Nr. 435 37.Jahrgang Ausgabe Br. so
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Mittwoch, den 1. September 1920
Pilsudski über den Frieden.
Warschan, 31. Auguft.( TU.) Laut Gazetta Warzawski"| Courant" zufolge in London einen unangenehmen Eindrud erklärte Staatspräsident Bilfubfti auf die Frage nach den gemacht. Den Blättern zufolge liegen in amtlichen Kreisen außer strategischen Zielen des polnischen Bormarsches, daß daß die dem Bericht über Pilsudfris Aeußerungen noch andere Anzeichen Curzon Linie für Bolen strategisch wertlos sei, da vor, die darauf hindeuten, daß die polnischen Militaristen fie im Ernstfalle von der kleinen polnischen Armee nicht gehalten geneigt sind, den nachdrücklichen Nat der Alliierten, daß die in Bersailles festgesette Grenze nicht überschritten werden soll, unbeachtet zu laffen.
werden könne.
„ Kurjer Polfti" weist darauf hin, daß bei der Festsetzung der Grenze der strategische Wert in erster Linie ausschlaggebend sein müsse. Nun entspreche aber die Buglinie keinesfalls den Anforderungen, die im Interesse der Verteidigung des Landes erhoben werden müßte. Die beste Lösung sei eine Grenze längs der ehemaligen deutschen Schüsengräben, die von Baranowitschi über Binst längs des Styr und Stochod verlaufen und bei Dubno in die Zbroczlinie übergehen. Diese Grenze habe im Weltkriege ihren Verteidigungswert erwiesen und scheide im übrigen die überwiegend katholische von der orthodoxen Bevölkerung, wie sie auch die Scheidewand zweier Kulturen und zweier politischer und wirtschaftlicher Weltanschauungen bilde. Die Frage Wilnas sei nach den Worten Pilsudskis eine politische Frage, und könne nur unter Zugrundelegung des Willens der Bevölkerung gelöst werden.
Die Verhandlungsbasis.
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Schlachtenjubiläen.
Bon Willy Meyer, Hauptmann a. D. Viele Schlachten haben wir gewonnen. Den Krieg berloren wir. Reftlos. Doch wissen's viele scheinbar noch immer nicht. Sie feiern die Wiederkehr der Jahrestage siegreicher Gefechte. Auf die Lüttich - Feier folgt die von Tannenberg. Doch manchen reichts noch nicht. Sie greifen auf den siebziger Krieg zurück.( St. Privat , Beaumont, Sedan usw.)
Es ist an der Zeit, mit den Schlachtenjubiläen radikal Schluß zu machen. Denn das, was die Feiern sein könnten, nämlich: lediglich der Ausdruck der Pietät vor den Gefallenen und Verstümmelten, bor den Witwen und Warschau , 1. September. ( T.) Wie aus unterrichteter Quelle Baisen, das Verbeugen vor dem Opfermut und der berlautet, findet zurzeit zwischen der polnischen und der Sowejt- Zapferfeit der Kämpfer, das sind sie bei uns wohl nie regierung ein Gedankenaustausch statt über die Erweite gewesen und werden es wohl nie sein. Wo ist je in Europa rung der polnisch- russischen Verhandlungen zu einer Ronferenz ein Schlachtengedenktag so gefeiert worden, wie 1911 in sämtlicher Randstaaten, deren Unabhängigkeit die Sowjet- Manassas ( Virginia ) das fünfzigjährige Jubiläum der ersten regierung anerkannt hat. Aus diesem Grunde dürften bis zur Schlacht im Sezessionskrieg? Hunderte von Veteranen Wiederaufnahme der polnisch- russischen Verhandlungen noch einige bei der Kriegsparteien standen sich in langer Front gegenLage vergehen. Alle Meldungen über Ort und Zeitpunkt der neuen über. Die Veteranen der Nordpartei mit dem Blick nach Verhandlungen sind daher auch als zu mindestens verfrüht anzu- Süden, die der Südpartei mit dem Blick nach Norden. Dann seben. schritten die Reihen aufeinander zu. Die ehemaligen Feinde" Amsterdam , 1. September. Aus Warschau meldet die„ Times", reichten sich die Hände und blieben mit verschlungenen Händen daß die lettländische Regierung der Verlegung ber pol- ein paar feierliche Augenblicke stehen zum Zeichen dauernder nisch- russischen Verhandlungen nach Riga zugestimmt habe. Freundschaft. Der Präsident der Vereinigten Staaten , Taft, Paris , 31. Auguft.„ Chicago Tribune" berichtet aus Warschau , wohnte der Feier bei. Er trat in seiner Rede für Ausrottung daß die polnischen und die russischen Delegierten Mitte Sep- des Kriegs ein und erwartete von den ehemaligen Stämpfern, tember in Riga die Verhandlungen fortsetzen werden. die die Greuel des Krieges fennen gelernt hatten, wirkungsvollste Unterstügung seiner pazififtischen Bestrebungen. Als er zum Schluß mitteilte, daß Amerika mit Frankreich einen eben folchen einschränkungslosen Schiedssammelten in stürmische Zustimmungsrufe aus. vertrag geschlossen babe wie mit England, brachen die Ver
Neue Kämpfe.
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die
Das Organ der Sozialdemokraten, Robotnik“, vertritt die Ansicht, daß die Frage Wilnas durch eine Verständigung mit Litauen zu lösen fei. Gerade weil die polnische Regierung den litauisch- russischen Frieden nicht anerkenne, müsse fie versuchen, fich mit Litauen über Wilna in gütlicher Weise zu verständigen. Jeder Gebanke an eine gewaltsame Besegung dieses Ge. bietes sei um so undiskutabler, als es feinem Zweifel unterliege, daß im Falle einer Abstimmung die Bewohner des Gouvernements 31. August. Auf dem Nordflügel rüden unsere Truppen ohne Barschau, 1. September. ( U) Amtlicher Heeresbericht vom Das Oberste Komitee der Polnischen Sozialistischen oberung von Grodno getrönt wurden, haben unsere Abfeindlichen Widerstand vor. In den Kämpfen, die durch die ErPartei hat in der Frage der polnischen Friedensbedingungen folgende Forderungen aufgestellt: 1. Freundschaftliches Einvernehmen teilungen rund 1000 Gefangene und beträchtliche Beute gemacht. mit dem russischen Volke. 2. Ethnographische Grenze unter Bor - Am 31. Auguſt befetten wir Sajnowia. Destlich von mit dem russischen Volke. 2. Ethnographische Grenze unter Bor- holm wurden feindliche Truppen tongentriert, die die Angriffe behalt etwaiger Abweichungen im Wege der Vereinbarung. holm wurden feindliche Touppen fonzentriert, die die Angriffe 3. Selbstbestimmungsrecht aller zwischen Rußland und Polen Budjennys unterstützen sollten. Sie griffen unsere Stellungen in liegenden Völker und ihre Teilnahme an der gemeinsamen Frie- den Abschnitten von Dubrella und Moniatyeza an. benskonferenz. 4. Die P. P. S. erklärt den zwischen Sowjet: Angriff Budjennys im Raume von Zamosc stößt weiterhin eigenartig, daß die Geschmacklosigkeit derartiger Feiern selbst mit großen Verlusten für den Feind abgeschlagen. Der ruhland und Litauen 12. Juli 1920 als Gewaltfrieden und erkennt ihn demgemäß auf entschiedenen Widerstand unserer Abteilungen. Bamoje wurde solchen Menschen wenig zum Bewußtsein kommt, denen man Wege des Einvernehmens zwischen der polnischen und litauischen Stadt und brachte dem Feind schwere Verluste bei. Feindliche Ab- laut und fröhlich( mit Musik und Seft) feiern würde, wo er Demzufolge sind die Fragen Wilnas und Grodnos im zwar eingefreist, doch verteidigte die heldenmütige Besagung die sonst den guten Geschmack nicht absprechen kann, und die von jedem entrüstet abrücken würden, der den Tag der Wiederkehr Regierung unter Berücksichtigung des Willens der Bevölkerung zu teilungen, die gegen Grabowice marschierten, wurden nach blutigem im Duell seinen Gegner erschoß.
nicht an.
Löfen.
England unzufrieden.
Kampfe von zwei Legionärdivisionen nach Süden abgedrängt. Durch unsere Hilfstruppen, die im Rücken der Armee Budjennys operieren, wird biefer in seiner Initiative start behindert. Diesen Truppen gelang es, einen bedeutenden Teil des feindlichen Terrains
Rotterdam , 1. September. Die Aeußerungen des Mar. schalls Pilsudski in Warschau haben dem„ Niouewe Rotterdamsche| abzuschneiden.
teilt werden.
Dies war einmal ein Schlachtenjubiläum, das eine Förderung der Friedensbewegung darstellte. Aber fast alle anderen Siegesfeiern waren und werden sein: eine Belebung des Länder arbeiten sich stramm in die Hände), eine Romanisierung Chauvinismus hüben und drüben( denn die Chauvinisten aller Länder arbeiten sich stramm in die Hände), eine Romanisterung des Gemezels, eine Bergottung des Kriegs. Und das ist in Frivolität. Es ist
Es wäre besser gewesen, wenn wir unsere Siegesfeiern lange bor 1914 eingestellt hätten. Lichnowsky erwähnt in seinen Aufzeichnungen die Aeußerung eines österreichischen Diplomaten:„ Wenn die Franzosen anfingen, die Revanche zu vergessen, dann habt Ihr sie regelmäßig durch kräftige Tritte daran erinnert". Dieser Diplomat mag bei seinem Ausspruch wohl auch an unsere zahlreichen Siegesfeiern gedacht haben.
Die französischen Sühneforderungen. Wir hören, daß Dienstagabend nach 10 Uhr zwar noch jemand außer dem Pförtner in der Pressestelle der Reichsregierung an Wie wir hören, hat sich das Reichskabinett um die wesend war, daß aber die Telephonzentrale den Betrieb Gegen die Sedanfeier nahmen 1895 die SozialMittagsstunde versammelt, um zu der franzöfifchen Note ihon eingestellt hatte, infolgedessen unser Anruf zum PförtStellung zu nehmen. Das Ergebnis der Beratung wird in ner fam, der uns erklärte, er fei nur noch allein im Hause. Irr- demokraten sehr entschieden Stellung. Sie gingen von dem der heute nachmittag endlich stattfindenden Sigung destein Beamter mehr anwesend getvesen sei. Wir haben nach dieser von Sedan, wo Napoleon III. mit großen Teilen seines tümlich ist unsere Angabe, daß im Auswärtigen Amt um 10 Uhr Standpunkt aus, daß der siebziger Strieg bis zur Schlacht Reichstagsausschusses für auswärtige Angelegenheiten mitge- Richtung Feststellungen zu treffen feinen Anlaß gehabt, wohl aber Heeres gefangen genommen wurde, vielleicht noch eine Art haben wir sie für die Reich stanalei getroffen und daraus den Verteidigungstrieg für uns gewesen sei. Nach Sedan wurde Schluß gezogen, daß das Deutsche Reich normalerweise um 10 Uhr die französische Republik ausgerufen und das französische Wir haben bereits in unserer Morgenausgabe von vorn- abends nicht mehr regiert wird. Bolt erklärte sich zu einem annerionslosen Frieden bereit. herein gegen den zu erwartenden Proteststurm jener deutschDeutsche Entschuldigung in Warschau . nationalen Blätter Front gemacht, die durch ihre monatelange Trozdem ging der Krieg zum Zwecke der Eroberungen weiter. Warschau , 1. September. ( TU.) In Vertretung des deutschen Sedan wurde zum unheilvollen Wendepunkt. Der FrankSeze eine so schwere moralische Mitschuld an den Breslauer Er trug( wie jetzt der Versailler Erzessen tragen. Inzwischen hat dieser Sturm eingesetzt. Geschäftsträgers sprach Botschaftsrat v. Dirksen der polnischen furter Frieden folgte. Erzeffen tragen. Inzwischen hat dieser Sturm eingesetzt. Allerdings nicht einheitlich, denn Blätter, wie die, reu 3- Regierung gestern das Bedauern der deutschen Regierung über Frieden) den Keim zu neuen Striegen in sich. bie Breslauer Vorfälle aus. Die polnische Regierung hat die Dies alles und noch mehr betonten die Sozialdemokraten Beitung", der Reichsbote" und man staune!- sogar die Deutsche Zeitung" drucken den Wortlaut polnische Gesandtschaft in Berlin beauftragt, sich mit der deutschen 1895, aber sie riefen den Zorn der Mächtigen auf den Plan. der Note tommentarlos ab und auch in der Ueberschrift Regierung wegen der Entschädigung für die Zerstörung In seiner Rede beim Paradediner im weißen Saale des der Note kommentarlos ab und auch in der Ueberschrift Lassen sie ihre Gefühle nicht erkennen. Das Blatt des Herrn des polnischen Konsulats ins Einvernehmen zu setzen. Berliner Schlosses anläßlich der Sedanfeier wetterte der Kaiser Wilhelm II. gegen diese Rotte von Menschen, Wulle bringt die französische Note sehr schlicht und unaufVolles Versagen der Polizei. nicht wert, den Namen Deutscher zu tragen" und stellte in fällig auf der zweiten Seite. Aussicht, unter Umständen seine Soldaten marschieren zu lassen, um der Hochverräterischen Schar zu wehren, um einen Stampf zu führen, der uns befreit von solchen Elementen". Da das Sozialistengesetz aufgehoben war, wurde auf dem Wege der Majestätsbeleidigungsprozesse vorgegangen. Viele wurden verurteilt. Und im Reichstag wandte sich der Kriegsminister Bronsart v. Schellendorf progig gegen die Schmukfinken", die die Sedanfeiern verweigerten.
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Eine Besprechung fehlt auch in der Deutschen Die Franzosen fordern die Bestrafung der an der Zerstörung Tageszeitung", die allerdings ihre Gefühle in einem des Konsulats schuldigen Personen innerhalb einer achttägigen Querbalfen: Schmachvolle französische Forde Frift. Diese Bestrafung wird nicht erfolgen können, denn bis rungen" deutlich genug zum Ausdrud bringt. Aehnlich jest ist nicht ein einziger der Leute festgestellt worden. verfährt die Tägliche Rundschau"( Ein Höchstmaß Die Breslauer Sicherheitspolizei hat in einem Maße versagt, an tiefsten Demütigungen"). die kaum zu faffen ist. Trogdem die öffentliche Kundgebung vorher Nur die„ Post" und der, okal- Anzeiger" speien angekündigt war, war nichts geschehen, um AusschreiGift und Galle aus. Wir möchten diese ehrentperten Blätter tungen zu verhindern, und nichts, um die Konsulate zu denn sie sind alle, alle ehrenwert nur fragen: welche sichern. Als endlich die Sicherheitspolizei eingriff, um die BeForderungen hättet Ihr gestellt, wenn ein deutsches räftigungen der Hotels zu verhindern, hat sie es auch noch unterKonsulat im Ausland von nationalistischem Böbel zerstört laffen, irgendeinen der Tumultuanten festzuhalten oder zu verworden wäre? haften. Zur französischen Breslaunote. Es ist selbstverständlich, daß gegen die fäumigen Beamten Der in der Note erwähnte Hauptmann v. Arnim hat sich als menigstens mit aller Schärfe vorgegangen wird. Kommandeur der Reichswehrkompagnie, die nach dem Flaggendiebstahl durch den Schloffer Krzeminsky die Ehrenbezeugung vor der Von Oberschlesien . Die Oberschlesische Morgenfranzösischen Botschaft in so ausgezeichneter Haltung verübte, die zeitung" in Statiowik ist nach einmaligem Erscheinen erneut besondere Aufmerksamkeit der französischen Regierung erworben. berboten worden.
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Anläßlich der Feier der 40 jährigen Wiederkehr des Tages von Sedan trat die deutsche Friedensgesellschaft" dafür ein, daß mit den offiziellen Siegesfeiern nun Schluß gemacht werde oder daß man sie wenigstens jedes beleidigenden Charakters für den ehemaligen Gegner entkleide. Welchen Erfolg dieser Schritt hatte, ist ebenso bekannt, wie die wüsten Beschimpfungen der alldeutschen Presse, denen sich die Vereinigung infolge ihrer Anregung aussette.
Unsere Zeit ist weniger zum feiern, als zur Arbeit geeignet. Aber wenn wir dennoch durchaus Feste begehen jwollen, so könnte man z. B. als stillen Gedenktag den 18. Mai