Hr. 75» ♦ 38. Jahrgang
Seilage des vorwärts
Mittwoch, S. März 1 l
Der Staöthaushalt für 1�20. Annahme der Stratzenbahntariferhöhnng.
Än der Stadtverordnetenversammlung! unseren verelendenden Kindern zu Hilfe zu kommen, gebührt i wurde gestern der Entwurf des ersten Haushalts der ster Dank.(Allfeitiqer Beisall.) Die Durchführung eines geo neuen Stadtgemeinde Berlin zur Genehmigung'""-■ vrixgelegt. Er ist eigentlich nur noch ein Kasienabschluß, da ja Das Verwaltungsjahr.1S2l). für das er gilt, schon zu Ende geht- Oberbürgermeister B ö ß, der bisherige Kämmerer, erläuterte den Entwurfs mit einer Rede, in der er die Finanzlage Berlins als überaus ernst schilderte. Die Ausgaben für Löhne und Gehälter seien zu außerordentlicher Höhe onge- schwollen, die schwebende Schuld habe bereits die zweite Mil- liarde erreicht. Nachdrücklich wies aber Bötz das Gerede zu- rück, daß Berlin nicht mehr kreditfähig sei. Doch will er mit Anleihen nur noch in Ausnahmefällen die Mittel aufbringen. Verminderung der Ausgaben sei dringend n ö t i g. Einen scharfen Angriff richtete der Oberbürgermeister gegen die westlichen Bororte, die ihre Eingemeindung nach Verlin rückgängig machen möchten. Zu dem Haushaltentwurf werden die Fraktionen sich erst in der nächsten Woche äußern. — Der m_bet vorigen Sitzung abgelehnte Magistratsantrag auf Erhöhung des Straßenbahntarifs kehrte schon gestern als dringliche Vorlage wieder. Diesmal wurde ein Weg gefunden, die Annahme zu ermöglichen. Der l-Mark-Tarif tritt am 3. März in Kraft.
Sitzungsbericht. Am 9. Februar hat der Schlichtuugsousschvß Kroß- Berlin m Sachen des Tarifkartells der freien Gewerkschaften gegen den Magistrat wegen Erhöhung der Laka- und Vergütungssätze"der ftädttschen Arbeiter und nichtständigen Angestellten einen Schiedsspruch gefällr, der die Stadt verpflichtet, ob 1. November 1920 «inen Zuschlag von IS Proz. zu gewähren. Nachdem die Gewerk- ichasten den Schiedsspruch angenommen haben, ist ihm auch der Magistrat beigetreten. Die Mehrkosten von jährlich 121 Millionen sind in Höhe von 50 Millionen ungedeckt. Der Magistrat hat zur Deckung der vom 1. April 1921 entstehenden Mehrkosten ein« wei- ter« Erhöhung der Werktarif« in Aussicht genominen, und zwar für 1 Kubikmeter Gas 10 Pf., für 1 Kilowattstunde Lichtstrom 50 Pf.. für.1 Kilowattstunde Kraststrom für Kleinabnehmer 20 Pf. Der Ausschuß hat gestern getagt und die Zustimmung zu dem Schiedsspruch empfohlen. sich aber mit der Deckungsfrage nicht befaßt, sondern beantragt, diese an die Werks- und die Finanzdeputation zur Eckodigung zu über- imfcn. In der anschließenden mehr als einstündigen Erörterung wachen die Vertreter der D. Vp. durch o. E y n e r n ihr« Zustim- inung zum Schiedsspruch von der Lösung der Deckungsfrage ab- hängig, die der Ausschuß zu unrecht beiseite geschoben hob«, die er aber ebenfalls zu lösen beauftragr gewesen sei.— Haß(Scz.) spricht für den Ausschußvarschlag und lehnt die Derquickung des_____|_______ �____ �__________________________ Schiedsspruchs mit der Deckungsstoge ab. Heber die vom Magistrat> digunq erfahren? die Fraktionsführer haben ihr zugestimmt. Sie .beabsichtigten Tariferhöhungen fe.en nicht einmal die Werksdirek-> enthält die früheren Vorschläge und hat bezüglich des streitigen rionen gehört worden. Punktes(Ziffer st der früheren Ausschußanträge betr. Remston des
innig» ... ten Haushalts ist abhängig von der Durchstihrung der neuen Ver- v>Ätungsoroamsation. Die schleunigste Feststellung des Haushalts für 1921 ist eine dringende Notwendigkeit. Die Abschlußziffer betrögt SL Milliarden, sie ist sehr hoch. Auf die Werke allein entfallen davon 2,3 Milliar- den. Die vielfach planlose und unverantwortliche Wirtschaft im Jahre 1920 hat viele Ausgaben mit sich gebracht, die nicht not- wendig gewesen wären.(Hört, hört!) Allein an Vekleidungsmate- rial befindet sich in den Vororten für 80 Millionen Vorrat, wovon heute kein Mensch mehr etwas abnimmt. Die Einnahmen Berlins stehen in immer stärker gewordenem Mißverhältnis zu den Aus- gaben. Fm Jahre 1920 kostet der Beamtenapparat 1200 Millionen? Berlin ist eine Versorgungsonstalt für«in Heer von Personen ge- worden, die mehr oder minder zufällig an dem gedeckten Tisch Platz genommen hoben.(Unruhe bei den Komm.) Hier muß auf Ein- schränkung mit aller Kraft Bedacht genommen werden? auch Urlaub. Arbelts.zeit usw. sind unter diesem Gesichtspunkt zu revidieren. Berlin hat 2%' Milliarden feste und 2 Milliarden schwebende Schuld? an Verlusten in der Lebensmittelversorgung sind durch die Ernähnmgspolitik des Reichs 400 Millionen erwachsen.(Bewegung rechts.) Für die Arbeitslosen sind Summen aufgewendet worden, die zu dem damit Erreichten in keinem B«r- hältnis stehen. Berlin ist natürlich nach wie vor tredit- fähig, hat.aber doch unter diesen abnormen VerhAtnissen schwer zu le'den. Wie das Reich und die Länder, wird stch auch Berlin nach der Decke strecken müssen. Anleihen können mir äußerstenfalls und in Notständen in Frage kommen: auch die außerordenllichen Ausgaben werden auf die ordentlichen Einnahmen in der Haupt« fache anzuweisen sein. Schließlich werden' Gewerbe- und Grund- steuer weiter angespannt, und die Gemeindeeinkommensteuer wird ebenfalls noch ausgebaut werden muffen.— Wir brauchen ein« übersichtliche Organisation der Verwaltung. Die neue Finanzver- waltung ist noch nicht vollendet. Einige Vereinfachungen haben schon durchgeführt werden können. Ein gutes Zeichen für die gute Wirkung der Eingemeindung ist, daß man im Westen schon wieder von uns loszukommen sttcht, sie wittern Morgenluft. (Heiterkeit.) Gemach,. ihr Herren! so leicht wird euch das nicht werden.— Ich glaube an Berlin , ich glaube mich an die Zukunft Berlins.(Lebhafter Beifall.) Die Etatsdebatte wird über acht Tage stattfinden. gestern vom Magistrat zugegangenen anderweiten Vorlage wegen heute vom Magistrat zugegangenen anderweiten Vorlage wegen Erhöhung der Straßenbahnlarife zu. Diese Borlage Hot vorgestern in der Vcrkehrsdeputatton ein« Wür°
Der Antrag v. Eynern wird mit 98 gegen 58 Stimmen abge- lehnt,, der Schiedsspruch a n e.r k a n n t. Auch die Anträge Dörr verfallen der Ablehnung. Feststellung öes Staöthaushaltsplans für 1920. Oberbürgermeister Boß: Ich Habs in Vertretung des noch nicht gewählten Kämmerers beute den Etat für 1920 bei Ihnen einzuführen mich ent- schlössen. Der Etat ist mehr ein Kassenabschluß als ein wirklicher Finanzplan:«inen solchen haben die ganz außergewöhnlichen Ver- hältniffe, unter denen Graß-Verlin zustande kam, unmöglich ge- macht. Der Abschluß ist natürlich sehr unerfreulich. Der Versuchs der Gjy�nte, die deutsche Volkskrast zu zerstören, wird mit unge- merorganisationen zu verhandeln") lediglich eine Revision der miß schwächt»« Kräften fortgesetzt? wann wird die Vernunft siegen, bräuchlichen Auslegung der Tarifbestimmungen bezweckt, erklärt die wann wird es zum wirklichen Wiederaufbau kommen? Niemals j sozialdemokrasische Fraktion, der Vorlage nunmehr ihre Zuftimmunok war d« Macht des Kapitals größer als heute. Unsere Bevölkerung geben zu wollen. Eine soförtige Verabschiedung der fft immer noch unterernährt, lebt zum Teil im bittersten Elend. �Vorlage hält die sozialdemokratische Fraktion schon um deswillen Den Humanitären Bestrebungen in Amerika und bei den Neutralen,- für geboten, weil sonst ein weiterer finanzieller Ausfall von mehre-
Tarifvertrages, Achtstundentag und Betriebsratbsfngniffe) der Tarif' revision eine Fassung erhalten, die ihr eine Mehrheit zu sichern ge- eignet ist., Nachdem die Dringlichkeit der Vorlage anertoimt ist, gibt Wer- m u t h(Soz.) folgende Erklärung ab?„Die sozialdemokratische Frak- tion hat durch ihren am 24. Februar gestellten Antrag, die Ziffer 4 zur näheren Beratung an die Tarifkommission zu überweisen, er- reichen wollen, daß die darin erwähnten Mängel erörtert und durch Abänderung des Tarifvertrages abgestellt werden sollen. Da sie überzeugt ist, daß der beanstandete Punkt 4 der Vorlage in seiner neuen Faffung(„es ist alsbald über eine Revision des Tarifvertrages, ins- besondere soweit es die§§ 9, 11, 12, 13 angeht, mit den Arbeitneh-
mr Millionen die Stadt zwingen müßte. Taufende von Arbeitern und Angestellten zu entlassen und den. Berkehr erheblich emzu- schränken." Mielitz(U. Soz.) beantragt betr. der Benigniffe der Betriebs röte folgende Faffung:„Die Befugnisse der Betriebsräte sind im Einvernehmen mit deii in Frage kommenden Arbeiterorganisationen zu regeln." Nachdem Stadtbaurat Adler noch hervorgehoben hat, daß die Ablehnung der Erhöhung sofort die Einstellung van Linien und Cm- loffungen in großem Umfange zur Folge haben müsse, kommt in dir Abstimmung der Passus betr. der Revision in der oben niitgeteilten Fassung zur Annahme. Auch der Passus„der durchlächerte Acht- stundentag zur vollen Durchführung zu bringen" wird angenommen. Der Antrag Mielitz wegen der Betriebsratsbesugniffc wird abgelehnt? es verbleibt dabei, daß diese Befugnisse aus den Umfang bc- schränkt bleiben sollen, die den Betriebsräten nach dem Gesetz zu- stehen. Darauf wird auch die Tariferhöhung befchlosien. Wänderungsanträge der Deuffchnationalen wegen Ermäßigung für Studenten, und des Zentrums wegen weiterer Ermäßigungen für Kinder und Schüler werden abgelehnt. Die Erhöhung auf 1 Mark tritt am 3. März, die Einführung der Umsteigekarteu am 7. März in Kraft. In der Gesamtabstimmung stimmen gegen die Vorlage die Kommunisten und die beiden Parteien der Rechten. Eine lange Erörterung knüpft sich dann an die Vorlage betr. die Bewilligung von MiMn zur Verbesserung der Kost für die Besucher des nächtlichen Obdachs. Auch diesmal spielt in der Aussprache die Klage über die nunmehr sett 25 Iahren„vorübergehend" im Obdach untergebrachte Polizeistation für geschlechtstranke Weiber eine Hauptrolle. Zur Verbesserung der Abendsuppe und des Morgentronks wer- den für die beiden Monate März und April 1921 je 100 000 Mark bewilligt. Schluß 1410 Uhr. Gberftaütfchulrat paulfen über seine Ziele. Wilhelm Paulsen, der in voriger Woche in sein Amt eingeführte Oberstadtschulrat der neuen Stadtgemeinde Berlin , halle am Dienstag die Vertreter der Presse zu einer Besprechung eingeladen, in der er seine Grundsätze und Pläne vortrug. Ich fühle, sagte er ein- lellend, in diesem Augenblick des Anfanges die ganze Schwere ver Verantwortung gegenüber meiner Aufgab«. Aber ich weiß, daß sie selbstverständlich nicht von einem Mann zu lösen ist. Die Schule ist letzten Endes eine Wirkung aller Kräfte der menschlichen Gesellschaft überhaupt. Er wandte stch dann gegen die Beunruhi- gung, die in weiten Kreisen entstanden sei, well er stch einer kirch- lichen Konfession entzogen habe. Er sei kein Feind der Religion, aber er glaube, daß der Religionsunterricht in seiner bisherigen Form die Quellen der Religion verschüttet habe. Religiöse Dogmen und rellgiäse Kämpfe bringen uns auseinander— wir wollen wieder Religion leben! Zu der Anzweiflung der Durchführbar- kell seiner Pläne bemerkte er, daß er es für einen Frevel halten würde, plötzlich das ganze Schulwesen umwerfen zu wollen. Dazu fehlen ja in den Menschen die inneren Bedingungen, aber wo sie. sich etwa finden, wolle er ffir eine Umgestaltung der Schule seine Kraft einsetzen. An der Schule könne das Bolksganze gefunden, sie m ü s se alle Teile des Volkes z u s a m m e n f ü hr e n. und das Glücksgefühl der Aolkszusammengehörigkeit wiederbringen. Seine Gedanken hat Paulsen in einem an Lehrer, Eltern, ältere Schüler und an Freunde de« Schule gerichteten Aufruf niedergelegt, den er zur Grundlage der Erörterung machte. Die Schule möge, mahnt er darin, die erste Kundgebung unseres Wil- lens zur Gemeinschaft sein. Als Unterrichtsanstall hat die Schule in der vergangenen utilitaristischen Zeit mit ungeheuer klug ausgebildeten und entwickelten Methoden, die die Gefahr über uns alle brachten, das Menschliche in uns zu objektivieren und zu mechani- sieren, ihren Zweck erfüllt. In der heutigen Zeil des tiefstens. Unglücks aber wissen wir. daß nur mit der Entfesselung der schöpfen- schen Kräfte in uns und der Jugend der Aufbau unserer geistigen und materiellen Wirtschaft geschehen kann. Dafür die Voraus- setzungen zu schaffen, ist unsere Aufgabe. Die neue Schule ist nichts Fertiges, kann auch nicht von Behörden und Gesetzgebung verordnet
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Sline Menschenkind. IL Mütterchen. Von Martin Andersen Jtcgä.
Lars Peter ließ seine schwere Faust auf den Tisch fallen, daß alles sich hob— der Wirt mit.„Man hat sich die längste Zell schofel behandeln lassen— kannst du das verstehn! Ich bin nicht mehr Schinder als du und die andern. Und hör' ich den Namen noch einmal, so holt euch alle der Satan." „Begreifsicherweise, begreiflicherweise! Es war ja doch auch bloß Scherz, Lars Peter Hansen. Und wie steht es zu Hause? Frau und Kinder gesund?" Seine Augen zuckten noch, so oft Lars Peter sich bewegte. Lars Peter antwortete ihm nicht, sondern trank noch einen Schnaps. Der Lümmel kannte ja die Geschichte mit Sörine recht gut. „Weißt du was— hättest die Madam mitnehmen sollen. Den Weibern macht so eine Fahrt nach der Hauptstadt Spaß," versuchte der Krugwirt von neuem. Lars Peter sah miß- trouisch nach ihm hin. „Was sind das für hundsföttifche Narrenspossen?" sagte er finster.„Du weißt recht gut, daß sie da drin sitzt." „Was— sitzt sie da drin? Sie ist dir doch nicht etwa fort- gelaufen?" Peter Lars nahm noch einen Schnaps.„Sie sitzt fest— zum Teufel!" Der Krugwirt merkte, daß es nicht anging, den Unwiffen- den zu spielen, man erntete bloß Undank dafür.„Nu glaub' ich doch, daß ich was läuten gehört Hobe." sagte er.„Wie— is sie nich dem Gesetz n' bißchen zu nah gekommen?" Der Schinder lachte Hohl auf.„Gewiß doch! Sie hat ihre Mutter totgeschlagen, wird behmtptet." Der Schnaps begann feine Wirkung auf ihn auszuüben. „Ach. Herrgott— ja, so kann es kommen." seufzte der Krugwirt, und er wand sich, als ob er Leibweh hätte.„Und nun willst du wohl zum König?" Lars Peter hob den Kopf.„Zum König?" fragte er. Der Gedanke überraschte ihn: vielleicht war das das Wunder. auf das er so lange gehofft hatte. „Ja, der König hat über Leben und Tod zu entscheiden. das weißt du doch. Kann er einen nicht leiden, so sagt er bloß: Macht mir den Burschen einen Kops türzer? Und ebenso kanu (je die Ketten lösen, wenn er Lust hat."
„Und wie bekommt so ein armer Teufel wie ich wohl Zu- tritt zum König?" Der Schinder lachte hoffnungslos. „Den kann jeder verlangen," sagte der Wirt breit.„Ein jeder im Lande hat das Recht, vor seinem König zugelassen zu werden. Erkundig' dich nur in der Stadt? jedes Kind weiß, wo der König wohnt." „Das weiß man wohl auch selber," entgegnete Lars Peter mit Selbstgefühl. „Beinah war' man ja selber zur Garde ge- kommen und hätt' Posten vorm Schloß gestanden. Wären nicht die Plattfüße ein Hindernis gewesen, so--" „Ja, so einfach ist das denn doch nicht, denn er hat viele Wohnungen. Der König hat keinen Verkehr, siehst du, sinte- malen es nur den einen König im Lande gibt. Und immer nur mit seiner Frau zu schwatzen, das kann kein Teufel aushalten — der König so wenig wie wir gewöhnlichen Sterblichen. Drum langweilt er sich und zieht aus einem Schloß ins andre und spielt Aufbesuchkommen mit sich selbst. Deshalb mußt du gut rumftogen. Ein Fürsprecher ist auch nicht ohne. Du hast doch Geld bei dir?" „Ich Hab' für über hundert Kronen Waren draußen auf meinem Wagen." sagte Lars Peter, sich in die Brust werfend. „Ja, denn in der Hauptstadt gehn die meisten Türen schwer, wenn sie nicht geschmiert werden. Kann auch sein, daß die Schloßtore ein bißchen kreischen, aber dann—" Der Krugwirt rieb die Finger gegeneinander. „Dann schmieren wir eben," sagte Lars Peter mit großer Geste und brach auf. Er hatte jetzt gewasiigen Mut und brummte eine Melodie vor sich hin, wahrend er dem Pferde das Zaumzeug umlegte und den Wogen bestieg. Jetzt wußte er, welchen Weg er zu gehen hatte? und nun hieß es: vorwärtskommen und handeln. Tag und Nacht hatte es ihm vor Augen gestanden, daß er irgend etwas unternehmen, müsse, um Sörine aus dem Ge- sängnis zu befreien, aher was? Bei Nacht über die Ge- fängnismauer zu steigen und sie herauszuholen, wie man's in den Romanen los, dazu eignete er sich wohl nicht. Aber zum König gehen, das tonnte er! Ware er in seiner Jugend nicht aus ein Haar zur Wachmannschaft des Königs gekommen? „Er hat die Größe und den Bau!" hatte man damals gesagt. Aber dann hatte man ja seine Plattfüße entdeckt und ihn für ganz untauglich erklärt? ober, wie gesagt, auf ein Haar... 3. In des Königs Refidenz. Lars Petcr Hansen war rächt ortskundig in der Haupt- stadt. Als junger Bursche war er mit feinem Bater dort ge-
wesen, später hatte sich nie eine Gelegenheit zu einer Reffe nach Kopenhagen geboten. Er und Sörine hatten oft genug davon gesprochen, mit den Waren hinzufahren und sie un- mittelbar an die großen Aufkäufer abzusetzen, statt sie den Umweg über die kleineren Aufkäufer daheim in der Provinz- stadt gehen zu lassen, aber es war immer beim Plänemachen geblieben. Heute jedoch sollte es unternommen werden. Er hatte sich eine große Firma gemerkt, deren Reklamen überall. in der Provinz zu sehen waren.„Skandinaviens größte Firma in Lumpen, Knochen und alten Metallen", so erzahlten die Plakate, und sie zahlte den„höchsten Tagespreis". Namentlich der letzte Umstand hatte es ihm angetan. Lars Peter stellte seine Berechnungen an, während er durch die Lynaby-Straße nach dem„Triangel" fuhr. Wenn er's ftach den Preisen zu Hause in seiner Kreisstadt berechnete, hatte er für gut hundert Kronen Waren auf dem Wagen? suchte er nun die Hauptstadt auf, so mußte er auf fünfund- zwanzig Kronen mehr rechnen können. Vielleicht reichte das aus, die Unkosten für Sörines Befreiung zu decke». Auf die Weise schlug er zwei Fliegen mit einer Klappe, holte Sörine aus dem Gefängnis— und verdiente obendrein Geld! Es kam bloß darauf an. daß man die Sache richtig anpackte. Er lüftete den Schlapphut und wühlte in seiner Haarwildnis— er war guter Laune. Am„Triangel" hielt er an und fragte nach dem Weg. Dann bog er in den Blegdams-Weg ein ugd dann in eine Seitenstraße. Ueber einen hohen Zaun weg sah man Berge von altem, verrosteten Eisen: Spiralen und durchlöchertes Blech, verbogene eiserne Bettstellen, verbeulte rostrote Kohlen- kästen und Ämer. Hier mußte es sein. Ueber der Einfahrt zu. dem Grundstück stand: L e v i n s o h n u. Söhne. Export. Der Schinder bog durch den Tarweg ein und hielt am Ende des Hofes verblüfft an. Bor ihm dehnte sich ein endloser Komplex von Lagerplätzen und Schuppen hinter- und. hinter- einander, von eingefriedigten Haufen von Lumpen, schmutziger Watte und rostigem Eisenblech. Auf den Seiten waren wieder Höfe, und dahinter wieder andre. Er und der große Klaus konnten bis ans Ende der Zellen herumfahren und ein- sammeln, sie würden es nicht jertig bringen, nur einen von den Höfen zu füllen! Ueberwältigt faß er da und gaffte; den Hut harte er willkürlich verstohlen abgenommen. Aber dann nahm er sich zusammen, fuhr an einen der Schuppen heran und sprang ab. Er hörte Stimmen aus dem Innern und stieß die Tür auf. Drinnen' im Halbdunkel saßen ein paar junge Mädchen und sortierten irgend etwas Widerwärtiges. das wie blutige Zotteln aussah.(Fortj. folgte)
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