Nr. 490 37. Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Sonntag, 3. October 19 20
Karpfenteich; nur hat er nicht ganz so viel geschadet. Doch das eine noch weiß ich wie heute: Er ward von vielen gehaẞt!
Dann kam der Krieg. Ernst Jürgen war zu allem bereit. Ents täuschung fam über ihn, als die Partet„ mitmachte". Ein Abend noch steht mir in lebhafter Erinnerung. Wir waren zu Gaste bei einem älteren Freund, junge Burschen und Mädchen zumeist. Das aktuellste Thema damaliger Zeit, die Kreditbewilligung, ward alios bald Gegenstand der Debatte. Und heftig plagten die Geister los
Um 29. September hat im Industriebeamtenhaus zu Berlin gleich die Internationale der Kopfarbeiter Hand in Hand und in es ging nicht mehr ohne Geschäftsordnung, der Meldung nach erhielt. die große Vertretersizung der Arbeitsgemeinschaft dauernder organisatorischer Zusammenarbeit mit der Internatio- ein jeder das Wort. Zwei Abende währte der Diskurs. Die Jung freier Angestelltenverbände( Afa) getagt und zur nale der Handarbeiterschaft den Internationalen Gewerkschafts- Radikalen waren die Uebermacht, Jürgen ihr geistiger Führer. Frage der Gewertschaftsinternationale Stellung genommen. Nach bund zu einer großen mehrstündigen eingehenden Debatten wurde das nachstehende Manifeft angenommen:
I.
Internationale aller Kopf- und Handarbeiter
der Welt auszubauen. Die Afa stellt deshalb an den Internatio nalen Gewerkschaftsbund den Antrag, die organisatorischen Voraus Unter den Wirkungen des vom internationalen Rapitalismus jebungen zur Bildung einer internationalen Einheitsfront aller entfesselten Weltkriegs ist in allen Ländern eine völlige Des- freigewerkschaftlichen Kopf- und Handarbeiter zu schaffen. organisation und Verarmung der Wirtschaft eingetreten. Dadurch wurde beim Fortbestande der chaotischen tapitalistischen Privatwirtschaft die wirtschaftliche Lage der mur von dem Ertrag ihrer Arbeitskraft Rebenden auf ein unerträg liches Maß herabgedrückt.
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Eine Beseitigung dieser Wirkungen ist im Rahmen der fapitalistischen Wirtschaftsordnung unmöglich. Nur planmäßige gemeinwirtschaftliche Zusammenarbeit aller Völker fann einen Ausweg aus dieser Bage bringen.
Angestellte und Arbeiter! Erkennt Euren gemein= samen Gegner, den internationalen Kapitalismus ! Schafft die geschlossene Ginheitsfront aller Stopf- und Handarbeiter ber Welt!
In einer Spezialdebatte befaßte sich die Vertreterversamm. lung mit der von der 3. Internationale( Mostau) geplanten Bildung kommunistischer Zellen innerhalb der Gewerkschaften. Das Ergebnis dieser Aussprache war die Annahme der folgenden Entschließung:
Die Friedensbedingungen der Verträge von Versailles und St. Germain, weit davon entfernt, eine Grundlage für die friedDie vom 2. Kongreß der 3.( kommunistischen ) Internationale liche Zusammenarbeit der Wölfer am Wiederaufbau Europas zu aufgestellten Thesen zur Gewerkschaftsbewegung berpflichten die bieten, find nur Ausfluß der sügellojen imperia der Kommunistischen Partei angehörenden Gewerkschaftsmitglieder listischen Begierden der Bourgeoisie der obstiegenden zur Bildung kommunistischer Zellen innerhalb der Gewerkschaften. Staaten; ihre Beseitigung und ihr Ersak durch ein Abkommen is Aufgabe diefer Bellen wird es in den Thesen unzweideutig beim Geiste der Menschlichkeit und des Völker zeichnet, die Gewerkschaften friedens ist nur durch den einmütigen Willen des Proletariats in den Dienst der kommunistischen Parteiziele
der fiegreichen Staaten möglich. Nur durch einmütige gezu stellen. Damit werden diese kommunistischen Zellen zu Fremd schlossene Aktionen der internationalen Arbeit törpern, die nicht nur mit dem in den freien Gewerkschaften nehmerschaft fönnen alle Versuche, neue imperialistische jederzeit hochgehaltenen Grundsäßen des Selbstbestimmung 3- Ariege zu entfesseln oder reaktionäre Staatsstreiche abgewehrt rechts aller Mitglieder unvereinbar sind, sondern darüber hinaus zur Zerstörung der einheitlichen Gewert schaftsbewegung führen müssen.
werden.
II.
Die freien Gewerkschaften der Stopf- und Handarbeiter aller Länder bedürfen deshalb des festgefügten zielflaren internationalen Zusammenschlusse&
Eine leistungsfähige Gewerkschaftsinternationale
muß sich aus leistungsfähigen Landesorganisationen zusammensezen. Nur diese verfügen über die erforderlichen Kenntnisse bes sozialen Sträfteverhältnisses ihres Landes, um die in jedem Falle zweckmäßigsten Maßnahmen beurteilen, ergreifen und durch führen zu können. Sie müssen deshalb in ihren Entschlie Bungen autonom sein.
Jede diktatorische internationale 8entralisation führt aur dogmatischen Erstarrung und au praktischen
Niederlagen.
Die Gewerkschaften haben ihre Direttiven ausschließlich von ihren Mitgliedschaften entgegenzunehmen. ang dalir Es wäre deshalb ein unerträglicher Zustand für die Gewerkschaften, wenn sich in ihnen festgeschlossene Bellen bilbeten, die thre Direttiven bon außerhalb ber
Der Krieg währte Monate schon, fast ein Jahr, da kam auch Jürgens Stunde: er mußte sich stellen. Schweren, bitteren Herzens er ging. Dann und wann tam eine Karte von der Front. Immer sprach ungeschwächte Kraft aus den Zeilen, zuweilen bligte selbst darinnen Humor. Erst in Jahren fonnt' ich ihn sprechen. Wir
trafen uns beide im Urlaub.
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Bei mir oben auf der„ Bude" legte er los. Bei den„ Preußen" hab' er viel Zeit zum Denken gefunden. Der Anblick der Schlachts felder, gerichossenen Dörfer, der heimatlosen Menschen habe ihn tief erschüttert. Erst da hab' er begriffen, was Schutz der eigenen Fluren hieße. Mit der damals gewollten, erhofften Erhebung wär' doch nur Unglück über Land und Volk gekommen. Den Gegner bannen und Verständigung erstreben das sei Gebot der Stunde! Und als ich auf sein altes Wort ihn wies:„ Der Arbeiter hat nichts zu verlieren denn seine Ketten", da wehrte er ab: „ Ein Schlagwort!... Was ist, wenn Haus und Hof vernichtet, dem Aermsten das Wenige selbst, alles genommen, er mittellos um Almosen muß flennen, der Strieg verloren geht. Wirtschaft und Industrie zerrüttet, vernichtet sind, Arbeitslosigkeit, Abgaben an Land, Werten und Geld der Niederlage folgen; wer da noch spricht: Wir haben nichts zu verlieren?" Und dennoch sagtest du damals: „ Wir retten bestenfalls nur den Klassenstaat!" Wahrlich, da kam ee ihm bitter auf. Er sprach dann vom schändlichen Treiben der vielen Offiziere, den Nöten des gemeinen Soldaten, wie ich alles selbst es erfahren.„ Aber dennoch" fuhr er fort ,, wir sind noch mit allem berwachsen; der Kampf bleibt uns später. Haß nur tann uns die Niederlage gleichgültig machen, ein Haß, der Blindheit ist, uns Arbeitsvolt am meisten schadet."
"
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Dann kam der November 18. Ernst Jürgen fehrte im Januar Die am 29. September 1920 versammelten Vertreter der Afa heim. Er war Soldatenrat indes geworden. Des grauen Roces rufen deshalb alle Mitglieder der freien Angestelltenberbände auf, ledigging er zur alten Partei. Die ihn die Jahre des Krieges den Gewerkschaftsthefen der 3.( fommunistischen) Internationale nicht mehr gesprochen, waren enttäuscht. Die Unabhängigen hatten und der von der Bildung kommunistischer Zellen in ihren Gewerk- ihn sicher zu den ihren gerechnet. Doch auch die Mehrheitler waren schaften drohenden Gefahr entschlossen entgegenzuentgegenzu verwundert. treten und die Einheit und Geschlossenheit ihrer gewerkschaftlichen Kampforganisation zu wahren.
Der Afa- Vorstand und die Vorstände der angeschlossenen Verbände werden beauftragt, gegen Mitglieder, die diesem Beschlusse zuwiderhandeln, mit allen jagungsgemäß zulässigen Mitteln vorzugehen." Arbeitsgemeinschaft freier Angestelltenverbände. J. A.: Der Vorstand. Aufhäuser. Klingen. Süß.
Durch Sturm zur Reife!"
Von Willi Birnbaum.
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Es kam der Januarputsch. Da hielt es Jürgen nicht mehr er stand in vorderster Reihe und ging in higigen Redeschlachten in großen Versammlungen radikalen Hizlöpfen zuleibe. Scharf und flar, faft äßend war seine Kritik. Ihm war die Idee des Sozia lismus so tiefinnerlich, daß er alle Spaltung um das, was räd wärts lag, verwarf. Chaos, Trümmer, Demoralisation war, es, was er allenthalben sah, und ihn bewegen machte um die schnelle Durchsetzung grundlegender Reformen. Zu Aufbau und positiven Werfen ging sein Streben., Spartakus aber schaffe nur neue Trümmer, größeres Chaos, tiefere Verwirrung, größtes Hinderats seinem idealsten Streben. In der planvollsten Organisation, in der Gebundenheit der Kräfte, in der Einheit zielbewußten Wirkens die größte Kraft und Stärfe liegt!" das war Wort und Richtschut seines Handelns. Das ist es heute noch. Aemter und Würden sind ihm geworden.
Gewerkschaften stehenden diftatorischen Instanzen erhielten, denen Wenn ich es mir recht bedachte: Ernst Jürgen war eigentlich fie fich bedingungslos zu fügen haben. Die Entfesselung einen so ganz eigenen Weg gewandelt. Seit langen Jahren kenne eines Meinungsstreites, wie er die politische Arbeiterbewegung ich ihn nun schon. In der Arbeiterjugend, im Jugendheim, war er Gestern abend war er nach langen Wochen wieder bei mir. zerriffen und gelähmt hat, wäre mir das erstemal begegnet 1910 wohl war es ein teder h war fast drob erschreckt, so blaß und spiz war sein Geficht. In Bursche, mit großen, fragenden Augen, sprudelnd und lustigen seiner Ruhe Tag etwas von Müdigkeit, Doch als ich ihm riet, fich bas hab' ich nie erfahren. Es war wohl Flegeljahren- lebermut. Mutes: nur von den Mädels mochte er nicht viel wiffen. Warum, für Wochen zumindest einmal in Reserve zu halten, da wehrte er lächelnd, sprach er fest:„ Nein, nein! Wie die brandenden Wellen
bas Berhängnis für die gewerkschaftliche Befreiungsarbeit. Eine erfolgreiche systematische Arbeit der Betriebsräte jetzt ihre Eingliederung in den Rahmen der Gewerkschaftsbewegung boraus. Jede selbständige Sonderorganisation der Betriebsräte ist als zersplitternd und gewerkschaftsschädlich abzulehnen.
III.
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weg
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Ein Jahr später schon stand er in der Opposition. Und er schlagen der Kritiker und ewigen Unzufriedenen Reden an mir hinwetterte trefflichen Wortes gegen die„ jungen Alten", die so wenig auf. Als Einziger fast steh' ich im weiten Betrieb und wehre ihnen. attiv waren. Er fand Gefolgschaft, wurde in den Ausschuß gewählt Sie sind gleich den ewig zerschellenden Wellen, finden nicht Lösung und in der Tat: er machte Dampf in den Gassen; es tam ein noch Weg, zerfließen und fluten zurück ins große Wasser, stetig von frischer Zug in die Kolonne", wie er mir nach Jahren gestand. neuem wiederkehrend, bohrend und wühlend. Zerseßung. Auflösung Ach" und mein Die Arbeitsgemeinschaft freier Angestelltenverbände( Afa) er- Aber Ernst Jürgen war ein Arbeiter, wie felten einer in fo jungen ihr Werk. Kamerad feufzte ein fennt als unerläßliches Erfordernis für die freigewerkschaftliche Ar- Jahren; Bähigkeit, Ausdauer, Fleiß ließen ihn gar bald das lleber wenig sind so wenige Männer, die wie die beit der Angestellten die 8usammenarbeit mit dem 11= dem närrischen Treiben höhnen und gewicht gewinnen: er ward Führer, blieb es lange Jahre hindurch. Felien trogen! ternationalen Gewerkschaftsbund an. Sie lehnt die und zu allebem: er büffelte und lernte! Sein Vater und seine Das ist es, was mir in die Seele geht: So weites, uferloses, Bedingungen des 2. Kongresses der dritten kommunistischen Inter- Mutter hatten mir manchmal ihr Leid geklagt, daß er spät abends zerfließendes, schwankendes Weer, zu wenig fester Boden, auf dem nationale, soweit sie sich auf die Gewerkschaften beziehen, ab, da sie noch bei Lampenlicht hockte. Ja Ich hab einen Arbeitsfreund, ein mitunter im Eifer nahmen sie man großes errichten kann. in ihm keine Grundlage erblickt, auf der eine tragfähige aktions- ihm die Lampe fort; er aber jezte sich schließlich doch durch. formschöner Redner, der steht zuweilen bei mir und wirft rote Rosent bereite, auf den Willen der breiten Masse der freigewerkschaftlich Ernst Jürgen war jung und darum auch radikal! Wenn es in das Wellenspiel und sie tanzen jauchzend damit hinaus. Etliche denkenden Arbeiter und Angestellten sich stüßende Gewerkschafts- damals schon so viele sozialistische Parteien wie heute gegeben meinen: das ist Sozialismus..." keraationale möglich ist. er wär gewißlich der Mann der K. A. P. D. gewesen. So Ich hab' den blassen, Hageren Menschen wohl verstanden. Es aber stand er, als er der Partei beitrat, auf dem äußersten linken gibt doch eigene Menschen. Sie machen mir Freude. Das sind die Flügel", lam alsbald in den Partei- Bibliotheksausschuß und damit erle, deren einer mehr wiegt als hundert Rosenbrecher, die mit in den Vorstand, schwamm munter darinnen wie der Hecht im den Wellen müßige Spiele treiben.
Die Afa erklärt sich bereit, mit der freigemertschaftlichen An gestelltenbewegung aller Länder eine feste dauernde or ganisatorische Zusammenarbeit herzustellen und zu
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