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Nr. 247.

Erscheint täglich außer Montags. Preis pränumerando: Biertel jährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 Mt., wöchentlich 28 Pfg. fret in's Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags- Nummer mit illuftr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30mt. pro Quartal. Unter Kreuz­ band  : Deutschland   u. Desterreich Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3 Mt.pr.Monat. Eingetr. in der Post Beitungs- Preisliste für 1894 unter Nr. 6919.

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Vorwärts

11. Jahrg.

Insertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pfg., für Bereins: und Bersammlungs- Anzeigen 20 Pfg. Juferate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in ber Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochen­tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonn 01 und Fefitagen bis 9 Uhr Vor­mittags geöffnet. Fernsprecher: Amt 1, Nr. 1508, Telegramm- Adresse: Sozialdemokrat Berlin  !

Berliner   Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2. Dienstag, den 23. Oktober 1894.

Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

des

Arbeiter! Parteigenossen! Trinkt kein boykottirtes Bier!

Dent

61101

Partei steht auch so unabhängig da, keine hat eine so Dank haben wir dem Eifer unserer belgischen Brüder günftige Position im Parlamente wie die sozialdemokratische zu sagen für den Ehrentag, den sie der kämpfenden Ar­Fraktion. Geeint und festverbunden mit ihren Wählern beiterklasse errungen haben.

glänzenden Wahlen, Bird unsere Bartei geſchloſſen im Parlamente auftreten, Glück auf zu neuen Siegen!

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den die Sozialdemokratie jemals zu verzeichnen gehabt, er- während im liberalen und ultramontanen Lager der Wurm fechten die belgischen Genossen gleich bei dem ersten Wahl- der Zersegung eifrig an der Arbeit ist. Die Ultramontanen Aus den eingelaufenen Depeschen erfahren unsere Leser gange, an dem sie sich auf Grund des allgemeinen direkten, haben außer einem chriftlich- sozialen Flügel zwei Gruppen, die bisher bekannten Einzelheiten über die am Sonntag wenn auch nicht gleichen Wahlrechtes betheiligten. Es sind deren Führer Beernaert und Burlet um die Leitung, der stattgefundenen Stichwahlen: noch nicht viele Wochen in's Land gegangen, seitdem die Partei und der Regierung kämpfen, die Liberalen Brüssel  , 21. Oktober. Nach den bis 10 Uhr Abends bürgerliche Preffe die Nachricht brachte, daß die belgische sind gleichfalls gespalten in Altliberale, Altliberale, die starre bekannt gewordenen Stichwahl Ergebnissen ist der Sieg der Sozialdemokratie auf höchstens vier Mandate rechnen tönne, Anhänger der Manchesterdoktrin sind, und als ihren Katholiken gegen die Koalition der Liberalen und Sozialisten in heute dagegen meldet der Telegraph, daß unsere belgische Führer den früheren Ministerpräsidenten Frère Drban be- Brüssel sehr wahrscheinlich. Achtzehn liberale Rammermitglieder Bruderpartei als zweitstärkste Partei in das Parlament einzieht, trachten, und in Radikale, die ähnlich wie die Radikalen würden in diesem Falle durch Katholiken ersetzt werden, was der daß sie acht Mandate mehr errungen hat, als die liberale des französischen   Parlamentes, für Erweiterung der Volts- Regierung eine starte Majorität sichern würde. Nach den aus und radikale Partei zusammen, während ein Privattelegramm rechte und Ausbau des Arbeiterschutzes eintreten, und die Tournai   eingelaufenen Meldungen sind auch dort vier Katholiken uns sogar meldet, daß wir 33 Size gegenüber 19 von den Anträge der sozialdemokratischen Fraktion häufig unterstützen an Stelle der bisherigen liberalen Abgeordneten, unter denen sich Staatsminister Bara befindet, gewählt worden. In Charleroi  Liberalen behaupteten, erobert haben. Noch kurz vor der Wahl werden. Merfalle haben nach den bisherigen Meldungen die von den Liberalen glaubten die Liberalen und Radikalen den Sozialdemo Die alten Parteien in Belgien   gehen ihrem Verfalle, unterstützten Sozialisten die Mehrheit. In Lüttich   find liberale fraten ein Bündniß anbieten zu dürfen, glaubten gegen das die Sozialdemokratie dem Siege entgegen. Senatoren mit Hilfe der Sozialisten gewählt; in die Kammer Versprechen einiger weniger unsicherer Mandate die ganze Reine Partei hat das Recht zu jubeln, außer der sind dort Sozialisten und Progreffisten mit liberaler Hilfe ge­Stimmenzahl unserer Partei für die Kandidaten der Aus- Sozialdemokratie. Auch nicht die Klerikalen, welche zwar wählt worden. In Huy   und Thuin   find Liberale, in Waremme  beutersippe, für die energifchsten Gegner jedes Arbeiter wieder die Majorität im Parlamente erftritten haben, aber Katholiken gewählt. In Verviers   werden die von den Liberalen schutzes, für die verbohrtesten Anhänger der Man- diese blos den Stichwahlen zu verdanken haben, sie haben unterstützten Sozialisten die Kammerfige erhalten, ebenso in cheftertheorie erkaufen zu können. Unsere Genoffen ihre Position behauptet, ihr Erfolg besteht lediglich darin, Soignies. blieben diesen Anerbietungen gegenüber feft, fie lehnten daß sie keine Niederlage erlitten haben, sie haben den Leiter fieg mit großer Begeisterung. In einer Sigung der konservativen Brüssel  , 21. Oktober. Die Katholiken feiern ihren Wahle jeden Kompromiß ab. Dadurch erreichten sie, daß die Er- ihrer Politik im Ministerium und im Parlamente auf dem Vereinigung fagte Stothomb, die katholische Partei rette das gebnisse der belgischen Wahlen annähernd zum wahren Schlachtfelde gelassen, sie wissen, daß sie innerlich schwächer Land. Beernaert sagte, die heutigen Wahlergebnisse würden Ausdruck der politischen Gesinnungen des Volkes wurden. sind, als sie es einzugestehen wagen. Und über die Nieder- von der ganzen Welt gefeiert werden. Die Versammlung rief: Blos die Sozialdemokraten können mit dem Wahl- lage der Liberalen ist kein weiteres Wort zu verlieren. Es lebe der König!" Alle tatholischen Blätter feiern den Sieg resultat zufrieden sein, sie haben dem belgischen Liberalis- Unsere belgischen Brüder werden alles thun, um den ihrer Partei. mus, der dem deutschen   Nationalliberalismus gleichwerthig Sieg voll auszunügen, auf einem neuen Boden müssen sie Brüssel  , 22. Oktober. In Nivelles   sind nach vorläufiger ist, den Todesstoß versetzt, sie erscheinen als zweitstärkste ihre Thätigkeit entfalten, zu zahlreichen neuen Fragen Feststellung drei Liberale und ein Katholik gewählt. Der Partei auf der parlamentarischen Bühne, sie haben eine haben sie Stellung zu nehmen, neben der parlamentarischen Ministerpräsident de Burlet ist nicht wiedergewählt worden. Brüssel  , 22. Oftober. Nach den bisherigen Feststellungen Reihe außerordentlich tüchtiger Vertreter der Forderungen Thätigkeit dürfen sie ihre agitatorischen und organisatorischen der Stichiahlergebnisse wird die Rammer aus 104 Ratholiten, des Proletariats zu ihren Sprechern auf der parla- Aufgaben nicht außer Auge lassen, man wird unserer Partei 19 Liberalen, 29 Sozialisten und Radikalen zusammengesetzt sein. mentarischen Tribüne erforen. Keine Partei in Belgien   Fallstricke legen, denen aus dem Wege zu gehen ist; man Brüssel  , 22. Oktober. Bei den gestern hier stattgefundenen befigt eine so tüchtige, im Volte wurzelnde, politisch und wird in der Wahl der Mittel, mit denen man unsere Partei Stichwahlen wurden sämmtliche Kandidaten der katholischen ökonomisch so geschulte Vertreterschaft wie die Sozialdemo- bekämpft, nicht wählerisch sein. Die Aufgaben der sozial- Partei mit einer Mehrheit von ca. 13 000 Stimmen gewählt. tratie, teine andere Partei kann sich rühmen, ihre Haupt- demokratischen Fraktion sind große und schwere. Bei den Katholiken machte sich die Freude über ihren Sieg durch vertreter zum Siege geführt zu haben, denn unter denen, Die Bruderparteien aller Länder, nicht zuletzt die lauten Jubel bemerkbar. Ruheſtörungen find weder hier noch in die auf der Strecke geblieben sind, befindet sich der Minister  - deutsche Sozialdemokratie, sind überzeugt, daß die belgischen 104 Klerifalen, 20 Jung- und Altliberalen und 28 Sozialisten der Provinz vorgekommen. Die Kammer seht sich jetzt aus präsident Burlet, der Führer der klerikalen Regierungs- Genossen ihren großen Aufgaben gewachsen sein werden, zusammen. Die katholische Mehrheit beträgt demnach 56 oder partei und Frère Orban, der Führer der liberalen daß sie sich stets der Verantwortlichkeit als verhältniß- 22 mehr als in der alten Kammer. Der Senat besteht aus Partei, der 48 Jahre dem belgischen Parlamente angehörte mäßig größte sozialdemokratische Fraktion bewußt sein 52 Klerikalen und 24 Liberalen. Die liberalen Blätter bezeichnen und fast die Hälfte dieser Zeit Ministerpräsident war. Keine werden. den gestrigen Tag als einen der verhängnißvollsten für den

Feuilleton.

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Eines Morgens jedoch, als wir uns auf letzterem was man mir als erste Vertheidigungslinie bezeichnet Plate befanden, wo die Leute die Nacht über ebenso hatte, war von fünfzehn bis zwanzig jungen muthigen 19 ermüdend wie unnüß auf den Trottoirs gelagert hatten, Leuten besetzt, welche seit zwei Wochen unausgesetzt fam ein junger Offizier vom Generalstabe mit einem auf Vorposten und bis auf den Tod erschöpft waren. St. Lazare. Wir bestiegen einen Zug, welcher uns zum unsere Stellung auf einigen Punkten um vieles fester zu Aus dem Französischen von Jakob Audorf. Viadukt von Asnières   brachte. Dort stiegen wir aus. Ein machen, doch fehlte es dazu an Arbeitskräften. Eine zweimonatliche Schlacht. Oberst stellte sich an unsere Spitze und ließ uns mitten Endlich erschienen auch die zwei verlangten Bataillone. Es kann hier nicht meine Absicht sein, die Geschichte durch das Feuer, welches die auf der Jufel Grande- Jatte Eines davon wurde zu unserer Rechten, das andere zur der Kommune zu schreiben. errichteten Batterien unterhielten, über die Brücke marschiren. Linken aufgestellt, aber ich besaß über sie keine Autorität Seit der Demonstration vom 3. April rechnete das Volk Ich verstand nicht im Geringsten, was man mit uns vor und unser Oberst glänzte fortwährend durch seine Abwesen­nicht mehr stark auf eine friedliche Lösung der Dinge. hatte. Man hätte uns geradezu nach Versailles   bringen heit. Das eine Bataillon setzte sich in einem Dorfe fest und Ich habe nie dem Volfe geschmeichelt und mir nie fönnen. Meine Leute setzten wohl in mich Vertrauen, aber verschoß binnen vierundzwanzig Stunden sein Pulver auf Illusionen in bezug auf seine Tugenden gemacht, da ich ich nicht in den Oberſt, welchen ich gar nicht kannte. Er die Sperlinge in der Richtung nach dem Schlosse de Bécon sehr wohl weiß, daß man von den beherrschten Klassen nicht führte uns bis beinahe nach Asnières   hinter einen Erdwall, und war darauf in der Stille verschwunden. das Unmögliche verlangen kann. Aber das weiß ich, daß welcher die Straße durchschnitt. Dort sprach er: Hier find Alle Augenblicke kamen zu uns eine Menge Individuen, man sie nicht zertreten lassen darf, da sie, wie sie sind, mit Sie in Sicherheit, Sie stehen hier in zweiter Linie, vor Ihnen vorzüglich Frauen, welche mit Geleitscheinen versehen waren allen Fehlern und Sünden, dennoch die Grundlage der sind die Scharfschüßen der Seine- et- Dise. Damit verließ und die ich nicht verhindern konnte, hin und her zu pasfiren. menschlichen Entwickelung bilden und nur auf sie die Zu- er uns, ohne uns irgend welche Instruktion zu hinter Ich war überzeugt, daß sich unter diesen Leuten viele Spione tunft gebaut werden kann. laffen. Ich wußte nicht was ich thun sollte. Ich befanden; denn, wenn wir auch Milde ausübten, ihr Gehen Wir waren aufgefordert worden, unsere Kompagnien fannte die Gegend gar nicht und doch hatte man in und Kommen zu dulden, so war es gewiß, daß die Ver­aus's neue zu bilden und es drängten sich zu den Offizier der Ecole militaire   ein Bureau zur Anfertigung von sailler nicht so duldsam waren, oder nur dann, wenn sie stellen wiederum Leute, die man vorher kaum gekannt und Kopien der topographischen Karten errichtet. Wir aber von ihnen die Erlaubniß durch werthvolle Auskünfte sich die man recht wohl im Verdachte der Absicht haben konnte, hatten feine erhalten. bezahlt machen konnten. uns zu geeigneter Beit zu verrathen. Nur um nicht noch Da ich keinen neuen Befehl erhielt, begann ich an Ein junger Mann, welcher als Schildwache am Ufer mehr derartige Individuen aufkommen zu lassen, nahm ich der Einsicht meines Obersten zu zweifeln. Man hatte der Seine poftirt war, fiel von einer Rugel tödtlich in den auf's neue ein Kommando, welches mir fast einstimmig an- wahrscheinlich zu hohe Ansprüche an seine Fähigkeiten Leib getroffen, ein anderer erhielt einen Schuß in den Kopf. getragen wurde, an. Ich begriff vollständig die ernste Ver- gestellt und er blieb deshalb in Levallois  , an der anderen Ich glaubte, daß dieser Angriff nur eine Finte sei. Ich antwortung, welche ich damit übernahm, um so mehr, als Seite der Seine. Ich beschloß also, nach eigenem Er- bestieg eines der höchsten Häuser, um mich zu orientiren ich trotzdem dadurch eine Menge zweifelhafter Persönlich messen zu handeln und mich nur auf mich selber zu ver- und bemerkte Massen von Infantrrie und Kavallerie, teiten nicht fern zu halten vermochte. Laffen. welche in die entgegengesette Richtung, von woher der An­

Erinnerungen eines Kommunarden. fiftlichen Wefehl und führte uns auf den Bahnhof Ich dachte wohl daran, Barrikaden zu errichten und ſo

Es tostete ungeheure Mühe, unser Bataillon frisch zu Jch fing damit an, mir möglichst klar über meine griff erfolgt war, parallel mit unserer Aufstellung mar­organisiren und bei den vielen Meinungsverschiedenheiten, Lage zu werden. Mit einigen hundert Mann hatte ich schitten, um uns zu umgehen. Durch ein lebhaftes Feuer welche herrschten, waren unsere Leute zu einer Aftion gar eine Linie von mehreren Kilometern zu vertheidigen. unsererseits wurden sie zwar aufgehalten, doch war es nicht zu verwenden, sondern wir dienten eine Zeitlang nur Ich forderte schriftlich sofort zwei Bataillone zur Ver- augenscheinlich, daß auf die Dauer unsere Stellung nicht zu dazu, den inneren Dienst zu versehen und das Stadthaus, stärkung. Viele Mannschaften befanden sich zerstreut halten war. den Vendômeplay u. f. w. zu besezen. in den Schenken von Asnières   und Levallois  . Das,

( Fortsetzung folgt.)