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Nr. 342. Erscheint täglich außer Mautag». Preis pränumerando: Viertel- jährlich 3,30 Marl  , monatlich 1,10 Ml., wöchentlich 28 Psg. frei tn s Haus. Einzelne Nummer 3 Pfg. Sonntag«-Nummer mit tllustr. Sonntags-BeilageNeue Welt" lOPfg. Post-Abonnement: 3,30Ml. pro Quartal. Unter Kreuz- band: Deutschland   u. Oesterreich« Ungarn 2 Mt, sür das übrige Ausland 3 Mt.pr.Manat. Eingetr. tn der Post- Zeitungs- Preislift« sür 133. unter Nr.»313. 11. Jahrg. Jnsertions-Gebühr beträgt für die sünsgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pfg., für Vereins- und Versammlungs- Anzeigen 20 Pfg. Inserate für die nächste Nummer müssen bis t Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochen- tage» bis 7 Uhr Abends, an Sonn- und Festtagen bis» Uhr Bor- mittags geöffnet. Lenisprecher: Amt I, Ur. 1508, Telegramiii- Adresse: «zoiialdeiiiolira» Aeriit,!' Verllner Volksblalt. Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  . Gin ZVork zur TslUtK. Ten ehrlichen und denkfähigenAnarchisten", d. h. denen, die weder Spitzel noch Spitzelknechte sind und auch keine unzurechnungsfähigen Epileptiker den Heißspornen, die mit ihren Wünschen dem organischen Entwickelnngsprozeß vorauseilen und durch persönliches Handeln die Verwirklichung oer Wünsche erzwingen zu könneil glauben diesen, die e r n st- lich den Sieg der Arbeiterklasse wollen, und die auch noch die Fähigkeit haben, Thatsachen zu er- kennen und Schlüsse zu ziehen, geben wir den Rath, sich einmal die Geschichte der holländischen Arbeiter- bewegung vor Augen zu führen. Holland   ist kein modernes Industrieland die Arbeiter sind nicht in Massen vereinigt, sie sind mehr auf die eigene Person gestellt ein Umstand, der es verhinderte, daß die Arbeiterbewegung dort den Charakter einer Massenbewegung annahm, und der auf der anderen Seite dem Hang zur Ueberschätzung der persönlichen Kraft, als geeignet, den sozialen Ent- wickelungs-Prozeß willkürlich zu beschlemiigen, förderlich sein mußte. Der Nährboden war also gegeben für jenen phantastisch-utopistischen, aber ehrlichenAnarchismus", der an die Propaganda der That glaubt nicht des Meuchel- mordes und der Mordbrennerei, sondern des revolutionären Handelns, d. h. des gewaltsamen Vorgehens gegen die Organe des Klassenstaates und der kapitalistischen   Gesellschaft. Die Holländer sind kräftige, zähe, selbständige Naturen. Angeregt durch das Beispiel von ökonomisch weiter entwickelten Ländern schaarte sich in Holland   eine Anzahl von Arbeitern um das Banner der Sozialdemokratie   voran ein Mann von unleugbarer Einsicht und entschiedener Rednergabe. Eine günstige Verkettung von Zufällen führt diesen Mann in die Volksvertretung. Er glaubt an die Wunderkrast des Worts, seines Worts. Aber die Mauern des Bourgeois- Jericho fallen nicht vor den Posaunen des sozialdemokratischen Agitators. Und, statt die Ursache seines Mißerfolgs in der Un- Möglichkeit, in der Thorheit seines Verlangens zu erkennen, richtet er, nach Art der Kinder, seinen Zorn gegen das Messer, mit dem er sich in die Finger geschnitten hat, und verurlheilt denParlamentarismus", den er eben noch so himmelhoch gehalten, nun auf einmal in den tiefsten Ab- grund der Hölle. Und der Glaube an die Allmacht und Aeuillckon. 14 Crimieningtii ciiics KWimiMlicii. Aus dem Französischen von Jakob Andorf. Als wir uns wieder in Bewegung sehten, hatten wir einen Offizier vom Gcneralstab an der Spitze, welcher dafür galt Ortskenntnisse zu besitzen und der uns in morastigen Wegen und zwischen Gruben, in welche in der Dunkelheit viele Leute stürzten, umherirren ließ. Endlich führte man uns ans die Halbinsel Gennevielliers und gab Ordre, uns dort in den leerstehenden Häusern einzurichten, wie wir könnten, doch uns mit Tagesgrauen bereit zu halten. Es war elf Uhr Abends. Ich verhinderte, daß meine Leute sich zerstreuten, wie die anderen Kompagnien und schickte trotz der Finsterniß Unteroffiziere aus, ein Haus aufzusuchen, welches geräumig genug sei, uns alle aufzunehmen. Ich halte dafür, daß im Kriege vor allein gegenseitiges Zusammenhalten unter Kameraden herrschen muß; denn die schwierigste Lage ist leicht zu ertragen, wenn sie von Allen ohne Unterschied getheilt wird. Ich sah daraus, daß unter meinen Leuten dies Prinzip aufrecht gehalten wurde, um so mehr, als es unter ihnen einige junge reiche Leute gab, welche dann Grund zum Neid für die Aermeren abgegeben hätten. Es hatte den ganzen Abend geregnet und wir ivaren naß bis auf die Haut. Doch da wir gewärtig sein konnten, jeden Augenblick angegriffen zu werden, so unter- sagte ich den Leuten, sich zu'entkleiden. Sie legten sich wie es ging auf die Dielen, welche von unfern triefenden Kleidern gleichfalls naß waren. Ich verbrachte die Nacht ans einem Holzstoß, dessen scharfe Kanten mir ins Fleisch schnitten, mich aber doch in etwas die Nässe, welche wir mit uns gebracht hatten, nicht so empfinden ließ. Ich schlief während der ganzen Nacht keine Minute und lange vor Tag ließ ich Kaffee machen und brachte alle Wunderkraft des Worts verwandelte sich bei ihm in den Glauben an die Allmacht und Wunderkraft der T h a t der individuellen That. Und wer noch an den Parlamen- tarismus glaubte, an den der Neubekehrte soeben noch, nur zu sehr, geglaubt hatte, der war ein Feigling, ein Verräther. Der holländische Paulus, der als Saulus sich am Wort den Magen erbärmlich verdorben hatte, stand vor der That. Hio Rhodus  , hie salta! Hier gab's kein Aus- weichen er mußte springen. Etliche Jahre hat er Zeit gehabt. Niemand hinderte ihn zu thun, was nicht zu thun von ihm Tag für Tag als Feigheit und Verrath an der Arbeitersache denunzirt ward. Und was hat er gethan? Nichts. Drei oder vier Prügeleien mit der Polizei, dreißig oder vierzig Prügeleien mit Arbeitern, die genau dasselbe erstreben und nur so verkehrt sind, dem Saulus gegen den Paulus   Recht zu geben das ist alles. Nein, nicht alles: d i e A r b e i t e r b e iv e g u n g in H o l l a n d i st aus Jahre hinaus zu Grunde gerichtet, das Gespött der Gegner. Wir wollen hier keinen Stein werfe» ans den ver- nnglückten Paulus. Wir sind überzeugt, daß seine Bc- kehrung einem inneren Bedürfniß entsprang, also ehrlich ivar, und wir zweifeln an den Fähigkeiten des Mannes sowenig wie an seiner Ausrichtigkeit. Allein gerade das macht sein jämmerliches Fiasko nur um so bedeutungsvoller. Er ist nicht gescheitert, weil er schlecht operirte, sondern weil er falsch operirte. Das Fiasko ist nicht der Person, sondern der Sache, der Taktik geschuldet; es war die nothwendige Folge der grundverkehrten Methode, und kein Anderer hätte das Fiasko vermieden. Die per- sönliche That ist, weil persönlich, machtlos gegenüber den Machtfaktoren des Kapitalismus, der nur durch orga- n i s i r t e n K l a s s e n- u n d M a s s e lt k a m p s über- wunden werden kau n. Kein ehrlicher und kein denkfähiger Arbeiter, der die Emanzipation seiner Klasse erstrebt, kann aber von einer Taktik das Heil erwarten, deren Verkehrtheit und Schädlich- keit durch das abschreckende Beispiel der Arbeiterbewegung Hollands   so schlußkräftig und so man erlaube das Wort so klas sisch erwiesen worden ist. Um die Lehre noch eindringlicher zu machen, haben wir jetzt unmittelbar neben Holland   das glorreiche Beispiel meine Leute wieder auf die Beiue. Das Haus, in welches ivir uns einquartiert hatten, war von einigen flüchtigen Mobilgardisten vor uns eingenommen, welche sich darin eingenistet hatten wie Ratten in einem Käse. Ich zwang sie in unsere Reihen zu treten. Wir ivaren seit zwei Stunden angetreten und die Leute unseres Bataillons waren noch nicht bei einander. Die Sorglosig­keit unserer Chefs hatte sie sich, um ein Obdach zu finden, auf eine beträchtliche Entfernung vertheilen lassen. Ich sah den Obersten Rochebrune, welcher am Abend desselben Tages fiel, wüthend einhersprengen, um seine Leute zu vereinigen und unserm Kommandanten zu- rufen: Wenn man nicht mehr Fähigkeit besitzt ein Bataillon zu kommandiren, wie Sie, so bleibt man lieber zu Hause!" Endlich, nach mehreren Stunden ruhigen Ausharrens, setzte man uns in Bewegung. Wir zogen bei einem Re- giment der Linie vorüber, ivelches man per Eisenbahn her- aus transportirt hatte und wir hörten die Worte: Da sind sie, die famosen Anhänger des Krieges der Verzweiflung! Wie sie. entschlossen aussehen! Die werden aber die Preußen fressen!" Lebhaft betrübt durch diese Worte, welche mir iviederum bewiesen, daß die Feinde der Republik   auf jesuitische Weise die Truppen bearbeiteten, um zwischen ihnen und der Nationalgard- Haß zu säen, konnte ich mich nicht enthalten, ihnen ohne Zorn zu erwidern: Meine Freunde, es ist nicht unsere Schuld, daß man seit fünf Monaten uns verweigert hat auszurücken. Wartet bis zum Abend und Ihr werdet sehen, was wir im Feuer taugen." Nach zweistündigem Marsche auf's neue unbegreiflicher störender Aufenthalt. Wir sind zu spät gekommen," sagte unser Oberst, wir müssen eine ganze Division an uns vorbeilassen." Wir blieben zwei Stunden in einem aufgeweichten Felde stehen und knusperte» unseren Zwieback, den wir mit Branntwein begossen, das einzige vorhandene Ge- von Belgien  . Welcher Kontrast! Und der Kontrast w schlagend und lehrreich. Die belgischen Arbeiter, gewitzigt durch die schlechten Erfahrungen, die sie vor zwanzig Jahren und mehr mit deranarchistischen" Irrlichtern machten, die stets in den Sumpf führt, haben sich auf den Boden des Klassenkampfs, der Massenorganisation und der politischen Aktion gestellt. Statt ihre Kraft in müßigen Zänkereien, Phrasenorgien und Skandal- Demonstrationen zu vergeuden, faßten sie ihre Kräfte zusammen, rangen in heißem und langem Kampf den vereinigten Gegnern das allgemeine Stimmrecht ab, und obgleich man ihnen die Waffe hinterlistig zu ver- derben und abzustumpfen suchte, so wußten sie doch das verstümmelte Stimmrecht so geschickt und wirksam zu be- nutzen, daß alle Tücken und Nücken der Feinde zu Schanden wurden und der große Wahlschlachttag des 14. Oktober dem belgischen Proletariat einen großen Sieg brachte. Und ist das keine That? Ist diese Massenaktion von Hnuderttansenden, die in geschlossenen Reihen einem bestuumten Ziel zueilen, jeden Widerstand niederwerfen, sich den Eingang tn das Kapitol, den Sitz aller politischen und Mittelpunkt aller wirthschaftlicheu Macht, erzwingen ist das nicht eine imposante Kraftentfaltung, und eine millionenmal wuchtigere That, als die körperliche Mißhandlung oder gar Tödtung eines Polizisten, der an den Ungerechtigkeiten der kapitalistischen Ge« sellschaft ebenso unschuldig ist, wie die Herren Anarchisten" selbst, und dessen Leben oder Tod an dem Gang der Dinge nicht das Mindeste ändert? Und gehört zu einer solchen Aktion von Hunderttausenden nicht unendlich mehr Intelligenz, moralische Stärke und M n t h als zum heimtückischen Werfen einer Bombe ans dem Hinterhalt oder zu einem meuchlerischen Ueberfall mit dem Dolch? Alle sogenanntenanarchistischen" Hand- lungen in Holland   und den übrigen Ländern haben die bürgerliche Gesellschast nicht erschüttert, sondern im Gegentheil ihr den gewünschten Anlaß zu Knebelgesetzen gegen die Arbeiterklasse geliefert der Sieg des belgischen Proletariats vom vorigen Sonntag hat die Zwingburg des Kapitalismus in ihren Grundvesten erbeben g e m a ch t. In H o ll a n d die Arbeiterbewegung verpfuscht in B e l g i e n der glänzende Sieg des 14. Oktober wer kann da zweifeln, ans welcher Seite die bessere Taktik? tränk, welches uns wie Feuer in den leeren Ein- geweiden brannte. Gegen Mittag kreuzten wir die Straße, welche nach Nanterre   führt und unter dem Schutze der Mauern dieses Dorfes steht, auf welches die feindlichen Geschosse niederfielen; man sormirte uns in geschlossene Bataillonskolonnen. Unser Regiment war zwischen zwei Bataillone Linieninfanterie eingeschoben. Ein neuer Aufenthalt gestattete mir, mich auf einer ausführlichen Spezialkarte der' Gegend zu orientiren. Die Geschosse des Moni Valerien gingen über unseren Köpfen hinweg und diejenigen der Preußen aus. den Batterien der Carrieres St. Denis kamen selten bis zu uns. Auf den Abhängen der Hügel an der anderen Seite der Seine bewegten sich die Preußen in dichten schwarzen Massen vorwärts. Sie strebten dem Schlachtfelde mit einer anscheinenden Langsamkeit, aber erschreckenden Sicherheit zu. Sie kommen sicher an, dachte ich, aber in zwei bis drei Stundens, ein längerer Zeitraum, als wir uöthig hätten, in Versailles   zu sein, wenn man es ernstlich wollte. Man ließ uns dann einen Flankenmarsch machen, der uns durch das Dorf Rueil führte; hier standen wir wieder still. Alle Augenblicke trafen wir auf Flüchtlinge der Mobil- garde, welche vorschützten, keine Munition mehr zu haben, doch hatten sie aus ihrem Gewehr keinen Schuß abgefeuert und ihre Patronentaschen waren meist noch ganz gefüllt. Ich ließ sie unerbittlich in unsere Reihen treten. Nachdem wir das Dorf hinter uns hatten, kamen wir in ein kleines Thal, welches ausgezeichneten Schutz gegen die feindlichen Geschütze bot, und wo sich einige Ambulanzen und mehrere Bataillone das Gewehrbei Fuß" befanden. Auf unsere Fragen erwiderten die Leute, daß sie sich schon am Morgen geschlagen hätten, daß jetzt die Reihe an uns wäre, jeder käme daran. Ich glaubte ihnen nicht und nahm an, daß die Furcht sie irre reden ließ. Ich konnte nicht glauben, daß man hier eine Art Parade veranstaltete, bei welcher man die Theilnehmer vorbeimarschiren lasse, wie die Statisten in einer großen Pantomime im Zirkus. Ein trauriger Zug von Verwundeten auf Tragbahren