der Wiener Parteitag. Wie«. 5. November. �Eigener Drahtbericht des„Vorwärts".) An dem Sozialdemokratischen Parteitag nehmen über 400 De» legierte teil. Von ausländischen sozialistischen Parteien sind nur die deutschen Rechtsunabhängigen durch Henke vertreten. In seiner Eröffnungsansprache wies Sei« daraus hin, daß im Oktober 1918 die bürgerlichen Politiker hilflos am Grabe des Staates standen. Die Sozialdemokratie allein war ungebrochen und der großen historischen Aufgabe gewachsen. Nur p-nser Pflicht. gefühl gegenüber dem Proletariat hat uns bestimmt, die Zügel in die Hand zu nehmen. Die Sozialdemokratie gab der jungen Re* publik die provisorische Verfassung, sie stellte unter der Führung Viktor Adlers die Beziehungen zum Ausland wieder her. sie sorgte für ausländische Kredite und Hilfsaktionen. In der schlimmsten Zeit zeigte s i e den Weg. Die Wahlen vom Februar 1019 er- gaben das richtige Bild der Machtverhältnisse.. Die Sozialdemokraten mußten zur Sicherung dessen, was errungen war. in die Regierun g eintreten. Schweren Herzens und in voller Er- kenntnis der Folgen dieses unpopulären Schrittes gaben die Parteiinstanzcn ihre Zustimmung zur Koalition. Wenn tausende Zuläufer der Partei bei den letzten Wahlen nicht mehr zu uns standen, so ist das erklärlich. Wir sind weit davon entfernt, insbesondere den armen Frauen, die von Hunger und Mangel gequält. Krankheit undTod ihrerKinder vorAugen, jenen zugelaufen find, die ihnen Rettung und die rasche De- seitigung der Kriegsfolgen versprochen haben, einen Vorwurf zu machen; die Tatsachen werden sie schon belehren, sie werden wiederkehren aber mit politischer Erfahrung und Einsicht und sich wieder einreihen in die Kampffront der Leidenden und Unter- drückten. Ungebrochen und ungebeugt steht da? Banner des Proletariats. Eine Partei, die in diesem Jahre der Not ihre Mitgliederzahl ver- mehrt, ihr Bildungswesen und ihre Presse so ausgebaut hat, ist unbesiegbar und unwiderstehlich. Die Ausgabe des Parteitages ist es, die Richtlinien unserer Politik für die nächste Zeit und die Haltung unserer Vertrauensmänner im neuen Parlament zu be- stimmen.(Stürmischer BeisWl.) Zu Vorsitzenden wurden e i tz und To m sch i k gewählt. Ein Antrag, den außerordentlichen Parteitag als dritten or den t» lichen Parteitag zu erklären, wurde einstimmig angenommen, Den Bericht der Parteileitung erstattete Skaret. Er führt die Wahlniederlage der Frauen auch darauf zurück, daß«S i« u n- seren eigenen Reihen Leute gegeben hat, die gegen uns arbeiteten, riamerrÄich Dr. Frey und Rothe von den beiden „Arbeitsgemeinschaften revolutionärer Sozialdemokraten", die die Wahl zwischen Sozialdemokraten uad Kommunisten freigegeben oder sogar zur Wahl kommunistischer Kandidaten aufgefordert hatten. NamenS der Kontrolle beantragt« T o m s ch i? die Entlastu ig. Er forderte den Parteivorstand öfsentlich ans, darüber A u f k l ä- r u n g zu geben, wieso es komme, daß Frey und Rothe R e d a k- teure der.Arbeiterzeitung" sein könnten. In der Debat » beantoogte Leichin-Graz , der Parteitag möge den Parteivorstanh auffordern, diesen beiden, die gemäß dem Parteistatut schon längst hätten ausgeschlossen werden sollen, so- fort zu kündigen. Der(von uns bereits mitgeteilte) Awtrog Ludo Hart- mannS auf Volksbegehren für den Anschluß an Deutschland wird bei dem Punkt.Die politische Lage und die Ausgaben der Sozial- demokratic" behandelt werden. Referent zu diesem Punkt ist Ott» Bauer: Wie in Rußland und in Deutschland sei nach der Revolution auch in Deutsch -Oesterreich der Sozialdemokratie nichlS anderes übrig geblieben, als in eine Koalitionsregierung einzutreten. Die Bürgerlichen wären nicht imstande gewesen, allein zu «gieren; die Massen hätten damals eine bürgerliche Regierung nicht ertragen. Es wäre zum Bürgerkrieg gekommen und zu ähnlichen Vorfällen wie in Rußland , Ungarn und Bayern . Aller- dings haben wir übergenug Erfahrung mit dieser Koalition, als daß noch ein einziger"-Mensch in unseren Reihen Gelüste tragen sollte. diese Erfährungen noch einmal zu wiederholen.(Lebhafte Zu- siimmung.)_ 1' S- Holümark für unsere Kohle. Im Hauptansschuß des RoichStageS wünscht« im«eiteven Verlaufe der Freiwgssitzung Abg. Reichert(Duast Vp.) den Wortlaut der engl, scheu Verzichtnote zu kennen und erbittet neu« Aufklärung über die Dieselfrage und die abzuliefernden Milchkühe. Staatssekretär Müller erklärt, daß darüber nicht? Neues zu sagen wäre. Ministerialdirektor Fischer: Der Fünf-Goldmark-Aondv aus den deutschen Kohlenlieferungen bringt monatlich zirka 7 Millionen Goldmark ein. Bon den Ententeländern sind die Zahlungen erst teilweise . eingegangen. Die Goldmark wird für Ueberschichtenleiswngen und besonders für Lebensmittel- und Textilwarenlreserungen an die Bergarbeiter verwendet; ein Drittel zahlt der Fünf-Gold- mark- Fonds, zwei Drittel der Verbraucher. Hieran schließt sich eine vertrauliche Debatte in der Abg. Schreiber(Ztr.) fragt, ob über die Verteilung der Tex- tilien an die Bergarbeiter Richtlinien vorhanden seien. Ministerialdirektor Simson(Auswärtiges Amt ) teilt den Wort- laut der bekannten englischen Note mit. Die britische Regierung erklärt, sie wolle auch im Falle einer vorsätzlichen Zuwiderhandlung Deutschlands gegen seine Verpflichtungen zur Wiedergutmachung auf ihr Repressalienrecht gegen das deutsche Einkommen in England verzichten. Dr. Schreiber(Ztr.) betont die Verpflichtung der Gliedstaaten, die elsaß lothringischen Beamten zu übernehmen. Zur Frage der Liquidation deutschen Eigentum? bemerkt Abg.». Lersner(Dt VP.), es könne nicht genug betont werden, daß England, der frühere Treuhänder der Welt, sich selbst am meisten schädige, wenn eS die deutschen Guthaben nicht freigebe. Hierauf wird der deutschnationale Antrags eine Denkschrift über die Leistungen aus dem Friedensvertrag« dem Reichstage vor- zulegen, und ein zweiter Antrag, be-i der Entente dahin zu wirken, daß aus Glockcnmetall hergestelltes Kriegsmaterial uns für die Herstellung neuer Kirchenglocken überlassen werde, angenommen. Ministerialdirektor Götz vom Reichsministerium des Innern sührr aus.«S fei der Grundsatz der Regierung, daß d.e Beamten auS den abgetretenen Gebieten dort aufgenommen werden, wo sie beheimatet seien. Mtnistenaldireftor» Sckiliebe« erklärt, daß die Versorgung der früheren Reicks beamten aus den besetzten abgetretenen Gebieten für die Reichsregierung Gegenstand ständiger Sorge sei. Und doch Zlugverbote! In Da« zig wmden die Flugzeuge der dortigen Lustreederei als„KriegSmiitel" beschlagnahmt. Die Fluqlini» Fiankknrt— Baftl kann«tnr bis nach Lörrach gekübrt werde«, da die Entente das Hebe, flwgen der Grenz» mit deuiichen Flugzeugen ve, bietet. Was hat sie aber an der deutsch » schwei-erilchen Grenze zu sagen? München , 5. November.<W T B.) Nach einem Telegramm aus Wien hat die Wiener Enteniekommisfion den Rückslug der drei Rumpierslugzeug« nach München mit der Begründung ver- boten, daß die Entscheidung der Berliner EntentekommiMon abgewartet werden müsse._ Konter»» französisch. Am 30 Oktober waren sämtlich« Form- lrchkenen betreffend den Ueberqang des Kamerungebietes cht die franzöfisch« Staatshoheit erledigt.
Preußen unö öas Reich.
In der Landes Versammlung folgte am Freiiig auf die bereits rm Abendblatt wiedergegebene Rede des Genossen S ch o 1 i ch- Breslau Abg. Leidig(Dt. Vp.): 8 KSs ist für untere ganze Stellung nähme zum VerjassungSwerk entscheidend. Fehlt tue Lenkung der Staatsautorität und hat der Provinzausschuß die oberste Eni- scheidung über die Aemterbesetzung, so wäre das ein Rücksthritt zu der Staatsverfassung des 1?. Jahrhunderts und würde die Auf- lösung Preußens von innen heraus bedeuten Wir wollen aber Entgegenkommen beweisen. Die leitenden Aemter sollen in Fühlung mit der Provinz befetzt werden, aber die Staatsregierung muß die letzte Entsci�idung und auch das Recht baben, einmal gegen die Provinz zu entscheiden Falsch ist der Weg den Ein- heitsstaat durch Zerreißuna Preußens zu schaffen. Ist eS richtig. daß der sozialdemokratische Relcbstogspräsident Löbe gesagt hat, Preußen sei durch Raub, Habsucht und Heiraten zusammen- gekommen? Es wäre ein böses Zeichen der Zeit l Deutschland kann nur zusammenbleiben, wenn es von einem starken Preußen ge- tragen wird. Si-aatssekrekär Dr. Freund: Die Provinzen legen den größten Wert auf Einhaltung der Richtlinien, dr« in der Verfassung gegeben sind. Auf zwei Punkte kommt es ihnen besonders an: Vertretung der Provinzen im Staats- rar und Mitwirkung bei der Ernennung der leitenden Beamten. Wir müssen die Frage der Autonomie mit der größten Nüchternheit betrachten. Bei der Uebertragung neuer Aufgaben an die Pro- vinzen müssen wir auch die Dotierung demgemäß bemessen. Das direkte Wahlrecht für die provin,-tellcn Vertretungen ist nötig, um Klairheit zu schaffen über den Willen der Bevölkerung. Em Gesetz über die Vertretung der Provinzen im Reichsvat ist in Vor- derortüng. Mg. Coh«(U. Soz. rechts): Wir beantragen im 8 60 b für„deutsche Minderheiten" den Ausdruck„nationale Minderhoiien" zu setzen/ Es kommt nicht dar- aus an, sprachlich«, sondern nationale Minderheiten zu schützen. Der Begriff„Provinz" im§ 27 b und in§ 68 ist in sich widerspruchsvpll. Daher sollten in 8 68 Abs. 1 die Provinzen auf- gezählt werden. Für di« Erweiterung der Selbstverwaltung sind wir immer gewesen. Anstatt Untertanen brauchen wir freie Menschen. die am Aufbau des Staates verantwortlich teilnehmen. Wenn selbst Bismarck da? Kratze« der preußischen Verwaltung unangenehm empfunden hat, wi« ist eS dann denen ergangen, die allem schutzlos preisgegeben waren? Die V erw a l t u n g hat den Ursprung des preußischen Staates bis zuletzt nicht verleugnet. Sie fühlte sich sozusagen immer in Feindesland. Kein« Part«! im Hause, die nicht einmal in Kampfstellung zur preußischen Verwaltung gestanden hätte! Die Verwaltung hat bis in die letzte Zeit hinein geglaubt, daß man diesen großen modernen Staat nach land- rätlkchen Methoden regieren könnte. Das System hat alle Wirt- schaftlichen Verwandlungen nicht mitgemacht und eine legendäre Unfähigkeit bewiesen, psychologische Einsicht zu zeigen. Nachdem der Staats- r a t beschlossen ist, ist jeder Ausbau der Autonomie der Provinzen müßige Arbeit. Preußen wird nicht anders aufgebaut werden können, als durch den sozialistischen Einheitsstaat Im letzten Augenblick mache ich die Rechtssozialisten auf diese Kons«- quenzen aufmerksam.(Bravo ! bei den U. Soz.) Abg. Preutz(Dem.): Ich kann mich mit dem Antrag Cohn. im§ 00b für„fremdsprachliche Volksteile"„nationale Minder- heften" zu setzen, nicht befreunden. Natürlich ist die Autonomie der Provinzen vor allem auch'.eini:' Fk n'v ffhfr agle. Auf dem Wege� der- Dotation wird da? Vicht zm machen'sein. Abg. Dt. Lauscher(Zentd)' polemisiert gegen t>. KrieS. Wenn ich mich ausschließlich gegen rechis wende, so heißt das nicht, daß ich mich mit den von der linken Seite ausgesprochenen Ansichten über Reich und Preußen identifiziere. Der preußisch« Staat ist nicht das Produkt einer organischen Entwicklung. Man kann auch nicht, erst den andern Staaten, z. B. Bayern zumuten, Hara- kirt zu machen, wenn Preußen in seiner überragenden Größe er- halten bleibt.(Zuruf Heilmann(Soz.): Nicht erst, sondern gleichzeitig!) Dieser Zustand bleibt aber erhalten, wenn die An- träge der Rechten angenommen werden. Ich vertrete eine Politik der organischen Weiterentwicklung. Aber ich kann nicht zugeben. daß Deutschland nur lebensfähig ist, wenn Preußen in seiner jetzigen Struktur erhalten bleibt. Der Zug der Zeit führt zu einer Stärkung der Reichsgewalt und zu einer Schwächung der Macht Preußens. Staatssekretär Dr. Freund wendet sich besänftigend gegen die Ausführungen des Vorredners über die Zurücksetzung ver katholischen Bevölkerung. Äbg. Heilmann(Saz.): Die Kulturpolitik, unter der die Katholiken gelitten haben, war nicht die Politik Preußens, sondern der Hohenzollern . Lassen Sie die Vergangenheit ruhen! Wenn Sie(zum Zentrum) im alten Preußen Stiefkinder waren: wir sind schlimmer als Hunde � behcmdeft worden.(Lebhafte Zustimmung links.) Wir wollen alle den deutschen Einheitsstaat, wir wollen, daß der Einheitsstaat von seiner unteilbaren Gewalt soviel Autonomie abgibt, wie ihm dien- lich ist. Sie hingegen(zum Zentrum) denken noch immer an einen föderativen Staat mit Reservatrechten seiner Glieder. Mit dem Einheitsstaat ist ein ewiger Bestand Preußens nicht vereinbar, flnser� Endziel ist die Beseitigung aller Einzrlstaateu. Oberschlesien will sich loslösen und sein Beispiel wird ansteckend tvirken auf das Rheinland . Das deutsche Volk bleibt trotzdem ein Staat, zusammengehalten durch das deutsche Nationalgefühl Ob Präsident Loebe den Ausspruch, den ihm Dr. Leidig vorwarf, in dieser Form getan hat, weiß ich nicht, aber richtig ist. daß alle Staaten durch Raub, Gewalt und Heirat entstanden sind. Alle diese Machtverhältnisse ewig au frech izu erhalten, daran hat kein Sozial- demokrat ein Interesse. Wir wünschen aber, daß Preußen noch einige Jahrzehnte zusammenhält, weil augenblicklich bei seinem Zerfall dier Gefahre» drohen würden: Reaktion, Kleinstaaterei. Abfall von Deutschland , mangelndes Durchsetzen der Reichsgewalt. Später, wenn die Reichs- einhcit gefestigt ist, mögen sich einzelne Staaten auch rückschriftlich regieren lassen. Wer jetzt würden die Kleinstaaten an der Grenze des Reiche? unter einer rückschrittlichen Bevölkerung dt« Reichs- einheit zerreißen. Was den Abfall anbetrifft, so glauben wir an
die Treue der Rheinländer wie an uns selbst, aber nicht an ihre Macht, sich der Lostremrui-g zu widersetzen. Oberschlesien soll sich auch schützen gegen Polen und Tschechen. DaS kann eS aber nur innerhalb Preuß-ns. Die Schwäche der Reichsgewalt tritt deutlich zutage in der Ohnmacht des Reiches, sich gegen Bayern durchzusetzen. Mit dem Worte „Los von Berlin" soll man recht vorsichtig umgehen; es wird daraus sehr leicht ein„Los vom Reich I". Wir sind weder Träumer der Vergangenheit noch Romantiker einer fernen Zukunft, denen der Marschtritt der Leninschen Heere im Ohre klingt. Wir treten auf den Bode« der Wirklichkeit im Dienste der deutschen Einheit, die verlangt, daß der preußische Staat vorläufig zusammenhält, und daß in ihm Demokratie und Selbstverwaltung zum Durchbruch kommen.(Lebhafter Befall bei den Soz.) Abg. Dallmer(Dnatl. Vp.): Nur durch ein zentralisiertes Preußen kann man zum deutschen Einheitsstaat kommen. Die preußischen Könige haben für das Rheinland und die katholische Kirche außerordentlich viel getan. Abg. Dr Lauscher(Z.) hält gegenüber Dr. Freund seine Pari« tätsbeschwerden aufrecht. Damit schließt die allgemeine Aussprache über den Abschnitt Selbstverwaltung. Er)vird unverändert angenommen bis auf den§ 68«, der bestimmt, daß die Grundsätze für di« Wahlen zur Volksvertretung auch für die Wahlen zu den Provinzial-, KrerS- und Gemeindevertretungen gelten sollen. S 58a erhält auf Antrag der Demokraten den Zusatz, daß das Wahlrecht zu den Gemeinde- Wahlen von einer Aufenthaltsdauer in der Gemeinde abhängig ge- macht hrirb.(Zuruf: Echt demokratisch!) ES folgt die Beratung eines von den Deutschnationalen bean- tragtsn Abschnittes 7 a über die Beziehungen von Religion und Schule Mm Staat. Damit verbunden wird ein von der Deutschen Volks- Partei beantragter Abschnitt 8 a über die Beziehungen zur Kirch». Abg. Dr. Koch-Oeynhausen(Dnat. Vp.) verlangt, daß die Eni- scheidung über das religiöse Bekenntnis der Kinder von den Eltern getroffen wird. Nach Vollendung des 14. Lebensjahres steht dem Kinde selbst die Entscheidung zu. Abg. Dr. Berndt(Dem.) begründet einen Antrag über AuS- gestaltung des Patrormtsrechies. Abg. Oppeahoft(Ztr.): WaS in der Reichsverfassung geregelt wovden ist, soll nicht noch einmal in der preußischen Perfassung ge- regelt weiden. Abg. Dr. Leidig(Dt. Vp.) spricht gegen den deutschnationalen Antrag. Ministerialdirektor Dr. Fleischer legt als Vertreter deS Kults- Ministers dar, daß die Absätze in den Anträgen, nach denen die Kirchengesellschaften über die Rechte des Patrons beschließen sollen, während die Pflichten-der Patrone durch Staatsrecht geregelt werden, nicht angenommen werden könnten. ES sei eine«inhett- liche Regelung erforderlich. Mit Pflichten verbundene Recht« können nicht einseitig aufgehoben werden. Mg. Freymuth(Soz.): Wir unterstützen die Darlegungen des Regierungsvertreters. Den demokratischen Antrag können wir in Absatz 2 und 3 annehmen. wonach auf Antrag eines Beteiligten ein bestehendes Patronat auf» zuHeben ist, sobald die vermögensrechtlichen Veepslichtungen ob» gelöst find. Di« Anträge der Rechten lehnen wir ab. Abg. Berndt(Dem.): Wir ziehen de« ersten Absatz unseres Antrages zurück. Danach wird der demokratische Antrag angenommen. Aus dem Antrag H e r g t(Dnat. Vp.) wird die Bestimmung angenommen, daß die Stouerpflicht frühestens' mft Ende des Steuerjahres, in bttmfß die AuStrittSerklärung abgegeben wird, erlischt. DaS näber« wird -chuxch-:«inz Gesetz: bestimyi'ti.'?'"-M.-- ,; r''V-v- Es folgt der Abschnitt VI(§ 60 bis 66) über die Seamten. Wg. Hogiborn(Dnat. Vp.) begründet einen Antrag Hergt auf Schutz der politischen Meinungsfreiheit der Beamten. Beamten» kammern müssen sich der Beamtenrechte annehmen. Abg. Herbert(Soz.)- Wir lehnen die Anträge ab, weil sie schon Festgelegtes wieder» holen. Der Zutritt zur Beamten-laufbahn muß jedem Tüchtigen freistehen. SS ist gewiß, daß den Katholiken im alten Preußen Unrecht widerfahren ist, aber bei uns.war es noch viel mehr der till. Desbalb arbeiten wir doch an dem Aufbau deS neuen reußeus mit. Ministertoldirektor Dr. Meißner: Di« Rechte der Beamten sind durch die Reichsvermssuug hinreichend gesichert. Abg. Bartold(Dem.): Jetzt fordert die Fraktion Hergts für di« Beamten daS Koalitionsrecht; noch im Jahre lS18 wurde den Polizeibemnten von Herrn Hergt dieses Recht verweigert. Damals war er allerdings noch Minister! Wir werden die Rechte der Beamten durch ei« besonderes Beamtengrsey, sicherstellen. De» besten Schutz ihrer Rechte erhält die Beamten- schaft, wenn sie einig ist und von ihrem Koalitionsrecht Gebrauch macht. Abg. Freymuth(Soz.): Der sozialdemokratische Parteitag zu Kassel hat ein neues Beamtenrecht gefordert. Es kommt nicht darauf an, was man alles in die Verfassung hineinschrei-bt, sondern dar» auf. wie die A u s s ü h r u ng s g e s e tze aussehen. Nach weiterer Aussprachc. in der all« bürgerlichen Parteien ihre Beamtenfreundlichkeit betonen und sich gegenseitig Wahldema- gogic vorwerfen, wird K 60 unter Ablehnung aller Abänderungs- an träge in der Ausschußfassung angenommen mit einem Zu- satzantrage der Koalitionsparteien, daß die Staatsbeamten wider ihrcm Willen nur unter gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen und Formen entlassen oder versetzt werden können. Abschnitt 9 wird ohne Aussprache angenommen, ein Antrag Berndt(Dem.)' auf Aenderung der Fassung der Einleitungsformel zur Verfassung wird angenommen. Damit schließt die zweite Lesung des Verfassungsentwurfs. Ohne Aussprache erledigt werden nach den Borschlägen des Ausschusses die zur Erörterung im Plenum nicht für gee-gnet erachteten Eingaben, die Bevatung einer Mtteilunq des Ml''istcrS für Volkswohlfahrt-über die Ausführung des Gesetzes zur Förde- rung der Stadtfchaften und die erste und zweite Beratung des Ge- setzen-twurfs betreffend'die Dienststaatsgewalt über die in den Ro-chs- dienst nicht übernommenen Beamten-der früheren preußischen Ver- waltung der Zölle und indirekten Steuern. Montag, den 1b November, nach-mittays 2 Uhr: Nachtrags- cdat. ordentticher Etat. Abschnitt Handels- und Gewerbeverwaltung, Justizverwaltung usw.
Slntige Siegesfeier. Verena, 5. November.(Stefani.) Eine vor dem Garibaldi- denkmal veranstaltet« patriotische Kundgebung wurde(angeblich! Red.) von radikalen Elementen in solchem Maße gestört, daß (vielleicht vorher! Red.) einzelne Patrioten den Plan faßten, sich zur Stadthalle zu begeben, um die rote Fahne, di« infolg« der für die Sozialisten günstig ausgefallenen Wahlen gehißt worden war, herunterzuholen. Vor dem Stadthause wurden sie jedoch mit Schüsse» echrp fange n. wodurch eine Reihe von Per- souen vettetzt wurde. Dieser Vorfall steigerte' die Entrüstung der
Patrioten aufs höchst«, das Gebäude wurde gestürmt. Während im Innern des Gebäudes das Handgemenge fortgesetzt wurde, explodierte eine Bombe, die der sozialistische Depu- tierte Scabrabello bei sich trug. Der Deputierte wurde getötet, einige Manifestanten wurden verletzt. Die rote Fahne wurde vom Gebäude heruntergeholt, w o r a u f das Stadt- hau? von der Polizei, wetche die Ruhe und Ordnung wiederher» stellte, besetzt wurde. Da»AigS Obeekowwiffar soll der Norweger Erik Ca l b«» wert««.