Nr. 421 37.Jahrgang Ausgabe B Nr. 73
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Dienstag, den 24. August 1920
Rußland wortbrüchig?
Luzern , 23. Auguft. Dem Communiqué über das Resultat der Besprechung zwischen Lloyd George und Giolitti entnimmt die Schweizerische Depeschenagentur u. a. folgendes:
Vorwärts- Verlag 6.m. b. H., SW. 68, Lindenstr. 3. Fernsprecher: Amt Moritplas, Nr. 117 53-54.
Die Hundstage des Jahres 1920 haben eine verzweifelte Luzern, 23. Auguft.( Neuter.) Amtliches Communiqué. Bon einer Nation zu berlangen, daß fie als Friedensbedingung Wie sich Lloyd George und Giolitti haben der französischen eine Armee organisiert zum Schutz von Leben und Ordnung, in der Aehnlichkeit mit denen des Unglücksjahres 1914. Regierung eine gemeinsame Aktion der Autierten vor- nur eine Klasse von Bürgern mit Ausschluß aller anderen ist, ist damals der österreichisch- serbische Konflikt zu dem Wetter zugeschlagen, die den Zweck hat, Bolen die vollen aus dem Vertrage ein Eingriff in die Freiheit, Unabhängigkeit und fammenballte, das ganz Europa verheerte, so braut sich jetzt von Versailles sich ergebenden Rechte betreffend den freien Gebrauch Selbst achtung dieses Bandes. Daß man eine solche Be- durch den russisch- polnischen Strieg ein unheilvolles Gewölk und die unbeschränkte Benutzung des Hafens von Danzig und bingung nachträglich trotz der Versicherungen des Herrn Kamenem zusammen, das den halb zerstörten Kontinent von neuem in feiner Berbindungslinien zu sichern. an die britische Regierung, daß nichts ausgelassen ist, was nicht von Brand seben kann. Und wie vor sechs Jahren scheinen die nebenjächlicher Natur sei, bei der Aufstellung der Bedingungen hin- Völker blindlings ins Verderben hineintaumeln zu wollen. zugefügt hat, ist ein grober Vertrauensbruch, und Ver- Während genau wie damals rücksichtslose Konfliktschürer am handlungen irgendwelcher Art mit einer Regierung, welche ihr Wort Wert sind, um eine Verständigung zu hintertreiben, haben die so leicht nimmt, werden schwer, wenn nicht unmöglich. Die Sowjet- Massen keine Ahnung von dem Ungeheuerlichen, das die Der Reichstag ist vertagt, regierung hat einen Vorschlag der britischen Regierung zurüd. europäische Menschheit bedroht. gewiesen, einen Waffenstillstand under Bedignungen abzuschließen, die Minister und Politiker sind in Ferien, die Parteien welche das russische Gebiet gegen jeden Angriff sichergestellt hätte. liegen in trägem Halbschlaf. Soll das so weitergehen, bis Rußland wird seinen Vormarsch nach dem ethnographischen Bolen der zündende Wetterstrahl sie aus ihrer Lethargie schreckt? mit der Abficht fortsetzen, dieses Land durch Waffengewalt Man wird mich der Uebertreibung bezichtigen. Der Reichsfür die Sowjetinstitution zu erobern. So wird es feiner tag sei zwar vertagt, aber der Ausschuß fürs Auswärtige freien Regierung möglich sein, die Oligarchie der Sowjets anzu werde demnächst zusammentreten. Und der Minister des erkennen oder mit ihnen zu verhandeln. Die Welt im Osten und Aeußeren weile zwar in der Schweiz , verfolge aber gerade im Westen schreit nach Frieden, aber der Friede ist nur möglich auf dort sorgfältig die Entwicklung der Dinge. Außerdem aber der Basis der vollkommenen Anerkennung der Freiheit der Nationen. habe doch Deutschland seine strikte Neutralität proklamiert, Die italienische und die englische Regierung um sich nicht in neue Kriegshändel verstricken zu lassen. So find beunruhigt durch die unbegrenzte Berlängerung des sei alles getan, was in Menschenfräften liege, und wenn sich gegenwärtigen Konfliktzustandes zwischen den Nationen. Den be- dennoch die Gegenkräfte als stärker erwiesen und Deutschland treffenden Völkern tönnen diese Zustände nichts anderes als wider seinen Willen in den Malstrom der Ereignisse hineinimmer wachsendes Elend bringen. Für die Völker der gerissen werde, so sei das Schuld der anderen und die Tücke Welt im allgemeinen bringen sie beständige Unruhe. Bevor diese eines übermächtigen Schicksals. Sonflikte nicht aufhören, ist feine Entwicklung für Landwirtschaft Leider liegen die Dinge nicht so. Denn leider sind und Industrie möglich. Der Austausch der Erzeugnisse der Länder nicht nur im Ausland, sondern bei uns selbst tann sich niche frei entwideln infolge der hohen Preise. Angesichts die Kräfte raftlos tätig, die neuen Weltkrieg, neuen Bürgerder Gefahren, die eine Einschränkung dieses Austausches mit sich bringt, wird die Zivilisation, die durch fünf Striegsjahre geschwädyt ist, weiter erschüttert.
Der Meinugnsaustausch zwischen Giolitti und Lloyd George hat ihre vollständige Uebereinstimmung über die vitale Notwendig keit der Wiederherstellung des Friedens in der ganzen Welt für einen möglichst frühen Zeitpunkt dargetan. Die erste Garantie für einen solchen Frieden findet sich in den verschiebenen bereits unterzeichneten Friedensverträgen und in der Art und Weise, wie diese Verträge ausgeführt werden. Angesichts Dieser Auffassung hoffen und vertrauen die beiden Regierungen darauf, daß das gute Ginvernehmen, das in Spa erzielt wurde, Hinsichtlich der Methode der Ausführung des Versailler Vertrages sich weiter entwickeln werde, so daß diese Methode alle noch aus stehenden Fragen umfassen werde, und daß das hoffnungsvolle Experiment, das dort versucht wurde, gerechtfertigt werde durch die getreue Ausführung des dort geschlossenen Uebereinkommens seitens
aller Parteien.
Bevor der Friede wiederhergestellt ist, bleibt jedoch noch eine Reihe von bedeutenden Fragen zu erledigen, beren Mehrheit mit dem Verlauf von Ereignissen, wie sie jetzt auf dem Gebiet des ehemaligen russischen Reichs sich abspielen, unzertrenn lich verbunden ist. Bevor nicht der Friede zwischen Rußland und der übrigen Welt wiederhergestellt ist, wird immer eine Atmo= fphäre von Störungen der Ruhe die Welt weiter bedrohen. Aus diesem Grunde haben die britische und die italienische Regierung Schritte unternommen, selbst auf die Gefahr hin, falsch verstanden zu werden, um eine Verbindung zwischen Rußland und der übrigen Welt herzustellen. Es ist deshalb tief zu bedauern, daß sie soeben hören, daß die Sowjetregierung troh wiederholter gegenteiliger Versicherungen, welche in ihrem Namen durch ihre Vertreter in London abgegeben wurden, getrachtet hat, Bolen Bedingungen aufzuzwingen, die nicht berein bar sind mit dessen nationale: Unabhängigkeit. Die Regierung von Bolen ist aus der Wahl der ganzen männlichen Bevölkerung des Landes ohne Unterschied der Klasse hervorgegangen, und die sogenannte Bürgerarmee, welche nur aus einer Klasse herausgezogen werden foll, mie es der vierte Punkt der Bedingungen der Sowjetregierung berlangt, ist nur eine indirekte Methode, um eine Gemaltorganisation zu schaffen, welche durch Vergewaltigung die demokratische Verfassung über den Haufen werfen und diese Verfassung erseben soll durch den Despotismus einiger weniger, welche die Ideen des Bolschemismus in sich aufnehmen. Wir können nicht umhin zu befürchten, daß, wenn die detaillierten Bedingungen über die Zusammensetzung dieser Armes, welche vorläufig verheimlicht werden, bis Bolen seine Armee demobilisiert hat, bekanntgegeben werden, man finden wird, daß sie nach dem Vorbild der russischen roten Armee konstruiert ist.
daß alle Anstrengungen gemacht werden follten, um die gegen. Die britische und die italienische Regierung find daher einig, wärtigen Gegenfäße zwischen den Bölkern zu beseitigen.
Ein glückliches Land.
Der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten tann vorläufig nicht zusammentreten. 1. Weil der Außenminister Simons auf Urlaub in der Schweiz ist.
2. Weil sein Vertreter Staatssekretär aniel feit Sonnabend beurlaubt ift.
3. Weil zur Vertretung der beiden Herren der Wiener Gesandte Dr. Rosenberg nach Berlin berufen werden mußte. 4. Weil Dr. Stresemann, der seit der Neuwahl zum Reichstag Borsigender des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten ist, ebenfalls von Berlin abwesend ist und erst Ende bieses Monats nach hier zurüdzukehren gedenkt.
So wird das deutsche Bolt jest regiert. Mögen sich allerhand Gefahren an unseren Grenzen sammeln, die Regierung ist auf Urlaub". Und der Hüter der parlamentarischen Rechte, der RoteKettenbrecher Stresemann, erfreut sich des gleichen Vorzugs. Da kann das deutsche Volt ruhig schlafen.
miffion unterbreitet. Wird sie nicht erfüllt, dann sind wir ent schlossen, den Frieden zu erzwingen durch den Generalstreit. Saltet euch bereit und wartet auf den Ruf der Führer. Es geht um unsere Seimat
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vornehmlich frieg zu entfesseln trachten, nicht aber auch die Kräfte, die Demokratie und Sozialismus für die Sicherung des Weltfriedens, für die Verbreitung des Grundsages entwickeln sollten, daß alle Völkerstreitigkeiten nur noch durch friedliche Mittel
zu schlichten sind.
Die Bedeutung des internationalen proletarischen Uebereinkommens, teinerlei militärische Unterstützung Polens und des Generals Wrangel zu dulden, kann nicht hoch genug veranschlagt werden, aber seine Durchführung allein schüßt uns noch lange nicht vor einer neuen Katastrophe. Denn es genügt nicht, sich der Politik militärischer, imperialistischer Abenteuer zu widersetzen, sondern man muß zugleich mit voller Klarheit und mit äußerster Energie eine positiv sozialistische Friedenspolitik berfechten, wenn man die Anfchläge der Machtpolitiker unschädlich machen will. Von einer folchen Politik ist aber leider in Deutschland noch sehr wenig zu verspüren.
Dafür entfalten die Anhänger der alten rücksichtslosen Machtpolitik um so leidenschaftlicheren Eifer. Unsere Militaristen und Nationalisten fiebern Tag und Nacht in Revanchegedanken. Nicht die Erhaltung der Neutralität, die Sicherung des Friedens für Deutschland ist ihr Ziel, sondern die machtpolitische, militaristische Fruktifizierung des russisch polnischen Kriegs. Revidiert die Entente schleunigst den Friedensvertrag und schließt sie mit der deutschen Reaktion einen Patt, so sind unsere Militaristen bereit, an Polens Stelle den Bolschewismus niederzuwerfen; überwiegt jedoch Frankreichs und Englands Furcht vor dem deutschen Neumilitarismus, so hegen unsere Offiziere und Studenten auch tein Bedenken, sich als Nationalboljchewiften zu mastieren und zunächst einmal mit den Sowjettruppen gegen Polen und die Entente zu schlagen mit Hilfe der siegreichen Truppen glauben dann die Ludendorff und Brussilow auch einmal mit Bolschewifi und Sozialdemokraten fertig werden Die Maßnahmen der Kommission. zu können! Vorläufig segen die Nationalbolschewisten alles Beuthen , 24. Auguft. Von der Interalliierten Kommiffion an die Entfachung des nationalistischen Furors. Je mehr wird mitgeteilt: Da feststeht, daß bewaffnete polnische sich die Leidenschaften der Massen erhizen und sich, wie jetzt aufen von jenseits der Grenze in den Kreis Rybnit einge. in Oberschlesien , in Aften der Empörung entladen, desto größer fallen find, Zusammenstöße mit der Bevölkerung gehabt haben ist die Aussicht, daß auch der französische Militarismus volUnsere oberschlesische Heimat ist in tieffter Not. Deutsche und Zustände entstanden sind, die nicht länger zu ertragen sind, ist lends die Herrschaft über die Nerven verliert und sich zu und Bolen stehen gegeneinander. Bruderblut ist gefloffen. Die über den Kreis Rybnik der Belagerungszustand der Verzweiflungsaktion einer Besetzung des RuhrSühne der Verbrechen gehört vor die Gerichte. Wir wollen den verhängt worden. Die Militärbehörden sind mit allen Vollmachten Frieden. Die Interalliierte Kommission hat uns zur Wiederherstellung der Ruhe versehen worden. zugesichert, Nuhe, Sicherheit und Ordnung wiederherzustellen. Wir haben am 21. August gefordert und General Gratier hat uns zugefichert:
Ein Aufruf der Oberschlesier . Beuthen , 24. August. Die Deutschnationale Bolkspartei, die Katholische Bolkspartei( Zentrum), die Demokratische Partei , die Sozialdemokratische Partei , der Allgemeine Deutsche Gewerkschafts bund ( freie Gewerkschaften), die Arbeitsgemeinschaft freier Ange. stellenverbände( Afa), der Deutsche Gewerkschaftsbund( chriftliche Gewerkschaften), der Gesamtverband deutscher Angestelltengewerk. schaften, die Hirsch- Dunderschen Gewerkschaften und der Gewert schaftsbund der Angestellten erlassen folgenden Aufruf an die oberschlesische Bevölkerung:.
Berlin , 24. Auguft. Der preußische Minister des Innern, 1. bie restlose Entwaffnung der Bevölkerung ohne Rück- Severing, und der Staatssekretär im Reichsministerium des ficht auf die Nationalität, Innern, Dr. Bewald, begeben sich heute auf Veranlassung des Reichskabinetts in Begleitung des Legationssekretärs Dr. Meyer nach Breslau , um sich mit Vertretern Oberschlesiens über die bortige Lage zu besprechen.
2. die Aufhebung des Belagerungszustandes, soweit es die Verhältnisse gestatten, 3. die Hinzuziehung deutscher und polnischer unbewaffneter Arbeiter zur Wicderherstellung des
Friedens,
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reviers und Süddeutschlands hinreißen läßt. Das wäre aber der Augenblick, um die deutsche Boltsseele zum Rochen zu bringen und das Waffenbündnis mit Sowjetrußland durchzusetzen!
Was dann folgen würde, hat Mar Cohen fürzlich schon auseinandergelegt. Deutschland wäre dann seines Kohlenreviers beraubt, für das die oberschlesische Kohle auch nicht entfernt einen Ersatz zu bieten vermöchte. Aber auch Ruß land könnte keinerlei Ersaz liefern, da seine Gruben im Donezgebiet sich in ähnlich verwüstetem Zustande befinden, wie das zerstörte französische Kohlengebiet. Nicht einmal mit Holz würde Rußland aushelfen fönnen, vermag es aus Mangel an Eisenbahnmaterial doch nicht einmal feine eigenen Großstädte mit Brennholz zu versehen. Welche Zustände aber
4. die Verhütung von Gewalttaten aller Art. Die Bewaffnung polnischer Banden schreitet London , 24. August. ( Melbung des Hollandsch Nieuwsbureau.) dennoch fort. Sie haben die Gewalt an sich geriffen und miß- Der deutsche Minister Hermes und seine Sachverständigen müßten sich entwickeln, wenn unsere Industrie lahmgelegt brauchen fie. Dem muß ein Eube gemacht werden. Die find in London eingetroffen, um mit dem britischen Ernährungs- würde, wenn die Zahl der Arbeitslosen Millionen und Abergefesmäßige Gewalt muß sofort wiederhergestellt werden. Das ist minister über die Ausführung des Abkommens von millionen betrüge, wenn durch die rapid gesteigerte Notenunsere einzige Forderung, sie wird heute der Interalliierten Rom . Spa au tonferieren. jausgabe das Geld vollends entwertet würde und russisches