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Nr. 631 37.Jahrgang Ausgabe B Nr. 178

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Telegramm- Adrene

Sozialdemotrat Berila.

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Vorwärts

Berliner Volksblatt

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Zentralorgan der fozialdemokratischen Partei Deutfchlands

Redaktion und Expedition: SW. 68, Lindenstr. 3.

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Montag, den 27. Dezember 1920

Karl Legien  .

Vorwärts- Verlag G.m. b. H., Sw. 68, Lindenstr. 3.

Fernibrecher: Amt Morisvlas, Nr. 117 53-54.

Dem toten Kameraden!

Von Robert Schmidt

Wenn auch die Arbeiterbewegung nicht das Werk eines einzelnen ist, weil sich aus der ökonomischen Gestaltung der fapitalistischen Gesellschaft die Trebfräfte für ihr Werden selbst entwickelten, so bleibt doch die geistige Beeinflussung. das Zusammenfassen ihrer Kräfte, die Führung zur Ent­faltung ihres Einflusses, denen überlassen, die aus der Masse Mitten in das Weihnachtsfest traf die schwere Nachricht Aller Romantik und allem Phrasennebel blieb er aber stets emporstiegen, getragen von ihrem Vertrauen, um ihnen Weg­vom Hinscheiden unseres Genossen Starl Legien, des Vor- weltenfern, und die Leidenschaft blieb stets durch die gleiche weiser zu sein. Ein solcher Wegweiser der deutschen   Ge­sitzenden des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes  , des Stärke kritischen Verstandes gezügelt. So wurde Legien   einer werffchaften war Ral 2egien, mehr wollte er nicht fein; hervorragendsten Vorfämpfers und Führers der deutschen   Ge- der großen Realpolitiker der Arbeiterbewegung. er geizte nicht nach Popularität, ihm genügte es, an der werfschaftsbewegung. Sie traf nicht bloß die zahlreichen Als solcher hat er noch im Kampf gegen den Kapp Spize der deutschen Gewerkschaften, ohne Aufdringlichkeit und persönlichen Freunde dieses außerordentlichen Mannes, nicht Butich entscheidend und unerschrocken mitgewirkt, als Drohne viel von fich reden zu machen, in Neib und Glied in nur die Hunderttausende, die Gelegenheit hatten, mit ihm in ganisator des Generalstreiks, dessen Führer von den Ver- Stampfesfront zu stehen. Berührung zu kommen und sich ein dankbares Erinnern schwörern mit Todesstrafe bedroht waren. Seine letzte politische daran bewahrten, sondern auch die Millionen der gewert Tat war aber seine große Rede gegen die Belegung ließ, daß er die Führung hatte, aber gerade deshalb einen Und doch war erein Führer, der nicht immer merken schaftlich organisierten Arbeiter Deutschlands   und darüber des Ruhrrevier auf dem Londoner Gewerkschafts- ungweifelhaften Vorzug bot. Nicht am Kleinen und Unbedeu­hinaus die ganze internationale Gewerkschafts- fongreß, deren ungewöhnlich starken Eindruck die gesamte Aus- tenden haftete er; die Unterordnung wurde ihm nicht schwer, welt, die in ihm einen ihrer bedeutendsten Köpfe verehrte. Landspresse widerspiegelte. wenn es gegen seinen Willen ging; aber in Fragen, wo er Gewiß wissen wir, daß die Geschichte nicht das Werk Menschlich war dieser Mann, der im Politischen   hart sein glaubte, es handelt sich um einen folgenscheren Schritt, da einzelner Menschen ist und daß am allerwenigsten die großen fonnte, von einer Güte, die fast an Weltfremdheit grenzte, und beugte sich fein starrer Sinn nicht und bis zum letzten fette fozialen Massenbewegungen einzelnen Heroen ihr Entstehen von einer Weichheit, die eigene Rot eher ertragen fonnte als er feinen nicht geringen Widerstand ein, mit zäher Ausdauer berbanken. Aber, wenn Massenbewegungen schöpfen soviel fremde. Const, wo es politische und gewerkschaftliche Mit- das Biel verfolgend, den Gewerkschaften zu Kraft und Ansehen heißt, wie ihre Bedeutung schon im Reime erfennen, fie bor- arbeit galt, war sein Vertrauen schwer zu gewinnen, aber zu verhelfen. bereiten, ilyen die Hindernisse wegräumen und sie in die rich noch schwerer zu verlieren. Was er als echt erkannt baise, In den Vorstandskonferenzen haben wir ihn oft von dieser tige Bahn lenken helfen, dann ist Legien   wenigstens in diesem daran hielt er fest. Seite fennen gelernt, und gelang es ihm nicht, durchzudringen Sinne ein Schöpfer der GewerFichaftsbewe. Nehmt den ganzen Mann, wie er war, so war er als Per- in diefer oder jener Frage, so gab er hart und abweisend die gung gewesen, und ein geradezu beispielloser Erfolg hat das fönlichkeit des öffentlichen Lebens und als Mensch eine ganz Antwort: hr werdet wiederkommen, ich habe doch recht!" Werk dieses Mannes gefrönt. ungewöhnliche Erscheinung, sein zu früher Tod reißt eine faum Nicht Rechthaberei flang aus diesen Worten, sondern die Ueber­Die gewerffchaftliche Organisation, bie heute eine zu füllende Lüde, auf ihn und fein Werk stolz zu sein haben zeugung eines Mannes, der ganz aufgina in feinem Lebens­Selbstverständlichkeit ist, war dies vor dreißig Jahren noch alle ein Recht, denen er gehörte: die Gewerkschaften und die werk und es peinlich hüten wollte vor jedem Fehlgriff. Lange nicht. Der ganzen bürgerlichen Welt galt sie als eine Partei. Die fleinen Propheten von gestern und vorgestern, die Diesen Mann mußten die deutschen Gewerkschaften Gesellschaft von Streithepern", die der behördlichen Obhut das alles besser verstehen und die ihn schonungslos herunter haben, denn der Weg zu ihrem Aufstieg war durch viele Sinder­aufs angelegentlichste empfohlen wurde, aber auch innerhalb riffen, weil er ein Sozialdemokrat, ein Rechtssozialist" niffe gesperrt und mancher hätte die Ausdauer verloren bei den der Arbeiterbewegung selbst hatte fie mit nicht geringen blieb, follen ihm erst einmal nachmachen, was er vorgemacht mühen und Beschwerden, die sich hier auftürmten. Regien war Schwierigkeiten zu fämpfen, da fie den Extremisten der alten hat, sie sollen erst in einem Menschenalter ihre Treue zu einer nicht der Mann, der vor seinen Widerfachern zurückwich; mit Sozialdemokratischen Partei als bedenklich galt, andererseits Sache bewähren, bevor sie ernstlich mitreden fönnen. Die Fühler Muhe wartete er die weitere Entwicklung ab. der Lärm aber auch von manchen politischen Organisatoren als unbe- Werke, die er weitschauend, furchtlos mitgeschaffen hat, perlor fich, und gar bald batte sich das fo viel Angefeindete in quemer Wettbewerb empfunden wurde. Gegen alle diese Partei und Gewerkschaften, werden bestehen bleiben, aller Stille gefestigt. Diefe Taftik hat der deutschen   Gewerf Semmnisse von rechts und links bat fich die Gewerkschafts- froß allem, was an Eleinen Bernichtungsgeistern in der Netorte schaftsbewegung viel genügt; fie ift nie in dem Maße wie die bewegung durchgesetzt, und daß sie das fonnte, verdankt fie des leberradifalismus berumquirit, trop Verratgeschrei, politische Arbeiterbewegung in theoretische Streitfragen ber­vor allem dem vorausblickenden Scharfblid Legiens und Spaltungsarbeit und kommunistischen Bellen. widelt geteien, da fie immer wieder auf ihre Tagesarbeit ver­feiner genialen Ueberlegenheit in der Behandlung aller taf­fischen Fragen.

Legien   fonnte ein Führer sein, weil er in feinem Wesen wiesen wurde, die sie zu Spintisierereien nicht kommen ließ. Maffe" blieb, weil er den Typ des deutschen   Proletariers Regien hat nicht wenia dazu beigetragen, diesen inneren Un­Die biographischen Notizen aus dem Leben Regiens find verkörperte mit seinem glühenden Befreiungsdrang, mit frieden fernzuhalten. Er tat gut daran, denn die Geverffchaften reich erschöpft, um aber einen eigentlichen Inhalt zu erzählen, feiner Beständigkeit und Bähigkeit im Festhalten des als fonnten mur gedeihen im einheitlichen Busammenfaffen ihrer müßte man die Geschichte der ganzen deutschen   Gewerkschafts  - richtig Erkannten, mit seinem Flaren Wirklichkeitsräfte. Nach der Richtung ging bis zulett fein ganzes Birken betwegung schreiben. Legien   war am 1. Dezember 1861 u sinn. Nur darum fonnte Legien fo überragenden Einfluß und Streben, denn gegenwärtia steht diese Gefahr größer denn Marienburg   in Westpreußen   geboren, er besuchte in Thorn gewinnen, weil Hunderttausende und Millionen in ihm i brie vor der deutschen   Gewerkschaftsbewegung. die Bürgerschule, erlernte dort das Drechilerhandwerk, zog eigenes Wesen auf einer Stufe gehobener Geistig­13 Regien 1890 an die Spitze der Generalfommission als Handwerksbursche durch Deutschland   und begann, 25jährig, feit erkannten. Das Bild seiner Leistungen läßt sich in der Gewerfichaften Deutschlands  " berufen wurde, war die im Jahre 1886 feine gewerfichaftliche Tätigkeit. Wenn er, biefen wenigen Reilen nicht erschöpfen, darüber wird noch Bahl der Mitglieder nur flein, mit den 277 000 Mitgliedern, noch nicht 30 Jahre alt, Vorsitzender der Vereinigung der mehr zu sanen sein. Aber das Bild feiner Persönlichkeit steht die in den letzten Jahren des Sozialistengefebes fich wieder Drechsler Deutschlands   und, 1890, Borsitzender der damals in diesem Augenblid, in dem sein Körper zerfällt, klar und zusammengefunden hatten, war herzlich wenig anzufangen. gegründeten Generalfommission der Gewerbell vor uns als das Bild eines deutschen   Arbeiters Die Soffnung, daß nun nach dem Fall des Sozialistengefetes schaften Deutschlands   werden fonnte, jo erflärt sich im höchsten und besten Sinne diefes Worts. Der Mann geht, die Gewerkschaften schnell aufwärtsgeben würden, erwies fich das zum Teil gewiß aus der Jugend und Kleinheit der da- das Werk bleibt, denn die deutschen   Arbeiter bleiben. Sie als trügerisch. Der Streit um die Organisationsform. die maligen Bewegung, vor allem aber auch daraus, daß die werden es fortieten und werden es verteidigen, menn Verfolgungen durch das reaktionäre preußische und sächsische Kollegen seine außerordentlichen Geistes- und Charafter- es nottut. Und wenn einmal ein Künstler der Rukunft ein Vereinsgefet warf die Gewerkschaften zurüd. Die Beitrags­eigenschaften rasch erfannt hatten. Monument schafft, das die Befreiung der Arbeit dar- sabling war gering; mit einer Einnahme von rund einer ftellt, werden wir unter den vordersten Gestalten die Züge million im Jahre ließ sich nicht viel anfangen, und der Vor­wiederschauen, die wir im Leben kannten. fitende der Generaffommission mußte sich damals mit einem Monatsgehalt von 158 M. durchschlagen.

Legien   ist seitdem dreißig Jahre lang Börsihender der Generalfommission geblieben, die im Vorjahr den Namen Allgemeiner Deutscher   Gewerfichaftsbund annahm, die zur Beit ihrer Gründung faum 300 000 Organisierte hinter sich sah, heute aber rund 8 millionen schaffender Mämmer und Frauen unter ihren Fahnen vereinigt. Diesen gewal tigen Aufstieg hat Legien   miterlebt, richtiger, er ist ihm vor angegangen, er war fein Herz und seine Seele.

Beileidskundgebungen.

Der Reichs präsident hat folgendes Schreiben an Mit vielem Fleiß ist es gelungen, aus diesen bescheidenen den Allgemeinen Deutschen   Geverfichaftsbund gerichtet: Anfängen die freien Gemerschaften bis vor dem Kriege zu Das plöbliche Binscheiden Karl Legiens, Ihres Vorsitzenden, einer Mitgliederzahl von 2% tillionen heraufzubringen und erfüllt mich mit diefem Schmerz. Mit Karl Legien   fintt einer die Einnahmen auf 82 millionen Mark zu stei­der hervorragendsten Männer Deutschlands   ins gern. Zu diesem Erfolg haben brave Rameraden und treue Grab. Bas er in mehr als dreißigjähriger gäber, tatkräftiger Ar- Freunde, die vor Legien   die Augen geschlossen haben- ge­beit für die Gewerkschaften der Arbeiter geschaffen hat, ist unbernannt seien nur Karl Iob. v. Im, Bömelburg und gängliche Kulturarbeit. Ueberall in der Welt, wo die Döblin  - ihren redlichen Anteil beigetragen. Sente Gewerkschaften Wurzel gefaßt haben, wird der Tod Karl Legiens gehören dem Deutschen Gewerkschaftsbund 59 Gewerkschaf tief beklagt werben. Für den Allgemeinen Deutschen   Gewerkschafts- fen mit rund 8 Millionen Mitgliedern an eine achtung­Sund ist der Berlust Legiens ein schwerer Schidsaleschlag. Geien gebietende Bahl, die zu vermehren und einig zufammenzuhalten Sie meiner herzlichen Teilnahme versichert. das redlichste Bemühen Karl Begiens war.

Dem Reichsta a hat er seit 1893, mit einer fünfjährigen Unterbrechung von 1898--1903, angehört, und zwar immer als Vertreter von Riel Seine parlamentarische Tätigkeit stand im Dienste der Gewerkschaften, der Sozialpolitik und des Arbeiterschutes. Standen entscheidende Fragen dieser Ge­biete auf der Tagesordnung, dann konnte man darauf rechnen, den mittelgroßen Mann mit dem grauen, immer weißer wer denden Saar   auf der Rednertribüne zu sehen, der nie mit übergroßem Bathos, aber stets mit bezwingender fachlicher Schärfe sprach, der nie große Redensarten gebrauchte, aber Der Parteivorstand richtete an den Vorstand des immer mit rücksichtsloser Treffsicherheit aussprach, worauf Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes   folgende Kund­es anfam. So baben wir ihn auch auf den Gewerkschaftskon- gebung:

Gbert, Reichspräsident

Was unter der Leitung von Legien   die Generalfom­mission resp. der Gewerkschaftsbund im Interesse der deut­ schen   Arbeiter geleistet haben, läßt sich im einzelnen nicht aufzählen. Im Vordergrund stand der Ausbau der Gewerk. schaften, um die Lebenshaltung der Arbeiter zu bessern. Nach greffen und auf den Parteitagen gesehen, wo es die grundsäß- Legiens Tod bedeutet einen gleich fäweren Berlust für Euch vielen Mühen gelang es Legien  , feine Lieblingsidee, einen fichen Fragen des Verhältnisses zwischen Bartei und Gewerf- wie für uns. Die Einheit der gewerkschaftlichen und der po- 3entralfonds für Streifunterstützung durch schaften zu regeln galt. litischen Arbeiterbewegung fand in ihm ihre stärkste Verkörperung. zutießen. Er wies darauf hin, daß ohne größere Mittel ein Begien war kein sogenannter Stevisionist". In Privatge- Bartei und Gewerkschaft. die so oft gemeinsame Erfolge Lohnkampf gegen die gewaltigen Machtmittel des Unter­sprächen, mehr noch als in der Oeffentlichkeit, liebte er es 311 be- erftritten, find beute vereint in Trauer um den unerfeglichen nehmertums nicht möglich sei, das zeige jeder ausgedehnte tonen, daß er eigentlich ein Radikaler" sei. Diefer echte Radi- übrer. Das stolze Werk aber, das er als erster mitgefchaffen, die Kampf der Arbeiterschaft. Es gilt die Kräfte zufammenzu­Falismus entsprang der Stärke feines Temperaments und große gewerkschaftliche Organisation der Arbeiterllaffe, möge allen faffen, die Mittel zum Angriff und auch zur Abwehr zu feiner stets bereiten Reigung zu durchgreifendem Handeln. Stürmen tropen! vo Stärken.

gd med