€{n Schulprogramm. Don Paul Oest reich. Die Prooinzialverbände der„Arbeitsgemeinschaft sozial- demokratischer Lehrer und Lehrerinnen Deutschlands " hatten den Auftrag, Richtlinien für die einzelnen Teile des Schul- Programms der S.P.D. aufzustellen. Auf der Wechnacyts- tagung der Arbeitsgemeinschaft wurden diese Entwürfe einer ersten Sichtung unterworfen und die Gesamtprogramme von Berlin und Hamburg als gleich wertvolle Grundlagen erklärt, der eine mehr den inneren Aufbau berücksichtigend, der andere besonders den Eigenwert der Jugend, die Schule als Stätte der Iugendkullur betonend. Es wurde als erwünscht erklärt, die Berliner und Hamburger Gedanken und Formulierungen zu verschmelzen, um dann dem Parteiprogrammausschuß einen Einheitsentwurf vorlegen zu können. Das erscheint seyr möglich. Der Gedankenwurf, der den agitatorisch in der Landtagswahl tätigen Genossen jetzt vielleicht recht wert- voll sein kann, würde— in straffen Zügen— dann etwa so aussehen: I. Kritik und Aufgabe. Wie der heutige Staat, so ist die heutige Schule ein Instrument der Ausbeutung zugunsten der durch den Besitz herrschenden Gesell- fchaftsschichten. Die Klassenscheidung bestimmt ihren äuheren Aus- bau wie ihre innere Gestaltung: Autorität, Drill, Uniformierung. Die Anlagen und Kräfte der Jugend werden nur dürstig entwickelt. Die Schule verlor den Zusammenhang mit den schöpferisch gestaltenden Kräften, sie hemmte die Daseinsfreude der Jugend, sie erreichte nicht die höchste persönliche und gesellschaftliche Leistungsfähigkeit ihrer Zöglinge, sondern schuf Vorrechte und..Berechtigungen" als Schutz- mittel bestimmter„besserer" Gesellschaftskreise. Wahre und wesenhakte Bildungs- und Kulturstätte kann die Schulz erst nach Eroberung der politischen und wirtschafllichen Macht durch die Arbeiterklasse werden. Noch Vergesellschaftung der soch- lichen Produktionsmittel kann und wird ste die Schulerziehung zur höchsten und oermrtwortungsvollsten gesellschaftlichen Ausgab« machen. Sie wird weder Spaltungen der Schülerschaft nach Stand, Klosse, Besitz, Konsession und Geschlecht noch eine Schichtung der Lehrer- schaft nach„Vorbildung" und Standesdünkel dulden. Die sozialistische Schul« baut sich auf gemäß den körperlichen, geistigen und sittlichen Anlagen und Kräften der Jugend und den gesellschaftlichen Bedürf- nisten. Sie zieht alle Mittel pädagogischer, psychologischer und soziologischer Wiflenschast heran, um die Erziehung der Massen, die Entwicklung der Kräfte in breitester Front zu fördern. Volkswirtschaft und Schule müssen in engen Zusammenhang gebracht werden, um den erreichten Kulwrzustand in seinen wirb jchoitlichen Grundlagen zu erholten und darüber hinaus zu neuen Produktions- und vollkommeneren gesellschaftlichen Daseinsformen vorzudringen. Deshalb muß die sozialistische Schule aar allem eine wahre A r- beitsschule sein, die durch Arbeit zur Arbeit erzieht, die auch in unmittelbarer Betätigung am materiellen Stoff, durch Hand- habung der Werkzeuge Menfchengeist und Menschenkraft wachsen läßt: geistig« Ausbildung und materiell« Produktion feien ver- guickt. Statt der Schulklassen mögen nach natürlicher Begabung und Neigung gebildete Arbeitsgemeinschaften, Quellen eines neuen Ge- meinschoftsgeistes. treten. Zwischen der Schule als Auslösung«- statte schöpferischer Kraft Im Kinde, als Ort der Forschung, der Kunst, des darstellenden Gewerbes und der Arbeit in Akademie und Lehr- werkftatl besteht kein Unterschied: beides Teile der Gesamtiuttur des geistig schaffenden Volkes. IL Kind und Schule. Die Bildungsaufgabe der Schule ist die Hsrousformung des sozialen Menschen als der wichtigsten Voraussetzung für die.Erneuerung der Völker. Aus dem Kinde soll ein unoerbiweter und. unverdorbener Mensch werden. Darum ist feige Menschenwürde stets zu achten� dazu muß die Schul«, als«ne Geineinsch'kststat ins Bolksbewußtsein erhoben, die L e b e n s st ä t t e der Jugend werden, nicht von der Gesellschaft losgelöst, sondern Ihr glückliches, lebendiges Glied. D!« Schule fei der Weg des Kindes zu stch selbst. Vorwegge- nommen«„Ziele", festgelegte Wege der Erziehung bedrohen die Selbftfindung des Kindes. Deshalb muß die Schule frei von jedem Gesinnunqszwang, unpolitisch und unkirchlich sein: Stätte steusren und feinsten Menschentums. Der Gedanke der Unversehrtheit des Kindes hat die Schule zu beherrschen: sie hat nicht das Leben zu unterbrechen, sondern zu erfüllen. III. Lehrer und Schule. In dieser Arbeitsgemeinschaft ist der Erzieher Führer. Helfer und Berater, seine Autorität gründet sich auf seine Befähigung und die innere Zustimmung der ihm Anvertrauten. An Stelle des durch Rana, Stand und Titel getrennten Lehrerstandes tritt gemäß der Gleichwertigkeit der pädagogischen Ausgabe ein auf ollen Stufen innerlich verbundenes, sozial gleichgewertetes Erziehertum, dos mit höcksster aeistiaer und sittlicher Bildung praktische Befähigung ver- bindet. Im Zutunstslehrer muß der Gegensatz von Kops- und Hand- arbeiter aufgehoben sein. Die Kunst der Menschenbildung und Menlchensührung verbindet«r mit der Fähigkeit zur Bestellung des Bodens, zum Gebrauch des Handwerkszeuges, zur Bedienung und zum Vau der Moschinen. IV. Der Aufbau. Die allumfassend«, durch ihren elastischen inneren Aufbau allen Individualitäten gerecht werdende Gemeinschaftsschule der Zukunft macht die setzte Sonderung in Volks-, Mittel- und höher« Schulen überflü'stg. Di« Mannigfaltigkeit der menschlichen Veranlagungen und Entwicklungen, der wirtschafllichen und sozialen Umstände ver- bieten jede Starrheit und Einförmigkeil der Organisation. Das flutende Leben selbst hat sie gemäß den örtlichen Möglichkeiten zu gestalten. Dem für alle verbindlichen Kindergarten folgt die Volksschule. Sie vollzieht die Emporbildunq aller dem Kinde eigenen Kräfte, bis Neigung, Fähigkeit und Willen ein« bestimmte Lebens- und Berufsrichtung sicher andeuten, in den meisten Fällen nach der etwa!m 16. Lebensjahr erreichten Pubertät. Bis dahin beherrscht deutsches Kulturgut die Schulung: stemde. Sprachen wer- den nach Neigung und Bedürfnis in besonderen Arbeitsgemein- schaften gepflegt. Ein Stamm von Bildungsgütern ist für alle ver. bind'ich: doneben treten später Arbeitsgemeinschaften intellektueller, praktischer, künstleri'cher Art. Durch die Wahlsreiheit der Neigungs- fächer ist die Einstellung nach Begabungsrichtung und-kraft jeder- zeit gewährleistet. In der Kernbildung aber stimmen die Schulen allenthalben soweit Überein, daß beim Ortswechsel nur eine Ver- änderung in der Beteiligung an wahlfreien Fächern in Betracht kommt. Schnelleres Fortschreiten bleibt unverwebrt. Di« Gesamtschule ist horizontal gegliedert. Sie geht von dem in jedem Dorf zu errichtenden Kindergarten aus. Di« höheren Stu'en für die späteren Lebensa'ter werden in zentral für stets welter zu umgrenzende Schulbezirke gelegenen Orten in solchen Ent- fenmngen eingerichtet, daß sie mit Hilfe entwickelter Verkehrsmittel. kür die Schüler erreichbar bleiben, ohne sie der Famili« zu ent- ziehen. � Vom 16. Lebensjahre ob stellt die Berufsschule die De- rufsbildung praktisch und theoretisch in den Mittelpunkt und fördert von da ans die Menschenbildung: dos voll« Leben dringt in die Echu'e. Die Ausbildung erfolgt in zeitgemäß ausgestatteten Lehr- wirt'choften und»Werkstätten. Die Schulung geht vor allem auf die eiaenschäpferilche'Bewältigung typischer Berufsausgaben aus. Die Hochschule äslnet nur denen ihr« Tor«, die sich auf der Berufsschule als die Höchstbesähigten erwiesen. Auch jeder andere kann, wenn er«inen Befähigungsnachweis erbringt, noch später die Hochschule besuchen. Der freien Fortbildung aller übrigen dient
'die Volkshochschule.— Für dl« persönliche und gelellschaftliche Er- tüchtigung abnormer Kinder bestehen besondere Einrichtungen.— Die Ausbildung der Jugend ist auf allen Stufen unentgeltlich. V. Tie Selbstverwaltung der Schule. Die volle Selbständigkeit des Schul- und Bildungswesens ist zu fordern, der Geist der Selbstverwaltung hat es zu durchdringen und zu erneuern. Der Staat ist nur Schirmherr der Selbstoerwal- wngskörper. Alle Schulen eines Landesteiles, die nöiig sind, die verschiedenen Begabungen zu entwickeln, sie zu Fach-, Kunst- und Hochschulen hinanzuführen, bilden eine Schuleinheit, dl« Schulengemeinschaft. Der durch Wahl aus Lehrern, Eltern, Schülern und Reaierungsoer- toetern zusammengesetzte Schulrat einer Schulengemeinschast be- stimmt, unter Rücksichtnahme aus die Eigenort der Einzelschule, die Grundformen, äußeren. Bedingungen und inneren Beziehungen des Schullebens. Die Schulengemeinde strebt zur Kulturgemeind», in der Familie, Gemeinschafts- und Gemeindeleben einander bereichern, vertiefen und ergänzen. Die Schulkommer als Vereinigung der Sckiulräte aller Schulen- gemeinfchaften ist der oberste Ausdruck des Erziehungs- und Dil- dungswesens der Oiffentl'chkei� Die Vertreter der Schulkammer, der akademischen Forschungs- und Blldungsanstalten, sonstiger Lolksbildungsanstalten und der Re- gierungen bilden den Landes-(Reichs-) Schulrat. Er vollzieht den Ausgleich geistigen Lebens. Sein Präsident ist Mitglied des Reichs- Ministeriums des Innern. Die Hochschulräts bestehen aus Lehrern, Hörern, Vertretern der Regierung und wichtiger Arbeitsgebiete des öffentlichen Lebens.— Oberschulbehörden, Provinziolbehörden. Kultusministerium sind Ver- waltungskörperschaften, Hüter der Reichs- und Landesschulgesetze. VI. Die Schule zum Volk. Lebensvoll geordnet sind die Schul- und Bildungsveranstaltun- gen der Gesellschaft die natürliche Stätte ihrer Verjüngung. Die Jugend lebt nicht mehr einsam und unglücklich neben der Gesellschaft, sondern durchdringt sie von unten her in allen ihren Teilen und Gliedern.
Wo bleibt öas?rrenrechts gesetzt NnS wird geschrieben: Bald nach der Revolution, noch im November ISIS, gaben auf Anfrage von berufener Seite der Rat der Volksbrauftragten, der damalige preußische Ministerpräsident Hirsch und Minister von Einzelstaaten die schriftliche Erklärung ab, daß eine Reform des Jrrenrrchts in der nächsten Zeit in die Wege geleitet werden müsse. Genosse Hirsch sprach auch von der Absicht, eine Konferenz von sachkundigen Aerzten und Nicht- ärzten einzuberufen. Er überwies am S. Mai ISIS die Angelegen- heit zuständigkeitshalber an das eben neugebildete, aber zu dieser Zeit noch nicht etatsrechtlich genehmigte WohIfabrtSministerium Nach der Etasierung des Ministeriums wurde in ihm ein eigener Referent für Jrrenrechtssochen bestellt, zunächst in Vertretung des aus dem Ministerium des Innern übernommenen, schwer erkrankten und bald darauf verstorbenen Geheimen Obermedizinolrats Moeli. Im Herbst 1919 erhielt der neue Referent, der Psychiater und sozialdemokratisches Mitglied der Preußischen LandeSveriammlung ist. vom Minister für VolkSwohlsahrt den Austrag, einen Irren- rechtSgesetzentwurf, der die vielbeklagten JrrenhauS- und Frrenrechtsmißstände möglichst beseitige, zustande zu bringen. Diese schwierige Arbeit wurde unter Heranziehung führender JrrenrechtSreformer, Aerzte und Juristen so schnell erledigt, daß der Geietzentwurf seit fast Jahresfrist fertig im Wohlfahrtöministerium liegt. Dann aber ist die Sache nicht mehr von der Stelle gerückt. 23 o liegen die Wider st ände? Etwa auch bei Herrn Krahne, dessen Verhalten in der. Hebammeiuach? zu einem offenen Mißtrauensvolum in der Landesversammlung führte? Sind etwa die Einflüsse der Gegner einer Jrrenrechtsform im freiheitlichen und sozializiftischen Sinne so groß geworden, daß der Referent und der zuständig« Ministerialdirektor nicht die Macht haben, da? parlamentarische Gesetzeswerk an das Parlament zu bringen? Man hört schon von Vorwürien aus der Oeffentlichkeit gegen den Referenirn und Abgeordneten wegen ver- muteter Lässigkeit und unverantwortlicher Ber- zögerung. Im Laufe des vergangenen Jahre» sind verfchiedent- lich Mitteilungen in die Presse gelangt, daß auch im Reichs- Ministerium des Innern ein JrrenrechtSgefetzeniwurf ausgearbeitet werde. Bei den Reicksbebörden scbwebt diese Frage seil länger als vier Jahrzehnten. Den mehrfachen Beschlüssen de» alten Reichstages, einen solchen Gesetzentwurf vorzulegen, ist nicht ent- sprechen worden. Auch jetzt deutet alles darauf hin, daß der Gesetz- entwurf vom Reiche vorläufig gar nicht zu erwarten>st. DaS Reichs- Ministerium des Innern soll immer nur daS ibm seit Jahrzehnten von den Parlamenten und vom Re chskanzler massenhaft zugegangene Reformmaterial entgegengenommen und aufgestapelt, ober bis aus den heuligen Tag nicht» ernstliches zur Vorloge eines Gesetzentwurfes getan haben. In dieser sorglosen Art darf es nicht weiter gehen, auch wenn wichtige andere Gesetzesausgaben drängen. Sollten etwa mit Rücksicht auf die unsichere innrrpolitische Konstellation der Einzelstaaten im Verhältnis zum Reich zurzeit Bedenken gegen ein Reichs- Jrrenrechtsgefetz bestehen, so hinderte doch nicht», den im WohliahlfahrtSministerinm ausgearbeiteten Entwurf zunächst für Preußen schleunigst Gesetz werden zu lassen, wie ja auch Baden seit lvlv ein solche« LandeSgesttz hat. Auf der Grund- läge des preußischen LandeSget'etzeS könnte dann ipäler weiteraebaut, vielleicht dieses sogar auf da» Reich übernommen werden.>Sber auch das ist jetzt verpaßt l_
Die wiener Konferenz. Wien . 22. Februar.(Eigener Drahtbericht des„Vorwärts".) An der Internationalen Konferenz sozialistischer Parteien nehmen 73 Delegierte teil, davon 19 deutsche Unabhängig«. Im Namen der in Bern eingesetzten Kommisston eröfsnet Friedrich Adler Die Konferenz mit dem Hinweis darauf, daß in Wien 1911 der Internationale Sozialisten-Kongreß hätte zusammentreten sollen, und daß Wien die Stadt ist, in der das Verbrechen der Kriegsanstiftung be- gangen, im Austrag« der Habsburger da« Ultimatum an Serbien verfaßt wurde. Adler begrüßt zunächst die serbischen Vertreter. wobei er die vorbildliche Haltung der serbischen Sozialdemokraten vom Krieqsbeginn an hervorhebt. Dann erklärt Adler: Wir wollen nicht die- Illusion erwecken, als ob wir mit einem. Schlage die Inter - nationale wieder herstellen könnten. Die Konferenz ist kein« Inter - nationale im Sinne unserer Ideale, sondern ist der bescheidene versuch. eine Internationale in der Zukunft herzustellen. Ebenso wie in Genf und in Moskau , ist hier ein Drittel des Weltproletariats ver- treten. Man nennt uns höhnisch„das Zentrum"— wir sind das Zentrum in dem Sinne, daß wir gleichmäßig entfernt sind von der naiven Ungeduld, die alaubt, daß der Wunsch nach der sozialen Revo- lution schon die Bürgschaft für den Sieg sei und dem skeptischen Un- ulauben, der aus«der Unmöglichkeit de» Sieges der sozialen Revo- iution in einer gewissen historischen Konstellation den Schluß zieht, daß die soziale Revolution überhaupt nictil möglich fei.— Adle: wendet sich dann gegen den Ttrn, m dem Moskau über einen Nicht- kommunisten spricht und sagt: Auch die
; wette Zirfenucktanale sehe« wir mtt and«« Augen an. weil wir wissen, welche historische Mission ste erfüllt hat. Darauf begrüßt Longnet die Konferenz: Wir sind fetzt im Begriffe, das Kristallisationszentrum zu schaffen, auf das alle Sozialisten die größten Hoffnungen setzen. In Moskau herrscht Kasernenatmosphäre: tausende Sozialisten wer- den ausgeschlossen, während man Leute ruft, dke keine Sozialisten sind, Anarchisten oder Nationalisten des Orients, deren Kampf be- rechtigt ist, deren Ziele aber mit dem Sozialismus nichts ge- mein haben. In London oder in Brüssel gibt es eine Organisation der Dekadenz, die ihre Seele verloren hat auf dem Felde des Krieges; ste hat das preisgegeben, was den Stolz der Sozialisten ausgemacht hat. Wir wollen die Lehre der Vergangenheit, die Lehre unserer großen Geister fortführen— den Geist pflegen, der Marx und Engels beseelte, als ste die Erste Internationale schufen und Jules Guesde und Viktor Adler , als sie in Paris die Zweit« Internationale gründeten. Bürgermeister R e u m a n n begrüßt die Konferenz im Namen der Mehrheit der Bevölkerung Wiens. Topalowicz- Belgrad dankt für die Begrühungsworte Adlers an die Serben. Nach Einsetzung einer Mandawprüfungs- kommifsion wird die Sitzung auf morgen vertagt. » Wir werden zu den Verhandlungen noch ihrem Abschluß Stellung nehmen._
Tsckechijcb-öeutsckes Wirtschaftsabkommen. Prag , 22. Februar.(Eigener Bericht des„Vorwärts".) Dem „Cos" erklärte der tschechische Außenhandelsminister Dr. Schuft er über feine Verhandlungen in Berlin : Man kann sagen, daß in allen Hauptpunkten ein Uebereintommen getrofsen wurde. Die Verhandlungen gaben den Antrieb zu gegenseitigen Vereinbarungen in den Industriezweigen. Von größter Wichtigkeit ist die Vereinbarung in der chemischen Industrie, welche in beiden Staaten au Ueberprvduktion leidet. Trotzdem haben die Deutschen die Einfuhr einer ganzen Reih« unserer Artikel konzediert. Die Verhandlungen betrasen hauptsächlich die administrative Regelung der Ein- und Ausfuhr, wurden von Deutschland konziliant geführt und waren von dem Bestreben geleitet, daß ein Abkommen getroffen und ausgebaut werde. Ueber die Verhältnisse in Deutschland äußerte sich Dr. Schuster: Im ganzen herrscht in Deutschland «ine große Arbeitslosig- t e i t und Krise, die stch natürlich von Zeit zu Zeit ändert. Di« Regierung betreibt, unterstützt von der öffentlichen Meinung, eine sehr zielbewußte Industriepolitik. An die Beseitigung der Außen- Handelstontrolle wird nicht gedacht, und die von den Unternehmern und Arbeitern vertretene Industrie hat einen überaus starken Ein» fluß auf die Ein- und Ausfuhrpolitik. Die Produktion in den Berg- werken und Fabriken steigt, sowohl bei der Tages- als auch bei der Akkordarbeit. Interessant ist, daß sehr viele Betriebsröte volles Verständnis für die Bedürfnisse der Betriebe und ihrer Industrie- zweige zeigen, so daß viele Industrielle die harmonische Zusammen- arbeit mit den Arbeiterräten loben und von diesen die Betriebs- disziplin unterstützt wird.
polnisches Mißgeschick. Oppeln , 22. Februar. (WTB.) Die Kriminalpolizei hat ein« Fäffcherzenftale für Legikimakianokarlen aufgedeckt. Als Haupt der Gesellschaft wurde der Bhotograph Kokott festgenommen. In seinem Besitz befanden stch zwölf gefälschte Legitimationskorten, die mit dem Stempel„Polizeiverwaltung Oppeln"'versehen ömren. Kokatt oerkaufte die gefäffchten Karten an Leute, die sie für die Bosowka Polsta aufkauften. Seine Braut, in deren Besitz sich.gltlA- falls ein« Anzahl gefälschter Legitimationskarten befanden, wurde ebenfalls verhaftet. Die Teschener Grenze. Warschan. 22. Februar.(EE.) Die Grenzkommission der Entente hat sämtliche Vorschläge Polens in der Tschechoslowakei zur Neuregulierung der Teschener Grenze(die mitten durch Ge- meinden geht! Red.) abgelehnt und die Entscheidung über das Teschener Gebiet vom 28. Juni v. I. bestätigt.
Mostauer Kurierexport. Aga, 22. Februar. (EE.) Die estnische Repierung teilt mit. daß vom 6. Zlvril bis zum 31. Deiember 1920 aus Sowjet-Rußland über Estland 1620„diplomatische Kuriere" noch dem Wcsten. hauptsächlich nach Skandinavien und Deut'chland verreist sind. In der gleichen Zeit find über Estland noch Sorvjer-Rußland 587„di- plomatische Kuriere" z u r ü ck ge kehr r, so daß über 1 000 im Ausland« verblieben find. Nach der Meinung der estnischen Presse sind diese„diplomatischen Kuriere" bolschi- «istische Agitatoren._
Drakonische Zustiz in Wilhelmshaven . Das Schwurgericht in Wilhelmshaven verurteilte nach zehnstündiger Verhandlung 16 Per. sonen aus Wilhelmshaven und Umgegend zu Gefängnis st ra- f« n von zwei bis sieben Monaten. Di« Verurteilten, unter denen sich fünf Frauen befinden, hatten sich im Juni vorigen Jahres an den damaligen.Zwangskäufen" beteiligt bzw. waren als„Rädelsführer" aus einer Sckar von vielen Hunderten heraus- gegriffen worden. Ein kleinerer Teil ist bereits durch das Schöffen- gericht zu weit milderen Strafen verurteilt worden.— Das„Bolks- gericht" zeigte wenig Verständnis für di« seinerzeit aus elementarster Not herausgeboren« Auflehnung der minderbemittelten Devölke- rungsschicht gegen den Wucher in den B« kleidungs- und Lebensmittelgeschäften. VlsztpNnarverfahre« beantragt. Der kozialdemokratische Polizei- direktor der Eladt Hall», Döltz, bat da» Diszivlinar- Verfahren gegen sich bei der Regierung in Merseburg beantragt. Döltz war von deutschnationaler Seite u. o. beschuldigt worden, während de« Dienstes Agitation iür seine Partei innerhalb der Polizeiverwaltung geduldet zu haben. Agrarisch« Gesetzesumgehung. Der preußische Landwirtschafts- minister weist tn einem Erlaß daraus hin, daß anläßlich des letzten Lcmdarbelterstreft« im Bezirk Stralsund festgestellt worden ist. daß in den landwirtschaitlichrn Privatbetrieben die Wahlen von Be- triehsräten noch flicht überall«ingeleitet find. Der Minister ordnet daher«m. daß damit unverzüglich dort begonnen wird, wo nach dem' Betriebsrätegrsetz die Errichtung einer Betrieds- Vertretung notwendig ist. Die L a n d r ä t e sind zur Derichterstat- tung über di« Zahl der in Betrocht kommenden landwirtschaftlichen Privatbetriebe and über die Zahl der in jedem von ihnen tätigen ständigen Arbeitnehmer aufgefordert worden. Der Preußische Land- wirtschaftsminister hat ferner auch für die sämtlichen anderen Re- gierungsbezirke außer Stralsund eine Nachprüfung darüber angefordert, ob die Betriebsvertretungev überoll vorhanden sind. Das neue amerikanische Einwanderungsgesetz. Mit 51 gegen 2 Stimmen hat der amerikanische Senat den Gesetzentwurf Dilling. ham» angenommen. Di« neu« Bill schreibt vor, daß die Zahl der jährlich zuzulassenden Einwanderer für keine Nationalität 3 Proz. der Zahl uberschreiten darf, dce ihre bereits in den Aereinigteu Staaten wohnenden Dollsgenosse:: ausmachen.
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