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Nr. 517 37.Jahrgang Ausgabe Nr. 121

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Sozialdemokrat Berlin ".

Abend- Ausgabe

Vorwärts

Berliner Volksblatt

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Zentralorgan der fozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Expedition: SW. 68, Lindenstr. 3.

Ternivrecher: Amt Morisplay, Str. 15190-15197.

Dienstag, den 19. Oftober 1920

Englands Riesenstreik.

ge­

Dorwärts- Verlag G.m. b. H., SW. 63, Lindenstr. 3. Fernsprecher: Amt Moritplas, Nr. 117 53-54.

Reggio Emilia .

Der italienische Sozialismus am Scheideweg. O. L. Rom , Mitte Oktober. Amsterdam , 19. Oktober. Telegraaf" meldet ans London : Downing Street gefolgt war, immer unruhiger und bedrohte Die Ereignisse der letzten Wochen haben wesentlich dazu Der Kohlenstreit ist heute allgemein. Mit Ausnahme der die vor dem Ministerium dicnsttuenden Polizisten. Polizei. allernotwendigsten Arbeiten zur Bentilation und zur Entwässerung Ii che Verstärkungen sperrten Downing Street ab, während beigetragen, den Widerstreit der Richtungen flar hervortreten der Gruben ruht der Betrieb auf den Kohlenbergwerken vollständig. Die Menge immer wieder durchzubrechen suchte. Schließlich er- zu lassen. Seit dem Parteitag von Bologna liegen Partei­Berichte von verschiedenen Seiten zeigen, daß sich die Bergarbeiter schienen Berittene. In diesem Augenblick warf einer der vorstand und Avanti" in Händen der Bolschewisten, die mit auf lange Ferien vorbereiten. Sie organisieren Pferde- und Mädelsführer aus der Menge sein Meffer durch ein Fenster des der Plattform der dicht bevorstehenden Revolution in den Sunderennen sowie andere öffentliche Veranstaltungen. An der Minifteriums. Auf dieses Signal begann ein Bombarde- Wahlkampf getreten sind. Ein Jahr ist seitdem herumgegan­Börse stehen die Geschäfte still. Die Haltung der Regierung ment mit Steinen und allen möglichen Wurfgeschossen. Zahl- gen, aber die Revolution steht noch immer dicht bevor", und bleibt fest. Heizungs- und Beleuchtungsmaterial find rationiert. lose Fenster wurden eingeschlagen. leider stehen auch andere Dinge dicht bevor, vor allem eine Im Falle einer längeren Streifdauer scheint es wahrscheinlich, daß Die Menge zog darauf nach Downing Street ab gegen Tra- rise der Volksernährung, die einer Katastrophe bie Eisenbahner sich dem Nufe der Arbeiter anschließen wer- falger Square, wo sie, mit roten Fahnen winkend, den sehr ähnlich sieht. Unter diesen Umständen ist es natürlich, den. Die Wirkung des Bergarbeiterausstandes auf andere 3n- dortigen Polizeikordon zu durchbrechen suchten. Vor dem Nelson. daß in Italien , wie in allen andern Ländern, die Frage an dustrien macht sich bereits geltend, und wenn der Streit an- Denkmal wurden sie von Konstablern mit schweren Knütteln ab- die Partei herantritt, welche Pflichten ihr als der stärksten bauert, so werden in ganz England große Fabrikbetriebe geschlossen gedrängt. Inzwischen war 23 auch in White Hall zwischen Bo- Partei des Landes aus der heutigen Sachlage, aus der dem werden müssen. Es liegen bisher keinerlei bestimmte Anzeichen in lizei und Demonstranten zu Zusammenstößen gekommen. ganzen Lande drohenden Katastrophe erwachsen. ber Nichtung einer Einigung vor. Die Regierungsmaßnahmen zur Sicherung der Lebensmittelversorgung umfassen auch eine Verfügung, die die Erhöhung der gegenwärtigen Preise untersagt. Die Zuderration wird auf 8 Unzen pro Woche herab­gefest. Das Handelsministerium hat Notvorschriften bezüge lich der Einschränkung der Belieferung mit Steinkohle, Gas und Elektrizität für Häuser und Fabriken erlassen. Ein allge meines Ausfuhrverbot für Steinkohle ist bereits vor furzem ergangen. Für Passagier- und Mailboste sind Sonderbe siimmungen über die Kohlenbelieferung erlassen worden. Für die süstenschiffahrt find die Einschränkungsbestimmungen er­leichtert worden.

Auch im Kriegsministerium wurden viele Fenster ein­geworfen. Im Strand hotel wurden zwei Juwelierläden eingeschlagen und Kostbarkeiten im Werte von einigen tausend Pfund gestohlen. Die Polizei übernahm darauf schleunigst den Schug der anderen Läden der Gegend.

Etwa 50 Personen wurden bei den Zusammenstößen verwundet. 10 mußten ins Krankenhaus eingeliefert werden. Eine Anzahl von Verhaftungen find erfolgt.

Sozialistenoppofition in Oesterreich ? Wien , 19. Oftober. Zu dem Wahlergebnis schreibt die Ar. London , 19. Oktober. Havelod Wilson erklärte gestern, daß beiterzeitung", die kommunistische Zaktit, die den Arbeitern wegen des Kohlenstreits bereits Tausende bon englischen in dem Wahlkampf in den Rücken gefallen sei, habe nicht wenig Seeleuten arbeitslos geworden seien. In Cleveland zum Erfolge der Chriftlichsozialen beigetragen. Sie kennzeichne haben einige tausend Arbeiter der Eisenerzgruben die Arbeit fich als ein wahrer Berrat an den Interessen des Proletariats. gleichzeitig mit den Arbeitern der Kohlengruben niedergelegt. In Das Blatt erklärt sodann, daß die Sozialdemokraten mit den fieben von den acht großen Versammlungen der Eisenbahner in Christlich sozialen keine Gemeinschaft unterhalten Südwales erklärte man sich energisch für einen sofortigen würden. Diese würden jest allein zu regieren und die Ber. Sympathie streit, ebenso die Eisenbahner von River- antwortung zu tragen haben. pool

Lloyd George bombardiert.

Zu der von uns bereits berichteten Arbeitslosendemonftration in London meldet T. U. folgende Einzelheiten:

Bei Gelegenheit der Arbeitslosendemonstrationen kam es zu schweren Zusammenstüken mit der Polizei. 20000 Berfonen zogen vor das Nathaus, worauf sich sieben Bürgermeister von Groß- London zu Lloyd George begaben, um in der Arbeits­losenfrage vorstellig zu werden. Lloyd George versprach, bei der Barlamentseröffnung am Dienstag eine Erklärung darüber ab­zugeben. Inzwischen wurde die Menge, die den Bürgermeistern nach

Graz , 19. Oktober. In den 3andtag wurden 30 Christlich foziale, 22 Sozialdemokraten, 8 Großbeutsche und 6 Bauernbündler gewählt. 4 Manbate für den Bandbag werden im zweiten Ermitt lungsverfahren besetzt.

Die Bolschewisten geben darauf die eine stereotype Ant­wort: wir müssen die Katastrophe beschleunigen, die Abwehr­versuche der Bourgeoisie sabotieren, um so die Revolution und die Einführung der Räterepublik nach russischem Muster durch­zufihren. Die nichtbolschewistischen Richtungen innerhalb der einheitlichen Partei halten eine erfolgreiche soziale Revolution, Die sich auf Stalien allein beschränkt, für unmöglich, weil Italien in seiner Volfsernährung auf die Einfuhr aus dem Auslande angewiesen ist, und, wie Genosse Dugoni in Reggio Emilia sagte, drei englische Schiffe in Gibraltar und am Suezkanal genügen, um die italienische Näterepublik auszuhungern. Sie halten es deshalb für eine Pflicht der Partei, die Katastrophe noch abzuwehren, soweit sie sich ab­wehren läßt.

Diese grundverschiedene Bewertung der heutigen Lage innerhalb ein und derselben Partei hat Turati und die Führer der italienischen Gewerkschaftsbewegung, die Genossen D'Aragana und Baldesi bewogen, die nichtbolschewisti­schen Elemente der Partei am 10. und 11. Oftober nach Reggio Emilia zu einer Aussprache zu berufen, zu der auch der Sefre tär des Parteivorstandes, Genosse Gennari, eingeladen worden war. Den Arbeiten wohnten 352 Genossen bei, bon denen 150 Parteisektionen vertraten, während die andern teils Wien , 19. Oftober.( Eigener Drahtbericht des Vorwärts.") die Minderheit ihrer Sektion vertraten, teils lediglich als Die Christlich sozialen geben sich bereits.alle Mühe, um Einzelpersonen zugegen waren. Von den 155 Deputierten die Sozialdemokraten zum Verbleiben in der Re- unserer Partei hatten sich nur 35 mit den Zwecken der Zu­gierung zu bewegen. Die Reichspost" schrieb gestern, daß die fammenfumft einverstanden erklärt, unter ihnen, außer den Sozialdemokraten als zweitstärkste Fraktion sich dieser Aufgabe Einberufern, Turati, Trebes, D'Aragana, auch nicht würden entziehen können, und heute sagt sie in vollem Ge- Morgari, Prampolini, Bocconi , Matteotti , gensatz zu der Wahlpropaganda ihrer Partei, man könne doch Mazzoni und Dugoni. Es war nicht nur die ehemalige nicht die Sozialdemokraten für das Glend verreformistische Fraktion vertreten, sondern auch solche Genossen antwortlich machen; jedermann wisse doch, wie schwer die Er- taten mit, die immer auf dem linken Flügel der Partei ge­nährungs- und Finanglage fei. standen haben.

Das

Die Diskussion orientierte sich in erfreulicher Weise sehr Der Aufruf der Neukommunisten. fation der Rechten zu Disziplinlosigkeiten und Moskou und die von Moskau gekommene Forderung, Turati, schmell auf das wesentliche Problem. Die 21 Punkte von Unbesonnenheiten hinreißen." Wie das gemeint ist, Prampolini und andere Opportunisten" aus der Partei aus­Die Note Fahne" veröffentlicht den Aufruf der Neu- zeigt folgende Notiz in der gleichen Nummer der toten schließen, wurden nur nebenbei gestreift, da es für die Nicht­fommunisten unter der linken U. S. P.., wie sie sie selber Fahne" über die Vorgänge am Schiffbauerdamm: nennt. Der Aufruf betont, daß die Partei in die kom- Die Freiheit" bringt eine Meldung über einen Ginbruch im Marimalisten jeder Richtung von vornherein klar sein mußte, munistische ampffront" eintritt. Sonst richtet er Bureau des Zentralfomitees der U. E. P. D. am Schiffbautrdamm. daß sie nicht die repräsentativen Persönlichkeiten der sozia­S. liftischen Bewegung in Italien preisgeben können. fich fast ausschließlich gegen die Rechten und deren Anspruch, wie uns mitgeteilt wird, handelt es sich hier um feinen Einwesentliche Problem der Zusammenkunft war aber dieses: Bewegung in Italien preisgeben können. die rechtmäßige Nachfolge der alten Partei zu bruch, sondern um ganz etwas anderes. Der vom Parteitag in 23 a 3 fann unsere Partei tun, um die dem sein. Es ist sehr interessant, daß die Neufommunisten, die Salle nach dem Abzug der Hilferdingianer rechtmäßig gewählte 2 ande drohende Krife abzuwenden oder ab­doch sonst von Demokratie und Mehrheitswillen nichts wissen Parteivorstand wollte sein Bureau aufsuchen, fand aber, wollen, sich an vier Stellen des Aufrufs darauf berufen, daß dag die Schlösser beveits, wahrscheinlich auf Veranlassung 3uch to ächen? daß fie in Salle die Mehrheit, die Rechten aber die Minder Crispien und der anderen geändert worden waren. Der Portier heit gewesen seien. Selbst die Grundsäße der Demo des Hauses alarmierte die Polizei. fratie in der Arbeiterbewegung", die doch von Jezt wird das Haus am Schiffbauerdamm von der Sipo be­Moskau la denschaftlich bekämpft wird, müssen jezt für die wacht, damit Crispien und die anderen ihr Selbstbestimmungsrecht Rinfe zur Erweisung ihres angeblichen Rechtes herhalten. Be ausüben können. sonders schön macht sich aber in diesem Zusammenhang fol­gende Stelle:

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Dasselbe Verbrechen, das in der Zeit des Krieges von ben Rechtssozialisten, von den Ebert und Genossen am Proletariat begangen wurde, wird heute von Hilferding ,

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Ueber die drohende Gefahr war man sich einig. Das Aus­

land hat Italien den Kredit aufgefagt, und das Land braucht allein, um feinen Getreidebedorf zu deden, eine Million 30 Lire. Es ist nicht daran zu denken, diesen Bedürfnissen Dollar am Tage, und ein Dollar fostete am 10. Oftober Daß ein rechtmäßiger" Parteivorstand sein Bureau auf- durch gesteigerte industrielle Produktion gerecht zu werden, denn die Produktion stockt. Die Arbeiter wollen zum Teil sucht, indem er zu nächtlicher Stunde eine Anzahl In- nicht mehr arbeiten. die auswärtigen Firmen haben nach dem dividuen ein berichlossenes Gittertor über Ausgang der Metallarbeiterbewegung ihre Bestellungen riid­lettern läßt, dürfte immerhin zu den Seltenheiten ge- gängig gemacht, die Unternehmer bieten ihre Betriebe den hören. Jedenfalls wird durch diese Mitteilung der" Noten Genossenschaften zur Uebernahme in eigene Regie an. Es ist Digmann und Crispien wiederholt. Fahne" bestätigt, daß der versuchte Einbruch mit Wissen Nach unserer bescheidenen Erinnerung waren die Ebert tung stattgefunden hat. Hilferding und Genoffen werden nommen haben, alles sich selbst überlassend. Alle Elemente und Billigung der neukommunistischen Lei- jogar vorgekommen, daß einige Industrielle die von den Ar­beitern geräumten Betriebe überhaupt nicht mehr zurückge­und Genossen" bei der ersten Barteispaltung nicht mur, wie die aber wohl jest über Inanspruchnahme polizeilichen der Krise find gegeben: riesenhaft, vielleicht unabwendbar. Neufommunisten, eine bescheidene, sondern die übermä! chuzes zur Wahrung des Parteieigentums gegen radikale Die Bourgeoisie weiß keinen Ausweg, fucht vielleicht keinen tigende Mehrheit in der alten Partei. Wenn es ein Gewaltafte milder denken, als vor dreiviertel Jahren! Verbrechen ist, als ausgesprochene Minderheit eine Partei zu spalten und zu zerreißen, so lag das Verbrechen damals also nicht bei Ebert und Genossen", sondern bei der damaligen unabhängigen Minderheit, zu der auch die jezi gen Neufommunist en zählten. Gerade indem diese fortgefest in ihrem Aufruf darauf herumreiten, daß sie in Salle die Mehrheit gewesen seien, der sich die Minderheit hätte fügen müffen, enthüllen sie ihr eigenes Ver brechen der Spaltung aus der Zeit des Arieges.

Ein neuer Scheidemann- Prozeß. Vor der Kasseler Straffammer hatte sich der Buchhändler av wegen Beleidigung des Oberbürgermeisters Scheide mann zu verantworten. Stay hatte im Schaufenster die Broschüre Der Rattenkönig" ausgestellt, die verschiedene Beleidigungen gegen Scheidemann und seine Familie enthält. Kay gab die Er­flärung ab, daß er nicht die Broschüre gelesen und von ihrem Inhalt nichts gewußt habe und erklärte sich bereit, die Kosten Der Aufruf empfiehlt auch den neufemamunistischen Meit des Verfahrens zu übernehmen. Daraufhin 30g der Genosse gliedern: Baßt Euch nicht aus Erbitterung über die Provo- Scheidemann seinen Strafantrag zurüd.

mehr, wartet zum Teil selbst auf die Revolution, wie auf eine Erlösung.

Angesichts dieser von allen zugegebenen Sachlage zeich­neten sich auf dem Kongres zwei Auffassungen ab. Der Abg. Mazzoni, ein Sekretär des Zentralverbandes der italieni­fchen Bandarbeiter, stellte sich auf den Standpunkt, daß e 3 feinen Ausweg gibt. Die Bartei müsse versuchen, sie felbst zu sein, dem Rausch der Maffen entgegenzutreten, aber sie sei außerstande, der Kriegsneurose Meister zu werden.

Von diesem absoluten Pessimismus ausgehend fanden sich auf der Zusammenkunft die verschiedenen Abstufungen, die über Turati und Treves hinweg bis zu dem tat- und wage­