1. Beilage zum„Vorwärts" Berliner Volksblatt. Nr. 257._ Sonnabend, den 3. November 1894. 11. Jabrg. Arbeiter! Nartelgenossen! Trinkt kein bonkottirtes Kier! Lolrsles. Ein«euer Erfolg. Die Boykottkommission er« hielt gestern folgende ZuscKrift zugestellt: Hiermit theilen wir Ihnen ergebenst mit. daß wir uns mit der Kommission der Brauerei-Arbeiter in der Heuligen Konferenz über die Arbeitsbedingungen verständigt haben, und verpflichten wir uns ausdrücklich, die verabredeten Bedingungen innezuhalten. Hochachtungsvoll Brauhans Hohen-Schönhausen, Kommandit-Gesellschaft. Wir bemerken, daß die Brauerei Hohen-Schönhausen anfangs dieses Sommers von einer Reihe Berliner Gastwirthe gegründet worden ist; auch heute sind ihre Theilhaber ausschließlich in Gastwirthskreisen zu suchen. Der Dresdener Boykottsieg in Richter'scher Beleuch- tung. Die krankhafte Sucht des freisinnigen Heerführers ohne Heer, gegenüber dem stetigen Vordringen der Sozialdemokratie die bekannte Politik des Vogel Strauß zu spielen, verleitet den großen Mann oft zu den putzigsten Kapriolen. I» Dresden hat die Arbeiterschaft über die Waldschlößchen- Brauerei nach hartem Kampfe gesiegt. Darob allgemeines Wehklagen von rechts bis links in der bürgerlichen Presse. Antisemitische Blätter, ihnen voran die„Krenz-Zeitung", schieben in ihrer Herzensangst wieder dem jüdischen Großkapital die Schuld an dein neuen Erfolg der Sozialdemokratie zu. Irgendwie soll der Sieg ja auch erklärt werden. Von der katzenjämmerlichen Stimmung, die im Lager der Ordnungsmänner herrscht, giebt sehr drastisch gerade ein Bericht Zeugniß. der vom Organ der Junker veröffentlicht wird. „Geradezu peinliches Aufsehen", so heißt es da,„erregt heute die Nachricht, daß die große Brauerei zum Waldschlößchen. die feit Mai dieses Jahres von der Sozialdemokratie boykottirt war, vor dieser kapitnlirt hat; und zwar hat die Brauerei- Verwaltung diejenigen Bedingungen jetzt in der Hauptsache zu- gestanden, wegen deren Verweigerung seinerzeit der sozial- demokratische Boykott verhängt wurde. Die Verurtheilunz des jetzigen Umfalls der Brauerei in allen nicht- sozialdemokratischen Kreisen ist um so entschiedener und schärfer, als man allgemein weiß, daß die Waldschlößchen» Brauerei vorzüglich finanziell gestellt ist, daß sie im Ge- schäftsjahre 1. Oktober 1892 bis 30. September 1893 13 pCt. Dividende vertheilt hat, und daß sie auch für das Geschäftsjahr 1. Oktober 1893 bis 30. September 1394, das also die Boykott- zeit mit einschließt, die gleiche Dividende zur Vertheilung bringen will." So ist die Stimmung in den Kreisen der Staatserhaltenden; offen wird von jedermann zugegeben, daß der volle Erfolg im Dresdener Boykottkampf den Arbeitern zu Theil geworden ist. Anders Engen Richter. Und wenn die Sozialdemokratie den letzten Freisinnshelden aus seiner Position vertreibt, so ist doch im Richler'schen Moniteur von der Niederlage keine Spur zu lesen; es wird höchstens zugestanden, daß die in der freisinnigen Volksparlei am sanftesten aufgehobene bürgerliche Gesellschaft gerade einmal rück- wärts siege, während der bekannte Rückgang die Sozialdemokratie zufällig nach vorwärts führe. So ungefähr geschah es nach Eugen Richter auch in der Hauptstadt Sachsens . Er schreibt: „In Dresden sind die Sozialdemokraten klug genug gewesen, den Boykott über die Waldschloß-Brauerei aufzuheben. In Ueber- einstimmung mit den bekannten Zugeständnissen der Berliner Brauereien hat die Dresdener Brauerei sich verpflichtet, keinen Arbeiter wegen feiner Zugehörigkeit zu einer Organisalion zu maßregeln oder zu entlassen. Doch wahrte die Brauerei sich die volle Freiheit, ihre Arbeiter ohne Rücksicht aus die Parteistellung anzunehmen oder zu entlassen. Ferner hat die Brauerei sich ver- pflichtet, ihren Park am I. Mar nächsten Jahres und an zwei oder drei Sonntagen des Sommers den Sozialdemokraten zur Verfügung zu stellen." Die Sozialdemokraten waren klug genug, den Boykott in Dresden auszuheben; das heißt aus dem Richter'schen ins Deutsche übersetzt, die Sozialdemokraten waren klug genug— einen vollen Sieg zu erringen! Wir gönnen Eugen Richter das kindliche Spiel, denn wir müßten leine Gemüthsmenschen sein, wenn wir dem Führer der auf dem letzten Loch pfeifenden Partei solch unschuldiges Vergnügen verleiden wollten. Zur Lolalliste. Jung, Großgörschenstraße 24, ist von der Liste gestrichen worden, weil er die Kontrolle verweigert und Boykottbier scbänkt. I. Klaas, Frankfurter Chaussee 99, schänkt ebenfalls Ringbier. Ueber die Thätigkeit der Berliner Polizei bringt das „Statistische Jahrbuch der Stadt Berlin " auch für 1692 wieder ein umfangreiches Zahlenmaterial. An das Kriminalkommissariat gelangten im ganzen 67 827 Anzeigen über vorgekommene„Ver- brechen und Vergehen"(sagt das„Jahrbuch"). Darunter be- fanden sich jedoch auch 9120 Anzeigen über Unglücksfälle, 254 über versuchte Selbstmorde, 534 über Selbstmorde, ferner 6151 Anzeigen„verschiedenen Inhalts", die nicht spezialisirt sind, die aber(nach Angabe früherer Jahrgänge des„Jahrb.") auch solche über plötzliche Todesfälle, gesuchte Personen, Spiel in auswärtigen Lotterien,„grobcnUnfug", Kurpfuscherei" K.:c. enthalten; schließlich noch 6337„Nachtragsanzeigen", die ebenfalls nicht spezialisirt sind. Zur Bcurtheilung des Berliner „Verbrecherthums" sind diese Zahlen also nicht verwendbar, zumal da die unbegründeten An- zeigen mitgezählt sind. Hierüber kann man nur aus der speziell für Berlin aufgestellten Kriminalstatistik, auf die wir später zurückkommen, ein einigermaßen zutreffendes Bild gewinnen. Immerhin ist es aber interessant zu sehen, wie auch in der Thätigkeit der Polizei die steigende Kriminalität sich bemerkbar macht. Die Anzeigen über„Verbreche » und Vergehen" betrugen in den Jahren 1892—1883 rückwärts 67 827, 57 574, 50 038, 41 237, 84 326. Ueber Diebstahl wurden in den betreffenden Jahren allein 23 214, 20 299, 13 036. 15 373, II 466 Anzeigen gemacht. Von den zum Kriminalkoinmissariat Sistirten wurden 1892 zur Jsolirhast gebracht: 4315 Männer, 898 Frauen, 36 Kinder, zusammen 5749 Personen, gegen 5234, 5122, 4283, 4233 in den Vorjahren rückwärts bis 1883. Hauptursache war auch hier der Diebstahl, 1892 bei 2485 Männern, 630 Frauen, 31 Kindern, zusammen 3146 Personen, gegen 2323, 2707, 2220. 2091 in den Vorjahren rückwärts bis 1883. Unter je 160 zur Jsolirhast Gebrachten lag Diebstahl vor in den Jahren 1392 bis 1388 rückwärts: bei 55, 54. 53, 52, 49(weiter in den Jahren 1337 bis 1830 rückwärts: 46, 43. 49. 56, 59. 60, 60). Bei allen diesen Angaben muß man sich jedoch, wie gesagt, stets vor Augen halten, daß sie nicht von der Berliner Kriminalität,> sondern nur von der Thätigkeit der Berliner Polizei ein Bild zu geben geeignet sind. In den Zahlen über die zur Haft Ge- brachten erscheint die Kriminalität schon vollständig verwischt, weil die Verhängung der Haft von Bedingungen abhängig ge- macht wird, die oft auf ganz anderen Dingen als auf der Art und Schwere des Vergehens beruhen. Daher sind auch die Zahlen über Familienstand, Beruf und Alter der Verhafteten nur niit Vorbehalt zu benutzen. Wenn sich z. B. unter 893 verhafteten Frauen nur 33 verheirathete befanden, so liegt das mit daran. daß Personen mit eigenem Hausstand und fester Wohnung seltener in Untersuchungshaft genommen werden. Auch das auf- fällige Ueberwiegen gewisser Berufsgruppen(z. B. Kellner, Haus- diener, Laufburschen) wird man theilweise so zu erkläre» haben. — Im ganzen hatte das Kriminalkoinmissariat 1892 153 569 Sachen(die oben besprochenen 67 827 Anzeigen eingeschlossen) zu bearbeiten, während bei der 4. Abtheilung des Polizeipräsidiums überhaupt 396 446 neue Sachen eingingen. Das gefammte Per- sonal der Polizeiverwaltung belief sich auf 5383 Köpfe. Von diesen kamen allein aus die„Exekutive " 4730, unter denen sich 3597 Schutzmänner, 342 Wachtmeister, 113 Lieutenants u. f. w. befanden. Dieses Heer von Beamten könnte bedeutend ein- geschränkt werden, wenn die vielen überflüssigen Schreibereien weg- fieien, wenn man weniger schnell mit Straßenabsperrungen zugunsten des Hofes und des Militärs bei der Hand wäre, bei welcher Ge- legenheit bekanntlich erst durch die Ansammlung einer größeren Zahl von Polizisten eine Ansammlung des Publikums bewirkt wird, und wenn man die Polizisten nicht in Arbeiterversamm- lunge» schickte. Wenn die Polizei nicht so oft da wäre, wo sie nicht gebraucht wird, dann würde man es seltener erleben, daß sie da nicht ist, wo sie gebraucht wird. Vom„Licht der Ziiknnft" wurde am Donnerstag Abend in der Urania eine anschauliche Probe vorgeführt. Zwar ist dies Licht noch unscheinbar und schwach und klein, aber wer will auf dem Gebiete der Elektrizität— denn elektrisch ist dies Licht der Zukunft selbstverständlich— leugnen, daß es dem Menschen- Hirn nicht über Nacht gelingen kann, die bisher von der Natur noch halb verschleiert gehaltene neue Gabe völlig zu enthüllen und die schon heute von kühnen Denker» vorgeahnte Entdeckung der Gesammtheit nutzbar zu machen? Ein amerikanischer Tech- niker, Tesla, beschäftigt sich mit dem Problem, die Elektrizität ohne Draht frei rn der Luft fortzuleiten. Die aus den Pfaden des amerikanischen Denkers von der hiesigen Urania unternommenen Versuche wurden in einem von Herrn Spieß gehaltenen Experimental- Vortrag vor dem Publikum demonstrirt. Herr Spieß leitete Ströme von hoher Spannung aus einer Wechselstrom- Maschine in einen Trans- formator, von da in einen anderen und von diesem zweiten Transformator zu einem Kondensator. Auf diese Weise wurde ein Strom von so hoher Spannung erzielt, daß der Liaum auf einige Entfernung hinaus von Elektrizitätswellen erfüllt ward. Mit verdünnten Gasen gefüllte sog. Geßler'sche Röhren, die von der Bühne in den Zuschauerraum hinabgercicht wurden, begannen in den Händen der Gäste intensiv zu phosphoresziren; das Gas hatte sich in elektrische Schwingungen und diese hatten sich in Licht umgesetzt! Gelingt es, das auf grund dieser Experimente erzielte Resultat weiter auszubauen, so wird nach Ansichi des Herrn Tesla ein Licht geschaffen, so einfach und so— billig fast, wie das der Glühkäferchen, die im nächtlichen Waldesdunkel leuchten. Was Herr Tesla von der Zukunft der Elektrizität denkt— vorläufig ist es noch Problcma. Wer vermag in unserem Zeit- alter aber zu ermessen, ob sein Gedanke in naher oder fernerer Zukunft nicht eine Umwälzung in der Gesellschaft hervorruft? Unsere künftigen Staatsretter. In der„National- eitung" vom heutigen Morgen lesen wir: Ort der Handlung: altestelle der Pferdebahn in der Leipzigerstraße, an der Friedrich- siraße. Zeit: Nacht zum Donnerstag 11�/» Uhr. Personen des Dramas eine Dame, welche auf die Pferdebahn wartet, und ein junger Mann, anscheinend ein Student. Der Jüngling umkreist die Dame mehrfach und versucht sie anzusprechen. Die Dame tritt zurück und wendet sich ab. Der Jüngling wird um so zu- dringlicher und flüstert endlich der Dame, an die er dicht heran- getreten ist, etwas zu. Was es gewesesen. Niemand weiß es. Aber im nächsten Moment fällt ihre Hand klatschend auf seine Wange. Der Gezüchtigte entfernt sich eilend, die Zeugen des Vorganges rufen laut ein Bravo, die Dame aber steigt lautlos in den mittlerweile herangekommenen Wagen. Die ganze Szene dauerte kaum eine halbe Minute. Es war ein eindrucksvolles „Lied ohne Worte ". Was soll in der Sumpflust des Militarismus, des After- Patriotismus und des servilen Streberthums auch anderes ge- deihen, als solches Gesindel? Der Morastboden, dem ein Leist und die Prachtexemplare der antisemitischen Saufkohorten entwachsen konnten, muß Staatsrettcr von genau derselben Qualität hervorbringen, wie sie sich in den Steineke und Konsorten so lieblich darbieten. Jede dem Untergang verfallene Gesellschaft hat noch die Staalsretter im Kampfe für die höchsten Güter und gegen den Umsturz jc. ic. gehabt, die sie verdiente. In der Fachschule der Maler Berlins beginnt der sog. halbe Kursus für das Wintersemester 1394/95 am 11. Noveniber im Schnllokale Manteuffelstr. 7(Aula der 193/195. Gemeinde- schule). Anmeldungen zu diesem Kursus werden, wie uns die Schulkommission miltheilt, in den Filialen und von der Eröffnung ab im Schullokale entgegengenommen. Die Fahrpreise auf der Pferdebahn. Die Winterausgabe des Fahrplanbuches der Große» Berliner Pferde-Eisenbah» weicht dadurch von den früheren Ausgaben ab, daß die Angaben über die Länge der Linien und die Dauer der Fahrt fortgelassen worden sind. In bezug auf den Tarif selbst ist zu bemängeln, daß bei der Feststellung der Fahrpreise die Länge der Strecke nicht berücksichiigt worden ist, wie aus folgenden Beispielen zu ersehen ist. Der Preis für die Strecke Spittelmarkt— Treptow, 6200 Meter, beträgt 20 Pf., für die 100 Meter kürzere Strecke Alexandcrplatz— Nollendorfplatz 25 Pf.!, für die Linie Bülow- straße — Nosenthaler Thor, die 6500 Meter mißt, werden 20 Pf., für die 160 Meter kürzere Linie Moabit — Gneisenaustraße da- gegen 25 Pf. erhoben. Für die Linie Görlitzer Bahnhof- Bahnhof Friedrichstraße. 4560 Meter, zahlt man 15 Pf., ebenso für die 400 Meter längere Linie Hasenhaide— Rath- haus, für die Strecke Seestraße— Weidendammer Brücke, die nur 4000 Meter lang� ist, dagegen 20 Pf.! Die Strecken Kottbuser Thor— Behrenstraße und Schlesisches Thor— Hallesches Thor sind je 3200 Meter lang, die«rstere kostet 10, die letzlere dagegen 15 Pf.! Von der Dresdenerftraße einerseits bis zur Potsdamer Brücke sind es 3300 Meter, bis zur Schlesischen Brücke anderer- seits 3160 Meter, erstere Strecke kostet 10, die letztere kürzere 15 Pf.! Der Preis für die Strecke Brückenstraße— Potsdamer Thor, 3200 Meter, ist 10, für die Strecke Alexanderplatz — PotZ- damer Thor, gleichfalls 3200 Meter, 15 Pf.! Dies sind nur einzelne Fälle von vielen. Es wäre interessant, die Grundsätze kennen zu lernen, nach denen bei Feststellung der Fahrpreise verfahren wurde. Jedenfalls sollte die Beseitigung derartiger auffälliger Ungleichheiten möglichst bald bewirkt werden. Ueber den Schlächtermeister Herrn Robert König, Paulstraße 30, ist durch den zufälligen Umstand, daß eine Portion Fleisch konfiszirt wurde, die sich auf dem vor seiner Thür hal- tenden Wagen des Leberhändlers Kohn befand, das Gerücht ver- breitet worden, er verarbeite Pferdefleisch. Eine von Herrn König und auch von anderer Seite gegebene Darstellung läßt eine derartige Annahme völlig ausgeschlossen erscheinen, so daß wir, gleich anderen Blättern, die seinerzeit der Konfiskation er- wähnten, uns verpflichtet fühlen, ausdrücklich darauf hinzuweisen. daß nur eine fatale Verkettung von Umständen dem über Herrn König verbreiteten falschen Gerücht Nahrung geben konnte. Ueberfahren und schwer verletzt wurde vor dem Hause Hannoverschestr. 19 am Freitag Morgen von seinem eigenen Ge- fährt derMitfahrer Kühne aus der Schwedterstraße. Der Verunglückte war durch einen Fehltritt von seinem Sitz herabgefallen und von den Rädern des schweren Wagens so unglücklich verletzt worden, daß er schleunigst nach der Charitee befördert werden mußte. Kümmelblättchen-Spieler, die zwar mit Erfolg gearbeitet hatten, sind nachträglich von der Polizei ermittelt und verhaftet worden. Der polnische Arbeiter P. befand sich am 27. v. M. auf der Durchreise nach Hannover auf dem hiesigen Lehrter Bahnhofe und machte dort die Bekanntschast eines Mannes, der ihm mittheilte, daß ler dreißig Stücke Rindvieh nach Hamburg begleiten solle, zunächst aber noch nach dem Schlesischen Bahnhof fahren wolle, um den„König der Türkei ", der heut dort an- komme, zu sehen. P. leistete der Aufforderung, aus der Stadt- bahn mitzufahren, Folge und ließ sich, als der König der Türke» nach längerem Watten nicht eintraf, nach einem Wirthshause in der Markusstraße führen, um in einein Glase Weißbier Trost für die getäuschte Hoffnung zu suchen. Dort saßen aus„reinem Zufall" zwei Männer, mit denen der Polenführer bekannt war. Zur Unterhaltung wurde ein Spiel vorgeschlagen, und bald war das Kümmelblättchen in vollein Gange. P. wollte anfangs trotz Zuredens, und obgleich sein neuer Freund einen Hundert- markschein nach dem andern gewann, sich nickt zum Setzen ent- schließen, gab aber schließlich nach und setzte 3 M. Als man ihm erklärte, der Satz sei zu gering, setzte er 8 M. und verlor. Jetzt war ihin der Muth ivieder geschwunden, und die Spieler ver- ließen ihn, nachdem sie durch ihr weiteres Zureden keinen Er- folg hatten. Jetzt gingen dem Polen die Augen auf; er er- stattete Anzeige und bezeichnete aus dem Verbrecheralbum den berüchtigten Bauernfänger Otto Thiede als Schlepper und den Schlächter August Seiffert als einen der Spieler. Beide haben zwar keine Wohnung, konnten aber doch von der Polizei�",;.. mittelt und hinter Schloß und Riegel gebracht werden. In ihrem Besitz wurden noch die üblichen Spielapparate, wie„Blüthen". Spielmarken, die als Geldstücke benutzt werden und Karlen, die noch die von dem Kümmelblättchen herrührenden Längskniffe zeigten, vorgefunden. P. erkannte auch Beide bei der Gegen- Überstellung wieder, obgleich sich der eine inzwischen den Vollbart hatte abnehmen lassen. Beide wurden dem Unlersuchungs- gesängniß eingeliefert, während der Dritte noch nicht gefaßt worden ist. Ein Soldat, der al» Gefangener nach der Militärstraf- anstatt zu Spandan transportirt werden sollte, ist am Dienstag Abend aus dem Zuge der Hamburger Bahn zwischen Station Paulinenaue und"Berger Damm bei voller Fahrt heraus- gesprungen. Der Zug wurde sofort zum Halten gebracht und die beiden Unteroffiziere, welche den Gefangenen begleitet hatten, suchten die Gegend mit Laternen ab. konnten aber des Ent- sprungenen nicht wieder habhaft werden. Furcht vor dem Arzte ist dem löjähriaen Hermann W-, Königs- Chaussee 73 wohnhaft, verhängnißvoll geworden. Der Knabe ist in einem Eisenwaaren-Geschäft angestellt und hatte sich beim Verpacken verschiedener Gegenstände an einem Nagel eine leichte Rißwunde an der rechten Hand zugezogen, welcher er jedoch keine Beachtung beilegte. Obwohl der Lehrling heftige Schmerzen zu ertragen hatte, erst die Hand, später auch der Arm anschwoll, machte er, aus Furcht vor ärztlicher Behandlung, weder seinen Elter» noch dem Chef hiervon Mittheilung, bis der letztere den Zustand des Knaben am gestrigen Tage erkennend, seine Ueberführung nach dem Krankenhause Friedrichshain an« ordnete, leider zu spät. Die Wunde war vermuthlich nicht sauber genug gehalten worden, hierdurch ist eine Blutvergiftung ent- standen, welche bereits solche Ausdehnung angenommen hatte, daß am heutigen Tage dem kleinen W. der Arm abgenommen werden mußte. A«S dem Nachlast des Malermeisters Seeger, der bekannt- lich mit seiner ganzen Familie freiwillig aus dem Leben geschieden ist, habe» die Gläubiger auf eine Dividende nicht zu rechnen. Die geringen Aktiven von 4769 M. werden fast ganz in Anspruch genommen durch die bevorrechteten Forderungen im Betrage von 4466 M. Die übrigen Forderungen betragen bis jetzt 12219 M. Lebensgefährliche Brandwunden erlitt gestern das vier- jährige Kind der in der Krautstraße wohnenden Schneider Kühn- schen Eheleute. Frau K. war gerade im Begriff, eine» mit kochendem Wasser gefüllten Kessel von der Maschine zu nehmen, als derselbe plötzlich ihren Händen entglitt und der siedende In- halt sich über das an der Erde spielende Kind ergoß. Das Kind erlitt dabei so schwere Verletzungen an Kopf und Händen, daß es in beinahe hoffnungslosem Zustande in das Krankenhaus am triedrickshain geschafft werde» mußte, woselbst es bereits ver- orben ist. Die Mutter ist infolge der Aufregung über den Vorfall selbst schwer erkrankt. Jäh aus dem Leben geschieden ist am Donnerstag Abend der in einem Eisenwaarengeschäfl angestellte Kommis Gustav H. Als der erst 23 jährige Mann an» gestrigen Abend aus dem Ge- schäft zurückkehrte und die elterliche, in der Brunnenstraße belegene Wohnung betrat, wurde er auf das freudigste durch die Anwesenheit seines älteren, aus London zurückgekehrten Bruders überrascht, der ganz unerwartet hier eingetroffen war. In inniger Umarmung hielten sich die beiden Brüder um- schlungen, als plötzlich Gustav H. einen leisen Schrei ausstieß und dann schwerfällig zu Boden sank. Da er kein Lebenszeichen von sich gab, schickten die besorgten Eltern zum Arzt, der nur noch den plötzlich eingetretenen Tod des blühenden jungen Mannes, durch Herzschlag verursacht, konstatiren konnte. Der Bedauernswerthe war in den Armen seines Bruders gestorben.
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