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Nr. 432+ 37.Jahrgang

Groß- Berlin

Jahrmarkt von heute.

Beilage des Vorwärts

Der sogenannte Jahrmarkt jährt sich nicht mehr, er quartalt sich, besser gesagt, denn viermal darf fast in jeder Stadt Jahrmarkt abgehalten werden. Diese Quartalmärkte haben mit dem guten alten Jahrmarkt fast nichts mehr gemein, nur erscheint, als jeten sie stets von regnerischer Witterung begleitet. Was jetzt auf diesem Strammarkt zu sehen ist, ist streng zeitgemäß. In den Buden fieht man nicht mehr die einst viel begehrten Rosinen- und Pflaumenmänner" und Frauen mit ihrer wohlfeilen Vanille, dafür unerschwinglich teure Süßigkeiten.

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Der alte Ausschreier mit seiner unverwüstlichen" Glanzdecke und dem Taschenmesser mit den zahlreichen Klingen? Gott bewahre. Diese Artikel haben sich überlebt und ziehen" nicht mehr. Die Lungen des Ausschreiers müssen für zeitgemäßere Dinge herhalten. Nur für Erwachsene, meine Herrschaften! Hochinteressante Ent­hüllungen, jedes Buch 10 Mart!", hallt es aus seinem Munde. Hat er sich um das Zehnfache heruntergeschrien, dann stürzt sich selbst­verständlich die Jugend mit gierigen Händen nach dieser Mark- und Marktlektüre. Das Geschäft geht glänzend, denn es ist zeitgemäß.

Daneben eine Bude mit dem Schlagsahnenrasierschaum", und die Jahrmarktsbesucher stehen hier Polonäse wie nach Frischfleisch. Unter einem riesenroten Regenschirm der Clou des Jahrmarktes: da balgen sich Jung und Alt. Was gibt es dort zu sehen oder zu kaufen? zu kaufen gibt es hier nichts, aber wenn man eine Weile unter diesem riesenroten Dach gestanden hat, dann gibt einem das Gesehene und Gehörte zu denken. Blutprüfungen, Blutunter­suchen, meine Herrschaften!" tönt es einem entgegen.

Zwei Raubmorde aufgeklärt.

Schwere Schußverlegung eines flüchtigen Verbrechers.

Dienstag, 31. August 1920

föllner Kriminalpolizei, ihn auf offener Straße zu stellen und überraschend festzunehmen. Grothe bestritt, an dem Ueberfall beteiligt gewesen zu sein und geriet in die größte Der Berliner Kriminalpolizei ist es jetzt gelungen, zwei Fälle But, versuchte sich auf die Beamten zu stürzen und griff, als ihm schweren Raubmordes aufzuklären, die seinerzeit viel von sich dieses nicht gelang, zu einer Schreibmaschine, die er voll­reden machten. Es handelt sich um den Raub mord beim Ber - ständig zertrümmerte. Nur schwer gelang es, den Tobenden liner Spediteurverein in der Verlängerten Schöneberger zu überwältigen. Scheinbar wieder beruhigt sollte er wieder in Straße 15 und um das Verbrechen an der Witwe Thiele- feine Zelle abgeführt werden. Plötzlich gab er einem der ihn be­mann in der Köpenicker Straße . In beiden Fällen konnten die dag dieser zusammenbrach; dann riß er sich los und suchte zu ent gleitenden Beamten einen wuchtigen Stoß gegen den Unterleib, Täter nach langen Beobachtungen verhaftet werden. fliehen. Der zweite Beamte sette ihm nach und gab, als er auf seine Haltrufe nicht stehen blieb, einen Schuß auf ihn ab, der den Verbrecher in den Kopf traf und schwer verlette. Nach Anlegung eines Notverbandes wurde er als Polizeigefangener in die Charité eingeliefert. Er wird kaum mit dem Leben davon= fommen.

Der Raubüberfall auf das Kontor des Spediteurvereins wurde bekanntlich am 25. Februar verübt. In dem am Bahn­

Bezirksverband Groß- Berlin S. p. D.

Deffentliche Boltsversammlungen.

Tagesordnung:

Neutralität- Oberschlesien Was tut unsere Regierung? Heute Dienstag, den 31. August, abends 7 Uhr. Berlin : Brauerei Patenhofer, Turm- Ecke Stromstraße. Brauerei Königstadt, Schönhauser Allee 10,11. Berliner Bockbranerei, Chausseestr. 64. Berliner Vereins; und Konzertfäle, Komman­dantenstraße 58/59. Andreas- Festsäle, Andreasstr. 61. Charlottenburg : Großer Saal des Volkshauses, Rosinenstr. 3. Auf einem weiß gedeckten Tisch Instrumente, in einer Schüssel Wilmersdorf : Aula der Hindenburg- Oberrealschule, See­mit rosa gefärbtem Wasser ist es Sublimatlösung oder vom park 36. riesenroten Regenschirm gefärbtes Wasser, denn regnen tut es un- Lichtenberg : Jahn- Realgymnasium, Marktstraße. aufhörlich schwimmen Wattebäuschchen. Hinter dem Tisch der Referenten: Erwin Barth , Louis Brunner , Blutprüfer", daneben seine Gehilfin mit vielen Buſteln und Trauer- Se ilmann, Gustav Heller, Franz Klühs , nägeln. Die Blutprüfung foftet 50 Pf., und wie sie vor sich geht? Rauscher, Willi Siering, Dr. W. Zechlin. Der Schrei nach der Polizei wäre die richtige Antwort. Die Mittwoch, den 1. September, abends 7 Uhr. Diagnose wird sofort mitgeteilt: Wahllos ist man entweder leber­leidend oder magentrant, oder sonst irgendeine beruhigende" Neukölln: Kliems Festfäle, Hasenheide 13. Prophezeiung wird den Jahrmarktmassen mit auf den Weg gegeben, Reinickendorf : Hartmanns Brauerei, Scharnweberstr.101/ 104. Aengstlich verstörte Mienen, weinende Frauen kommen aus der Tegel : Lokal Strandschloß. " Jahrmarktssprechstunde" zum Vorschein. Beitgemäß. Das Geschäft Cöpenick: Jm Stadttheater.

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blüht, gleich daneben werden Herzfranke untersucht.

Auf dem Tisch lange, blutrot und gelbgefärbte Flüssigkeit ent­haltende Glasröhren. Die Patienten" haben das Ende dieser Röhren zu umfassen und je wilder das Wasser brodelt, um so er­schreckender und nervenzerrüttender lautet die Diagnose. Mann, Sie müssen sofort ausspannen!" ruft der Diagnostiker. Na, ich bin doch ichon 7 Wochen arbeitslos, Sie Duffel und Schwindler!" Dem einen wird das Heiraten streng verboten, der andere leidet an einer schweren Herzerweiterung, und diefer zeitgemäße Jahr maritsiummel lockt Hunderten und abermals Hunderten das Geld aus den Taschen.

An einem anderen Stand werden harmlos Zigaretten verkauft,

d. H., wenn die Blauen" oder die Grünen herantreten. Sind

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diese außer Sehweite, dann werden Sachen, wie Betäubungsmittel, Optumzigaretten ,, nur für Herren bestimmte Damenringkampf­abbildungen auf die Menge losgelassen. Vereinsamtstehende Schuh -, Knopf- und Spitzenbuden. Katharinchen, echte Thorner", Lebkuchen männer? Tempi passati! Baumelnde Affen, Blutprüfungen, Rafierschlagsahne, Opium usw. Jahrmarkt 1920! E. M.

Achtung Arbeitslose! Von gewissen Elementen wird versucht, die Arbeitslosen zu einer Versammlung nach dem Friedrichshain Locken. Wir warnen alle Arbeitslosen, sich daran zu beteiligen, weil wir in feiner Verbindung dami: stehen. Arbeiterrat der Erwerbslosen Berlins .

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Mit der Etappe.

Von Scholem Alechem. ( Schluß.)

Derreiche Mann tut Buze.

Die Sonne neigte sich tief über den Berg, um in wenigen Minuten zu verschwinden, die Hite ließ nach, und die Etappe näherte sich Gronow, der ersten Station der Wanderschaft. Bevor die drei Arrestanten die Stadt betraten, stellten sie sich außerhalb der Stadt vor eine Windmühle, das Gesicht nach Norden gekehrt, und verrichteten ihr Gebet.

Bawrij stand, auf seinen Stock mit der eisernen Spize ge­stützt, die Müge in den Nacken geschoben, und sah zu, wie die Juden wackelten und sich in die Brust schlugen. Am andäch tigsten betete der Reiche.

Ernst Ulrich

Als Täter und Mitwisser des Raubmordes an der Witwe Thielemann in der Köpenider Straße hatte die Krimi­nalpolizei bereits einen 21 Jahre alten Landwirt Paul Poser und einen 23 Jahre alten Friseur Franz Heinrich festgenommen. Als Mittäter und Anstifter gesucht wurde noch ein Schlosser Otto Riedel , der zuletzt bei der Ermordeten als Schlafbursche ge= wohnt hat. Riedel war Funker gewesen. Er sollte von Spandau aus entlassen werden. Es ergab sich jedoch, daß er Heeressachen verkauft hatte und sollte nun festgenommen werden. Als er das merkte, entfloh er und hielt sich in Berlin auf. Nach dem Morde begab er sich, wie die Nachforschungen der Kriminalpolizei ergaben, zunächst nach Bossen und arbeitete dort in der Umgegend bei Land­wirten. Dann begab er sich teils zu Fuß, teils mit der Bahn nach Stettin zu Verwandten, endlich nach Stargard in Pommern. Kriminalkommissar Dr. Schuppe und seine Beamten fanden überall feine Spur, aber nicht ihn selbst mehr. Gestern veranstaltete nun die Sicherheitspolizei eine Razzta im Weltspeisehaus" am An­dreasplay. Beamte der Sicherheitspolizei erkannten den Verbrecher und nahmen ihn fest. Er wurde als gesuchter Fahnenflüchtiger zunächst der Militärbehörde übergeben, dann aber der Kriminal­polizei zugeführt. Riedel hatte schon in den Zeitungen gelesen, daß Poser ihn als den Urheber und Haupttäter bezeichnete. Davon will er aber nichts wissen, wenn er auch sonst im ganzen geständig ist. Jetzt bezeichnet er Poser als den eigentlichen Täter. Er habe auf dem Hofe die Stiefel ausgezogen und sei dann auf der Treppe geblieben. As im Zimmer die Lampe geklirrt habe, sei er davon­gegangen, während Poser mit Heinrich das Verbrechen ausgeführt. habe. Die Behauptungen beider Parteien werden von der Krimi­ nalpolizei weiter nachgeprüft.

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Auch das Verbrechen an dem Berliner Kaufmann Jacobi, der in Oberhof in Thüringen spurlos verschwunden ist, scheint Referenten: Dr. Bendiner, Marie Juchacz , seiner Aufklärung entgegenzugehen. Am Sonntag fanden Man­Ulrich Rauscher, Dr. W. Zechlin.

Genossen! Genossinnen! Erscheint zahlreich.

Der Bezirksvorstand.

gelände, ganz abseits vom Verkehr, belegenen Kontor erschienen abends kurz vor 8 Uhr plötzlich vier Räuber, die sich untenntlich gemacht hatten, eröffneten auf den Kassierer und den Wächter, die noch allein im Bureau anwesend waren, ein heftiges Feuer und raubten 33 000 Mart. Der Wächter und sein großer Begleithund wurden erschossen, die Kugeln, die für den Kassierer bestimmt taren, schlugen in dessen Pult und in die Wand hinter ihm ein, trafen ihn jedoch selbst nicht, so daß er wie durch eine Wunder dem Tode entging. Die Kriminaliommissare Dr. Grünberg und Bün­ger, die mit der Aufklärung des schweren Bandenraubes beauftragt wurden, sekten sofort mit umfangreichen Nachforschungen ein und es gelang ihnen, auch schon im Mai d. J. drei der Räuber zu er mitteln, den 29 Jahre alten, zu Hamburg geborenen Bäcker Richard Schwarz, den 31 Jahre alten Dreher Richard Thierfelder aus Berlin und den 29 Jahre alten, aus Linden bei Hannover stammenden Händler Heinrich Kowald, der zuletzt am Kott­buser Damm 95 wohnte. Als Anführer und gefährlichster Ver­brecher wurde der 32 Jahre alte Kutscher Karl Grothe festgestellt, der sich ständig verborgen hielt. Jebt gelang es Beamten der Ne u- erstand vor seinen Augen, wie ein Grab. Zum erstenmal im Leben grübelte er über diese Dinge, gum erstenmal e- trachtete er sich wie in einem Spiegel, er sah sich bis ins Innerste und fonnte nicht begreifen, wieso er bis jetzt mit solcher Blindheit geschlagen war, wieso er sich für einen ehr­lichen Juden und anständigen Menschen halten fonnte, daß es genügte, wenn er jeden Tag betete und von Zeit zu Zeit einen Sechser als Almosen fortgab..

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Und der Teplifer Millionär, Scholem Beer Tepliker aus Teplit, begann sich zu erinnern, in welcher Weise er Almosen spendete", wie er mit jedem Groschen, den man ihm gewaltsam entreißen mußte, geizte. Er erinnerte sich, wie er einmal eine Thorarolle für die Synagoge spendete, weil er finderlos war. Er wollte hiermit sein Scelenheil erkaufen, weil ja niemand für ihn das Seelengebet" nach dem Tode verrichten würde. Er schrieb das obligate Schluß­Scholem Beer Tepliker aus Teplik hatte schon lange nicht wort in der Thora, wie es sich für den Spender ziemte, gab so eifrig sein Gebet verrichtet, wie jetzt: er schlug sich wirklich ein anständiges Festessen, zechte die ganze Nacht, und als in die Brust: Ich habe gesündigt, ich habe Verbrechen geübt! am nächsten Tag der Schreiber der Thorarolle, Reb Samion, sch habe geraubt!" fam es aus dem Innersten seines Herzens. zu ihm kam und ihn um eine Anleihe bat, wies er ihn wie Er bereute, daß er an den Menschen Sünde begangen hatte, daß einen Toten ab. er armen Juden helfen konnte und es nicht getan hatte, daß er sie vielleicht glücklich machen konnte und es unterlassen hatte. Warum? Er wußte es selbst nicht!

Noch viele ähnliche schöne Dinge fielen ihm jetzt ein; heiße Flammen loderten in ihm auf vor Scham, die er für sich selbst und andere, ähnliche reiche Juden empfand, die Er begann sich mit dem Habenichts, dem roten Beril, zu auf ihr Geld so versessen waren und sich von ihm nicht vergleichen und schämte sich vor sich selbst. Obgleich der arme trennen fonnten. Teufel faum so viel hatte, um einen Tag davon zu leben, war Scholem Beer fühlte, daß seine Seele iegt ge­er nicht zu faul, für einen anderen einen weiten Weg zu Fuß schlummert, daß sein Herz bis zu diesem Tage wie unter zu machen, sich vor einem reichen Mann zu erniedrigen, fich de- einer Eispresse gelegen hatte. Kein Tropfen Wärme, feine mütigen zu lassen, um einem armen Juden eine Gefälligkeit Spur von Mitleid. Wenn er jetzt etwas für Beril tun zu erweisen. Und er selbst? Scholem Beer Tepliker aus fönnte, etwas, das seinen großen Fehler wieder gutmachen, Teplik wollte von fremdem Leid nichts sehen und nichts hören, seine Sünde verringern und seine Schuld vernichten Aber er wußte nicht, wie er es anfangen er war immer falt wie Eis geblieben. Run tat es ihm leid, könnte! daß er es so weit hat kommen lassen, am meisten aber ver- sollte. Er schaute tief in sein Herz und in seine Seele hinein droß ihm die Heiratssache während des Jahrmarkts in Geißen. und begriff nicht, welchen Wert jein Leben hatte, was er bis Er fühlte, daß er, Scholem Beer, ein großer Schuldner dem jest geschaffen hatte. Er hatte sechsundfünfzig Jahre, roten Beril gegenüber war. Vielleicht hatte er gar an dem also mehr als dreiviertel seines Lebens hinter sich, hatte Tode seiner Tochter einen Anteil? Denn wenn er damals um das Dasein gefämpft, Groschen auf Groschen gehäuft, Berils Bitte erfüllt hätte, wenn er ihm wenigstens sein Mit anderen nichts gegeben und sich selbst auch nichts gegönnt. gefühl, ein wenig Liebe gezeigt hätte, während ihm das Messer Wem würde er sein Vermögen hinterlassen? Kinder hatte an der Kehle lag, dann hätte seine Tochter vielleicht jetzt noch er nicht, die Verwandten haßten ihn und würden ihn in gelebt und wäre glüdlich gewesen... Scholem Beer fühlte, einem Löffel Wasser ertränfen, wenn sie könnten. daß, obwohl er das Verbrechen nicht verschuldet hatte, er jegt Scholem Beer hielt Ueberschau über sein Leben und gern ein Opfer bringen wiirde, um den Makel aus jener Zeit zu verwischen und das Versäumte gutzumadjen würde sich dadurch Erleichterung verschaffen. Nur wußte er nicht, wie er es anfangen sollte.

derer im Walde bei Oberhof die bereits stark in Verwesung übergegangene Leiche des kürzlich dort ermordeten Berliner Kaufmanns Jacobi im Unterholz auf. Die Polizei wurde benach­richtigt, die wiederum die zuständige Staatsanwaltschaft in Gotha verständigte. Ein Vertreter der Staatsanwaltschaft erschien in Oberhof und nahm den Tatbestand auf.

Demonstration gegen die Großbeeren- Feier.

Bon tiefem Eindruck war, wie uns aus Groß- Beeren mitgeteilt wird, die Gegendemonstration der gesamten Arbeiter­schaft gegen die von einigen Kriegshebern veranstaltete Sieges­feier der Schlacht von Groß- Beeren. In Massen waren die Ar­beiter herbeigeströmt. Wie immer hatte auch bei dieser Gelegen heit die Reaktion dafür gesorgt, daß man den bösen Sozialdemo­fraten begegnen konnte, indem man ein starkes Gendarmerie­kommando aufbot. Offiziell waren 10 dieser Herren zu sehen, und wie Ortseingesessene versichern, steckte noch eine große Anzahl auf den Höfen. Zum größten Leidwesen der Herren Kriegs- und Butschfreunde jedoch mußten sie sehen, daß zu einem Eingreifen keine Gelegenheit gegeben wurde. Wie die Demonstration ihren Anfang genommen, so wurde sie auch in ruhiger und würdiger Weise beendet. Nachdem der U.S.P. D.- Redner in großen Zügen die Verwerflichkeit des Krieges im allgemeinen illustriert hatte, nahm der Redner der S.P.D. das Wort und erklärte, daß mit demselben Rechte, wie man hier den Massenmord feiere, auch der seine Seele' weitete sich, sein Herz regte sich, seine Augen begannen zu leuchten und sahen, was sie bisher niemals geschaut hatten; er fühlte, was er bisher nie empfunden hatte, er fühlte sich wie neugeboren, so frisch und lebendig wie noch nie i seinem Leben.

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Nachdem unsere Arrestanten ihr Gebet vrrichtet hatten, setzten sie den Etappenweg fort.

Beril hüpfte auf einem Fuß und spottete über Senich, während der Reiche, in Gedanken versunken, immer schneller ging. In seinem Kopf schwirrten allerlei Gedanken, sein Herz floß von Gefühlen über! Etwas flärte sich, löfte sich, gestaltete sich in ihm.

,, Was lauft Ihr so?" fragte ihn der rote Beril. Ihr rennt ja so, daß ich mit meinem lahmen Fuß nicht nach­kommen fann."

Fällt es Euch schwer, zu gehen, Reb Beril?" ent­gegnete ihm der Reiche so weich, wie Beril es von ihm noch nie gehört hatte. ,, Stützt Euch auf mich, nehmt meine Hand, wenn Gott gibt, daß wir in Frieden nach Hause kommen, dann sollt Ihr bei mir vorsprechen, und du auch, Henich, ich brauche Euch nötig, ich muß Euch etwas Wichtiges fagen."

Beril konnte sich nicht vorstellen, was für eine wichtige Sache Scholem ihnen zu sagen hatte und warum sie erst zu ihm fommen sollten. Warum sagte er es nicht jetzt gleich? Warum war er plöglich so weich geworden?

befreien?"

Henich war überhaupt wie bestürzt, er sperrte den Mund weit auf und konnte nicht begreifen, wozu ihn der Reiche hatte fommen lassen. Er trat vor ihn hin und fragte: Werdet Ihr Euch erbarmen, werdet Ihr David Leib ,, Gleichbiel," erwiderte der Reiche, wenn er nicht los­fommen sollte, sorge ich für Euch; für Euch alle... Stüßt Euch auf mich, Beril, es fällt Euch schwer zu gehen." Als die Etappe in Gronom einzog, war die Sonne schon goldenen untergegangen und hatte nur einen breiten Streifen am weiten Himmel zurückgelassen. Unsere Leute wurden mit Musit empfangen, einem Chor - und von quakenden Fröschen und meckernden Ziegen Schafherden, die eine dichte Staubwolfe aufwirbelten. Das war ein Glück, denn dank der Gronower Ziegenherde ließen die Gronower Juden die Etappe unbemerkt vorüberziehen, ohne zu erkennen, wer durch die Stadt geführt wurde. Sonst dachte darüber nach, warum er wohl so viele Feinde hatte; hätten die Gronower Juden den Etappenzug angeglott ind Er warum die Welt so wenig von ihm hielt? Lang vergessene ihn mit ebensolchem Aufsehen hinausbegleitet, wie es später Gedanken, die im tiefsten Innern seiner Seele verborgen in Michalowka, Mitschulfa, Krasnopielfe, Dichakowiß und lagen, stiegen auf und machten sein Herz beflommen; er ge- in den übrigen Etappenstädten geschah, die zwischen Teplik lobte sich, wenigstens im Alter ein besserer Mensch zu werden, und Geißen gelegen waren.

Er vertiefte sich in sein Gebet: Sein ganzes Leben