Nr. 252.
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Vorwärts
11. Jahrg.
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Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.
Sonntag, den 28. Oktober 1894.
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Arbeiter! Parteigenossen! Trinkt kein boykottirtes Bier!
Gegen den Umsturz.
Bur Kanzlerund Ministerkrisis.
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Ministerpräsidenten diese Auffassung von der, Taktlosigkeit" des Caprivi- fre undlichen Blattes in die Ohren geblasen wurde. Dann sei er, ganz umgestimmt gegen Caprivi , nach Potsdam heimgekehrt. Wir registriren auch diese Behauptung und überlassen es den königstreuen Verfechtern von Sitte und Ordnung, die Kommentare dazu zu schreiben. Viel leicht erfährt man mit der Zeit doch noch Genaueres und Zuverlässiges darüber, wie in Preußen- Deutschland Minister gestürzt und gemacht werden.
Der Schlachtruf, der die Parteien der sogen. Ordnung einigen sollte gegen die Sozialdemokratie, hat die, an welche Zusammen treten sie ab vom politischen Schauplage, er sich richtete, nur zersplittert, die zwietracht in ihre Reihen die beiden Gegner im preußisch deutschen Ministerrathe: geworfen, und den giftigsten Hader um niedere Interessen sowohl Graf Caprivi wie Graf Eulenburg sind entlaffen. fragen erweckt. Selbst in den obersten Regionen, von denen Die bürgerlichen Kreise wissen sich nicht zu fassen ob dieses die Einbildung der einen, der Köhlerglaube der anderen Doppelabtritts. Weder bei den Freisinnigen, die seit den Wir haben keinen Anlaß den Grafen Caprivi als das Wohl und Wehe der Menschen ausgehen sieht, herrscht die Handelsverträgen den Grafen Caprivi verehren, noch bei den vollendetste Rathlosigkeit; die einen wollen die Umsturzparteien Konservativen, die auf den Grafen Eulenburg bauten, ist von unseren Freund zu feiern. War doch seine letzte ThätigSiegesfreude etwas zu spüren. Das bezeichnendste an dem keit darauf gerichtet, ein feinmaschiges Net zusammen durch Polizeigesetz gewaltsam erdrosseln, die andern durch ganzen Vorkommniß ist, daß der Minister- Doppelsturz zuknüpfen, in dem die Sozialdemokraten sich verfangen sollen. Kautschuk- Paragraphen fie milde ersticken-undbeide Theile keineswegs erfolgt ist, weil die Politik des einen oder( Siehe nähere Mittheilungen über Caprivi's Pläne weiter sind einander so heftig in die Haare gerathen, daß plöglich andern mißbilligt worden wäre vom Volke, weil ein Par unten.) Daß das Netz nicht so plump sein sollte wie das lamentsvotum ihnen die Fortregierung unmöglich gemacht verbrauchte Sozialistengesetz, daß es zahmer war als eine Minister und Kanzlerkrise entstanden ist. Graf hätte das Mißtrauensvotum einer Boltsvertreter die vom Grafen Eulenburg geplante Polizeifalle, Caprivi und Graf Eulenburg, die Hauptvertreter der Versammlung schädigt teine preußischen Minister macht dessen Urheber noch immer nicht zu unserm Freund. zwei, das gleiche bezweckenden Methoden haben gleichzeitig sondern weil ein plöglicher Entschluß des Monarchen lang- Aber wenn auch unser Gegner, war Graf Caprivi doch ihre Entlassung eingereicht, und diese ist auch an- wierigen Zwistigkeiten zwischen beiden Ministern durch die immer ein ehrlicher und anständiger Gegner, der die kleinlichsten Verfolgungspraktiken verschmähte, durch die so genommen worden. Das Chaos in den leitenden" Entlassung beider ein Ende gemacht hat. Da ist es nun erheiternd zu beobachten, wie die feind manche andere Staatsmänner sich selbst und das Vaterland Kreisen scheint unentwirrbar, nachdem den leitenden lichen Brüder in der bürgerlichen Presse sich gegenseitig be- entehrt haben. Niemals auch hat er die Klinke der GesetzPersönlichkeiten der Faden und die Zügel entfallen sind. schuldigen, durch Intriguen bei Hofe den Doppelsturz herbei- gebung und Verwaltung zu seinem eigenen Vortheile ges Und dafür können wir dem jetzt zurücks Wir Sozialdemokraten stellen die Thatsache einfach festgeführt zu haben. Soviel steht fest, daß die leidige Um handhabt. stellen fest, daß der Bankrott der gegen den Umsturz sturzbekämpfung den Bankapfel zwischen Caprivi und tretenden Staatsmann, der sich zu seiner Erholung bereits schreienden Parteien so gründlich ist, daß sie nicht einmal Gulenburg abgegeben hat. Und da soll nach Versicherung auf den Weg nach Genf gemacht hat, unsere Anerkennung nicht der Caprivi- freundlichen Köln . 8tg." anfangs der Kaiser versagen. Graf Caprivi hatte sich die utopische ufgabe wissen, was sie unter Umsturz" verstehen. Mögen unsere ganz mit dem zahmeren Cadrivi Plan sich einver- gestellt, im reinen„ Staatsinteresse", ohne Hätschelung der Feinde sich weiter streiten uns kann es recht sein; standen erklärt haben. Dieses Triumphlied scheint die Klasseninteressen, den Staat zu regieren. Er war sich dessen mögen sie sich vereinigen- uns kann es gleich sein. brave Kölnerin nun aber zu laut angeſtimmt zu haben. nicht bewußt, daß er selbst von Klassenvorurtheilen durch Jumitten dieses wogenden Durcheinander, dieses wüsten Sie gebrauchte die Wendung, der Kaiser siehe in dieser Frage tränkt war und für das allgemeine Staatsinteresse ansah, hinter dem Kanzler". was doch nur das Interesse der bevorrechteten Klassen Lärms der herrschenden Klassen bleibt die Sozialdemokratie Obgleich war. Kurs" Was kann man sich dabei nicht Alles denken! Steuern er unversehens doch doch wiederholt in Die„ Kreuz- Zeitung " verkündet heute feierlich, der Kaiser wollte, lenkte ruhig und fest, und schaut mitleidig herab auf die Die Ohnmächtigen, die der gewaltigsten Kulturbewegung, von sei von dieser Interpretation seiner Absichten feineswegs die ausgefahrenen Geleise des alten Kurses ein. der die Geschichte uns Kunde giebt, Fesseln anlegen wollen. erbaut gewesen". Er habe es ist das nicht unsere amtirende Büreaukratie hat unter seinem Regime gerau Version den Grafen Caprivi diese Rederei des offiziösen in dem nämlichen Geiste gewirthschaftet wie vorher. Mit stolzer Zuversicht nehmen wir den Kampf auf, werde Blattes entgelten lassen und, da dieser für seine Breffe" hat bei Aufhebung des Sozialistengesetzes im Kleinen zu er geführt, von wem er wolle und wie er wolle! Was eingetreten sei, das Abschiedsgesuch des Kanzlers genehmigt. forrigiren gesucht. Liberale Blätter ergänzen und verbessern dieses Histörchen immer tomme, die deutsche Sozialdemokratie ist auf alles vorbereitet, und unter allen Umständen des Sieges gewiß. noch durch die Koulissengeschichte, daß dem Kaiser erst bei seinem Besuche in Liebenberg beim Grafen Philipp EulenHoch die Sozialdemokratie! burg , dem Botschafter in Wien und Bruder des entlassenen
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Feuilleton.
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Nur in der Handelspolitik hat der Graf Caprivi, der Mann ohne Ar und Halm", andere Bahnen einge schlagen als der junkerfreundliche Fürst Bismarck . Das bat ihm den glühenden Haß aller Agrarier und einen und das Recht hätten über Leben und Tod der Republikaner Es waren dies mein edler Bruder und sein alter Freund zu entscheiden? Das was wir heute thun, tann man viel der Polizeibeamte, dessen Bekanntschaft wir bereits früher leicht morgen uns wieder zufügen. Ein alter Polizeichef gemacht. Der Baron hatte wahrscheinlich in einem Fiaker, hat mich ein lateinisches Sprichwort gelehrt: Hodie mihi, bedeckung gegen einen breitkrämpigen Strohhut vertauscht Sie haben heute merkwürdige Bedenken. Sie vergessen,
" Ju der Mairie, auf meinem Bureau!"
Erinnerungen eines Kommunarden. er in einiger Entfernung hielt, seine militärische Kopf cras tibi!„ Heute mix, morgen Dir!"-
Aus dem Französischen von Jakob Audorf. Aber ich kenne seine Adresse nicht."
und über seine Uniform trotz der warmen Jahreszeit einen wie es scheint, das Sprichwort, daß nur allein die Todten weiten Mantel geworfen, um sich untenntlich zu machen. nicht wiederkehren. Aber es ist ganz gleich, ich werde Ihnen Da nicht eine Minute zu verlieren ist, so ent- Der Polizei- Agent war zum Polizei- Kommissär befördert den schriftlichen Befehl, welchen Sie wünschen, ausfertigen. fchuldigen Sie, daß ich gehe und mich anderswo er- und zwar von Herrn Thiers, dessen Regierungssystem eine Aber verstehen Sie wohl, es ist das nur für Ihre iaene fundige." Verschlimmerung des Kaiserreiches war, nur mit ihm, dem Sicherheit und der Inhalt des Papiers bleibt unter uns. Sie werden sich dieses Schriftstückes nur dann bedienen, Damit verabschiedete sich der Baron, seinen Zorn ver- Herrn Thiers, an der Spitze. beißend. Er konnte wohl errathen, daß Sylvia meine Der Polizeikommissar verließ den Baron. Ersterer ver- wenn man wirklich von Ihnen Rechenschaft verlangt. Der Baron Meylan schrieb: Adresse wußte, jedoch sich fürchtete, sie ihm anzuvertrauen. Lor seine Zeit nicht, um Sylvia zu verfolgen, er war in Berhaftungsbefehl. Es war seine fire Idee sich meiner zu entledigen, jedoch solchen Sachen ein alter Praktikus. Herr v. Meylan bestieg immer, indem er sich den Anschein gab, als ob er sich für mein Schicksal interesfire, um sich ein Mittel zu bewahren, nachher die Zuneigung von Sylvia zu gewinnen.
Sylvia mußte natürlich aufs Ernstlichste bedacht sein, sich mit mir über ihre Haltung meinem Bruder gegenüber zu berathen. Doch wagte sie sich erst nach geraumer Zeit und nachdem sie sich überzeugt glaubte, daß niemand sie beobachte, aus dem Hause. Als sie den Boulevard entlang ging, schien sich niemand um sie zu bekümmern.
wieder seinen Fiacre, legte dort das Kleid eines Polizeispiels ab, um wieder in seiner fleckenlosen Uniform zu erscheinen, und begab sich in sein Bureau. Er unterzeichnete eiligst einige Todesurtheile. Doch war dies für seine Thätigkeit nicht genügend. Man war bereits Anfangs Juni, und die Hin richtungen waren schon etwas weniger massenhaft geworden seit vergangenem Sonntage, dem Tage der Befreiung von Paris ." Dies erklärte auch die Vorsicht des Polizeimannes, als er von seiner Mission zurückkehrte.
Der Polizeikommissar Guichet ist ermächtigt, den Jacques Meylan zu verhaften, wo er ihn betrifft."
Meylan !" wiederholte zweifelnd der Polizeimann. " Wir haben denselben Namen," versezte kaltblütig der Baron, und gerade deshalb halte ich persönlich darauf, daß er seiner Strafe nicht entgeht. Diese Namensähnlichkeit ist für mich eine Beleidigung und der Mensch, um den es sich handelt, ist ein Bandit der ärgsten Sorte, einer der un verbesserlichsten und gefährlichsten Republikaner ."
Dennoch war sie nicht unbeachtet geblieben. In einem Mein Oberst," sprach er, unser Unternehmen hat voll-" Ich füge dem Schriftstück noch hinzu," fuhr der Baron Weinhause der Nachbarschaft, von welchem aus man die kommen reussirt. Die junge Dame ging direkt zum Boule- fort:" Der' enannte ist angeklagt, ein Kommando in der ganze Straße übersehen konnte, ohne bemerkt zu werden, vard Sebastopol. Sie bemerkte nicht, daß ich ihr folgte. Bande, welche die gefeßmäßige Regierung stürzen wollte, faßen zwei Männer, welche sich eifrig und mit gedämpfter Ich kenne das Haus, welches sie betrat, in welche Etage geführt und gesetzwidriger Weise die Uniform eines Offiziers Stimme unterhielten. fie gegangen, und sogar den Namen der Leute, bei welchen getragen zu haben." Das Schriftstück wurde unterzeichnet und besiegelt und Geht da, das ist sie! Merkt Euch genau die Farbe voraussichtlich der Mann verborgen ist, welchen Sie suchen." ihres Kleides. Verfolgt sie mit Vorsicht, denn sie ist Sie hätten denselben sofort verhaften müssen. Er als der Ausfertiger desselben es dem Polizeimann ein sehr schlau. Merten Sie sich genau die Adresse, wohin kann jeden Augenblick entfliehen oder seinen Aufenthaltsort händigte, verabschiedete er letteren mit den Worten: Lassen Sie dieses Mandat nicht aus den Händen, sie sich begiebt. Im Namen unserer alten Freundschaft wechseln. übernehmen Sie diesen Auftrag, sprechen Sie von dieser" Ich hatte aber feinen schriftlichen Verhaftungsbefehl ohne daß die äußerste Nothwendigkeit Sie dazu zwinge Angelegenheit zu Niemand und seien Sie meiner ganzen und ich will die Verantwortung nicht auf mich nehmen. und vor allem an niemanden ein Wort über diese Ans Dankbarkeit versichert." In unserer Zeit kann man auf niemand und überhaupt auf gelegenheit. Rechnen Sie ganz auf meine Verschwiegenheit. Ich Wahrhaftig, Baron, nur um Ihretwillen unterziehe nichts rechnen. Das Rad dreht sich und die Sieger von ich mich diesem untergeordneten Dienste. Wo werden wir heute sind morgen schon die Besiegten. Wer hätte mir am verstehe zu schweigen wie das Grab," erwiderte der Polizeis 4. September gefagt, daß wir acht Monate später die Macht kommissär, indem er sich entfernte.( Forts. folgt.) uns treffen?"