzen Ausbruche ihres Zornes:„Ah, Monsieur, da bist Du! Wie, nachdem Tu unsgestern niit Schande bedeckt hast, wagst Tu nach demSkandal hier noch zu erscheinen? Da, Monsieur, lies,ivas die Zeitungen über Dich denken und sagen. Tu wirstin der That bald die traurige Berühmtheit eines Herostratcshaben."Ich hatte zuerst den Gedanken zu scherzen und meineMutter zu bitten, mir die Geschichte Hcrostrates mitzu-theilen; doch indem ich einen Blick in das mir dargeboteneJournal warf, kamen mir andere Gedanken.»Ich verhehle Ihnen nicht, Mama," sprach ich, michzur Ruhe zwingend, nachdem ich den betreffenden Artikel ge-lesen,„daß mich ein unüberwindlicher Ekel anwandelt, wennich in dieses Blatt blicke, welches von Polizeispionen undlüderlichen Subjekten sabrizirt wird, welche die Leicht-gläubigkeit der Einen und die Laster der Anderen ans-beuten, um die Kosten ihrer eigenen Ausschweifungen da-durch zu decken. Ich bin überzeugt, daß Jeder das Rechthat sich beerdigen zu lassen, wie er es wünscht, und ich binglücklich, daß ganz im Sinne des letzten Willens meineshochverehrten Oheims gehandelt wurde. Was die feige undscheinheilige Denunziation angetrifft, welche dieses„Unter-Halts"-Blatt enthält, so verachte ich sie. Was Sie anbe-trifft, Mama, so seien Sie versichert, daß ich Sie mehr be-klage, als Sie im stände sind, mich zn beleidigen. Aber ichbin nicht gekommen, Vorwürfe zu hören, ich konime vonSylvia, um sie zu entschuldigen, daß sie leider nicht selberkommen kann, Ihnen dafür zu danken, daß Sie der Be-erdigung ihres Vaters beigewohnt haben.„Ich habe überdies Ihnen Mitthcilnng zu machen inbetreff eines Projektes, dessen Ausführung der innigsteWunsch Ihres Bruders war, und dem er bestimmtenAusdruck in seinem Testamente verlieh. Sein letzterWille war, daß ich Sylvia heirathe, und unter dieser Be-dingung hat er uns sein Vermögen hinterlassen. Ich liebeSylvia und sie erwidert meine Liebe. Zugleich hat meinOheim uns übertragen, über das Unternehmen, welches erin Morne Rouge gegründet hat, zu wachen; er knüpftedaran eine große Bedeutung für die Zukunft. Wir habendie Absicht, uns zu Heirathen, sobald alle gesetzlichenFormeln erfüllt sind, und ich hoffe, daß Sie nichts gegendie Begründung des Glückes Ihrer Kinder einzuwendenhaben werden."(Fortsetzung folgt.)