Nr. 246.
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für 1894 unter Nr. 6919.
Vorwärts
11. Jahrg.
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Sonntag, den 21. Oktober 1894.
Expedition: SW. 19, Benth- Straße 3.
Arbeiter! Parteigenossen! Trinkt kein boykottirtes Bier!
der
Die
österreichische Wahlrechtsfrage.
gleichen Anzahl von Menschen, die einem Kommandoruf folgen müssen. Dort der Wille von Millionen, hier Unsere Gegner haben das im Kampfe mit uns zu ihrem Nachtheile erfahren; ihre Organisationen haben der Unser Wiener Rorrespondent schreibt über die Borgänge der unsrigen niemals auf die Dauer zu widerstehen vermocht. lezten Tage: tritt morgen in der alten Reichs- Hauptstadt Frankfurt zu- Die Freiheit des Denkens und Wollens, die unsere Parteien die Wahlreform endlos zu verschleppen fuchten, nahm Gegenüber den Versuchen, womit die Regierung und die fammen. Es ist guter Boden dort. Die Stadt der Franken Stärke ist, wird von unseren Gegnern sehr häufig für ein die Arbeiterschaft Wiens und in den Provinzen die Reicheraths un Freien, die in der schlimmsten Zeit des alten Reichs Merkmal der Schwäche gehalten. Die freie, schrankenlos Eröffnung zum Anlaß, um durch große Bolksdemonstrationen und des Bundestags allezeit einen Kern unabhängigen freie Kritik, die in unseren Reihen dem Genossen gegenüber an die Dringlichkeit derfelben zu erinnern. Am Sonntag wurden Bürgerthums barg und in den dreißiger Jahren und im ebenso rückhaltlos geübt wird wie dem Feind gegenüber, in Pilsen , in Krakau und in zahlreichen anderen Städten VerSeptember 1848 der Schauplatz heldischen Kämpfens für scheint Kurzsichtigen ein Element der Auflösung, der Anfang fammlungen abgehalten, welche in Demonstrationen auf der Freiheit und Volksrecht war- sie gehört auch zu den unvermeidlicher Spaltung, während sie in Wirklichkeit das Straße ihre Fortießung fanden. Obwohl diese Demonstrationen Städten, deren Arbeiter zuerst dem Rufe Ferdinand festeste Bindemittel ist und die sicherste waren, ja vollständig friedlicher Natur wurde in Krakau Lassalle's folgten, und dort und in der Umgegend feste bie einzig sichere Bürgschaft gegen Verzwei Abgeordnete erhielten Rolbenstöße von den Soldaten. Die die wehrlose Menge umzingelt und auf sie eingehauen; Mitgliedschaften und Organisations- Mittelpunkte bildeten. sumpfung, Verwässerung und Kliquen Bürgerschaft selbst war so empört, daß eine unverzüglich einDie Saat von damals ist prächtig aufgegangen, und berufene Gemeinderathssigung gegen das Vorgehen der Polizei die Delegirten der deutschen Arbeiter werden in einer Stadt Proteſt einlegte. Zugleich aber, und das ist bezeichnend, wurde tagen, die unser ist. beschloffen, der Arbeiterschaft weiterhin den Rathhaussaal zu Versammlungen zu verweigern. Am Montag fand in Brünn eine Straßendemonstration statt, indem die Arbeiter in den belebtesten Straßen einen Umzug hielten, unter Abfingung des Wahlrechtsliedes wurden Montag, am Vorabende der Eröffnung des Reichsratha und Rufen:„ Heraus mit unserem Wahlrecht." In Wien selbst 17 Bersammlungen abgehalten, darunter drei der cze hen Arbeiter, welche alle maffenhaft besucht waren, und in nichen folgende Resolution angenommen wurde:
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wirthschaft.
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Auch auf dem morgen beginnenden Parteitag wird dieses Bollwerk unserer Partei: die freie Kritik fich beAn Arbeit fehlt es dem fünften Parteitage seit dem währen. Es liegen theoretische und praktische Fragen vor, Falle des Sozialistengesetzes nicht. Je größer die Partei, bei deren Besprechung die Geister aufeinanderplaten werden. desto größer die Partei- Arbeit- und Partei und Es wird voraussichtlich wohl das eine oder andere Wort Bartei Arbeit sind in fortwährendem Wachsen. Eine fallen, das Freunde verlegen, Feinde erfreuen wird. In Demokratische Partei aber, wie die unfrige es im vollsten der Size der Nede ist das unvermeidlich. Aber das Wort Sinne des Wortes ist, hat und erheischt im Verhältniß eines Freundes tann wohl schmerzen, nicht ver yeit mehr Arbeit, als eine undemokratische, die von oben wunden.
jerab kommandirt wird, wie ein Regiment Soldaten. Wir Die Vertreter der deutschen Arbeiter versammeln sich Die heutige Versammlung protestirt anläßlich der Eröffnung Sozialdemokraten haben so wenig eine Partei regierung, diesmal in einem besonders entscheidungsvollen Moment. des Reichsrathes aufs Neue gegen die gewaltsame AufrechtDie einen Partei diktator. Wir haben nur eine Partei- Erschreckt durch die stetigen, jedes Hindernisses und Wider- erhaltung eines Wahlsystems, welches zwei Drittel des Volkes verwaltung; und das Regiment- nicht die Re- standes spottenden Fortschritte unserer Partei, und im Be- rechtlos macht und zu gunsten einer kleineren Minorität ver Be - rechtlos gierung, denn das ist ein undemokratischer Begriff- wird wußtsein ihrer Unfähigkeit, die Sozialdemokratie mit geistigen gewaltigt. von der Partei selber geführt, innerhalb deren es Waffen zu überwinden, suchen unsere Feinde aller Parteien Regierung und der Koalitionsparteien als den Ausfluß des borSie erkennt die provozirende Verschleppungstaktik der jolos Genossen mit gleichen Rechten und einen Bund zu schaffen, zur gewaltsamen Unterdrückung nirten Egoismus der herrschenden Klassen und erklärt, daß die Pflichten giebt. unserer Partei. Die Delegirten der deutschen Arbeiter sozialdemokratische Arbeiterschaft allen Drohungen mit brutaler
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direkte Wahlrecht errungen ist."
Da ist es nicht mit einem einfachen Machtspruch werden thun, was nöthig ist, um diese unheilige Allianz Gewalt Troß bieten, sich durch keine Intriguen ermüden und gethan, wenn irgend eine Aktion erfolgen soll die der Junker- und Geldsacks Interessen zu Schanden zu durch keine eitlen Versprechungen täuschen lassen, sondern rasilos Millionen, die zusammenwirken sollen, müssen auch zu machen. Und wie immer sonst die Meinungen auseinander- und unerschütterlich den einmal betretenen Weg des Kampfes um jammenwirten wollen. Und um das gemeinsame, ein- gehen mögen, in einem Gefühl und in einem Ge- ihr gutes Recht gehen wird, bis das allgemeine, gleiche und heitliche Vorgehen von Millionen freier Menschen zu erbanten werden sich alle zusammenfinden in dem Ge= wirken, dazu gehört eine weit größere Summe von fühl: wir sind Genossen! und in dem Gedanken: geistiger und moralischer Kraft, als um Armeen von Sol über Allem steht das Wohl der Partei! baten, die blind gehorchen, in Bewegung zu setzen. Dafür Und damit dem Parteitag in Frankfurt ein freudiges ist die Summe von Kraft, die in Millionen von frei den- und herzliches Glück auf! fenden, frei handelnden Menschen vereinigt ist, unendlich größer als die geistige und moralische Kraftsumme einer
Feuilleton.
Finanzminister eröffnet, welcher das Branntweinhandels- Monopok Am Dienstag wurde der Reichsrath mit einer Budgetrede des anfündigte, aber vom Wahlrecht schwieg. Der Abgeordnete Pernerstorfer brachte einen Dringlichkeitsantrag ein, der Wahlreformausschuß- welcher auf die Vorlage eines Regierungss entwurfes wartet, während ihrerseits die Regierung auf die Einigung der Parteien wartet- möge sofort zur Berathung
hatte. Sie bürdeten Paris einen großen Theil Mitschuld viel gesetzmäßigere Regierung denn diejenige Don an den Leiden auf, welche sie angeblich in Deutschland Versailles . Die Nationalversammlung, während der erduldet hatten. Diese Sachlage und Stimmung wurde be- deutschen Okkupation erwählt, wurde angesehen als ob fie 18 wundernswürdig von diesem Napoleon der Bourgeoisie be- Frankreich repräsentire. Aber nach der Zerstückelung
Erinnerungen eines Kommunarden. iffen, berumfangreichen und lügenhaften kaiserlichen Legende; Frankreichs mußte unbedingt ihr Mandat als erloschen
von diesem kleinen eiteln Menschen, welcher von einer angesehen werden. Der Verderb des Pariser Volkes war diesem Urheber der faden Lobhudelei des Erfolges, wiederum, daß es sich in seiner großherzigen Gesinnung rasenden Sucht durchdrungen war, der Welt zu zeigen, was täuschen ließ. Es hätte unmittelbar nach dem 18. März er seine Strategie" nannte. Dieser Nachsudler des ersten durchgreifend seinen Sieg benußen und die Regierung und Während man in Paris sich in der närrischen Hoff- Napoleon besuchte die Feldlager seiner" Armee, welche, die Beamten der Armee verhindern können Paris zu vera nung auf Versöhnung wiegte, dachte man in Versailles da sie die feine" war, ihm als die schönste und beste laffen. Das Volk setzte zu viel Vertrauen in die Gerechtig daran Zeit zu gewinnen. In Paris konnte man sich nicht erschien, welche Frankreich jemals gehabt hat. Indem er feit seiner Sache, besetzte nicht einmal den Mont- Valérien vorstellen, daß ein Mann, der wirklich Franzose war, An- sich scheinheiligerweise für das Wohlergehen der Soldaten und beging gerade dadurch einen nicht wieder gut zu gesichts des äußeren Feindes die Verantwortlichkeit eines besorgt zeigte, traf er seine Maßregeln, dieselben vollständig machenden Fehler. Das war der schwarze Punkt, vou Bürgerkrieges auf sich nehmen würde. Ueberdies glaubte zu isoliren. Er wußte es zu verhindern, daß irgend eine welchem aus das Gewitter über Paris losbrach. man nicht, daß die Provinz fähig sein würde, die Republik Aufklärung über den wahren Stand der Dinge und der Im Innern der Kommune hatte sich eine Majorität unter den Trümmern von Paris zertreten zu laffen. Die geistigen Bewegung des Volkes zu diesen Leuten ihren gebildet, welche sich weniger Jalustonen machte als das republikanische Hauptstadt und die monarchistische Residenz, Weg fand, welche, aus Deutschland kommend, nichts von Bentralfomitee. dachte man, würden sich wohl lange Zeit gegenüberstehen, den Thatsachen wußten, welche sich seit acht Monaten voll- Die Kommune, geleitet von erfahrenen Leuten, wie zwei Hunde von Porzellan, welche sich die Zähne zeigen; zogen hatten. welche die traurigen Lehren, welche die Geschichte eraber da nie einer den andern zuerst angreifen will, zuletzt Man sah in Versailles eine Emigration, durchdrungen theilt, kannten, dachten zwar logisch, aber sie glaubten, abgespannt werden und sich vertragen. von allen Begierden, jeder Käuflichkeit und jeder Feigheit daß man eine vergangene Geschichtsepoche nachahmen könne. In Versailles waren die reaktionären Leidenschaften zusammenströmen. Die Majorität der Nationalversamm Von dem Augenblicke an, wenn man den Krieg will, muß bis zum Parogismus gesteigert. Man wußte, daß die lung verstand indeß geschickt ihre monarchischen Gelüste man ihn mit Nachdruck, Disziplin und einer einheitlichen republikanischen Soldaten, welche den Feldzug unter Auf- zu verbergen, denn in diesem Augenblicke hätte sich Anordnung führen. Aber Paris wollte feinen Krieg bietung aller Volkskräfte Frankreichs mitgemacht hatten, ganz Frankreich gegen eine Restauration erhoben. hatte weder Haß noch Fanatismus. Es dachte höchstens mit dem Volke Eins waren. Man ließ also mit einer Sie hätte vor allen Dingen die großen Städte entwaffnen daran, sich zu vertheidigen. fieberhaften Eile die Gefangenen, welche bis dahin in müssen. Ueberdies war sie über die zu treffende Wahl Es verbreitete sich ein Gerücht in Paris , welches beDeutschland geblieben waren, zurückkommen, während man unter den Thronprätendenten getheilt und sie hatte die Gesagte, daß der General Ducrot von seinen eigenen Soldaten die Pariser , welche keine Ahnung von dem Hasse der duld, sich bis zum 24. Mai zu verstellen. Aber sie ver- erschossen worden sei und man fügte hinzu, daß letztere Royalisten hatten, in Vertrauen einlullte. schanzte sich hinter dem unmenschlichen Grundsage, daß eine nichts sehnlicher wünschten, als dem Volke die Hand zu
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Man verstand geschickt den Groll der Bonapartisten regelmäßige Regierung mit einer aufständischen Bevölkerung reichen. Es sei durchaus nothwendig, sie zu unterstützen, bei Gelegenheit ihrer Heimkehr von ihrem Kriegszuge nach nicht unterhandeln könne. Als ob das Leben der Bürger ehe sie von den aus Deutschland zurückkehrenden Legionen Deutschland auszubenten. Diese Menschen waren von weniger werthvoll wäre als die Anmaßung einer Versamm- unterdrückt würden. Es geschah deshalb konfuserweise, daß Rache gegen Baris entbrannt, welches ihr geliebtes Kaiser- lung und eines Mannes, wäre er auch so eitel wie Herr die Nationalgarde auf der Landstraße von Versailles , in reich über den Haufen geworfen und durch seinen fünf Thiers! drei Korps getheilt, hinausmarschirte, in dem guten Glauben, Monate langen Widerstand ihre Gefangenschaft verlängert In Paris betrachtete man die Kommune als eine eine friedliche Manifestation auszuführen. Bei dieser Ge