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Nr.386 37.Jahrgang Ausgabe A nr. 56

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die Boft Zeitungs- Preisliste. Der Vorwärts" mit der Gonntags beilage Bolt u. 8eit" erscheint wochen­täglich zweimal. Sonntags und Mon­tags einmal

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Sozialdemokrat Berlin  ".

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Vorwärts

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Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutfchlands

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Mittwoch, den 4. August 1920

Friedensschluß statt Waffenstillstand!

0.

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Begrabener Streit?

Von Victor Schiff  .

Mit einem Gefühl der Erleichterung hätte der allergrößte

London  , 3. August.  ( Reuter.) Ein Moskauer   Funkspruch| tion Balma fche w. Vier Geschüße wurden erbeutet. Im Nor  - Teil der deutschen   Sozialdemokratie die Stunde vernommen, meldet: Die Waffenstillstandsverhandlungen sind ausgefest den von Kobrin   haben die bolfchewistischen Truppen den Wider- daß unsere Delegation in Genf   die Resolution über die Schuld­worden. Die polnischen Delegierten kehren nach Warschau   zurück, stand des Feindes gebrochen und nenes Gebiet erobert. Eine frage als gänzlich unannehmbar glatt abgelehnt um von ihrer Regierung die Ermächtigung zur Unterzeichnung nicht feindliche Batterie wurde erstürmt. nur des Waffenstillstandsvertrages, sondern auch der grund. hätte. Und so sehr wir den Widerstand begrüßen, den sie bei legenden Friedensbedingungen, die die Sowjet- Russisch- finnische Differenzen. ihrem Eintreffen am Konferenzort gegen die ursprüngliche regierung aufgestellt hat, zu erlangen. Amsterdam  , 3. August.  ( W.T.B.) Die finnisch- russischen Friedens Fassung geleistet hat, so sehr fühlen wir uns verpflichtet, Offenbar will Rußland   damit jeden Mißbrauch des Waffen- berhandlungen, die am 27. Juli in Dorpat   wieder aufgenommen auszusprechen, daß auch in ihrer abgeänderten Form die Reso­stillstands zu neuer Kriegsheze und rüstung verhindern. Eigen worden waren, mußten wegen entstandener Schwierigkeiten wieder lution ein höchft bedauerliches Schriftstück ist. artig paßt aber zu der bolschewistischen Gegnerschaft gegen die ausgesetzt werden. Der Sowjetdelegierte erklärte, daß, wenn Finn  - Es muß zwar bei einer solchen Erörterung vorausgesetzt Geheimdiplomatie die Warschauer   Meldung, wonach die polnische land seine Ansprüche auf Betichenga und Ostfarelien werden, daß die Genossen, die an Ort und Stelle unseren Regierung bei der Sowjetregierung beantragt habe, zu den Waffen- aufrecht erhalte, die Russen genötigt sein würden, als Ent. Standpunkt zu vertreten hatten, besser in der Lage gewesen stilstandsverhandlungen 8eitungsberichterstatter zuzu­schädigung die Landenge von Karelien   und die Alandsinseln sein müssen als wir, festzustellen, was zum Zeitpunkt ihres laffen, die Sowjetregierung aber ablehnend geantwortet hätte. zu beanspruchen. Es wurde beschlossen, die Frage des finnischen   Eintreffens überhaupt noch zu retten war. Es ist offensicht­Golfes einem Ausschuß für Gebietsfragen und die wirtschaftlichen lich, daß das Gros der Delegation bei seiner Ankunft in Genf  Fragen einem Wirtschaftsausschuß zu überweisen. sich beinahe vor eine vollendete Tatia de gestellt fah, und daß es sich für sie nur noch darum handeln konnte, einen gänzlich verfahrenen Karren in ein verhältnismäßig günstiges Gleis zu lenken. einem Schriftstücke zu erklären, das zwar einige nicht unwe­Nur so ist ihre Zustimmung zu fentliche Aenderungen enthält, dessen Geist aber dem ur­sprünglichen in ihrer Abwesenheit redigierten Tert so ähnelt, daß es unsererseits eine Unaufrichtigkeit wäre, in dieser Be­ziehung Unterschiede herausflügeln zu wollen­

Bolschewistischer Siegesbericht.

Paris  , 3. August. Havas veröffentlicht, folgenden Bericht der Bolsche wisten vom 2. d. M.: Jn der Gegend von Lom sha wurden die Ufer des Bobr und des Narew überschrit. ten. Die Offensive wird energisch fortgesetzt. Im Westen von Bialystock   wurde die Stadt Bolst besest, ebenso die Sta­

Laffont aus Rußland   ausgewiesen!

Rom  , 3. Auguft.( WTB.) Ein Funkspruch aus Rußland   vom 3. August meldet, daß der französische sozialistische Abgeordnete Ernest Laffont und Gemahlin auf Befehl Trostis aufge­fordert wurden, Rußland   zu verlassen.

Genf   über Versailles  .

Genf  , 3. Auguft.( WTB.) Der Internationale Sozia- seitigung der Macht des Kapitalismus   und der Bureaufratie im listentongreß seyte heute vormittag feine Arbeiten fort. In Bergbau und deken Uebergang in die Verwaltung einer Körper­der Besprechung der von der Kommission eingebrachten Resolution schaft, in der Vertreter der Arbeiter, der Verbraucher und des über die Stellung der Internationalen zum Völkerbund, er- Staates vorhanden seien. Die Nationalisierung allein fönne aus der Weltkohlennot herausführen.

Härte

Engberg( Schweden  ),

daß der Völkerbund   zwar sehr der Verbesserung bedürfe, daß der heutige Zustand Europas   aber doch nicht so beunruhigend sei, wie vor dem Jahre 1914. Troelstra  ( Holland  ) juda kritisierte die Refolution als zu wenig scharf gefaßt. Er tadelte vor allem, daß Sowietrußland vom Völkerbund aus geschaltet sei und bekämpfte insbesondere die Bestimmung, daß nur diejenigen Nationen zugelassen werden, die ihren Bersprechun­gen nachkommen. Dieser Paffus habe sich im Jahre 1919 auf Deutschland   bezogen, jest fönne er fich nur noch auf Rußland   be­

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In den letzten sechs Jahren sei die Erzeugung, um 400 Millionen Steigerung der Erzeugung auf. Die Lage in Europa   jei Tonnen zurüdgegangen. Einzig Amerila weise eine bescheidene geradezu troftlos. Man fönne nur mit ernster Sorge in die Bu­funft blicken.

Der Internationale Kohlenrat,

wie ihn die Deutschen   vorschlügen, würde nur dann einen 3red haben, wenn die Nationalisierung durchgeführt wäre. Der Inter­nationale Koblenrat werde die Erzeugung zu regeln, die Breise festzusetzen und die Verteilung vorzunehmen haben. Wenn Deutich­and den Sechsstundentag für notwendig halte, so jei er für Belgien   und Frankreich   ebenso notwendig.( Beifall.)

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Der Karren war verfahren, und zwar von jenem Augen­blick an, wo man sich widerspruchslos darauf eingelassent hatte, über Schuldfragen mit denjenigen Leuten zu debattieren, die nach Genf   ohne jede moralische und materielle Berechti­gung als Vertreter des franzöfifchen Sozialismus gekommen waren. Wer sind denn die Rozier, Aubriot, Brunet usw., wer sind denn diese französischen Dissidenten", die in Genf   vom ersten Tage an das große Wort in, der Schuld­frage geführt haben? Ein Häuflein von Ueberpatrioten, die vom ersten Tage des Krieges an der Gustave Hervé  standen, die die Kriegskredite nicht etwa nur während des ichen Politik des Krieges Vis- ans- Ende am nächsten ge­Strieges, sondern auch nach dem Waffenstillstand bewilligt und die in ihren Organen France Libre", haben, während der Friedensverhandlung das Versailler Politique" und Heure  " den traurigen Mut gefunden Dittat nicht allein zu rechtfertigen, sondern auch noch zum Teil als zu milde zu bezeichnen! Mehr noch: Als diese und, wie aus Leute wegen ihrer nationalistischen Erzesse ziemlich flaren Andeutungen der sozialistischen   Blätter hervor Imbusch( Deutschland  ), vom Christl. Bergarbeiterverband, geht, wegen nicht ganz sauberer mit dieser Bis- ans- Ende­der, wie tags zuvor Hue, von der englischen Delegation le b- Politik verbundenen Geschäfte- von ihren Organisationen haft begrüßt wurde, erklärte, daß der Vorschlag der Engländer nicht wieder aufgestellt wurden, da fielen sie mitten im Wahl­auf Rationalisierung der Bergwerke bei den deutschen   Delegierten fampf ihrer Partei in den Rücken und kamen auf bürger­großen Beifall gefunden habe. Deutschland   wünsche dringend, daß lichen Listen und mit vorwiegend bürgerlichen Stimmen die Frage einer Lösung entgegengeführt werde. Er gab einen teilweise durch. Diese Männer, hinter denen sicherlich feine. Ueberblick über die Verhältnisse im deutschen   Bergbau und sagte, 2000, vielleicht auch feine 200 ehemaligen eingeschriebenen daß in Deutschland   auch Staatsbetriebe vorhanden seien, daß diese aber nicht sehr ergiebig feien, weil sie zu bureaukratisch Sozialisten stehen, sind es, die nach Genf   als Vertreter des berwaltet würden. Notwendig sei die Herbeiführung einer mög- französischen Sozialismus" fahren, um dort die Scheide­erklärte, daß der Vertrag von Versailles   für die Deutschen   eine lichst hohen Erzeugung mit möglichst geringen Kräften. männer" anzuflagen, wie sie es mit viel Tamtam in der\ große Enttäuschung bedeute, weil die Alliierten gegen die Bei der Sozialisierung müsse die Einseitigkeit der bürgerlich- nationalistischen Presse verfünden ließen. deutsche Republik dieselbe Stellung einnehmen wie Bourgeoisie und die Fiskalisierung ausgeschaltet werden Hatten sie ja selbst eine Anklageschrift verfaßt und ber­früher gegen das kaiserliche Deutschland  . Die deutsche   Revo- durch Beteiligung der Arbeitr an der Leitung und der Verwal- breitet, in der von der niederträchtigen Politik lution sei aber durchaus ernst zu nehmen und sei nicht etwa tung, wodurch allein die Arbeitslust und damit die Produktion ge- der deutschen Sozialdemokraten" und dergl. die ein Verfuch gewesen, sich der Berantwortung zu entziehen. Durchsteigert werden könne. Die Deutsch   en hätten Aussicht, dieses Rede war. Man mußte geradezu den Eindruck gewinnen, daß die Revolution sei in Deutschland   der politische Schwerpunkt voll- Biel   bald zu erreichen. Sie wünschten, daß die Bergarbeiter der anderen Länder ihnen auf diesem Gebiete energisch folgten. ständig verschoben worden. Der Vertrag von Versailles   verseze dem ( Starter Beifall.) Gelbst bestimmungsrecht der Völker einen sehr schweren Schlag. Versailles   hat die deutsche   Reaktion wieder gestärkt, sie deutsche Revolution hat das Selbstbestimmungsrecht proklamiert. Versailles   hat sich an diesem Selbstbestimmungsrecht versündigt,

ziehen.

Stauning( Dänemark  )

übte scharfe kritikan bem Vertrag von Versailles  und am Bölkerbund und erklärte, daß die Uneinigkeit der Nationen heute größer sei denn je. Aufgabe des Sozialistenkon­gresses sei es, auf diese Tatsache hinzuweisen und dagegen Stellung Bernstein( Deutschland  )

zu nehmen.

Bartuil( Frankreich  ): Notwendig ist, daß der Kongreß nicht nur Resolutionen faßt, sondern daß die Bergarbeiter zu einer praktischen Aktion übergehen.

N

diese Herren überhaupt nur nach Genf   gefahren waren, um parteipolitische Geschäfte zu machen und um sich später als diejenigen vor ihren Wählern hinstellen zu können, die mit Scheidemann abgerechnet" hätten, im Gegensatz zur wirklichen Sozialistenpartei, die in der Tat Der amerikanische   Delegierte Avage erklärte, die Er- längst nicht mehr daran denkt, mit Schulddebatten dadurch sind Stimmungen entstanden, vor denen man Furcht hat fahrungen in Amerika   während des Krieges feien durchaus nicht die Geschäfte der Nationalisten zu besorgen, und die, und das stärkt den neuen Militarismus. Man hat Bariavölker günstig und ermutigen nicht zur Nationalisierung. Man müſſe wenn ste uns zwar heute befehdet, es aus geschaffen, das deutsche   Volk eine Verbrechernation genannt. Der sehr vorsichtig sein, damit die vorgeschlagene Reform nicht statt ganz anderen, nämlich revolutionär- taktischen Gründen tut. Deutsche   ist aber in seiner Masse so gutartig wie jeder andere. Die einer Verbesserung eine Verschlechterung der Lage der Bergarbeiterschaft und Kohlenproduktion bringe. Lombard Behandlung als Baria muß Berbitterung wecken. Deutschland   ist( Belgien  ) betonte, daß mit der Forderung auf Sozialisierung er wehrlos, es will keinen Krieg. Wenn jezt ein Einmarsch von klärt werden muß, daß die Bergwerke Ost oder Weft erfolgt, fann es sich nicht wehren. Die Re­gelung von Versailles   ist wihersinnig.

nur gegen eine Entschädigung

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Es gibt keinen Völkerbund, nur einen Bund von Staaten, in den Befit der Allgemeinheit übergehen könnten. Smillie warnte davor, schon jetzt ein bestimmtes Aktions­Wir schließen uns Troelstra an, die Maffen müssen handeln. programm zu beschließen, da die englischen Delegierten ihre Zu­In England haben sich Arbeiter gegen diesen Frieden ſtimmung dazu nicht geben könnten, bevor nicht die Frage der erhoben. Wir appellieren an die Demokratie der Mas Nationalisierung geregelt sei. Auch Hue vertrat einen ähnlichen sen, die die Revision und den dauernden Frieden Standpunkt. Schließlich gelangte die folgende, von der englischen bringen wird.( Starker Beifall.) Delegation borgeschlagene Refolution

Der Kongres beschließt daraufhin eine neue Kommissions­beratung.

einstimmig zur Annahme: Der Kongreß beschließt, daß alle Länder endgültig für die Nationalisierung oder Sozialisierung Die Sozialisierung des Bergbaus. der Bergwerke eintreten, ebenso für die Beseitigung der tapitali­stischen Befizerrechte und die Durchführung der Kontrolle und Genf  , 3. August.  ( WTC.) In der Dienstagsigung des Inter  - Berwaltung der Bergbauindustrie durch Vertreter der Staaten nationalen Bergarbeiterfongresses, in der Sachse Deutschland der beteiligten Arbeiter und der Konsumenten. Der Sefretär den Vorsitz führte, wurde ein Antrag der Engländer über die Ratio- ieder angeschlossenen Organisation wird dem Internationalon nalisierung der Bergwerfe erörtert. Generalsekretär Hodge be- Bureau in jedem Vierteljahr über die Fortschritte, die in jedem gründete ihn und erklärte, daß die englische Forderung auf Natio- Land zur Erreichung dieses Zieles gemacht werden, Bericht er nalisierung der Bergwerte identisch fei mit den Wünschen der Deut- statten. Wenn sie geschlossen vorgehen, so stellen sie heute Sie schen auf Sozialisierung der Bergwerke. Beide bezweckten die Be- stärkste wirtschaftliche Macht der Welt dar.( Beifall.)

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Schrieb doch der

Populaire" vor wenigen Tagen über die Absicht der" Dissidenten", daß bei allem, was er gegen Scheidemann auszusetzen habe, dieser im Vergleich Und zu einem Rozier der reinste Sozialist sei. ein Pariser   Genosse, mit dem ich mich schon vor Monaten über diese Herrschaften unterhielt, wehrte den Hin­weis auf deren Haltung während der Versailler   Wochen mit den Worten ab:" Mais ces gens- la, nous les avons vomis!"( Aber diese Leute haben wir ausgeipien!) Ein Ausdruck, den er, der sich sonst nicht in Kraftausdrücken ge­fällt und fein Linksradikaler ist, zweimal wiederholte.

Daß der Genfer   Kongreß ihre Zulassung beschloß, ist ge­rade vom Standpunkt der Zukunft der Zweiten In­ternationale ein schwerer Fehler, weil damit die Möglichkeit ihrer Wiedervereinigung mit den wahren Sozialisten Frankreichs   wesent­ich erschwert worden ist.

Wenn die deutschen   Vertreter, um den Anschein zu ver­meiden, als wären sie zugleich Richter und Partei, sich bei der Frage der Zulassung der Dissidenten" der Stimme ent­halten haben, sind sie damit nur Opfer einer übertriebenen Anständigkeit gewesen.