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Nr. 137 38.Jahrgang Ausgabe A nr. 70

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Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutschlands  

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Mittwoch, den 23. März 1921

Himmelschreiender Polenterror.

Vorwärts- Verlag 6.m. b.H., SW 68, Lindenstr. 3 Fernsprecher Ami Morigplas. Nr. 11753-54

Der rheinische Binnenzoll.

Bon Dr. J. Jastrow,

Profeffor der Staatswissenschaften an der Universität Berlin. muß; den Gewerkschaften selbst ist es unmöglich, sich noch ein­mal an die Interallierte Kommiffion zu wenden, da sie schon dem übrigen Deutschland   durch eine Ballschranke abzuschnüren, Die Drohung der Entente, das besetzte Rheinland   von die letzten Borstellungen gegen den Polenterror nicht entgegen- ist von uns in aller Form als vertragswidrig bezeichnet wor genommen, sondern an ihre jungen Leute verwiesen hat. den, da der Artikel 270 des Bersailler Friedens rheinische Zoll­ten kommiffion anvertrauten Bevölkerung dürfen die Gewerk- Interessen der Bevölkerung zu wahren", nicht aber als Straf Angesichts der völligen Schuhlosigkeit der der Inferalliier- maßnahmen nur zu dem 3mede fenne, die wirtschaftlichen schaften die Berantwortung, weitere Verhandlungen abzu- oder Erzwingungsmittel. Auch in der Note vom 15. März, warten, nicht mehr übernehmen, nachdem heute die Terror- in der wir gegen die Gewaltatte unserer Gegner den Völker­banden auch schon auf unbestritten deutsches Gebiet überge- bund an feine Pflicht erinnern, haben wir dieses Argument griffen haben und jede Stunde mit weiterem Umfichgreifen mit Nachdrud betont. des Tobens zu rechnen ist. Die Geduld der deutschen   Gewerk­schaften ist erschöpft. Bersagt die feierlich versprochene Hilfe der Interalliierten Kommiffion, so bleiben die Arbeiter auf fich felbst gestellt und dann fann es geschehen, daß unter der er­wungenen Abwehr ebenso Unschuldige leiden müffen, wie es durch den polnischen Terror geschieht.

Verzweiflungsruf der Gewerkschaften. Gleiwig, 22. März.( Eigener Drahtbericht des Bor­wärts.) Wie ich foeben aus dem Munde maßgebender Führer der freien Gewerkschaften vernehme, herrscht in der gesamten deutsch   orientierten Arbeiterschaft kaum noch 3 Sofol- und Mordbuben von der Bojomka Polska" in den Orten mit polnischer Mehrheit zu Hunderten wurden Ar­beiter mit dem Gummiknüppel von der Arbeitsstätte ver­trieben, schwere Verletzungen sind die Regel. Funktionäre der Gewerkschaften müffen ihre Wohnungen aufgeben und in fichere Gebiete flüchten, um nicht in ihrem Heim überfallen zu werden. Die deutschen Gewerkschaften können diefer fyftema tischen Verfolgung nicht länger fatenlos zusehen. Gegenmaß­nahmen werden erwogen für den Fall, daß die Interalliierte Kommission nicht schon in allertürzester Zeit eingreift, was bei der stillen Duldung dieses Schandtreibens durch die fran- Die deutschen   Gewerkschafter Oberschlesiens   halfen es für zösischen Besatzungstruppen leider sehr unwahrscheinlich ist. dringend angebracht, der Deffentlichkeit von ihrer Ueber­Die von mir befragten Gewerkschaftsführer fiehen auf dem zeugung Kenntnis zu geben, um allen Vorwürfen vorzu­Standpunkt, daß der Oberste Entente- Rat fofort die nötigen beugen. Anweisungen an feine Oppelner Kommission ergehen lassen

( Siehe auch 3. Geite.)

Eig Manifest der Labour Party  .

Der Parlamentarische Ausschuß des englischen Gewerkschaftsfongreffes und das Erefutiotomitee der eng. lischen Arbeiterpartei beschloffen in einer am 17. d. M. abgehaltenen gemeinsamen Sigung, folgendes Manifest zu erlaffen:

Die gemeinfame Tagung des Barlamentarischen Ausschusses des Gewerkschaftstongreffes und des Eretufivkomitees der Labour Porty ist der Ansicht, daß die Ursachen der Wirtschafts frisis, die auf England lastet, größtenteil außerhalb des Landes liegen. Ganz Europa   ist durch den Krieg verarmt. Große Teile Europas   wurden durch den Frieden ruiniert. Millionen unserer früheren Kunden sind heute

zu arm, mit uns Handel zu treiben,

dem Import zurüd, und es besteht feine Aussicht auf eine Befferung unter den gegenwärtigen Verhältnissen. Es ist un benthar, daß

Europa   42 Jahre lang ein bewaffnetes Heerlager bleibt, um diefen unmöglichen Tribut zu erzwingen. bei einiger Bewegungsfreiheit und gründlicher Revision Ebenso ficher ist es aber unserer Meinung nach, daß Deutschland  , der wirtschaftlichen Bestimmungen des Friedensvertrages, in der Lage sein wird, für die tatsächlichen Berwüstungen Wiedergutmachung zu leisten.

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Anschein erweden, daß, wenn die Entente versichert, die Zoll Die miederholte Betomung dieses Arguments konnte den fchranke im Intereffe der Rheinländer für erforderlich zu hal ten, sie zur Errichtung befugt wäre. Dieses nachzuprüfen, hat man bisher in der Deffentlichkeit unterlassen.

Der genannte Artifel 270 lautet:

Die alliierten und assoziierten Mächte behalten sich vor, für das deutsche, von ihren Truppen befeßte Gebiet, eine eigene Bollordnung, fofern ihnen eine solche Maßnahme erforderlich erscheint, um die somohl für die Einfuhr wie für die Ausfuhr in Geltung zu sehen,

wirtschaftlichen Intereffen der Bevölkerung dieser Gebiete zu wahren.

Unter ber Bollordnung", zu deren Erlaß die Alliierten unter Umständen befugt sein sollen, versteht man die Ordnung des Zollverwaltungsrechts( worunter hier und im folgenden das Boll ft r af recht immer mitverstanden wird). Jede Zoll­politif, ob mehr oder meniger schutzöllnerisch, ob freihäno­lerisch, muß einen Rahmen für die äußere Verwaltung des Bollwefens norfinden: Die Einrichtung der Zollämter und der Grenzbewachung, die Mitwirkung der Polizei und sonstigen Behörden, Bestrafung der Zollumgehungen und gerichtlicher Schutz gegen Bollüberhebungen, ferner 3ollerleichterungen im fleinen Grenz- und Marktverkehr, Zollstundung, ver­zollfreie Aufbewahrung u. a. m. Die 3ollpolitik eines Landes fchiedene Arten von Niederlagen für fürzere oder längere fann wechseln, feine Bollordnung" fann gleichwohl( wenn sie ausreichend elastisch ist) diefelbe bleiben; wobei unter Zoll­ordnung das Zollreglement zu verstehen ist. Unsere Zoll­vereins stammende Vereinszollgesetz vom 1. Juli 1869. ordnung ist das noch aus den freihändlerischen Zeiten des Zoll­Inzwischen ist Deutschland   im Jahre 1879 vom Freihandel zum Schutzzoll übergegangen, hat im Jahre 1891 die Caprivische Mittellinie befolgt und ist mit dem Tarif von 1902 dem Pro gramm des Bundes der Landwirte gefolgt; aber die Zoll­nung des Zollwesens im Interesse der Bevölkerung Aenderungen notwendig macht, so soll die Offupationsverwal tung sie vornehmen dürfen. Darunter finden sich z. B. Erleichte­rungen des fleinen Grenz- und Marktverkehrs im Verkehr mit Frankreich   und Belgien  , sonstige Erleichterungen( oder auch Erschwerungen) bei der Abfertigung, sowohl der Einfuhr wie der Ausfuhr über die Weftgrenze; leichtere Zugänglichkeit der Bollämter, verbefferter Rechtsschutz u. a. m. Ganz gewiß sehr weitgehende Befugnisse, die billonaler Handhabung fehr Rahmen einer Zollordnung hinausgehen, eine eigene peinlich wirken tönnen. Aber von Maßregeln, die über den 30llpolitit inaugurieren, das Rheinland   vom übrigen Deutschland   abschnüren, davon ist in dem oben abgedruckten Wortlaut der Vertragsbestimmung nicht die Rede.

ersetzt werden. Wir würden es vorziehen, wenn das soweit Der Frankreich   zugefügte Schaden muß vor allen Dingen die französische   Stimmung und die französischen   Interessen es er lauben durch deutsches Material geschähe. Keine bri­und was Rukland hetrifft. so hat unfere Politik bewußt zu seinem tische Forderuna ist dringender als diese. Unserer Ansicht nach. ent­Elend und feinem Abschluß von der übrinen Welt beigetranen. Die hält die Entschädigungsrechnung Posten, die riefige Tributforderung, die die Entschädigungsbeschlüsse unvereinbar find mit den vor dem Abschluß des Waffenstilstandes enthalten, wird die Abfahmöglichkeit für unfere Waren in Deutsch  - gestellten Bedingungen, auf Grund deren Deutschland   sich unter- ordnung ist dieselbe geblieben. Wenn diese äußere Ord= land noch weiter verringern. Unser Export nach Deutsch­

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worfen hat.

Nur juristische Wortlauberei

land betrug zum Borkriegspreis berechnet im letzten Jahr Diefe Boften find es, welche auch die gerechtfertigten fran­meniger als ein Achtel deffen, was wir im Jahr vor dem zösischen Forderungen kompromittieren. Krien dorthin ausführten. Wir verfrachteten im lekten Jahr nach deutschen, russischen und öfterreichisch- ungarischen Häfen weniger als ein Behntel dessen, mas mir 1913 versandten. Dieser fann aus dem Satz: Rüdgang allein würde genügen, um die heutige Arbeits. lofiatett zum größten Teil zu erklären.

Schäden, welche der Rivilbevölkerung der Allierten oder deren Eigentum durch Land, See- oder Luftangriffe Deutschlands  zugefügt worden find"( Bunft 8 des Wonschen Friedenspro­gramms. Die Red. d. Borwärts".)

die Verpflichtung für Deutschland   fonstruieren, ben allierten Regierungen ihre Ausgaben für Benfienen und Vergütungen an Personal zurüdzuerstatten.

Eine ehrliche Interpretation der Bedingungen, auf Grund deren Deutschland   sich unterworfen hat, würde zur Festsetzung einer niedrigeren Gesamtsumme führen.

In diefer allgemeinen Verarmung, welche zugleich unsere Ab­nehmer ruiniert und unsere Arbeiter zum Feiern zwingt, fient aber noch Schlimmeres als die unvermeidliche Bergeudung von Werten durch den Strieg. Die Blodade Ruhlan's war eine höchft turz­fichtige Belitif Eine Bestimmung des Friedensnertrages nach der der anderen hat ihr Teil dazu beigetragen, den Ruin zu vollenden, den der Krieg begann. Defterreich wurde zerstückelt, aber Beris vergaß, für den notwendigen Handel zwischen den ausein andergeriffenen Teilen Sorne zu tranen. Es schnitt eine Weltstadt Der nächste Schritt muß die Wiederaufrichtung der ruinierten und einst blühende Industrie von ihren früheren Kohlenvorräten Wirtschaft des Kontinents und die praktische Wiederauf ab. Deutschland   wurde mit Recht zur Arbeit aufgefordert, um die nahme der gegenseitigen Handelsbez'ehungen sein, nicht die ,, Les Puissances alliées et associées, dans le cas ces Entschädigungszahlung zu ermöglichen. Aber der Vertrag, der diese Erwinauna einseitiger Zahlungen. Das erfordert aber die gründ Peroffichtungen auferlegte, nahm ihm seine Handelsmarine liche Revision der wirtschaftlichen Bestimmungen aller Friedens mesures leur paraîtraient nécessaires pour sauvegarder les intérêts und brei Biertel feines Eisenerzes, verringerte verträge und den Abschluß eines ehrlichen Friedens mit Rußéconomiques de la population des territoires allemandes occupés die Kohlenzufuhr für feine Industrie, schloß die land. par leurs troupes, se réservent d'appliquer à ces territoires un Banten und Geschäfte, welche allein seinen auswärtigen Da somit unserer Ansicht nach die augenblickliche Arbeits- régime douanier spécial, tout en ce qui touche les importations. Handel vermitteln. Tofigfelt in England die que les exportations."

Sowohl

Nun ist dies allerdings der Tert der deutschen   Ueber­fegung, der lediglich von uns im Reichsgesehblatt" hinzu gefügt ist. Im französischen   Urtert lautet der Artikel:

dirette Folge seiner selbstmörderischen auswärtigen Bolift Der Ausbrud regime douanier", der hier gebraucht ist, ift, verlangen wir nicht nur eine nochmalige Prüfung ist nicht ganz eindeutig. Man kann darunter die jeweilige der Entschädigungsforderungen, sondern auch eine Bollpolitik verstehen. wie das Wort régime gebraucht wird, 2lenderung der Gesamtpolitit der Alliierien gegenüber Zentraleuropa   um das System im großen zu bezeichnen( ancien régime, und Rußland.  régime feudal). Aber die Franzosen brauchen daneben das

im Namen der Humanität wie in unserem eigenen Interesse moffen wir dagegen Proteft erheben. Die Sterblichteits ziffern in Mitteleuropa   beweisen, daß es die Kinder find, welche diefe Rechnung mit ihrem Leben bezahlen. Als Arbeiterbewegung müssen wir die Entschädigungsbeschlüsse Diefes Manifest, dessen Inhalt so vollkommen den Wort régime auch in einem bescheideneren, den Einzelheiten pom Standpunkt der Arbeiter, sowohl des Landes, melches zahlen Grundfäßen des Internationalismus entspricht, gewinnt noch zugewandtem Sinne, wie die Lerifa uns als Beispiele nennen: Toll als deffen, an das die Zahlungen gehen, beurteilen. Gezahlt werden fann nur durch Erport, den wir ohne Gegenleistung an aftueller Bedeutung durch die bevorstehende Amsterdamer régime des chevaux, régime du feu. In dieser Detail­erholten. Das bebeutet weitere Schwierigteiten für Ronferenz, die sowohl die Bewertschaftsorgani- regelung liegt die Tendenz zu dem Begriffe der Reglemen­unfere Industrie. Deutschland  , auf der anderen Seite, würde fationen Englands, Deutschlands  , Frank- tierung, die bei 3ollreglement und 3ollordnung vorschmebt, gezmunaen fein, 42 Jahre lang nur die notwendin en Lebens- reichs und Belgiens  , wie auch Vertreter der einzelnen Ja, Sachs- Billatte macht die Synonymenzusammenstellung: bedürfnisse einzuführen. Das bedeutet, daß unsere Wirtschaft fich parlamentarischen Frattionen und den Ere- ,, Le gouvernement est la tête, il ordonne, l'administration nicht wird erholen fönnen, und daß als Folge die Arbeits- tutivausschuß der 3 weiten Internationale est le bras, elle execute; le régime règle!" foligteif fleigt.

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zusammenbringen wird.

Bei dieser nicht ganz ficheren Deutbarkeit wird man zu Die Ueberschwemmung des Weltmartes mit Gütern, die tat.] Bisher haben ausschließlich die fapitalistischen Macht- nächst geneigt sein, seine Zuflucht zu dem englischen Tert fachlich durch zwangsarbeit hergestellt sind, wird unfere haber Europas   das Wort gehabt. Es ist ihnen nur gelungen, zu nehmen, der neben dem franzöfifchen gleichberechtigt als eigenen Arbeiter einer noch nie dagewejenen Form der Konkurrenz heillose Berwirrung anzurichten. Jetzt werden auch Urtert gilt. Aber da stoßen wir auf eine ganz merkwürdige gegenüberstellen. Bir glauben jedoch nicht, bak die Entschädigung die Bertreter des internationalen Proletariats auf den Plan Fassung. Die entscheidenden Worte lauten: a special n ber von Baris geforderten Höhe bezahlt werben treten und ihre, vom Geist des prattischen Inter customs régime!" Hat der Redakteur des englischen  ann Jm Augenblid bat Deutschland   feinen Erportüber- nationalismus getragenen Lösungen des europäischen   Tertes die Schwierigkeit gemerkt und ihr durch bloße Ser fu au verzeichnen, fondern fein Export bleibt im Gegenteil hinter Wiederaufbauproblems gemeinsam der Welt verkünden. holung des französischen   Wortes aus dem Wege gehen wollen?