Nr. 533 37.Jahrgang Ausgabe B Nr. 129
Bezugspreis:
Berteljährl. 30.-M., monati.10,-ML frei ins Haus, voraus zahlbar. Boft bezug Monatlich 10,- t, ertl. Bu stellungsgebühr. Unter Kreuzband für Deutschland und Defterreich 16,50 Mt., für das übrige Ausland bei täglich einmal. Ruftellung 21.50 M. Boftheftellungen nehmen an Defterreich Ungarn, Tschecho Glowatet, Danemart, bolland, suremburg, Schweden und die Schweiz Eingetragen in
-
die Boft Zeitungs- Breislifte. Der„ Borwärts" mit der Sonntags beilage Bolt u. Reit" ericheint wochen. täglich zweimal. Sonntags und Mon tags Pinmal
Telegramm- Adresse:
Sozialdemotrat Berlin".
Abend- Ausgabe
Vorwärts
Berliner Volksblatt
Die
20 Pfennig
Anzeigenpreis:
das
achtgespaltene Nonpareillezetl tofte t3.-M., Teuerungszuschlag 50% Aleine Anzeigen" ett gedruckte Wort 1.-M.( zulässig zwe edes fettgedruckte Worte), weitere Bort 60 Pfg. Stellengesuche und Schlafftellenanzeigen das erste Wor 65 Bfg. redes weitere Wort 40 Pfg. Borte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Teuerungszufchlaa 50%- Familien Anzeigen für Abonnenten Beile 2, M., politiche und де wertschaftliche Vereins Anzeigen 3,- L Die Beile ohne Aufschlag. Anzeigen für die nachite Summer müffen bis 5 Uhr nad mittags im Hauptgeschäft, Berlin SW 3. Linden. ftraße 3, abgegeben werden. Geöffne von 9 Uhr früh bis 5 Uhr abends.
Redaktion und Expedition: SW. 68, Lindenstr. 3.
erniprecher: Amt Morinvlas, Nr. 15190-15197.
Um den Versailler Frieden.
4
Vorwärts- Verlag G.m. b. H., SW. 68, Lindenstr. 3.
Fernivrecher: Amt Morinvias, Nr. 117 53-54.
Katastrophe der Reichsfinanzen.
Zur Rede des Reichsfinanzministers. Von Ludwig Duessel
In der gestrigen Tigung des Reichstags hat ReichsParis, 28. Oktober. Journal des Débats " veröffentlicht finanzminister Wirth in einer eindrucksvollen Rede seine Stellung zu dem Reichshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1920 dargelegt, der klar erkennen läßt, daß sich die Finanzen Die Ausgaben des des Reichs der Katastrophe zu bewegen. Reichs werden danach die phantastische Höhe von 110 Milliarden Mart erreichen; davon entfallen 39,8 Milliarden auf den ordentlichen, 52,5 milliarden auf den außerordentlichen Haushalt und 18 Milliarden auf Zuschüsse, die nach den Erklärungen Dr. Wirths in der Sitzung des Reichsministeriums vom 23. September für die Eisenbahnen( 16 Milliarden) und für die Post( 2 Milliarden) zu leisten sein werden.
Der Berliner Korrespondent der„ Times" sendet seinem Blatte eine längere Darstellung über die Wünsche und Beschwerden der Helgoländer, in der sehr merkwürdige Dinge zur Sprache gebracht eine halbamtliche Erklärung über den Beschluß des eng. werden, von denen die deutsche Deffentlichkeit bisher wenig oder gar lischen Ministeriums, auf§ 18 Teil 8 Abschnitt II des nichts gewußt hat. So berichtet er u. a., daß eine Abordnung Vertrages von Versailles zu verzichten. Das Londoner Kabinett von führenden Helgoländern, die die ganze einheimische habe den Botschafterrat durch seinen Vertreter in Paris von der geBevölkerung der Insel zu vertreten vorgab, in Berlin getroffenen Entscheidung und der der deutschen Regierung gemachen wesen sei, um dem britischen Botschafter, die durch die Mitteilung in Kenntnis gefest. Es sei deshalb sehr wahrscheinlich, deutsche und preußische Regierungspolitik schwer bedrohte Lage" der daß der Botschafterrat in einer seiner nächsten Sigungen Inselbevölkerung darzulegen. Die Deputation bestand aus 4 Ein- mit der Frage befaßt werde. Er werde zu prüfen haben, ob der geborenen, die alle noch unter der britischen Herrschaft geboren Schritt der britischen Regierung rechtlich begründet fei, und waren, sich ihres heimischen frie fifchen Dialettes bedienten er werde auch die Folgen dieser Entscheidung, indem er sie in den und nur zur Ergänzung das Englische zu Hilfe nahmen, allgemeinen Rahmen des Friedensvertrags und in das durch den obwohl fie, wie der Korrespondent betont, auch das Deutsche be- Friedensvertrag vorgesehene System der Zwangsmaßnahmen ftelle, herrschten. Die Deputation traf zwar den Botschafter selbst nicht abzuwägen haben. an, wurde jedoch vom britischen Geschäftsträger mit großer Sympathie begrüßt, der sich bereit erklärte, die Wünsche und Beschwerden der Helgoländer an die Londoner zuständigen Stellen weiterzuleiten. Der„ Times"-Korrespondent berichtet weiter, daß schon am 3. März die Helgoländer an Lloyd George , an das Auswärtige Amt in London und an den Völkerbund eine Denkschrift gerichtet haben, in der sie schwere Angriffe besonders gegen die preußische Regierungspolitik richteten, die ihrer Auffaffung nach dazu angetan fei, die eingeborene Bevölkerung auf Helgoland auszurotten" und durch eingewanderte fremde Elemente völlig nach dem Binnenlande zu verdrängen.
Daß ein immerhin noch zum Verbande des Deutschen Reiches gehöriger Volksteni, sei er auch noch so klein, sich hier unter Um gehung aller deutschen und preußischen Regierungsstellen einfach an die diplomatische Vertretung eines fremden Landes wendet, um seine Wünsche und Beschwerden vorzutragen, ist ein so ungeheuerlicher Vorgang, daß man nicht recht begreift, warum die Regierung diese Dinge, die ihr doch zweifellos bekannt gewesen sein müssen, bisher mit Stillschweigen beantwortet hat. Der„ Vorwärts" hat bereits vor einigen Wochen auf das hochverräterische Treiben Selgoländer Kapitalisten hingewiesen. Was gedenkt die Regierung jet zu tun, nachdem der Landesverrat offen zu Regierung jezt zu tun, nachdem der Bandesverrat offen zu tage liegt?
"
Die Escheriche in Sachsen . Dresden , 28. Oktober. Die„ Dresdener Boltszeitung" knüpft an die Enthüllungen der Chemniger Volksstimme" folgende Bemerkung:„ Wie uns mitgeteilt wurde, hat der Minister des Innern, Genoffe Kühn, die sofortige Entlassung der zwei Offiziere der Sicherheitspolizei, Hauptmann Conradi und Leutnant Scholle, verfügt. Weitere Maßnahmen werden hoffentlich folgen." Die unabhängige„ Voltszeitung" teilt in ihrer Abend ausgabe mit, daß sie ebenfalls im Besitz von Material sei, wonach die Organisation Escherich im September in Dresden eine geheime
-
Sigung abgehalten habe.
Kommunisten und Erwerbslose. Hamburg , 28. Oktober. ( Eigener Drahtbericht des. Borwärts.) Die Erwerbslosenräte von Hamburg und Altona hatten für gestern nachmittag eine große Erwerbslosenversammlung einberufen. Sie war sehr überfüllt und wurde von Kommunisten beherrscht. Diese setten den Vorstand sofort ab und erklärten die Erwerbslosenräte überhaupt für abgefest. Es wurden einige Anträge angenommen, in denen unter anderem gefordert wurde die Höhe der Erwerbslosenunterstüßung bis zur Gleichstellung mit den Lohnfäßen der in Arbeit stehenden Genossen. Im Anschluß an die Bersammlung wurde ein Demonstrationsversuch unternommen, jedoch zerstreute die Polizei die Ansammlungen bereits in ihrem Anfang. Die von ber Hamburger Ordnungspolizei im größeren Umfange getroffenen Sicherheitsmaßnahmen waren unnötig.
Geht man bei Betrachtung des Finanzbedarfs des Reichs vom letzten Friedensjahr aus, so ergibt sich ein lawinenhaftes Anschwellen der Ausgaben: Gesamtausgaben
Der gut unterrichtete„ Evening Standard" wendet sich gegen 1913 1919 1920 des Reichs. 2,5 Milliarden 63 Milliarden 115 Milliarden die Kommentare, die die französische Breffe an die Nachricht von dem englischen Verzicht auf Beschlagnahme deutschen EigenJede Partei, die es mit der Verantwortung den Wählern tums geknüpft hat, uns betont, die englische Regierung habe be= gegenüber ernst nimmt, wird die Gestaltung der Dinge einer reits im Dezember vorigen Jahres bekanntgegeben, unvoreingenommenen und fachlichen Stritif unterziehen müssen, das deutsche Eigentumsrechte, die nach Wiederaufnahme der auch wenn diese Mißfallen bei so starken Wählerschichten wie Handelsbeziehungen erworben seien, der Beschlagnahme den Staatsangestellten und Beamten erregt. Wer Gelegennicht unterlägen. Die neueste Entschließung der englischen heit gehabt hat, mit Kaufleuten und Industriellen zu sprechen, Regierung gehe noch weiter; das sei hauptsächlich auf die immer der weiß, daß Industrie und Handel in Deutschland schon dringender werdenden Vorstellungen der englischen Intereffenten- start unter dem Eindruck der am Horizont der Zeiten auffreise zurückzuführen. Sah diese Bestimmungen des Versailer. Bertrages, soweit fie fich auf England bezögen, aufgehoben worden steigenden Gefahr der Einstellung des Zinsendienstes für Staatsanleihen steht. Im Grunde ist diese Auffassung aber feien, sei heuptsächlich geschehen, um die Räder bes eng reichlich findlich. Ein offener Staatsbanfrott wäre allerdings lischen Handels zu ölen. Das Blatt fügt hinzu, einfichtige Persönlichkeiten des französischen Handels würden es gerne sehen, gegeben, wenn das Reich für fürzere oder längere Zeit den wenn die franzöfifche Regierung in dieser Beziehung dem Beispiele Binsendienst einstellte. Aber was wäre mit dieser Viaßregel Englands folgen würde, der ein Schritt vorwärts auf dem Wege der gewonnen? Der Zinsendienst erfordert in diesem Jahre Wiederherstellung normaler Wirtschaftsbeziehungen in Europa sei. 12,6 Milliarden, die Gesamtausgaben betragen aber 110 Milli
arden.
Es läßt sich nicht leugnen, daß Frankreich formal in Es ist ein Aberglaube, anzunehmen, daß der StaatsRecht ist, wenn es bemängelt, daß England einseitig auf bankrott eine Erscheinung ist, die sich ausschließlich in der einen Baragraphen des Versailler Friedens verzichtet. Aber Sphäre des Besizes abipielt. Der Staatsbankrott, den wir faktisch liegen die Dinge doch so, daß Frankreich wieder fürchten und der kommen muß, wenn nicht größere Sparsameinmal durch seine Buchstabenreiterei die Anbahnung fried feit in der Reichsverwaltung playgreift, Post und Eisenbahnen licher und geordneter Verhältnisse auf dem saniert werden und die Siegerstaaten ihre Forderungen internationalen Wirtschaftsmarkt zu verhindern sucht. aus dem Friedensvertrag herabseßen, besteht darin, daß das Der in Betracht kommende Paragraph gibt den Entente- Reich infolge leerer Kaffen den Staatsarbeitern, mächten das Recht, im Falle eines Vertragsbruchs von deut- Staatsangestellten und Beamten nur noch einen scher Seite deutsche Guthaben im Auslande zu beschlagnahmen, Bruchteil des ihnen zustehenden Lohnes wird zahlen können. so daß der deutsche Kaufmann, der Waren nach dem früher Gegenüber dieser weitaus wichtigsten Seite feindlichen Ausland liefert, stets gewärtig sein muß, um den Staatsbanterotts, die sich ausschließlich in der Sphäre des Erlös seiner Ware düpiert zu werden. Wie lähmend diese Proletariats der Kopf- und Handarbeiter vollzieht, hat Aussicht auf den internationalen Warenverkehr wirft, braucht die Einstellung des Zinsendienstes eine verhältnismäßig genicht betont zu werden. Es entspricht also nur dem gesunringe Bedeutung. Es fann daher gar nicht scharf genug beden Menschenverstand, wenn England den§ 18, der tont werden, daß der Staatsbankerott eine Erscheinung iſt, bon anständigen Kaufleuten sowieso nicht zur Anwen- die in erster Linie die Grundlagen des proletarischen Lebens dung gebracht worden wäre, in der Versenkung verschwinden bedroht. läßt. Nur ein verknöcherter Militarismus, wie er augenblick. lich in Frankreich herrscht, kann, eine derartige Angelegenheit zur Kabinettsfrage machen, anstatt die Gelegenheit dazu zu benutzen, mit dem völkerverpestenden Geist von Versailles endlich einmal aufzuräumen.
Wenden wir uns der Frage zu, aus welchem der drei Saushaltspläne die Katastrophe der Reichsfinanzen uns am stärkiten droht, so wird man zuerst zu dem außerordentlichen Etat greifen müssen. Hier hat Dr. Wirth für die Ausführung des Friedensvertrages 41 Milliarden Mark einstellen müssen. Dazu kommen dann noch 4 Milliarden für die Abwicklung der alten Wehrmacht. Im ganzen betragen die im außerordentlichen Etat eingestellten Ausgaben 52,5 Milliarden Mart. 50 Milliarden sollen davon durch Anleihe aufgebracht werden. Nun weiß man aber, daß freiwillig dem Reiche niemand etwas borgt. Die im außerordentlichen Etat angekündigte Anleihe im Befrage von 50 Milliarden Mark fönnte also nur die von der Reichsbant geforderte Zwangsanleihe sein, über die im Börsenteil der bürgerlichen Presse schon viel geschrieben worden ist.
Ententekontrolle über Oesterreich . Wien , 28. Oktober. Der englische und der französische Bertreter in der österreichischen Sektion der Reparationskommission reifen in den ersten Novembertagen mit ihren Gutachten über die Hilfeleistung für Desterreich zur Berichterstattung an die Reparationskommission nach Paris . Die beiden Gutachten weichen ziemlich stark voneinander ab. Das englische Gutachten sieht die Errichtung einer Art Dette publique mit der Verpfändung der gesamten Aktiven, der Staatseinnahmen usw. vor. Die Errichtung einer Bank mit dem Rechte zur Ausgobe von Roten für den Export Furchtbar ernst ist auch die Gefahr, die unseren Reichsist nicht beabsichtigt. Der englische Bertreter verlangt ferner den finanzen aus dem Haushalt der Reichsbetriebe radikalen Abbau der österreichischen Staatswehr droht. Derselbe liegt allerdings dem Reichstag noch nicht bei entsprechender Berstärkung der Gendarmerie und ein System vor, aber wir erfuhren aus der gestrigen Rede des Reichsder Eisenbahnen von Ersparungen auf allen Gebieten. Der Sanierungsplan des finanzministers, daß der Fehlbetrag der franzöfifchen Vertreters verlangt keine so weitgehende 16 Milliarden, der Post über 2 Milliarden beträgt. Die Kontrolle und nimmt etwas mehr Rücksicht auf die Erhaltung der bürgerliche Presse, insbesondere das„ Berliner Tageblatt" und wirtschaftlichen Unabhängigkeit Oesterreichs , soweit das mit den zu die Frankfurter Zeitung " haben für die Verlustwirtschaft derbeiden Reichsbetriebe die Ueberbureaukratie bergewährenden Krediten vereinbar ist. antwortlich gemacht. Bei der Post sollen 50.000 Staatsangestellte Diel สิน beschäftigt werden. Die Zahl der überflüssigen Staatsangestellten bei den Eisenbahnen beziffert das„ Berliner Tageblatt" auf 100 000, die Frankfurter Zeitung " auf 300 000 bis 400 000. Die Drganiiationen der Angestellten, Beamten und Arbeiter haben gegen diese Angaben Einspruch erhoben. Die Eisenbahner und Bostangestellten führen die Verlustwirtschaft auf die viel zu niedrigen Tarife zurück. Die Poft, so argumentieren sie, erhielt vor dem Striege für die Beförderung von 100 einfachen Briefen im Fernverkehr 10 Goldmart, heute erhält sie dagegen
Die Forderungen der Deutsch- Böhmen . Prag , 28. Oktober. Die„ Bohemia" veröffentlicht eine Interpellation, die der deutsche parlamentarische Verband in der heutigen Sigung der tschechischen Nationalber jammlung einbringen wird. Die Interpellation verweist auf die zahlreichen Fälle der Anebelung und Vergewaltigung des deutschen Volkes durch die tschechische Bevölkerungsmehrheit in fultureller und wirtschaftlicher Beziehung. Die Enttäuschung und Neue Schwierigkeiten in England. bie Erbitterung der Deutschen über diese Lage habe in manchen Bevölkerungsschichten den Wunsch wachgerufen, daß sich die deutschen | London , 28. Ottober. Es wird versichert, daß in den BerVolksvertreter nicht mehr an den Arbeiten der Nationalversamm- handlungen zwischen den Bergleuten und der Regierung Img beteiligen. Indessen wollen die Interpellanten nochmals ver- infolge neuer Forderungen der Bergleute Schwierigkeiten suchen, zu einer Besserung der Verhältnisse zu gelangen, entstanden seien. Das Kabinett wird heute zu einer Konferenz und wenden sich deshalb an die Regierung und an die Nationalver- mit den Bergarbeiterdelegierten zusammentreten. fammlung, um zu erfahren, ob menigstens für die dringendsten Forderungen der Deutschen auf Verständnis und Berücksichtigung Der Ausfuhrzoll für holländische Butter foll, wie Telegraaf erfährt, von 50 Cent für das Kilo auf 15 Cent herabgejezt werden.
gerechnet werden kann.