Ste. 121+38. Jahrgang Ausgabe A nr. 62
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Sonntag, den 13. März 1921
Vergeßt es nicht!
Als Berlin vor einem Jahre, am Sonnabend, den| 13. März 1920, aus dem Schlummer erwachte, da mußten die menigsten, daß sich in den ersten Morgenstunden ein Putsch pollzogen hatte. Die Brigade Ehrhardt war in der Nacht von Döberig nach Berlin einmarschiert und hatte die Stadt besetzt, deren Garnison teils im offenen Einver nehmen mit den Meuterern stand, teils von den Ereignissen überrumpelt wurde. is
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Bezeichnend aber für den Geisteszustand der Abenteurer ftimmung wußte das Reichsgericht fast alle Führer der ift noch folgendes Geständnis des Verfassers: Die Ehrhardt app feite außer Berfolgung zu setzen, der geringe Offiziere sind tief enttäuscht, als ein Herr Kapp zum Reichs- Rest ist angeblich der deutschen Justiz unerreichbar. Heute, tanzler ausgerufen wird, gewiß wohl ein braver Mann in ein Jahr nach dem Verbrechen, ist noch kein einziger ihrem Sinne, aber doch ein 3ibilift! Sie hatten die Rappperbrecher bestraft, eine ewige Schande Sache janz ohne Zipil" schmeißen wollen. Dafür findet jener der Justiz! Berfaffer aber warme Morte der Berteidigung für den eng Es gibt freilich auch eine historische Gerechtigkeit. Sie lischen Spizel und Spion, den Abenteurer und Hochstapler wird sich durchsetzen, wenn die Arbeiterschaft die Lehren Damit hatte für den Augenblick eine Verschwörung Trebitsch Lincoln , der zusammen mit dem verfrachten der Kapp age beherzigt. Der oben zitierte Geschichtstriumphiert, an deren Spize General 2üttwizz und Land Rechtsanwalt Brederet bas moralische Element" in der schreiber der Ehrhardt- Brigade bezeugt in seinem Buch, daß wirtschaftsdirektor Rapp standen, deren Fäden dirigiert wur Rapp- Regierung verwirklichte, in jener Regierung, die feier in den Kreisen der Putschisten man die Selbstzerfleir den von ehrgeizigen und abenteuerluftigen Offizieren wie lich verhieß, Deutschland von unsauberen Elementen zu fchung der Arbeitertiaffe als wichtigen FatMajor Bischoff, Hauptmann Bapst, Oberst Bauer reinigen. tor in Rechnung gestellt und deshalb an das Zustandekomusw. Im Hintergrunde vorsichtig jede verantwortliche So waren die eigentlichen Verschwörer gewiß nicht mehr men einer einheitlichen Abwehrbewegung nicht geglaubt Handlung permeidend ftand General Ludendorff . als eine Gesellschaft politischer Phantasten, hirnlofer Eisen hat. Diese Selbstzerfleischung ist auch heute noch die größte Die verfassungsmäßige Regierung hatte der Gewalt freffer und gerissener Betrüger. Dennoch bedeutete der Auf- Hoffnung aller Reaktionäre. Sie ist die Quelle weichend Berlin verlassen, um von anderer Stelle den Widerstand eine große Gefahr, weil hinter ihm die unnerhohlenen ihrer Macht und ihres Mutes. An dem Tage, wo die ftand zu organisieren. Das war an sich richtig gehandelt. Sympathien der reattionären Parteien, der Einheitsfront des Proletariats nicht nur Rum mindesten fraglich bleibt aber das Urteil darüber, ob Deutschnationalen und der Deutschen Bolfs 3wangsgeburt der höchsten Not, sondern t der damalige Reichswehrminister Noste- was partei standen. Diese beiden Parteien dürften heute dem Dauererscheinung ist, hat die Reaktion in hente freilich eine rein historische Frage ist mindestens Generalstreif auf den Knien danken, daß er zehn Tage lang Deutschland endgültig ausgespielt. den Bersuch eines bewaffneten Widerstandes das Erscheinen ihrer Hauptorgene verhinderte, sonst hätten hätte magen müffen, zumal er selbst an dieser Stelle befundet fie fich noch zehnmal mehr fompromittiert, als hat, daß ein paar Dugend Maschinengewehre in der Nacht es so tatsächlich geschehen ist. Soweit Lokal Anzeiger". Dom 12. zum 18. genügt hätten, um den ganzen Sput in Deutsche Beitung" in Not und Schaulaften- Ausgaben erNichts zu zerblafen. cheinen tonnten, haben fie Rappaugejubelt
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Nur dies ,, Verbrechen" hat verhindert, daß aus Deutsch land ein zweites Horthy Ungarn wurde. Wie die Dinge sich unter Kapp- Lüttwig entwickelt hätten, dafür zeugt wohl am besten jener Befehl ihrer leßten Regierungsstunden, fämtliche Streitposten zu erschießen.
Bayern verweigert die Entwaffnung.
In der öffentlichen. Sonnabendfihung des Reichsrats wurde der Gefehentwurf zur Ausführung der Art. 177 und 178 des Friedensvertrages mit den Stimmen qller Länder gegen die bayerischen Stimmen angenommen. Es handelt sich um ein Gefeß, das die
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blid außenpolitisch nicht für notwendig, während er innenpoli. brochen habe, als nicht im Einklang und im gegenwärtigen Augentifch die eben hergestellte Einheitsfront(?) zerstören tönne. Die Bayerische Staatsregierung erhebt gegen den Entwurf nachdrücklichen Widerspruch. Barfikender Reichsminister des Innern Dr. Koch: Der Gesetzent=
Durchführung des Friedensvertrages
Staatssekretär Göhre schließt sich im Namen Breußens den Aus..
führungen des Reichsministers Dr. Roch an und erklärt, dem Gesetz
entwurf zuzustimmen.
Stoste fah, fich allerdings einer vollfommenen Aber auch die Rechtsparteien felber lügen heute. Felonie seiner hohen Offiziere gegenüber, die mit wenn sie behaupten, daß sie mit dem Kappabenteuer nichts Ausnahme des Generals Reinhard und des Majors von zu tun gehabt hätten. Nur die Scheu vor dem Mißlingen Gilsa Widerstand für nuglos und die Truppen für unzuvers des Butsches hielt sie ab, sich jubelnd in Kapps Arme zu Entwaffnung der Drgesch, der Einwohnermehren lässig erklärten. Unserer festen Ueberzeugung nach gegen werfen. Sie wollten erst abwarten, wie die Sache und sonstiger Selbstschuh- Organisationen sicherstellen soll. besseres Wissen. Unzuverlässig waren nur die lief. Ihre Brotlamationen aus diesen Tagen sind bemußt Im Anschluß an den Ausschußbericht des Gesandten Dr. Herrenselber, die Truppen hätten ihnen gehorcht, wenn zwei deutig und laffen nach jeder Seite hin einen Rüd- tiefer erflärte der banerische Gesandte von Breger Die Dziere den Mut oder besser gesagt den Willen gehabt weg. Rein Zweifel: Hätte Kapp sich behauptet, fo wäre feine wurf mit der Tatsache, daß die Entente den Friedensvertrag geim Auftrag der Bayerischen Staatsregierung den Gesetzent hätten, zu kommandieren. Daran freilich fehlte es. Biefen Tat von diefen Parteien sofort fanttioniert wurf mit der Tatsache, daß die Entente den Friedensvertrag geboch zwischen der Generalität und Ehrhardt mancherlei Fäden. worden. Aber auch jetzt noch sind die Schuldbeweise erdrückend. Der Admiral von Trotha, der mit Ehrhardt verhandeln Wie ein Hohn auf alle geschichtliche Wahrheit lieft es sich, joute, benußte seine Mission, um die Regierung zu täuschen und zu Ehrhardt überzugehen. Andere Generäle spielten menn heute Organe der Rechtsparteien diesen gar ein eine nicht minder flägliche Rolle wie z. B. der General von Berdienst am Scheitern des Kapp- Butsches zuschreiben. Oven, der dreimal in fünf Tagen seine Stellung wechselte, Weiter ift reaktionäre Dreiftigkeit wohl noch nicht getrieben wurf bezweckt, unfere Gefeßgebung in Einflang mit den Bejtimder es erst fertig bekam, fich bei Lüttwig über seine Ab- worden. Der Kapp- Butsch ist einzig und allein zufchanden mungen des Friebensvertrages zu bringen. Die Reichsfegung zu beschweren und dann, als das Abenteuer schief ging, geworden an dem einmütigen und gefchloffenen regierung hat in diefer Frage noch nie einen anderen Standpunkt Widerstand der gesamten Arbeitnehmer eingenommen, weil fie fich der feinerseits Lüttwiß zum Rücktritt zu drängen., Mit Lug und Trug ist in jenen Tagen von den Ver- fchaft, der Arbeiter, Angestellten und Beamten, In einem Ar- die in diesen Tagen eine Einheitsfront entfchloffe nicht entziehen tann. Selbst der Bruch des Friedensvertrages schwörern überreichlich gearbeitet worden. tikel der ,, Deutschen Zeitung" über Hauptmann Pfeffer finden ner Abwehr gebildet haben, die in der Geschichte beispiel durch die Entente fann teine Beranlassung für die Umwir joeben die Bemerkung, daß der Offizier einem Stand los dafteht. Aber gerade jener großartige Generalftreif, der gehung einer flaren Bestimmung des Friedensvertrages unsererseits angehört, der unwahrhaftigteit für ehrlos hält. allein die republikanische Berfassung gelein. Der Vorwurf der bayerischen Regierung, die BorDann waren Ehrhardt und feine Komplizen ehrlos rettet hat, ist von den Reaktionären als größtes Berlegung dieses Entwurfs fei dem Ansehen der Reichsregierung abträglich, müffe mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen werden. bis dort hinaus. Mit einer Lüge begann Ehrhardt brechen" beschimpft worden. Es wäre unverantwortlich, wenn die Reichsregierung durch Nichtausführung des Friedensvertrags jeht der Entente die besonders erfein Unternehmen, indem er seinen Truppen vorredete, in Berlin sei ein bolfchemistischer Aufstand ausgebrochen, den zu wünschte Gelegenheit zu weiteren Repreffalien gebe. unterdrüden die Brigade einmarschieren müsse. Ueber die verlogenen Proflamationen der Befehungszeit ließe sich ein Buch schreiben. Der letzte Lügentrumpf wurde nach Scheitern bes Unternehmens ausdefpielt. Als damals im Reichstag über Es hat sich in jenen Tagen gezeigt, daß die Einheitshen Rücktritt der Kapp- Regierung und dem Abzug der Meuterer front der deutschen Arbeitnehmerschaft, die truppen verhandelt wurde, fam hochrot und erregt ein Offi- damals von den höchsten Ministerialbeamten bis herab zum ier hereingestürzt, der atemlos meldete, daß sich soeben im letzten Arbeiter ging, unüberwindlich ist. Leider hat Morden Berlins eine tommunistische Regierung fie die wenigen Tage der höchsten Gefahr nicht über gebildet habe. Es war hinterlistiges Theater, an der dauert. Die Kommunisten, die erst die Beteiligung im Einzelnen sehr plump erfundenen Meldung fein am Generalstreit abgelehnt, sich dann neutral erklärt ort wahr. Die Verschwörer gedachten eben, fich hinter und erst ihm angefchloffen hatten, als die Arbeiter sich um Den Gaswolfen eines fünftlich entfachten Bolschemisten ihren Berrat nicht fümmerten, fuchten nun hinterher sich der ichredens gefahrlos zurüdzuziehen. Die Offiziere Bewegung für ihre Zwecke zu bemächtigen und sie über das det Rapp Tage haben jedenfalls nicht bewiesen, daß der Ziel des Berfaffungsschutzes hinauszutreiben zur Erringung Inzwischen macht man in Bayern gegen das Reich Diflaierstand die Unmahrhaftigkeit für ehrlos hält. mobil Die bürgerlichen Blätter Münchens beschäftigen sich erregt Mit der Verlogenheit paarte fich erschreckende geistige Schwere Wochen der Erschütterung folgten. Im weft mit dem Entwaffnungsgefeß gegen die Selbstschutzorgani Unreife. Ein Offizier aus der Umgebung Ehrhardts het lichen Industriegebiet legte der kommunistische Teil fationen. Die München- Augsburger Abendzeitung" spricht von nor einigen Wochen ein Buch herausgegeben, Mit Ehrhardt der Roten Armee die Waffen nicht nieder, im Vogtland trieb einem„ ll eberfall" auf Bayern und von einer Ungeheuerdurch Deutschland ", in dem auch der Anteil der Brigade ein hölz fein Unwesen. In dem Augenblick, wo es ehrlicher lichkeit, die von Bayern verlangt werde. Die„ Bayerische Staatson dem Kapp- Abenteuer dargestellt ist. Schon die Kapitel Wille oller republikanischen Kreise und höchste Zweckmäßig zeitung" schreibt von einem unbegreiflichen Borgehen, welches überschrift„ Das Kappenfeft" verrät die geistige Höhe. feit war, fich gegen rechts zu wenden und die kappistische das höchste Befremden erregen müsse, zum Proteft herausfordere auf der die„ Erretter Deutschlands " thronten. Bon dem son- Bewegung mit Stumpf und Stiel aus zu rotten, in diefem und das Gefühl einer Brüsfierung wachrufe. Das Blatt wendet ftigen Geifteszustand des Verfaffers, der in jenen Tagen eine Augenblic ging der Wahnsinn lints los, und es wurde sich auch gegen das Galopptempo, in dem der Gesezentwurf durch die nicht unbedeutende Rolle spielte, bekommt man einen Begriff, eine Abwehr nach dorthin nötig. Die Kappisten hätten weit gefeggebenden Faktoren gebracht werden foll, und erklärt, daß der wenn man in dem Buche lieft, daß diefer Offizier das Gelin meniger geriffen fein dürfen, als fie tatsächlich waren, wenn bayerische Ministerrat gegen den Gesetzentwurf schärfsten Ein. gen des Generalftreits fofort bezweifelt, als ihm der kon sie nicht- diefen Augenblid benutzt hätten, um sich in Sicher fpruch erhoben habe. Das Blatt bemerkt dann noch, daß man bitor, bei dem er Mohrentöpfe(!) einkauft, versichert, daß heit zu bringen. im Hinblick auf die inneren Zusammenhänge das Vorgehen er nicht mitstreifen würde, und als sein Friseur ihm die Die reaftionäre Justiz vollendete das Uebrige. Berlins (!!) nur mit einem recht scharfen Ausdruck zutreffend tröftliche Auskunft gibt, er würde für ftreifenbe Gefellen Sie wandte fich ausschlie fich gegen die Friedensstörer I infs, caratterifieren könnte. Italiener( 1) einstellen. Drei Borte eines Straßenbahnfchaff fo das es nötig war, ein 2 m ne ftiegefe zu fchaffen, das Die Aufgeregtheit in München ist augenscheinlich nur gespielt. ners genügen, um diesen felben Offizier felt davon zu über die Friedensbrecher auf beiden Seiten begnadigte. Die Denn daß man ernsthaft denten tönnte, das ganze Reich ließe fich zeugen, daß die Sozialisten nicht für die Berfassung, sondern Führer follten freilich von der Amnestie ausgenommen dauernd von Kahr auf der Nase tanzen, kann auch von München nur für die Rätebittatur fämpften usw. usw. bleiben. Aber burch eine hanebüchene Auslegung dieser Be- nicht erwartet werden.
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der Rätedittatur.
Gesandter v. Preger beharrt auf seinem obigen Standpunkte. Reichsminifter Dr. Koch widerspricht: Dem Sinn des Friedens
vertrages ift im Ausführungsgeleg vom 31. Auguſt 1919 burch die Borichrit entsprochen worden, daß Vereine, die dem Art. 177 zuwiderhandeln, der Auflösung unterliegen. Bisher hat es lediglich an der Möglichkeit zur Durchführung dieser Bestimmung gefehlt. Der Gefehentwurf schafft fomit feine neue Rechtsnorm. Das Reich ift für die Durchführung des Friedensvertrages verantwortlich. Die Durchführung erfolgt nach dem Gesetzentwurf in einer Form, die eine Auflösung von heute auf morgen vermeidet. die eine Auflösung von heute auf morgen vermeidet. Der Gefeßentwurf wurde hierauf mit 42 gegen 7 bayerische Stimmen unverändert angenommen.