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Nr.395 37.Jahrgang Ausgabe B Nr. 60

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die Boft- Zeitungs- Preisliste. Der Borwärts" mit der Sonntags beilage Bolt u. Reit" erscheint mochen. täglich zweimal. Sonntags und Mon tags einmal

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.Sozialbemotrat Berlin".

Abend- Ausgabe

Vorwärts

Berliner Volksblatt

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Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutschlands

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Montag, den 9. August 1920

Die Beschlüsse von Hythe.

Paris , 8. Auguft. Die Konferenz zwischen Mille. rand und Lloyd George hat in Hythe vormittags um 10 Uhr 15 Minuten begonnen und bis 1 Uhr 30 Minuten gedauert. Um 2 Uhr 30 Minuten wurde folgendes Communiqué aus englischer Quelle veröffentlicht:

Die englische Regierung hat von den Sowjets eine end. gültige Antwort auf die Note, die ihnen Freitag überreicht wurde, nicht erhalten. Indessen hat sie Andeutungen über die Absichten der Bolschewisten erhalten, und sie lassen voraus­fetzen, daß diese sich weigern, der vorgeschlagenen Einigung zuzustimmen. Man weiß, daß nach der Kon­ferenz, die Lloyd George , Bonar Law und Lord Curzon Freitag mit den Hauptdelegierten der Sowjetregierung in London hatten, ein Memorandum nach Moskau geschickt wurde, um den Abschluß­einer Waffenruhe an der russisch - polnischen Front für eine Zeit von 10 Tagen zu erlangen, unter der Bedingung, daß man beiber. seits in den Stellungen verbleibe, ohne sie während dieser Zeit zu verbessern. Da sich die Sowjets weigern, die Operationen zu unterbrechen, hat den ganzen Bormittag ein reger Meinungsaus­tausch über die zu treffenden Maßnahmen stattgefunden, der um 3 Uhr wieder aufgenommen werden soll.

Lord Riddell , der dieses Communiqué den Journalisten mitteilte, beendete seine Erklärungen mit den Worten: die Lage ift ernst.

den erklärt habe, seien diese Verhandlungen der schnellste und beste Weg, um zum Frieden zu gelangen. Rußland scheint es allerdings nicht allzu eilig zu haben. Denn Warschau flags andererseits dar­über, daß die Moskauer Funkstation die Entgegennahme von Funk sprüchen aus Marschau verweigert.

Der Vorstoß auf Warschau . Warschau , 9. Auguft.( Savas.) Es werden starke bolfche wistische Truppentonzentrationen vor Warschau und im Norden der Stadt gemeldet. Man erwartet einen weit aus­holenden Angriff der roten Truppen, um den Vormarsch auf die Hauptstadt zu versuchen.

Ein Funkspruch aus Mostau meldet über die militärischen Operationen: Im Westen von Lomsha haben wir my ons eingenommen. In Richtung Siedlce fanden heftige Stämpfe statt. In der Gegend von Brest Litomst wurde Teres bol befeßt. Nordöstlich von Brody schlug unsere Kavallerie den Feind. Wir rückten gegen Buzt vor. Unsere Truppen über­schritten die Strypa und besetzten mehrere Ortschaften westlich dieses Fluffes.

Vorwärts- Verlag G.m.b. H., SW. 68, Lindenstr. 3. Fernsprecher: Amt Morisplat, Nr. 117 53-54.

Praktische Arbeit!

Die provisorische Betriebsrätezentrale Groß- Berlin, Münzstr. 24, hatte sich angeblich die Aufgabe gestellt, nunmehr endlich die so dringend notwendige praktische Arbeit in die Wege zu leiten. In einer ihrer ersten Sizun­gen wurde ein von der K. P. D. eingebrachter Antrag beraten, welchem sich die Vertreter der Münzstraße anschlossen, durch Abstimmung in den Betrieben eine Aktion gegen die Wirtschaftskrise zu unternehmen. Die Vertreter der Berliner Gewerkschaftskommission und der Vertreter der da= mals noch in dieser Kommission sizenden Betriebsrätezentrale der S. P. D. machten den Einwand, daß, da die Angestellten­betriebsräte der Afa sich in der Kommission nicht vertreten lassen und ohne die Afa eine derartige Aktion nicht durch­geführt werden könne, sie ihre Zustimmung zu einer derartigen Maßnahme ablehnen müßten. Mit Stimmengleichheit wurde der Antrag abgelehnt. Wie man sich diese Aktion gedacht hat, ist nicht ganz klar. Wollte man etwa einen Generalstreif inszenieren, um dadurch den Unternehmern die längst herbei­gefehnte Möglichkeit zu geben, wochenlang Gehälter und Löhne zu sparen?

In der Freiheit" werden nunmehr die Betriebsräte auf­gefordert, alle Maßnahmen in den Betrieben zur Durch­führung der Neutralität zu treffen. Auch dies Der polnische Heeresbericht meldet die Besetzung der Stadt scheint mir noch nicht in das Gebiet der praktischen Arbeit zu 2omiza durch die Bolschewisten. Nördlich von Ostrolenta fallen, welche die Betriebsräte doch nunmehr schnellstens be­Nach einer Havasmeldung aus Sythe dauerten die Beratungen geht der Kampf weiter. An der Buglinie finden erbitterte Rämpfe ginnen müßten. Die Regierung hat eine Neutralitätserflä­am Sonntag bis 7 1hr 30 Minuten abends. Man statt. Bei Drohyezin und Brest tourden die Bolschemisten rung abgegeben. Politische Parteien und freie Gewerkschaften und die hung abgegeben. Politiche und glaube, daß die Sowjets sich weigerten, die angebotene Waffenruhe über den Bug zurüdgemorfen. Die Kämpfe bei Brody nehmen haben ihre sämtlichen Mitglieder informiert. Aufgabe jedes anzunehmen, weil sie Seit gewinnen wollten, um Warschau ein einen für die Bolen günstigen werlauf. An der Serethfront einzelnen flassenbewußten Arbeitnehmers und selbstverständlich zunehmen. Die militärischen Sachverständigen hatten den Auf- wiesen polnische und utrainische Abteilungen alle feindlichen An- auch der Betriebsräte ist es daher, auch ohne daß an die Be­trag erhalten, bis Montag vormittag einen Bericht über die zu ergriffe ab. Bei Mitulince wurde ein bolschewistisches Infan- triebsräte eine besondere Aufforderung ergeht, für die Durch greifenden Maßnahmen auszuarbeiten. Es scheine, daß eine Berterieregiment aufgerieben. führung dieser Maßnahmen einzutreten. schärfung der Blockade gegen Rußland in Aussicht ge. nommen sei. Lloyd George habe sich davon überzeugt, daß die Er­haltung Bolens für die Sicherheit Europas notwendig sei.

Der englische Vorschlag abgelehnt. Baris, 8. August. Nach einer Havasmeldung aus Hythe hat bie Sowjetregierung von Moskau die englischen Vorschläge endgültig abgelehnt. Man berichtet, daß die polnischen unb die bolschewistischen Delegierten sich kommenden Mittwoch in Minst treffen werden, denn es sei vorzusichen, daß die Bolschewisten und die Polen sich unter sich allein verständigen.

Nach einer Meldung des Journal des Debats " hat die englische Regierung der Sowjetregierung vorgeschlagen, daß die Alliier. ten darauf berzichten, sich in die polnisch russischen Friedensverhandlungen einzu mischen. Polen werde teine Freiwilligen mehr ausheben, und die alliierten Militärmissio­nen würden nicht mehr intervenieren. Auch würde kein Kriegs­material mehr nach Polen gesandt, und die beiden Heere wür. ben in ihren jebigen Stellungen bleiben.

Nach einer Routermeldung ist die Antwort Moskaus an die englische Regierung tatsächlich in London eingetroffen. Sie beiagt der Hauptfache nach, da fich die polnische Regierung mit den Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen in Minst einverston

Proklamation der polnischen Regierung. Amsterdam , 9. August. Nach einer Brüsseler Meldung hat der polnische Ministerpräsident eine Proflamation an das pol nische Volt gerichtet, in der es heißt:

Die Bolschewiften hoffen Warschau au be. feßen und dort den Polen den Frieden zu diftieren. Die Re­gierung der nationalen Verteidigung, die Regierung der Bauern und Arbeiter ruft die gesamte Nation auf zur Verteidigung der Freiheit. Der heilige rieg beginnt an den Toren bon Warschau.

Angesichts solcher Tätigkeit der provisorischen Zentrale der Betriebsräte ist es schwer, den Gedanken loszuwerden, daß sie auch heute noch nicht von der Idee der politischen Ar­beiterräte loskommen kann. Politische Arbeiterräte gibt es aber nun einmal in Deutschland nicht mehr, und es ist ge­fährlich und steht dem Interesse der deutschen Arbeitnehmer entgegen, nunmehr die Betriebsräte als Eriat für politische Arbeiterräte ununterbrochen von ihrem eigentlichen Aufgaben­gebiet abzudrängen.

Die Arbeitgeberbereingungen arbeiten mit Hochdruck. Rundschreiben über Rundschreiben werden losgelassen mit Richt­Weiter heißt es in dem Aufruf: Die Regierung wolle einen linien, wie man den Betriebsräten jeden Einfluß gerechten und dauernden Frieden und wünsche in gutem Ginbernehmen kann. nehmen mit ihren Nachbarn zu leben. Sie sei bereit, alle Bürg Eine bedeutende Arbeitgebervereinigung in Berlin fchaften zu geben, die mit der Ehre der Nation, die fein fremdes berpflichtet einfach ihre Mitglieder, in Sizungen des Gebiet begehre, in Ginklang zu bringen sind. Der bolichemistische Betriebsrates nur zu erscheinen, wenn dem Unternehmer der Einfall jei eine Gewalttat(?), die den Missetaten der Despoten Vorsitz übertragen wird. Eine Münsterländische Ar­des 18. Jahrhunderts gleiche, welche Bolen zerstüdelt haben. Die beitgeberebereinigung bestimmt: Betriebsratssitzungen während Regierung sei entschlossen, das Baterland bis zum letzten Streifen der Arbeitszeit sind unitatthaft! Eine süddeutsche Arbeit­Landes zu verteidigen, Barschau zu beschüßen und die Invasion gebervereinigung ersucht ihre Mitglieder, mit dem Betriebsrat abzuwehren, um die Unabhängigkeit des Landes zu retten. Derlicher Zwang dazu fönne nicht ausgeübt werden. Eine Arbeit Richtlinien über Einstellungen nicht zu vereinbaren, ein geseẞ­Aufruf schließt mit den Worten: Zu den Waffen, Bürger! gebervereinigung in Oberschlesien ersucht um Berichte, wenn Betriebsräte Forderungen formulieren und damit die Belegschaft aufheben und die Ruhe im Betriebe stören, damit gegen diese Betriebsräte vorgegangen werden kann.

Eine Kundgebung in Bochum .

Belagerungszustand im Saarrevier. W. Z. B. aus Mainz , in dem behauptet wird, im Saarrevier Am 6. August traten, wie wir bereits meldeten, die tört. Bisher hat sich die Saarbevölkerung trop drückenden seien die Weichen aufgerissen und die Eisenbahnsignale zer­Im allgemeinen werden in Arbeitgeberkreisen die Be­Beamten und Eisenbahner des Saargebiets in den Streik, und aufreizenden Auftretens der Besatzungsbehörden ein- triebsräte als Einzelpersonen wie Freiwild behan um gegen einige Verordnungen der internationalen wandfrei benommen. Es ist also sehr wohl möglich, daß es delt wie ein roter Faden zieht sich durch die bürgerliche Regierungskommission, die ein Instrument des sich hier um eine Tendenzmeldung handelt. Breffe die Hoffnung der Arbeitgeber, es möchte den Anhängern Bölferbundes sein soll, sich aber als ein sehr gefügiges In der selbständigen Betriebsräteorganisationen gelingen, ihre strument des französischen Militarismus Ideen durchzusetzen, da man mit dieser selbständigen Betriebs. ermeist, zu protestieren. Die Verordnungen hatten den 3med, räteorganisation leicht fertig zu werden hofft. die zum großen Teil deutsch gesinnte Beamtenschaft des Saar- Bochum, 9. Auguft.( Frff. 3tg.") Eine von den sozia­Dagegen kann die gleiche Bresse ihre große Besorgnis nicht biets politisch zu tnebeln und zu französieren. Ueber die liftischen Parteien aller Richtungen, den freien Arbeiter- und Ange- unterdrücken, daß letzten Endes doch die Gewerkschaften die Durchführung des Streifs hörte man zunächst nichts. Die ftelltengewerkschaften und der Arbeiterunion einberufene Maffen: Erfassung der Betriebsräte vornehmen und diese dadurch zu versammlung protefticrte gestern auf dem Moltkemarkt Verbindung mit dem Saarland schien abgeschnitten zu sein. gegen die Vergewaltigung Räterußland38. Redner einer starken Macht kommen lassen. Die Kampffähigkeit der Nunmehr meldet die Frankfurter Zeitung ": der drei sozialistischen Parteien verlangten die sofortige Einstellung freien Gewerkschaften hat man jahrzehntelang kennen zu lernen Am Sonnabend wurde ohne jede Ursache der verschärfte aller Truppen-, Waffen- und Munitionstransporte, die der Nieder- Gelegenheit gehabt. Die Unternehmer wissen genau, welchen Belagerungszustand über das ganze Saargebiet verhängt. ringung von Sowjetrußland dienen sollen. Von der Regierung ver- Einfluß die Gewerkschaften und die Betriebsräte durch die Ge­Serwer ordneten die Machthaber gegen eine ganze Reihe politisch langte die Versammlung peinlichste Beachtung der von ihr werkschaften auszuüben in der Lage sind. mißliebiger Personen aussuchungen und Verhaftun proklamierten Neutralität. Wenn die Regierung dieser For­derung nicht nachfemme, so werde das Proletariat mit dem fofor: gen, hauptsächlich gegen Angehörige der Presse, an. Von der tigen Generalstreit antworten. Nach der Versammlung bewegte sich Saarbrüder Zeitung" wurden sämtliche Redakteure bis ein gewaltiger Demonstrationszug durch die Stadt. auf zwei verhaftet, ebenso der Verleger des Blattes. Das gleiche Essen, 9. August. ( WTB.) Die für Sonntag anberaumte ereignete sich bei der Saarbrüder Landeszeitung" Delegiertenfonferenz der sozialistischen Parteien und des und der sozialdemokratischen Bolts stimme". Auch in Privat- Gewerkschaftsfartells des Rheinisch- Westfälischen Industriegebiets wohnungen der betreffenden Redakteure wurden Haussuchungen war infolge der Absage der S. P. D. nur gering besucht. vorgenommen. Die Bevölkerung ist über das Berhalten der Von einer. Entschließung über das Verhalten bei einer etwaigen Regierung und des französischen Militärs empört. Sie bewahrt Verlegung der Neutralität und der Befehung des rheinisch- west­aber trotzdem Ruhe. Der Vertreter des Saarlandes in der Refalien Industriegebiets durch die Entente murde deshers Abstand gierungskommission, Herr von Bloch, legt zum Protest gegen die Behandlung der ganzen Streifangelegenheit sein Amt nieber.

In Widerspruch zu dieser Meldung, die ausdrücklich die ruhige Haltung der Bevölkerung betont, steht ein anscheinend auf französische Quellen zurückzuführendes Telegramm des

geramaten.

Die französische Regierung hat an die deutsche Regierung eine Note gerichtet, in der sie auf den unerlaubten Charafter Oberschlesien hinweist und vor weiteren unüberlegten Gigenmäch der Verhinderung regelmäßiger Ententezüge nach tigkeiten, die geeignet find, 3 wischenfälle herbeizuführen", marnt

In einem Rundschreiben an die gesamten deutschen Un­ternehmer wird Bericht erstattet über die Tätigkeit, welche im Auftrage des deutschen Unternehmertums ausgeübt worden ist, um das Betriebsrätegese zu Fall zu bringen. In diesem Rundschreiben heißt es:.

Wenn es lebten Endes nicht möglich war, das Inkrafttreten des Betriebsrätegesezes zu verhindern, so ist dies darauf zurück­zuführen, daß uns die geschlossene Front der festorga nisierten Arbeitnehmerschaft gegenüberstand."

Und es wird dann empfohlen, dieser geschlossenen Front der Arbeitnehmer die ebenso geschlossene Front der Arbeit. geber, einen Zentralverband der deutschen Unternehmer, ent gegenzufüllen.

Jeder Arbeitnehmer muß erkennen, wohin die Reise geht, wenn die Bersplitterungsbestrebungen in unseren Reihen nicht mit aller Energie unterdrückt werden. Die ge­