V egriff Haben kann. Glaubt man etwa, ein freies Volk,die Amerikaner, die Schweizer, würden jemals jemandenzum Staatsoberhaupt wählen, der das Volk nicht kennt,es nicht kennen kann.—Wie Zaren sterben. Seit fünf Generationen starbendie allmächtigen Beherrscher Ruhlands theils durch Meuchel-moib, theils im Wahnsinn. Katharina die Große lieh am17. Jnli 1762 ihren Gemahl Peter III. durch Alexei Orlowund Fürst Bariatinski ermorden. Iwan VI. wurde am16. Juli 176-4 von seinen Wächtern Kapitän Wlassin undLieutenant Tschekin erstochen. Paul L ward unter demMitivissen seiner eigenen Söhne durch die Schärpe Jaschwilerdrosselt am Morgen des 24. März 1824. Alexander I.überhäufte die Mörder mit Gold und Ehren, um dann eineZeil lang als Romantiker aus dem Thron zu glänzen undschließlich in Geislesstörung zu sterben. Sein ältester Sohnrvar irrsinnig und statt seiner bestieg Nikolaus I. den Thron,der im Cäsarenwahnsinn den Krimkrieg begann und dannvergiftet wurde. Alexander II. war nicht weniger als fünfMordanfällen entgangen, um dem sechsten zu erliegen. Am4. April 1866 feuerte der Student Wladimir Karakosowein Pistol auf ihn ab. Im Juli 1867 unternahm derpolnische Handwerksgeselle Betcczowski das bekannte aufden Pariser Champs Elysees verübte Attentat. Im Jahre1879 verurtheilten die Nihilisten Alexander II. zumTode. Am 14. April desselben Jahres gingen dievier Schüsse fehl. Im Herbst wollte man den kaiserlichenExtrazug in die Lust sprengen; die Minen unter der Mos-tauer Eisenbahn explodirten jedoch erst, als der Zug vor-über war. Am 17. Februar 1880 hatte der Sprengversnchin dem kaiserlichen Palais stattgesunden, dem der Zar nurdurch einen Zufall entging. Im Sommer 1880 wurdenabermals die Vorbereitungen zu einer Bahnmine entdeckt.Im nächsten Frühjahre griffen aber die Nihilisten zu demfurchtbaren Mittel der Orsinibomben, die denn auch ihrenZweck erfüllten.„Kalt— nach Haus— sterben!' Daswaren die letzten Worte Alexander II., als er blutend undverstümmelt auf dem schneebedeckten Boden lag. Woraneigentlich Alexander III. gestorben ist, weiß man noch immernicht.—Ter bulgarischen Sobranje wurde eine Botschaftdes Prinzen Ferdinand verlesen, in welcher der verstorbeneZar als Hort des Friedens und als Befreier Bulgariensgepriesen ward. O Heuchelei, Dein Name ist Politik!—Schweiz. Man schreibt uns:Seil dem berühmten Verfassungskampf, der im Jahre 1874in der Schweiz tobte und das Volk in zwei Lager riß, war wohlnoch keine politische Bewegung stärker als die durch die Zoll«initiative hervorgerufene. Die Forderung der Ultramontanen,der sich bald auch die Konservativen und der Bauernhund an-schlössen, daß von den jährlichen Zolleinnahmen der Bund zweiFranken pro Kopf an die Kantone abzuführen habe, wurde damitbegründet, daß Mama Helvetia zu vollblütig sei und daher dieSouveränetät der Kantone gefährde. Man hatte allerdings baldden Plan durchschaut: Die Ultramontanen und Konservativenbezweckten eine Schwächung des Bundes, weil sie von einemfinanziell starken Bund eine fortschrittliche Politik befürchteten.Vor allem wollte man durchgreifende soziale Reformen(z. B. Unfall- und Krankenversicherung) und die Duchführungder Schcnk'schen Schulvorlage verhindern. Mit dem Ködervon 6 Millionen Franken aus dem Buudessäckel wollte man dasVolk über die rückschrittliche Tendenz der Volksinitiative hinweg-täuschen. Aber„Die Eeister, die ich rief, werd' ich nun nichtlos-— in geradezu großartiger Weise giebt schon vor der Ab-stimmung das Volk sein Urtheil ab. In Hunderten von Ver-sammlungen, die am letzten Sonntag und seither abgehaltenwurden, erschallte als Antwort auf die Frage:„Soll der Bundfinanziell geschwächt werden ein rundes und klares„N e i n!*Dre Gegner der Initiative, die sie nicht mit Unrecht eine„Beutezugs- Initiative- genannt haben, können ruhig demResultat entgegensehen, welches die am 4. November(Sonnlag)stattfindende Volksabstiminung ergeben wird.—Wahlsystem und Wahltaktik. Unser Baseler Partei-Organ, der von Genoffen W u l l s ch l e g e r redigirte„Vor-wärts', bringt folgende Betrachtung:Wie sehr die Wahlsysteme die Wahltaktik beeinflussen, hatsich jüngst wieder bei den belgischen Wahlen gezeigt, auch inner-bald der sozialdemokratischen Partei. Gewisse im übrigen einsichtige deutsche Genossen wollten nie begreisen, weshalb die So-zialdemokralen in der Schweiz gelegentlich bei Nationalraths« undKantonrathswahlen neben ihren eigenen Kandidaten auch gegne-rische auf ihre» Wahlvorschlag setzten. Jene Genossen übersaheneben, daß eS einen wesentlichen Unterschied ausmacht. obman Liftenwahlen hat, wonach im gleichen Kreis mehrereVertreter zu ernennen sind, wie bei den meisten Wahlen in derSchweiz, oder ob man nur Einerwahlen hat, wonach jeder Kreisnur einen Vertreter wählt, wie bei den Reichstags- Wahlen inTeutschland. In Belgien sind auch Listenwahlen und da haben nundie belgischen Sozialdemokraten, die an Radikalismus gewiß nickt?zu wünschen übrig lassen, unter dem Einfluß des Wahlsystemsgleich den übrigen Parteien von Ort zu Ort ganz verschieden ge>bandelt. So hat es letzten Sonntag der den Provinzialwahlen«ineMenge von Wahlbündnissen gegeben, und zwar waren es in jederProvinz, in jeder Stadt, ja fast in jedem Wahlbezirk andereWahlbündnisse. Hier gehen Liberale und Demokraten gegenSozialisten oder Klerikale, dort Demokraten und Sozialisten gegenLiderale oder Klerikale; hier kämpfen Liberale, dort Demokraten,wieder an anderen Orten Klerikale oder Sozialisten allein gegenalle übrigen Parteien. Schon bei den Kammerwahlen war dieseErscheinung zu bemerken, da z. B. die Demokraten an demeine» Orte mit den Liberalen, an dem anderen mit denSozialisten gingen. Der Wahlagitation in der Pressesind solche Erscheinungen natürlich sehr nachtheilig, denn derFeind in dem einen Wahlkreise ist der Freund in dem andern;der Wahlkampf verliert somit jeden Zug und löst sich in eineReihe vereinzelter Scharmützel auf. Wir sind wahrlich die letzten,welcbe solche Wahlbündnisse extra loben möchten; an unserm Ort(in Basel) haben wir sie stets nach Möglichkeit bekämpft. Wirwollten hier nur ihre Ursache erklären. Mit doktrinären Be>trachtungen und ödem Geschimpf über„Verrath des Prinzipsist da wenig oder nichts zu bessern; gründlich geholfen werdenkann hier nur durch zweckentsprechende Reformen der Wahl-systeme, insbesondere durch Einsührung des ProporzeS(der Pro-portionalwahl).Wieder ein Spion verhaftet— diesmal inFrankreich, ein höherer französischer Offizier, NamensDrey sus, der, nach den Einen, an die italienische, nachden Anderen, an die deutsche, und nach wieder Anderen,an die deutsche und italienische Regierung„militärischeGeheimnisse- verkauft haben soll. Wann wird der nächsteSpion in Deutschland abgefaßt werden? Der Miti-tarismus braucht Spione, gerade wie die politische PolizeiSpitzel und Lockspitzel braucht. An dem Gift der Sumpf-pflanze erkennt man das Gift des Bodens, aus dem sieeinporivächst.—Ein demüthiger Kriegsminister. Im Perier'schenFrankreich spukt, aus Anlaß des Zarenwechsels, wiedereinmal das Gespenst der französisch-russischen Allianz. Derdünne Casimir und der dicke Dupuy umwedeln den neuenar. Das Geschmackvollste aber leistet der Kriegsministeriercier, der nach Livadia telegraphirte:„Die gesammtefranzösische Armee legt zu Füßen Ew. Majestätdie Huldigung tiefsten Schmerzes nieder". Warumlegt er nicht die ganze Armee zu Füßen des Zaren? Daswäre diesem gewiß weit lieber. Uebrigens wird auch vondeutscher Seite in Hundedemuth gegen den jungen ZarGroßes geleistet. Das schmachvolle„Wettkriechen- scheintwieder zu beginnen.—Chinesisch-Französisches. Ein Pariser Blatt,„LeSoleil"(die Sonne) bringt einen satirischen Leitartikel, dereine gewisse symptomatische Bedeutung hat. Der Kor-respondent der„Kreuz-Zeitung- schreibt darüber:Der Arlikel bringt eine eingebildete Unterredung mit einemChinesen, der ebenso naive, wie kluge Fragen thut. Er vermages nicht zu begreifen, daß die Franzosen so viel Geld für ihreArmee ausgeben, wenn sie den Frieden wollen. Darauf er-widert der Verfasser, der bewaffnete Friede sei eine preußischeErfindung. Warum hat Preußen diese Erfindung gemacht?fragt der Chinese weiter. Und er erhält die sehr zutreffende Ant-wort:„weil Preußen, das uns gewaltsam Ellaß-Lothringen ge-nomine» hat, befürchtet, daß wir ihm wiedernehmen wollen, wases uns genommen hat." Und der Chinese erkundigt sich, obFrankreich ohne die„elsaß-lothringische Frage" seine Milliardenausgaben sparen, seinen jungen Leuten die dreijährige Dienstzeitersparen und sie im Handel, in der Industrie und den freienKünsten beschäftigen könne,— und da er eine bejahende Antworterhält, gelangt er zu dem sehr richtigen, sehr tiessinnigen Schluß:„Na, da verzichten Sie doch auf Elsaß-Lothringen!" Der Ver-fasser erwidert:„Wir wollen nicht darauf verzichten." DerChinese:„Na, da erklären Sie den Krieg, um Elsaß-Lothringenzurückzugewinnen." Ter Verfasser:„Wir wollen den Krieg nicht."Der weise Chinese:„Da weiß ich wirklich nicht, was Sie wollen."Und der Verfaffer geringschätzig:„Chinese!"Diese Satire in einemL bis vor kurzem stark chanvini-tischen Blatt beweist, daß die französischen Chauvinistenich der Lächerlichkeit ihrer Situation und ihres Treibens?ewußt zu werden anfangen.—Tas Gesammtorgan der französischen Sozialisten,die„Petite Republique", dehnt ihren Leserkreis fortwährendaus und hat sich eine vollständig gesicherte Existenz erkämpft,was für ein französisches Tageblatt viel sagen will. Mitrem 1. November ist der, vielen unserer Genossen vonBerlin und vom Erfurter Kongreß her bekannte GenosseDu c- du er cy*) als Leiter des Arbeitertheils in dieRedaktion eingetreten. Eine bessere Wahl konnte nicht ge-troffen werden.—Die Expedition gegen Madagaskar wird jetzt be-ginnen müssen— der französische Gesandte Lamyre hatauf sein Ultimatum von der madagassischen Regierung garkeine Antwort erhalten.Das wird ein theurer Feldzug werden. Die InselMadagaskar hat, bei einer Bevölkerung von drei MillionenEinwohnern, einen Flächenraum so groß wie Frankreich,und das gebirgige, mit tropischem Urwald bedeckte Landmacht militärische Operationen sehr schwierig.—China-Japan. Die Japanesen melden offiziell einenneuen Sieg. Die Chinesen rhun desgleichen. Die chinesischenPapier-Siege haben aber bisher die Probe sehr schlecht be-standen.—Pattfeinatfmdjfen.Zur Stichwahl in Beruburg, welche am 13. d. M. statt-findet, haben die Genoffen Metzner, Keßler, Bebel, Singer,Pfannkuch und Auer ihre agilalorische Beihilfe zugesagt. Diebeide» erstgenannten Genossen werden bis zum Stichwahlstageim Kreise bleiben. Unsere Genossen in Beruburg verbreiten heutevereits ein Flugblatt, welches die Wähler zur Stichwahl fürunseren Kandidaten Karl Schulze einladet. Die Gegner, unter-stützt von den Behörden, verlegen sich— nachdem sie im schrift-licken und mündlichen Kampfe bisher überall den Kürzeren ge-zogen haben— auf das Abtreiben der Lokale. In vielen Ortenund diese feigen Quertreibereien auch von Erfolg begleitet ge-wesen und sind bereits zugesagte Versammlungslokale wiederzurückgezogen worden. Der Eifer und Opfermuth unserer Ge-nossen wird durch diese Taktik der Gegner freilich nur ver-doppelt.•*•Von der Agitation, vor einer nach Tausenden zählendenVolksmenge sprach am letzten Dienstag der Reichstags-AbgeordneteBebel in Würzburg.— Der Genosse Wurm reserirte amMontag in Nürnberg, am Mittwoch in B a m b u r g. BeideVersammlungen waren überfüllt.— Ueber eine längere Agita-tionslour, welche Frau Ihrer gegenwärtig durch das sächsischeVoigtland macht, wird uns von dort geschrieben: Von den ge-planten Versammlungen verfielen vier dem vorherigen Verbotmit der Begründung, daß die Frau Reserentin hinlänglich be-tannt sei(wir glaubten nach der bisherigen Praxis dersächsischen Behörden, daß das letztere gerade ein Haupt-ersorderniß sei. Red. d.„Vorw."), sowie daß sie bereits wegenBeamienbeleidigung vorbestraft sei. Die kgl. AmtShauptmann-schaft zu Plauen(dessen Vertreter der wohlbekannte Ex-Reichs-lags-Abgeordnete Polenz ist) nahm an, daß die Versammlunge»gesetzwidrigen Zwecken dienen würden. Eine Versammlung inNetzschkau, in welcher Frau Vogel das Referat übernommenhatte, wurde aufgelöst, weil Frau Ihrer in die Diskussion ein-griff. Der überwachende Beamte erklärte, es stünde im Gesetz,daß Frau Ihrer nicht sprechen dürfte, während sie iu dreianderen Orlen ungehindert sprechen durste. Jedoch können wirmit dem Resultat der Verbote, sowie den imposant verlaufenenVersmnmlungen vollständig zufrieden sein.Eege« die Tabaksteuer. �Genosse v. Elm macht gegen-wärtig eine Agitationslour durch Württemberg. Er sprach amSonnlag in Stuttgart vor einer stark besuchten Versammlungüber:„Die Tabakneuer und ihre Folgen", am nächsten Tageüber das gleiche Thema in Heidniheim vor ca. 600 Personen.In beiden Versammlungen trat eine starke Strömung gegen dieMehrbelastung des Tabaks zutage; entsprechende Resolutionenwurden angenommen.9«Seinen Austritt aus* der Partei hat derDr. Rüdt-Heidelberg erklärt. Auf rothen Plakaten,die in Mannheim zur Verbreitung gelangten, hat erfolgende Erklärung abgegeben:„Den Parteigenossen zurNachricht, daß ich mich den Beschlüssen des FrankfurterParteitages in Bezug ans die Badischen Parteiange-legenheilen,_ soweit sie mich selbst betreffe», nicht fügenkann. Würde ich es thun, so hieße das meine Ueber-zeugung und meine Ehre opfern. Es ist mir nämlich unmöglich,zuzugeben, daß der Beschluß der Landeskonferenz zu Offenburgvom 22. Juli, der meine Stellung zur Ordenssrage im Badische»Landtag rechtfertigte, null und nichtig sein soll, und es ist mirnoch unmöglicher, die Beschuldigung hinzunehmen»„intri-») Sprich auS: dück kärrsi.guirt und gehetzt zu haben". Die Entscheidung darüber,auf welcher Seite die„Jntriguanlen" und„Hetzer" waren, über-lasse ich getrost dem Urtheile der Badiscken und nicht zumwenigsten der Mannheimer Parteigenossen. Ich unterwerfe michalso nicht, erkläre aber zugleich damit meinen Austritt ausder Partei. Dieser Schritt wird mich jedoch nicht ab-halten können, meiner sozialistischen Ueberzeugung treuzu bleiben und immerdar, wo und soweit es mir möglichsein wird, der Aufklärung des Volkes zu dienen, und gegen seineVerdummung, Ausbeutung und Unterdrückung zu kämpsen. DesVolkes Wille und des Volkes Wohl wird mir auch fernerhinhöchstes Gesetz bleiben."Wenn dem Herrn Dr. Nüdt seine Ueberzeugung andereWege einschlagen läßt, so wollen wir ihm das nicht weiter ver-argen.**♦In einer Versammlung der Parteigenossen Stuttgartserstatteten die Delegirten Frau Clara Zetkin und Fr. Her-mann Bericht über den Parteitag. Dre Versammlung erklärtesich mit den Beschlüffen im allgemeinen einverstanden. Im An«schluß hieran wurde das städtische Komitee beauftragt, die Auf-stellung der Kandidaten zur Bürger- Ausschußwahl zu bewirken.Saalabtreiberei. AuS R*a venSburg in Württembergwird geschrieben: Durch Saalverweigerungen glauben die ultra-montanen und nationalliberalen Stadtväler von Ravensburgdem immer weiteren Umsichgreifen der sozialdemokratischenLehren am beste» Einhalt thun zu können. Sie haben deshalbin ihrer letzten Sitzung ein erneutes Gesuch des dortigen sozial-demokratischen Vereins um Ueberlassung der Turnhalle zu einerVolksversammlung, in welcher Redakteur Tauscher über die bevor-stehende Landtagswahl sprechen wollte, mit allen gegen zweiStimmen abgelehnt. Und das nennen sie dann„Kampf fürFreiheit" und„gleiches Recht für Alle!"* 9Einen Saalban beabsichtigen die Genossen von Velbert(Westfalen) auszuführen und sammeln zu diesem Zwecke Gelder.So sehr es auch verständlich ist, daß die Genossen mancher Orte,der ewigen Saalabtreiberei müde, einen solchen Ausweg suchen,so sehr sollte man andererseits doch mit äußerster Vorsicht anderartige Unternehmen herantreten.9 9Die NiickwLrtSrcform deS Leipziger Gemeindeivahl-rechts» wie sie nun glücklich zu Ende geführt ist, hat den Mathunserer Parteigenossen durchaus nicht sinken lassen. Das„Bater-land", das die Befürchtung ausspricht, die Ordnungsparteienkönnten trotz des neuen Wahlrechts doch recht fühlbare Schlappenbekommen, falls sie nicht energisch in den Wahlkampf eintreten,dürfte vielleicht mehr Recht behalten, als es selbst glaubt. Die„Leipziger Volkszeitung" wenigstens scheint davon überzeugt zusein; sie schreibt: Trotz Klassen- und Bezirkswahl und trotz allerfürsorglichen Wahlkreisgeometrie wird die Niederlage der Orb-nungsparteien eine vollendete sein. Die bevorstehend« Wahl wirddie Ouittung für das mit der Wahlrechtsveränderung an den mitt-leren und unteren Schichten der Bevölkerung verübte Unrecht auS-stellen. Mögen auch die Leipziger Sozialistentödter ihre Bor-bereitungen und die Arrangements zur Wahl selbst tressen, wiesie wolle», mögen die Wähler auch noch so plötzlich mit der Aus-schreibung der Wahl überrascht werden, die Sozialdemokratiewird auf dem Posten sein und den Wahlrechts-Verkümmerern denBeweis liefern, daß die von ihnen geübte politische Unterdrückungvon allen gerecht denkenden Wählern verdammt wird. Bei dieserGelegenheit wollen wir noch die Mittheilung machen, daß vonder Sozialdemokratie im Laufe der übernächsten Woche die Wahl-agitation mit voller Kraft eröffnet werden wird.Todteuliste der Partei." In Netzschkau i. B starbder Partei-Veteran Fritz Drechsler. Die Partei verliert inihm einen allzeit lhätiyen Genossen, der biS zum letzten Augenblickunserer Sache treu gedient.•Polizeiliches, Gerichtliches te.— Der Genosse Paris in Velten hatte für einen Sonntagim August eine öffenlliche Versammlung unter freiem Himmelanberaumt. Der Amtsvorsteher versagte die Genehmigung ausgrund des§ 9 des Vereinsgesetzes, da„Gefahr für die öffentlicheSicherheit und Ordnung" zu befürchten sei. Die Beschwerde anden Landrath von Osihavelland hatte nur den Erfolg, daß derBeschwerdeführer nun näher erfuhr, worin die„Gesahr" bestehe.Es hieß in dem landräthlichen Schreiben, daß das betreffendeGrundstück zu nahe am Gemeindeforst gelegen sei, so daß eineFeuersgefahr nahe liege.— Der Redakteur der„Reußischen Tribüne", GenosseWilhelm Leven in Gera hatte einen ihm übersandten Ar-tikel abgedruckt, der dem Pastor Köhler in Liebschwitz vorwarf,er sei ein schwarzer Gendarm, ein christlicher Prügelpädagogeund dergleichen mehr. Das Landgericht Gera verurtheilte Levenam 30. April wegen Beleidigung zu zwei Monaten Gefängniß.Darauf, ob die den inkriminirten Vorwürfen zu Grunde liegen«den Thatsachen wahr seien oder nicht, wurde kein Gewicht geltgt,da die Absicht der Beleidigung auS der Form sich ergab, weshalbauch der§ 193 nicht in Frage kam. Die Revision� des Angeklagten wurde heute vom Reichsgericht als unbegründet ver«worfen.— Am 19. Oktober wurden die Genossen Jaeckh-Mül«Hausen und Z, e l o w s k i- Offenburg wegen Beleidigung durchdie Presse verurlheilt, und zwar ersterer zu drei MonatenGefängniß. letzterer zu 14 T a g e n Gefängniß.— O e st e r r e i ch i s ch e Z e n s u r b l ü t h e. In der Wiener„Arbeiter-Zeilung" lesen wir:„Illustrationen zur österreichischenRechtspflege. Wir lesen in der Wiener bürgerlichen Presse:Konfisziert! daraus hin.„Das allgemeine, gleiche und direkt« Wahlrecht Konfiszirt!Konsisziert! glückliche Menschheit." Glücklich« Menschheit inOesterreich!—SozialeUeber die wirthschaftliche Lage der landwirthschastlichenArbeiter werden gegenwärtig von den Vorständen der land-wirthschastlichen Vereine im Leipziger Kreis« ErhebungenangesteUl. Diese Berichte sollen noch vor Jahresschluß zusammen-gestellt und an das Ministerium des Innern abgesendet werden.Als Endtermin, bis zu welchem diese Berichte aus dem ganzenKreise an das Direktorium des Landwirthschastlichen Kreisvereinsin Leipzig gelangen müssen, ist der 11. November bestimmt wor»den.— Wir sollten meinen, daß„Erhebungen und Erwägungenüber die miserable Lage der Laudarbeiter kaum noch nölhig sind.Hebe man zunächst die G e s i n d e- O r d n u n g auf und wirsind sicher, man würde die Landarbeiter bei weitem mehr zu-frieden stellen, als durch die vielen„Erhebungen" und noch dazuvon dieser Seite.Scklvarze Liste». Der Verband der Metallindustriellen isthinlänglich bekannt als einer derjenigen Unlernehmerverbände,die am rigorosesten jede Selbständigkeit der Arbeiter unterdrücken.Davon bringt unser Leipziger Bruderorgan einen neuen Beweis,indem es folgenden Uriasbrief veröffentlicht:Verband der Metallindustriellen im Bezirk Leipzig. Leipzig.den 26. August 1893. Mittheilung an die geehrten Mitgliederdes Verbandes. Di« Firma Gerhardt n. Dehme in Leipzig-Lindenau. Mitglied des Verbandes, hat zur Anzeige gebrachr,daß eine Anzahl Arbeiter ihres Betriebes die Arbeit gleichzeitigniedergelegt hat, daß besonders Bezeichnete die Anregung dazu