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1. Beilage zum Vorwärts" Berliner Volksblatt.

Nr. 242.

Mittwoch, den 17. Oktober 1894.

Arbeiter!

Varteigenoffen!

11. Jahrg.

Die Verhandlungen wegen Beendigung des Bierboykotts find heut abgebrochen worden, weil die Ringbrauereien eine Bedingung stellten, deren Annahme mit der Ehre der Arbeiterschaft unvereinbar ist. Die Vertreter des Brauerrings hatten die Stirn zu fordern, daß der Friedensschluß davon abhängig gemacht werde, daß 33 Arbeiter nie mehr in den Betrieben der Riugbrauer beschäftigt werden.

Arbeiter! Parteigenossen! Ohne jeden Anlaß seitens der betreffenden Arbeiter sind am 16. Mai Hunderte aufs Pflaster geworfen worden. Es handelte sich damals um feinen Streit, um keine Forderung auf mehr Lohn oder kürzere Arbeitszeit nein- der brutale Uebermuth der Brauerkapitalisten wollte einen Vernichtungskampf gegen die organisirte Arbeiterschaft. Und nun sollen nach monatelanger Aussperrung, nach monatelangen Entbehrungen dreiunddreißig Arbeiter dauernd dem Elend, für immer der Eriftenzlosigkeit, also dem langsamen Zugrundegehen überliefert werden, dreiunddreißig Mann, von denen keiner Schuld an dem Boykott trägt. Sie sollen als Opfer des Kapitalistenübermuthes auf der Strecke bleiben. An der barbarischen Doppeldezimirung des 16. Mai hatte der Brauerring nicht genug- seine Rache verlangt die Vernichtung von weiteren dreiunddreißig Existenzen. Und dazu sollte zum Hohn auch noch die Schmach- die Berliner Arbeiterschaft ausdrücklich ihre Zue stimmung geben!

Arbeiter! Genossen! Wir wissen, daß wir in Eurem Sinne gehandelt haben, als wir diesem ungeheuerlichen Anfinnen ein empörtes kurzes Nein entgegensetzten und die Verhandlungen abbrachen. Die Arbeiter Berlins konnten und wollten einen ehrlichen Frieden schließen; niemals aber werden wir unsere Hand dazu bieten, niemals werden die klaffenbewußten, in den Gewerkschaften und der Sozialdemokratie organisirten Arbeiter dulden, daß ein

geschlossen wird.

ehrlofer Friede

I

Die im Bierring vereinigten Kapitalprotzen glaubten den Arbeitern entwürdigende Bedingungen auferlegen zu können, zeigen wir den Herren, daß sie sich gründlich getäuscht haben. Wir wollten aufrichtig den Frieden. Als die unter dem Boykott schwer leidenden Saalbesißer und Gastwirthe zu Friedensverhandlungen drängten, entzogen wir uns denselben nicht; bis zur Grenze der Möglichkeit sind wir den Brauereidirektoren entgegengekommen, weil wir den Hunderten von Gemaßregelten wieder endlich Arbeit und ihren Weibern und Kindern endlich wieder Brot verschaffen wollten. Die Brauereidirektoren aber wollten diesen ehrlichen Frieden nicht!

Nun ist die Entscheidung getroffen. Der Boykott muß mit eruenter und vermehrter Energie fortgeführt werden. Von heut an muß die Parole

Kein Tropfen Ringbier

mit unwiderstehlicher Macht zur Durchführung gelangen.

Jeder einzelne Arbeiter muß seine ganze Kraft aufwenden, um den Boykott zur vollen Wirkung zu bringen. Dazu ist nöthig, daß die gesammte Arbeiterschaft sofort mit verdoppelter Kraft Hand ans Werk legt, die zur Organisation, Ueberwachung und Durchführung des Boykotts erforderlichen Maßregeln energisch zu unterstützen.

Es bedarf aller Kraft, aller Energie, denn die Brauerdirektoren haben offen erklärt, die Unterwerfung der Berliner Arbeiterschaft durch neue Massen­maßregelungen erzwingen zu wollen!

Arbeiter, Parteigenossen! Der Brauerring hat zwar Millionen zur Verfügung und wird in diesem Klassenkampfe auch fernerhin Hunderttausende opfern; hinter uns aber stehen die Massen, auf unserer Seite ist das Recht, ist die Begeisterung, ist der Opfermuth. Und an Euren Opfermuth müssen wir abermals appelliren.

Die unschuldigen Opfer kapitalistischen Uebermuthes dürfen nicht dem Hunger preisgegeben werden. Seit fünf Monaten liegen diese Hunderte existenzlos auf der Straße. Wir wenden uns deshalb an die Arbeiter von ganz Deutschland um thatkräftige und schnelle Unterstügung.

Der Kampf ist uns aufgezwungen worden. Die Berliner Arbeiterschaft hat den Handschuh aufgenommen und sie wird den Kampf durchführen bis zum Ende. Arbeiter! Euer Klassen Interesse nicht blos, Eure Klassen Ehre ist im Spiel. Da giebt es feinen anderen Gedanken als Sieg! Vorwärts zum Sieg!

Kein Tropfen Ringbier! Hoch der Boykott!

Boyt ottfreies Bier liefern:

Brauerei Carlsberg , Friedrich Reichentron, Char­ lottenburg .

Die Boykott- Kommission.

Aus der uns vorliegenden Prostriptionsliste, welche die fried- 1 liebenden" Bierfabrikanten aufgestellt haben, tragen wir noch nach, daß es sich um zweiundvierzig Kinder handelt, deren Väter

"

Die Arbeitsstellen dürfen nicht einmal gewechselt werden. Nein, jedem einzelnen der dreiunddreißig Arbeiter bleiben sämmtliche Ringbetriebe verschlossen. Und diese Stockprügel auf den Magen finden die Zustimmung und den Beifall der bürgerlichen Presse aller Schattirungen­

beit ommt.

Lokales.

von der Wieder beschäftigung ausgeschlossen werden sollten. wie die bürgerlichen Blätter jetzt berichten, von dem Vertreter Die schwarze Liste in der Stärke von 20-30 Mann soll, Die Berliner Blätter unter Führung der Freifinnigen Zeitung" der Gastwirthe und Vorsitzenden der Boykottkonferenzen, Brauerei Wilhelmshöhe , E. Lehmann, Berlin . und der Vossischen Zeitung" ärgern sich darüber, daß Brauerei Pichelsdorf, Direktor Hoffmann. Herrn Feuerstein, bereits in der Konferenz am 29. September das Solidaritätsgefühl der Arbeiter es unmöglich gemacht erwähnt worden sein. Ob diese Angabe richtig ist, vermag ich Münchener Brauhaus, Attien- Gesellschaft, Berlin . hat, einem Frieden zuzufiimmen, bei welchem[ 33 Arbeiter nicht festzustellen; weder einer mit 23 Frauen und 42 Kindern für immer arbeitslos auf der meiner Kollegen aus der Süddeutsche Brauerei, Karl King u. Ko., Berlin . an eine solche Brauerei Müggelschlößchen, Friedrichshagen.tracht findet den Beifall der liberalen Blätter. Sämmtliche wie angeblich der stenographische Bericht ausweist, warum ver Strecke liegen bleiben würden. Aber die Solidarität der Nieder- Boykotikommission noch ich erinnern sich Aeußerung. Selbst wenn dieselbe aber gefallen sein sollte, Nordstern- Brauerei, Berlin . 31 Ringbrauereien haben sich solidarisch erklärt mit der Rathenower Exportbrauerei Niederlage. Juh. May barbarischen Maßregel, welche 33 Arbeiter für immer von nicht? Aus dem Wortlaut der betreffenden Stellen muß sich ja öffentlicht man dann die bezüglichen Stellen des Berichtes Dennhardt, N.W., Hannoverschestr. 18a. Tel. III. 8178. der Arbeit in sämmtlichen Ringbrauereien ausschließt, fofort ergeben, ob Herr Feuerstein die Zahlen in irgend einer Schloßbrauerei, Fürstenwalde . Niederlage bei welche neben den 33 Männern auch 23 Frauen und 42 Kinderofort der Vernichtung preisgiebt. Für diese Sorte Solidarität haben der Aeußerung nur der Charakter einer allgemeinen Franz Heiser, N., Liesenstr. 5. für die Interessenten bindenden Form vorgebracht hat, oder ob Bürgerliches Brauhaus( in Firma Müller), Frant Beifallsgetöse seiner Preßtrabanten kann der Brauerring den die bürgerlichen Blätter kein Wort des Tadels. Unter dem Redensart eines uninteressirten Dritten furt a. D. Niederlage Greifswalderstr. 228. Beschluß fassen und jeden zu ihm gehörigen Betrieb verpflichten, genannt wurden, dies nur in der lezt angeführten Weise geschehen Ich weiß, daß wenn Zahlen überhaupt Phönig- Branerei, C. Radon, Lichterfelde . daß 33 Arbeiter dauernd geächtet werden. Brauerei Jagdschlößchen, Eberswalde . Niederlage die Worte beachtet und daß keiner der am 29. September so sein kann. Wie sollte es sonst möglich sein, daß feiner von uns Edm. Henter, Swinemünderstr. 45. Brauerei Wusterhausen, Vertreter: Max Fleischer , zahlreich anwesenden Berichterstatter von den Zahlen des Herrn als sämmtliche Blätter von der weiteren Aeußerung des Herrn Feuerstein, Notiz genommen hat. Dies ist doch um so auffälliger, Reichenbergerstr. 155. Brauerei Tivoli, Strausberg . Niederlage Stabernad, Die Freis. 3tg." behauptet, unser Aufruf in der Sonntags: gewerbe unterzubringen, ausdrücklich berichteten. Oder ist eines Feuerstein die eventuell ausgesperrt Bleibenden im Gastwirths­Mühlenstraße 49a. nummer ergehe sich in lächerlichen Tiraden und es sei nicht wahr, daß der bürgerlichen Blätter, welche jetzt über die Verschmißtheit und die Ringbrauereien neue Arbeiterentlassungen vornehmen würden. Hinterhaltigkeit der Boykottkommnission herziehen, im stande, Wenn Herr Eugen Richter nicht blindwüthig alle noch so perfiden einen Bericht über die Verhandlungen des 29. September aufzu­Schritte des Großunternehmerthums vertheidigte, so würde er fich gehütet haben, sein, allerdings nur gedrucktes, Wort für die die Rede ist? Weiter: wenn den angeblichen Zahlenangaben des weisen, in dem von 20 bis 30 eventuell dauernd Ausgesperrten Bierfürsten einzulegen. In seinem Haß gegen alles was Ar beiterorganisation heißt, wird Herr Richter den Brauereien Schultheiß und Böhmisches Brauhaus seinen Beifall nicht vorenthalten, wenn er hört, daß die Direktoren dieser Großbrauereien entschlossen find, jeden Arbeiter, der im Verdacht steht, politisch oder gewertschaftlich organisirt 3 sein, zu entlassen. Also, Herr Richter, machen den Herren Direktoren Finke und Knoblauch Ihre Reverenz, Die Die bürgerlichen Blätter folportiren im Dienste der Ring- denn diese Herren wollen ja von nun an in puncto Arbeiter: brauereien die Lüge, daß die bei den Verhandlungen mit den behandlung nur noch Richter'scher Führung folgen. Dem von um Ausschluß von 20-30 Arbeitern handeln werde, luftig weiter der Freifinnigen Zeitung" steht folgendes Humanitätsstückchen aus 20-30 Ausgesperrten bereits in's Auge gefaßt war, dann würde Brauern betheiligten Arbeitervertreter wissen mußten, daß es sich uns gestern bereits gekennzeichneten brutalen nur 33 Arbeiter" Wäre es also wahr, daß am 29. Eeptember die Zahl von dem Böhmischen Brauhaus würdig zur Seite. Wie wir bereits und knipsen an dieſe angebliche Thatsache die albernsten Ber - meldeten, war die lettgenannte Brauerei an der Liste mit einem der Vorwurf der Doppelzüngigkeit und Hinterhältigkeit nicht auf Aus dem Protokoll einer vertraulichen Besprechung" ist jetzt Arbeiter betheiligt. Wie schwer mit diesem Mann auszukommen uns, sondern auf die Vertreter der Brauereien fallen. holt und dringend von uns nach dem Umfange der schwarzen allerdings der stenographische Bericht der öffentlichen Verhandlung gewesen sein muß, ergiebt die Thatsache, daß derselbe 74 Jahr Liste befragt, haben die Herren vom Ringe jede Auskunft ver­geworden, nach welchem Herr Feuerstein jene Aeußerung geim Böhmischen Brauhause gearbeitet hatte, als ihn am weigert, um dann im entscheidenden Moment, wo alle Welt die Herrn Feuerstein, sondern mit den Brauereivertretern zu thun. hatte der Mann 2 Mal einen Betriebsunfall erlitten, für welchen er, Ausgestoßenen aufzuwarten, deren Umfang ein Weiterverhandeln Wir fordern die bürgerlichen Blätter auf, aus dem stenographi- da seine Erwerbsfähigkeit dadurch beeinträchtigt war, von der einfach ausschloß. Mag die bürgerliche Presse im Dienste der schen Bericht den Nachweis zu liefern, daß von den Brauerei- Unfallversicherung eine entsprechende Rente erhielt. Die Huma- Brauer- Millionen lügen und fälschen so viel sie will, die Arbeiter Direktoren eine Aeußerung gemacht ist, aus welcher auch nur nität seiner Arbeitgeber ließ es nicht zu, den Mann fortzuschicken, wissen, was sie davon zu halten haben. andeutungsweise hervorgeht, daß bei der Nichtwiedereinstellung man ließ ihn leichtere Arbeiten verrichten und zog die Rente, 20 bis 30 Arbeiter in Frage tämen. Zweitens verlangen wir welche dem Arbeiter von der zuständigen Berufsgenossenschaft von den bürgerlichen Blättern den Nachweis aus dem steno deren Sektionsvorsitzender Herr Direktor B. Knoblauch ist- graphischen Bericht, daß die Boykottfommission oder ein zugesprochen war, vom Wochenlohn ab. Um wieviel sich die Dividende der Aktionäre durch diese einzelnes Mitglied derselben jener angeblichen Aeußerung in Um wieviel sich die Dividende der Aktionäre durch diese

Louisen- Brauerei, Bellermannstr. 71a/ 72. Brauerei Danz, Freienwalde a. D. Vertreter: W. Marten, N., Gartenstr. 152. Bürgerliches Brauhaus, Luckenwalde . Niederlage Gust. Spiekermann, Weberstr. 66. Export- Brauerei Grabow a./D. bei Stettin . Nieder­lage Marthen, Bellermannstr. 6.

muthungen.

Der Bierboykott.

"

-

Sie

Herrn Feuerstein am 29. September irgend welcher Werth beizus messen war, wie dies jetzt von gegnerischer Seite behauptet wird, wie kommt es dann, daß am 8. Oktober in der vertraulichen Bertreter der Brauereien sowohl während der Verhandlungen wie Zusammenkunft in der Privatwohnung des Herrn Feuerstein die nachher im Privatgespräch jebe Angabe über den Umfang der ichwarzen Liste mit der Motivirung ablehnten, daß noch gar teine Bahl festgestellt fei, ja eine Anzahl der Brauereien sich über diese Frage noch gar nicht geäußert hätten?

Berlin , 16. Oktober 1894.

Wieder

J. Auer. Nachdem ich vorstehende Zeilen niedergeschrieben, werde ich von befreundeter Seite auf eine Erklärung des Vereins der in bürgerlichen Blättern sich abgedruckt findet und in der ein Brauereien Berlins und Umgegend aufmerksam gemacht, welche

irgend einer Form zugestimmt hat. Wenn die Preßorgane, welche Rentenübertragung von dem Berlegten auf die Brauerei erhöht Schreiben wiedergegeben wird, in dem Herr Dr. G. Steinbrind,

welche der Boykottlommission bis jetzt nicht zugängig gemacht find, obige beiden Forderungen zu erfüllen im stande sind, dann heraus mit der Sprache- sonst bleibt der Vorwurf auf ihnen hasten, daß sie zu Ehren des Brauerrings ihre Leser anlügen.

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bat, wiffen daß das Verfahren ungefeßlich war, behaupten wir nicht; ob es arbeiterfreundlich gewesen, die Ent scheidung hierüber überlassen wir getrost der Freisinnigen Beis tung" und ihrem Patron.

frage sich wie folgt äußert:

" Hochgeehrter Herr Direktor! Beifolgend empfangen Sie den stenographischen Bericht über die heutige kurze Verhandlung. In dieser Verhandlung ist die Frage erörtert worden, ob