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Nr.475 37.Jahrgang Ausgabe B Nr. 100

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die Boft Zeitungs- Breisliste. Der Borwärts" mit der Sonntags beilage, Bolt u. Reit" ericheint wochen­täglich zweimal Gonntags und Mon­tags emmal

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Sozial demotrat Berlin  ".

Abend- Ausgabe

J

Vorwärts

Berliner Volksblatt

20 Pfennig

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Zentralorgan der fozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Redaktion und Expedition: SW. 68, Lindenstr. 3.

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Freitag, den 24. September 1920

Der Kampf um Groß- Berlin.

eingebrachten Abänderungsanträge. Der deutschnationale Als die österreichischen Arbeiter bor  Abgeordnete Lüde de verlangte von der Staatsregierung, daß fie den Oberpräsidenten anweife, vorläufig den gewählten Ma­gistratsmitgliedern die Bestätigung zu versagen, bis die Be= ratungen über die Abänderung des Gesezes erledigt sind. Staats­sekretär Freund hielt das für selbstverständlich und wies barauf hin, daß ja ein Vertreter des Oberpräsidiums den Ausschuß­

verhandlungen beiwohne.

Dorwärts- Verlag 6.m. b. H., SW. 68, Lindenstr. 3. Fernivrecher: Amt Morinplas, Nr. 117 53-54.

Alexander Millerand  .

Von J. Steiner- Jullien.

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Die französische   Nationalversammlung Rammer und Der Ausschuß Groß- Berlin der Preußischen Landesschen Volke dieselben Rechte zuzusprechen, bie sich die versammlung beriet über die zum Gefeßentwurf Groß- Berlin Arbeiter der anderen Länder erkämpft hatten. Senat in gemeinsamer Sigung hat Herrn Alexander unger um- Hepublik gewählt. Wenn man von einem politischen Ereig Millerand für sieben Jahre zum Präsidenten der tamen, hat der Gewerkschaftsbund für Nahrung gesorgt und ihnen nie hier sprechen kann, so doch nur von einem Ereignis. das geholfen, ihre Organisation und ihre industrielle Kraft zu erhalten. von nicht sonderlicher Bedeutung ist. Die Rolle des Präst­As der weiße Greden Ungarn   zu Boden warf, war denten der Französischen Republik   ist noch bescheidener als die es wieder der Internationale Gewerkschaftsbund  , der dagegen des Königs von England. Die Wahl Millerands hat jedoch einschritt und den Boykott über dieses Land verhängte. Und als insofern eine größere Bedeutung, als sie zum erstenmal in infolge der Situation zwischen Polen   und Rußland   neuerlich der dritten Republik auf Grund eines ausführlichen poli­ein Krieg über die Welt hereinzubrechen drohte, war es gleichfalls tischen Programms erfolgte, mit dem der neue Präfi­Bon sozialdemokratischer Seite wurden dagegen Be­benten geäußert. Aller Voraussicht nach werde man mit den der Internationale Gewerkschaftsbund   und die ihm angeschlossenen bent regieren zu wollen vor seiner Wahl angekündigt hat. Organisationen, die den Transport von Waffen und Beratungen bis zum 1. Oktober nicht zu Ende kommen. Dann anderem Kriegsmaterial verhinderten. Die Neuerung ist nicht zu übersehen. Bisher waren es würde dor Fall eintreten, daß in der neuen Stadt kein Ma= in Frankreich   die Regierungen, die nach ihrer Konsti­gistrat, teine Instanz vorhanden ist, die die Geschäfte führen Einzig der Internationale Gewerkschaftsbund   hat Taten auf- tuierung ein Programm ausarbeiteten und es dem Parla­kann. Die Verantwortung dafür lehnten die Sozial. zuweisen, während seine Kritiker sich damit vergnügen, Mani- ment zur Billigung unterbreiteten. Künftig sind die Re­bemokraten ab. Durch die eingebrachten Abänderungsanträge feste herauszugeben und sogenannte revolutionäre zu gierungen und die Kammern gebunden, das Programm fei im übrigen eine ganz neue Lage geschaffen, so daß der halten. Millerands auszuführen. Dadurch gewinnt die Stei Ausschuß seine Beratungen vertagen müsse. Der Internationale Gewerkschaftsbund   wird auch in Zukunft lung des Präsidenten ganz außerordentlich an Bedeutung. In der Abstimmung wurde der deutschnationale Antrag, bleiben, was er in der Vergangenheit war. Er hat teine Instrut- Und bei den Kammerwahlen, die in drei Jahren stattfinden der die Ausführung des Gesetzes auf unbestimmte Zeit aussehen tionen zu empfangen, weder von rechts noch von links. Er wird werden, wird auch das französische   Volk nicht anders können, wollte, mit 12 gegen 5 Stimmen der Rechtsparteien abgelehnt. sich jeder Dittatur widersehen, tomme sie nun von als über das Programm Millerand abzustimmen. Das Zentrum enthielt sich seiner Stimmen. Abgelehnt Moskau   oder sonstwo. Er hat nur ein Ziel: die Befreiung Wir müssen uns also etwas näher mit Herrn Millerand  wurde auch der Abänderungsantrag der Deutschen   Volks. der Arbeiter vom Joche ihrer Unterdrüder und seinem Programm beschäftigen. Der Politiker Mille­partei, der das Gesetz erst am 1. April 1921 in Kraft treten ihrer politischen ebenso fie ihrer wirtschaftlichen. Der rand ist seit 1898, als er, der Sozialist, mit Gallifet, dem lassen wollte. Internationale Gewerkschaftsbund   wird der Moskauer   Tendenz. Schlächter der Kommune, in das republikanische Konzen­die Arbeiter um politischer Zwecke willen zu entzweien, den trationsministerium eintrat, das Walded- Rousseau bildete, proletarischen alten Schlachtruf entgegenstellen:

Sodann entspann sich eine Debatte über die Zusammen sehung des Magistrats, namentlich über einen Antrag des Abg. Leid( n. Soz.), der verlangte, daß dem Magistrat mindestens 3 oder 5 oder 10 unbesolbete Stadträte angehören müssen. Diese Eventualanträge wurden jedoch sämtlich abgelehnt. Annahme fans dagegen ein Zentrum santrag, nach welchem der Ma­gistrat aus mindestens 30 Mitgliedern besteht, von denen mindestens 12 un befoldet sein müssen. Gegen diesen Antrag stimmten nur die Sozialdemokraten, während der Vertreter der Un­abhängigen dafür war.

bände".

"

Broletarier aller Länder vereinigt Euch!"

Das Bureau des Internationalen Gewerkschaftsbundes: W. A. Appleton  , Vorsitzender.

2. Jouhaur, 1. Vizevors. E. Mertens, 2. Bizebors. Edo Fimmen  , J. Oudegee st, Sekretäre.

Ungarische Verseuchung Gesterreichs.

Wien  , 24. September.  ( Eig. Drahtbericht des Vorwärts".)

mon­

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eine so bekannte Persönlichkeit, daß man füglich sich ersparen fann, seine Biographie zu schreiben. Vom juristischen Beirat der Eisenbahnergewerkschaft hat es Herr Millerand zum ju­ristischen Beirat großer Kapitalgesellschaften gebracht, worun­ter sich sehr wohl Eisenbahngesellschaften befinden können. Ob das gerade ein Aufstieg ist, darüber darf man verschiede­ner Meinung sein. Jedenfalls spricht diese Tatsache für die Befähigung Millerands als Advokat. Derselbe Millerand, der 1896 die Ehre hatte, das gemeinsame Aktionsprogramm der damals noch- und bald wieder nicht geeinigten So­Die Gewerkschaftsinternationale wehrt sich. Da die ersten Enthüllungen der Arbeiterscitung über die Bezialiſten zu verkünden, hat jetzt als Präsident der Republik das Aktionsprogramm der Bourgeoisie aufgestellt. Die Spaltungs- und Berstörungsaktion der Dritten folbung antisemitischer Segblätter und Während dieses Vierteljahrhunderts hat Millerand mit Internationale gegen die Gewerkschaften, die auf dem Mos- archistischer Inferate in Deutschösterreich durch die unga­fauer Rongreß beschlossen wurde, ist mit der Veröffentlichung rifche Regierung von der Horthy  - Gesandtschaft bestritten wechselndem Geschick und Glüd eine nicht unerhebliche Stolle eines ellenlangen Aufrufes in mehreren kommunistischen   worden waren, hat die Arbeiterzeitung" Photographien ber in der Geschichte Frankreichs   gespielt. Es kommt ihm zweifel­Blättern Europas   eingeleitet worden, der die Unterschrift Dokumente veröffentlicht. Heute drudt sie den Brief einer los das Verdienst zu, die Sozialpolitik seines Landes trägt: Der Internationale Rat der Fachber- christlichsozialen Zeitungskorrespondenz an die Presseabteilung der modernisiert und in neue Bahnen gelenft zu haben. Es ist ungarischen Gesandtschaft in Wien   ab; der Brief bittet um Grein   Gesez Millerand, das 1900 in Frankreich   den 3ebn. In diesem Aufruf treten alle bekannten Anflagen der höhung der bisher gewährten monatlichen Bei- tundentag für alle Betriebe, wo Frauen und Jugend­Linksradikalen gegen die gelbe", chauvinistische", berräte- bilfe von 250 auf 500 Stronen mit der Begründung, daß die liche beschäftigt sind, eingeführt hat. Wir sind ja heute dar­rische" Amsterdamer Gewerkschaftsinternationale   auf den Korrespondenz Artikel und Notizen in der ganzen bürgerlichen über längst hinaus, aber damals war es, besonders für Frank­ reich  , ein gewaltiger Fortschritt. Plan, die jedem, der einmal das zweifelhafte Vergnügen ge- Provinzpreffe verbreitet, die Ungarn   nüßen und die Leser für die habt hat, die ,, Rote Fahne" auch nur drei Tage hinterein- iederherstellung der Monarchie zu gewinnen suchen. In einem ander zu lesen, zum Halje heraushängen. Schon aus diesem weiter von der Arbeiterzeitung" veröffentlichten Schreiben macht Grunde würden wir, auch bei besseren Raumverhältnissen, das ministerium in Budapest   die Gesandtschaft in Wien  uns und unseren Lesern den Abdruckt dieses Aufrufes des darauf aufmerksam, daß das antisemitische Schmugblättchen Internationalen Rates der Fachverbände" ersparen, den uns Boltssturm" und das schwarzgelbe Offiziersorgan Staats­das Amsterdamer Bureau des Internationalen Gewerf toe br" mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, wie ein schaftsbundes einsendet. Wir begnügen uns mit der Ver- österreichischer Oberst in Budapest   berichtet habe. Es sei ein wich tiges Intereffe, den heutigen ungarischen Kurs burch öffentlichung der Antwort des Gewerkschaftsbundes: Es liegt für den Internationalen Gewerkschaftsbund kein An- materielle Silfe für diese Blätter zu unterstützen, jedoch laß vor, fich gegen diese unsinnigen Angriffe zu verteidi- folle das nicht durch direkte Geldbeträge, sondern durch Abonnes gen, die von etlichen Personen ausgehen, die nicht einmal den ments geschehen. Mut aufbringen, ihren Namen darunterzusehen. In dem ungarischen Militärlager von 3ala- Egy Immerhin soll darauf hingewiesen werden, daß dieser soge- erszeg ist aus übergelaufenen und verlockten österreichischen nannte Internationale Rat der Fachverbände" in Wirklichkeit Offizieren und Soldaten eine deutschösterreichische Ledem von St.- Mandé von 1896, sondern dem von 1920. Uns nicht bestest. Er tertritt niemanden; er ist nichts als Schwin- gion errichtet, die zu gegebener Zeit Deutschösterreich von der Ne del und Bluff. Das geht schon aus der Anmaßung hervor, im publik befreien und die Monarchie nach dem System Namen der Gewerkschaften Großbritanniens  , Frankreichs  , Italiens   orthy wieder aufrichten foll. Offenbar zur Einübung der er und Spaniens   zu sprechen. In Wahrheit sind die Gewerkschaften forderlichen Methoden befindet sich in der Nachbarschaft ein po dieser Länder ebenso wie die von 18 anderen Ländern dem Inter  - litisches Interniertenlager An der deutschöfter nationalen Gewerkschaftsbund angeschlossen. reichischen Grenze hat Horthy   eine ganze Armee zu Manövern Die anonymen Verfasser dieses Manifestes sind ent- zusammengezogen. Sein General Lang reist nach Paris  , um weder bewußte Lügner oder armselige Ignoranten, die von den die Ausrüstung und Bewaffnung für die ungarische Armee auszu Grundsäßen, der Tätigkeit und den Zielen des Internationalen suchen. Diese dürfte gegen hunderttausend Mann stark Gewerkschaftsbundes keine Ahnung haben. sein, während das Friedensdiktat Ungarn   nur 40 000 Mann Die Beschuldigung der Abhängigkeit vom Völker- sufpricht, und Deutschösterreich auf feine 30 000 Mann nicht nur bund und bom Internationalen Arbeitsamt beschränkt, sondern außerdem noch der schärfsten Kontrolle unter: liefert dafür den Beweis. Der Internationale Gewerkschaftsbund   worfen wird. hat seine Unabhängigfeit gegenüber beiden Körperschaften stets Aber ein franzöfifch- ungarischer Geheimvertrag besteht natür ftreng gewabri urd er hat sich wenn dies nötig war, gegen ihn lich nicht! gewendet, und er wird es auch weiter tun, wenn das Interesse der Arbeiter es erheischt.

Arbeiterfriede in Italien  .

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Die Beschuldigung, daß der Internationale Gewerkschaftsbund  machtlos und eine Organisation von Gelben und Verrätern ſei, London  , 24. September.  ( TU.) Die Times" vernehmen aus wird widerlegt durch alles, was der Bund seit den wenigen Mona- Turin: Die Arbeiter der besetzten Fabriken stimmten gestern ten feines Bestandes getan hat. über die Annahme oder Ablehnung des mit der Regierung ge­In Washington hat der Internationale. Gewerkschaftsbund den schlossenen Vergleiches ab. Die Abstimmung ergab, daß 334 Bölferbund verpflichtet, dem deutschen   und österreichi. Fabriten für und 17 gegen die Annahme waren.

- Wenn man von Millerand spricht, denkt man unwillfür­lich an Briand   und Viviani. Es charakterisiert die drei, wenn man jagt, daß die hauptsächlichste Reform, die mit Millerands Ministerschaft verbunden, der Zehnstundentag ist. Briand   feinen Namen mit der Trennung von Staat und Kirche verknüpft hat, während man auf Rechnung Vivianis nur- Reden jegen kann. Und doch hat Millerand damit geendet denn höher geht es nicht mehr, der Präsident des nationalen Blocks zu sein, und unter dem Ministerium des ehemaligen juristischen Beraters der Eisen­bahnergewerkschaft ist die juristische Aktion zur Auflö. fung des französischen   Gewerkschaftsbundes und der Beamtengewerfschaften unternommen worden.

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Doch kommen wir zu dem Programm Millerands, nicht interessiert hier besonders der erste Punkt: die Ausfüh begnügt sich nicht, in icin Programm die Ausführung des rung des Vertrages von Versailles  . Millerand unausführbaren Vertrages von Versailles   an erster Stelle aufzunehmen er verspricht sogar die vollständige( inté­grale) Ausführung des Vertrages.

Gewiß fann jemand, der Präsident der französischen   Re­publik werden will, nicht anders reden, wenn er es nun ein­mal für notwendig hält, von der Tradition abzuweichen und ein eigenes Programm aufzustellen. Wir wissen auch, und seit der Verkündigung des Programms von St.- Mandé weiß. es jeder Franzose, daß ein Programm wohl große Worte enthalten fann. ohne deshalb wörtlich genommen zu werden. Als Millerand von Spa zurückfam, sagte er in der Polemik, die sich zwischen Tardieu, Loucheur und ihm entwickelte. ziem­lich unverblümt. daß der Vertrag von Versalles unausführ­bar ist. Man braucht also sein Programm in diesem Punkte nicht tragisch nehmen. Nichtsdestoweniger kann man sicher sein, daß Millerand sich mit seiner massiven Hart­nädig feit einer Revision des Vertrages von Versailles  wideriezen wird.

Es ist eine der Eigenschaften des neuen Präsidenten der Französischen Republik  , daß er auch eine schlechte Sache mit