möglich sein werde und daß es vielleicht ratsam wäre, das ge- famte Gebiet entweder Polen oder Deutschland zuzuteilen und dafür den Staat, der das von ihm gewünschte Gebiet verliere, an anderer : Stelle zu entschädigen(?).
Der polnische Terror. Amsterdam . 24. März, shollandfch JJleurostrarcau-) Der Korrespondcnl de».Algemeeu handelsblad" meldet aus kotlowitz, daß der Zustand in Oberschlesien stündlich schlimmer wird. Aus persönlicher Erfahrung könne er seslslellcn, daß die polnische Bevölkerung in ZNyslowitz talsächlich beschlossen habe, mit der beut. scheu Minderheit endgültig abzurechnen. Auf der ganzen Strecke südlich von Satlowih herrsche vollständige Anarchie. Sorfanty habe die Parole ausgegeben, daß die Grenze schon setzt nach dem Westen verlegt werden müsse. Seine Trabanten seien meisten» bewaffnete Zunge Leute von lö bis 20 Jahren, die seine Befehle mit dem größten Vergnügen aussühren. Es seien Verbrechertypen, die rauben, morden und plündern. Auch dieser Korrespondent versichert, es sei absolut wahr, daß die Be- völkerung aus den östlichen Gebieten fliehe. Beuthen , 24. März.(MTB.) Der Kreisgouverneur von Beuthcn-Land hat wegen der Ermordung mehrerer in Diensten der Interalliierten Kommission stehenden Personen in Kars besonders scharfe polizelliche Bestimmungen erlasien. Danach wird auf Gruppen von mehr als vier männlichen Personen sofort und ohne War- nung das Feuer eröffnet. All« Versammlungen, mit Aus- nähme von religiösen, sind verboten. Von 8 Uhr abends bis 4 Uhr morgens wird auf Gruppe» von mehr als zwei Personen beiderlei Geschlechts ohne Warnung gefeuert. Die Geschäfte dürfen nur von 9 bis 12 Uhr vormittags und von 2 bis 5 Uhr nachmittags offen bleiben. Aehnlich« Bestimmungen sind'für Miechowitz erlassen worden. Ueber die Vorgänge in Kurf wird von unterrichteter Seite fol- gendes mitgeteilt: Am Dienstag abend wurden acht Landjäger von einer großen Menschenmenge bedrängt. Sie slüchteten in ein chaus, das die Menge ununterbrochen von 11 Uhr abends bis S Uhr morgen» belagerte. Als die Landjäger im Feuergefecht mit der Menge ihre Munition verschosien hatten, zeigten sie durch ein weiße» Tuch an, daß sie sich ergeben wollten, und es wurde ihnen freies Geleit zugesichert. Als sie jedoch das Haus verließen, wurden vier von ihnen sofort bestiallsch ermordet und zwei so schwer verwundet, daß sie inzwischen gestorben sind. Die beiden übrigen wurden schwer verletzt. Während der Beschießung des Hauses wurde ein Dreher erschosien. Oppeln , 24. März.(III.) Gestern abend lagen zahlreiche Mel- düngen über terroristische Akte der Polen im südlichen und südwestlichen Teil°des Kreises K a t t o w i tz vor. In Maczeltowitz wurden die Deutschen aus der Ortschaft ver- trieben. Au» M y s l o w i tz werden neue Terrorakte gemeldet. Die dort liegenden Franzosen sind angeblich gegen den Terror machtlos. G i e s ch e w a l d ist für einen Deutschgesinnten nicht mehr betretbar. Der Terror hat aber auch bereits auf die übrigen Gebiete übcrge- griffen. So mußten in R y b n i ck- S t a d t die Italiener und die Apo den Marktplatz von polnischen Banden räumen. In K o b i e- litz und in Gielmitz wurden Reichsoberschlesier verwundet. In K o s ch e n t i n im Kreise Oppeln wurde in eine Unterkunft für Reichsoberschlesier drei Sprengkapseln geworfen, die Sachschaden an» richteten. In Stellarzowitz, Kreis Tarnowitz, wurde die Frau eine« deutschen Vertrauensmannes von fünf Polen überfallen und mit Eisenstäben Mißhandelt. In Makeschan, Kreis Hindenburg, mußte der Gemeindevorsteher mit seiner Familie flüchten. Aus R u d a sind zahlreiche Einwohner nach Hindenburg geflüchtet. Aus fast sämtlichen Tellen des Kreises Beuthen kommen ebenfalls Nach. richten, daß die dortigen Deutschen verfolgt werden.
öesetzung öes Ruhrreviers! Koblenz , 24. vlärz.(EE.) ver»Chicago Tribüne" wird au« Koblenz gemeldet, daß unter amerlkanifcheu und frauzösischeu Autoritäten die Ansicht vorherrsche, daß weitere Zwang» maß- nahmen infolge der Weigerung Deutschland , zur Zahlung der einen Milliarde Goldmark zu erwarten seien. Man werde nunmehr das Ruhrgeblet,«iuschließlich Essen, besetzen. E»
H• sei damit zu rechnen, daß diese Truppenbewegung bereit, heule ein- setzen werde, die alliierten Truppen im Vrückenkopfgebiele von Köln and im neubesetzten Gebiete seien entsprechend verstärkt worden. Londou. 24. März.»Daily Telegraph " zufolge herrsche in der City immer ein ziemlicher Skeptizismus bezüglich der Höhe des Be- träges, den Deutschland bezahlen wird, so daß die Nachrichten von der Nichtbezahlung der fälligen einen Milliarde Goldmark durch die deutsche Regierung und ihre Weigerung, die von der Reparations- kommifsion vor dem 1. Mai geforderten 12 Milliarden zu bezahlen, wenig Ileberrafchung hervorgerufen habe.»Dolly News" schreibt: Die Forderung der Reparationskommisflon nach Bezahlung von 12 Milliarden innerhalb sechs Wochen sei grotesk und un- möglich. Die alliierten Sachverständigen in Brüsiel und der Oberste Rat m Paris seien übereingekommen, daß da» Aeußerste, was Deutschland augenblicklich zahlen könne, durchschnittlich drei Milliarden jährlich sei. Unmögliches zu fordern und Zwangs- aktionen als Straftnaßnahmen für die Nichterfüllung aufzuer- legen, wäre die rohe st e und hoffnungsloseste Politik. Das beste sei eine Zusammenkunft der beiderseitigen Sachver- ständigen. » Nach einer Havas-Meldung wird die Reparationskom- Mission noch heut« der Kriegslastenkommission eine Mitteilung au die deutsche Regierung zugehen lassen, die sich mll der ablehnenden deutschen Note beschäftigt. Brian», Versailles und die Sanktionen. B r i a n d erklärt« gestern vor dem vereinigten Senats- a u s f ch u ß für Auswärtige Angelegenheiten und Finanzen, daß der V«rsaill«rVertragin Kraft treten würde, sobald die Deutschen nicht bezahlen würden, und daß von den Alliierten olle Maßnahmen getroffen würden, um den§ 18 Anhang II diese» Vertrages zur Anwendung zu bringen. Die Antwort lautete weiter, daß der Wort- laut des Vertrages förmlich sei und daß die Frist für die B e- s e tz u n g der deutschen Gebiete er st dann zu laufen be- ginne, wenn Frankreich Genugtuung erhalten hätte.(!) In Beantwortung de? Frage, wie die Schuld von 12 Milliarden Goid- mark flüssig zu machen sei, bemerkt« Briand , daß Deutschland auf der R« i ch s b a n k einen Goldbestand von 1 609 900 999 M. habe und daß übrigens die Möglichkeit emer Anleihe gar nicht ins Auge zu fassen sei.(?)__ Zloyd George, der Rrbeiterfreunö. Koalition gegen den Sozialismus. London , 24. März.(WTB.) Lloyd Georg« hielt vor der New Members Toalttion Group(einer aus 112 Parlamentsmit- gliedern bestehenden, von beiden Flügeln der Koalitton zusammen- gefetzten Gruppe) ein« große innerpolitische Rede, in der er für eine Koalitton zur Bekämpfung des Sozialismus eintrat. Lloyd George erklärte, die große Gefahr sei der phänomenale Ausstteg zur Macht einer neuen Partei mit neuen, äußerst umstürzlerischen Zielen. Diese Partei nenne sich Arbeiterpartei, in Wirklichkett sei sie eine kapitalistische Partei,(l) Sie reiße die anderen Parteien in Stücke, um darauf die bürgerliche Gesellschaft in Stücke zu reißen. Der Sozialismus bezwecke die Z e r st ö r u n g alles dessen, was die großen Propheten und Führer beider Parteien fett Generationen mühsam aufgebaut hätten. Die" unabhängigen Liberalen unterstützten diese Revolutionäre. Ihre Artillerie helfe, die Verteidigung»- stellungen der bürgerlichen Gesellschaft zu vernichten. Wenn sie Er- folg hätten, so würden die Sozialisten in die Zitadelle eindringen und dort allein herrschen. Lloyd George forderte alle auf, die sich der Gefahr bewußt seien, die Reihen zu schließen und schloß mit der Erklärung, alle Mahnahmen müßten getroffen werden, um die große Wählerschaft aufzuklären, die zu einem nicht entfernten Zeitpunkt zu entscheiden haben werde, damtt, wenn diese schicksalschwere Stunde schlage, das Wohl Englands ruhig ihrer Sorge anvertraut werden könne. Die Rede des Premierminister» findet w der Abendpresi« größte Beachtung
ver Krieg im Orient. Reuter meldet aus Smyrna den Beginn der erwarteten griechischen Offensiv« gegen die türkischen Nationalisten. Die volschewisken baben nach WTB. die Kemalisten oufge- fordert, innerhalb 48 Stunden Batum zu übergeben.
stoßen-.(Diese Redeblüte mag für den Geisteszustand d« kommunistischen Führer zeugen!) Ganz wie wir vorausge- sagt haben, beruft sich die„Rote Fahne" auf die Attentatshetze zu Bismarcks Zeiten, wo der Sozialdemokratie jedes Derbrechen an die Rockschöße gehängt wurde. Den Unterschied zwischen damals und heute haben wir bereits in der Morgen- au-gäbe dargelegt. Wir unterstreichen das nochmals. Zu Bismarcks Zeiten konnte die Sozialdemokratie mit Entrüstung und gutem Gewissen solche Anwürfe zurückweisen, weil sie gerade die entgegengesetzte Taktik verfolgte, wie heute die Kommunisten, weil die Sozialdemokratie nicht zu Putschen aufrief, sondern die Putschisten von sich ab- schüttelte, weil sie Terror und Gewalt nicht verherrlichte, sondern verwarf. Zu Bismarcks Zeiten gab es kein sozialdemokratisches Organ, das die delirierende P u t f ch s p r a ch e führte wie heute die„Rote Fahne"— mit einer Ausnahme. Diese Ausnahme war die in London erscheinende„Freiheit" des späteren Anarchisten M o st. Most wurde wegen seiner Hal- tung sehr bald aus der Partei ausgeschlossen, und es stellte sich heraus, daß das Geld seines Hetzblattes von dem Bismarckfchen Polizeiagenten Engel stammte. daß Mösts intimste Mitarbeiter und Redakteure Spitzel im Solde Bismarcks waren. Wenn die„Rote Fahne" diesen Vergleich auf sich nehmen will, wir sinds zufrieden. Wir betonen hier gern und laut, daß das Delirium der„Roten Fahne" mit dem Delirium der Mostschen„Freiheit" vor einem Menschenalter eine ver- bluffende Familienähnlichkeit hat. Und wenn ;[leiche Wirkungen auf gleiche Ursache»"zurückzuführen sind, o mag sich jeder über die Ursachen seine eigenen Gedanken machen. Wer die heutige Morgenpresie verfolgt, kann eins fest- stellen: Jauchzende Freude aller Reaktionäre über dies unverhoffte Ostergeschenk. Die Wonne guckt aus jeder Zeile hervor, mit der diese Blätter energisches Einschrei- ten, rücksichtsloses Niederschlagen des Putsches und größte Strenge fordern. Angst hat die Reaktion gar nicht, weil sie genau das Kräfteverhältnis kennt. Aber freudig erregt ist sie, weil die kommunistische Putschtaktik ihr ungeahnte Zutreiberdienste leistet. Diesen einen„Erfolg" werden die kommunistischen Putschhelden— wie aus jedem Putsch bisher— davontragen: Arbeiterblut zur Stärkung der Reaktion geopfert zu haben!
Gegen öie Austeilung Gberschlestens. London , 24. März.(WTB.)„W e st m i n st e r Gazette" schreibt in einem Leitartikel, die Alliierten könnten die zugunsten Deutschlands ausgefallene Gefamtabi immung in Oberschlesien nicht unberücksichtigt lassen, ohne größtes Unrecht zu begehen. Sie könnten dies« Provinz nicht in Regionen nach dem Ausfall der Ab- ftimmung in den einzelnen Gemeinden zerschneiden, ohne die «berschlesische Industrie zu ruinieren oder schwer zu schädigen. Die Alliierten könnten keinerlei Zwangsregelung aufer- legen, ohne bereit zu sein, sie durch ihre eigene Kraft auftechtzu- erhalten. .Outlook" führt aus, es fei besonders erfreulich, daß die Mehrheit so groß war, daß die Polen den Obersten Rat nicht er- suchen könnten, den durch die Abstimmung gefällten Wahrspruch ein- fach beiseite zu schieben. Es sei seit langem die Ansicht der Mehr- heit der englischen Staatsmänner und Sachverständigen gewesen, daß die oberschlesische Kohle für Deutschland von vitaler Bedeutung sei, wenn es sich genügend erholen solle, um an- gemessene Reparationen zu leisten. Die französische Politik, die dar- aus ausgehe. Deutschland dauernd zu schwächen, slade im Loudoner Auswärligeu Amt ulcht viel Unterstützung, was auch immer North- «liste und ein großer Teil des englischen Publikums über diese Frage denken mögen.< Die»M orningpost" schreibt zum Abstimmungsergebnis in Oberschlesien : In London gewinne immer mehr die Ansicht an Boden, daß eine Teilung des Industriegebiets jetzt u n-
Nur hineinsehen... „Wir wollten ja nur hineinsehen", sagten die beiden Mädchen weinend, als sie vom Geschäslssührcr und der„Direktorin" den Schutz. leuten übergeben wurden. Es half ihnen nichts, sie mußten mit zur Polizeiwoche. Ihr Hinterhaus aber, das den Hos mit den Casehaus- hinterräumen begrenzt«, in denen man sie oerhaftete, schwieg. Wenn frgendwo ein Fenster klirri«, so schloß es sich wieder, neugierig teil- nahmslos, als sie von den beiden Beamten abgeführt wurden. Das Hinterhaus, in dem sie wohnten. Es war das zweite, und noch zwei liesen ihm parallel, genau so düster und kahl, genau so klein« zementgesaßte Höf« rahmend wie die beiden vorderen. Trüb- selig« schwache Birnen über ten Torgängen warteten müde und ver- brassen aus die Stunde, die ihnen das Leuchten ersparte. Rur par. teere blinkte es im zweiten Hos noch hinler einer Reih« von Scheiben hell, atmeie ein belichteter Gang magenpricketnde Gerüche aus. Es war«in Weinrestaurant, das mit gleißenden Lichtbuchstaben und Vetchrosa schimmernden Bogenfenstern an der Straße protzte und den ersten Hof mit glänzenden Räumen umgürtete. Allabendlich halten die beiden Mädchen das lockende Licht durch- schreiten mästen, wenn sie von der Arbeit kamen und heimkehrten in die dunstige, kalte Wohnung, in der die siebenköpfige Familie in zwei Zimmern lebte Der Fünfzehnfährigen, der kaum aus der Schule Entlastenen, war oft schon der heißhungrige Wunsch entquollen, hineinzusehen in die verheißungsvollen Räume. Die Sechzehnjährige hatte abgewehrt: Da» ist nur für Schieber und Kriegsgewinnler, sagte sie. E» war am Freitagabend. Das Brot war schon am Donnerstag aufgegesien. In ihre knurrenden Magen drang der Duft von Braten und Kuchen. Di« Jüngere lockte: »Wenn wir dahinten reingehen, können wir vielleicht was sehen, unbemerkt." Fast ohne es zu wollen, waren sie an die offene Tür de» Flures getreten. Märchenhaft zart und weich schwangen Geigen. töne zu ihnen herab, eine Treppe herunter, die nach oben führte. Es zog sie den Tönen nach. Links von der Treppe lief ein endloser Korridor, gegenüber der Treppe, unterbrochen von einer Flügeltür, an der' das Wort stand„Rolensaal". Die Mädchen äugten herz. klopfend nach links und rechts. Ein Mauervorsprung, der einen Speisenaufzug umhüllte, rechts der Treppe: hinter ihn bargen sie sich. Wenn auch ihr Herz pochte vor Angst, als sich die%üx öffnete, der Aufzug rumpelte und die Kellner ihm ihr Bestelltes entnahmen. so bannte sie doch ein Bild von Rosengirlanden und rot blutenden Ampeln, von schwellenden Poistern und schneeweißen Decken, von goldgefaßten Spiegeln und blinkenden Sektkübeln. Und Geigen schluchzten und jubelten— sie blieben, bis die Kellner wiederkamen, nvch einmal kamen, bis man sie entdeckte. Seidenrauschend kam die„Direktorin" hinzu, Gäste sammelten sich um sie.„Stehlen nur wollten sie. So'n Pack meine Herr- schasten, schleicht sich nur zu so was ein." Di« Polizeibeamten holten die beiden ab, und vernahmen sie und protokollieren:.Angeblich wollten die Angeklagten sich nur den Saal ausehev."
Zwar konnten weder die»Frau Direktorin" noch der Herr Ge- schäftsführer feststellen, daß etwas gestohlen war, aber sittlich entrüstet machte sich die Frau.Direktorin" ihren Stammgästen gegenüber Luft: »Di« beiden Mädels? Freigelasten hat man diel Denken Sie nur, freigelassen! So raffiniert und verdorben die jungen Bälger schon, daß sie schwindeln,»sie wollten ja nur mal reinfehen"." Die Frau Direktorin, die 299 M. für die Flasche Sekt nimmt, winkt einer»Intimen" zu, sie solle ihren Kavalier doch Sekt bestellen lasten— und hebt stolz das Doppelkinn: »Rein, solch verdorbenes, solch raffiniertes Pack." _ P. Haupt. Menschliches. Allzumenschllches. Di« Lebenstragödie des großen französischen Dichter» Verlaine wird in einer soeben erschienenen umfassenden englischen Biographie von Harold Nicholson in einem menschlich ergreifenden Lichte gezeigt. Das Leben dieses genialen Lyrikers war ja bekonntlich ein ewiger Kampf mit dem Alkohol und vor allem mit dem Absinth, der»grünen Hexe". Nur wenige Mo- nate gab er unter dem Einfluß einer großen Liebe das Trinken auf. Der Altohol konnte den sanften, duldsamen und feigen Dichter zu wilden Wutanfällen und Gewalttätigketten reizen; er soll auch den ersten Anlaß zu seiner religiösen Bekehrung gegeben haben.„Anatole France erzählt uns," schreibt Nicholson,»wie Berlaine, nach einem beim Absinth oerbrachten Tage in ttese Gewisiensqualen versunken, nachmittag« in die Kühle einer Pariser Kirche geriet und dort laut nach einem Beichtvater verlangte.»Ich bin ein Elender, ein Ber- brecher," schrie er,»ich will beichten und Absolution erhalten." Er benahm sich ober dabei so ungebärdig, daß er gewalisam in den abendlichen Sonnenschein hinausbefördert werden mußte." Auch um den Patriotismus Berlaine» war es nicht besonders bestellt.»Als er im Kriege von 1879 hörte, daß die Deutschen sich der Hauptstadt näherten, soll er gemütsruhig gesagt haben:»Na, dann werden wir wenigstens etwas gute Musik hören!" In einem Anfall von Kriegs- tust, der wohl vom Alkohol herkam, ließ er sich dann bei den Nationalgarden einschreiben, aber betrachtete dieses„Soldaten- spielen" nur als einen Scherz. Bis zu seinem Tode im Jahre 1888 war und blieb Verlaine ein großes Kind, Während der Zeit, die er als Schullehrer in England verbrachte, schloß er, wie Nicholson be- richtet, die engste Freundschaft mit einem italienischen Photographen, der in seinem Laden eine automatische Spieluhr und das große Skelett eines Walfisches befaß. Es gab nichts Schöneres für Ver laine , als mit seinem Freunde im Skelett dieses Walfisches zu sitzen, der Spieluhr zu lauschen und dabei Ale zu trinken. Auch sein Haß war kindisch, und kindisch die Art, wie er ihn äußerte. So hatte er auf den Dichter Leconte de Lisle eine besondere Wut, weit man ihm von diesem die Aeußerung hinterbracht hatte:»Verlaine , was, der lebt noch? Der Burfch wird wohl überhaupt nicht sterben, außer auf dem Schafott!" Der Reklamedicb. Wenn man dem Pariser „Moniteur" glauben darf, so sind viele der aufsehenerregenden Iuwelendiebstähle in den vornehmen Pariser Hotels bestellte Arbett, die zum Zweck der Re- Name im Rohmen emer ausgeklügelten Inszenierung zur Aus» führung gelangt. Ein sensationeller Iuwelendiebftahl dient dem
Hotel, in dem er vor stch ging, als wirkungskräfttge Reklame; denn ein Haus. In dem man Kostbarkelten von so fabelhaftem Wert er- beuten kann, muß logischerweise Gäste aus den ersten Gesellschafts- kreisen zu seiner Kundschaft zählen. Ein Hotelier, der etwas auf sich hält, muß deshalb in der Saison mindestens zwei oder drei aufsehen- erregende Diebstähle arrangieren. Leicht ist die Sache eben nicht; denn das Publikum interessiert sich nicht mehr für die Diebstähle, deren Opfer bekannte Schauspielerinnen und vielgenannte Damen der Halbwett sind. Diese scheiden also von vornherein für besagte Retlamezwecke aus. Was deute noch zieht, ist der Diebstahl von Wertstücken reicher, auf der Durchreis« befindlicher Amerikanerinnen, die nach achttägiger Aufregung und unter tätiger Unterstützung der geriebenen Detektiv» das vermißte Kleinod schließlich in ihrer Hand- tasche wiederfinden. Selbstverständlich muß sich der Hotelbesitzer, de« diesen Reklametrick betreibt, der Mitwirkung eines erfahrenen Hotel- marders bedienen, der fich nicht nur auf fein Handwerk versteht, sondern der auch von unbedingter Zuverlässigtett ist, da in anderen, Falle aus dem Spaße leicht bitterer Ernst werden könnte. Der engagierte Hoteldieb läuft seinerseits nicht geringe Gefahr und muß deshalb angesichts des großen Risiko» durch«in« angemessen« Eni. lohnung schadlos gehallen werden. »Die Landesmutter". Der deutsch « Buchhandel stöhnt unter den ungeheuren Preisen, die die Absatzfähigkeit des deutschen Buches im Inland, wenn man von Unterhaltungsware abfleht, in erschreckender Weise ständig verringert. Aber heil unseren Geistesheroen! Noch gibt es Autoren, die das geistige Banner hochhallen, Berleger, hie werwolle Prachtbände herausbringen. Empkohlen vom deutsche» Landessrauenvere'm und dem Roten Kreuz, erschien in diesen Tagen „Auguste Viktoria als Landesnmtter" in echtem Halbpergamentband mit Goldschnitt und Schutzkartvn. Für fünfzig Mark. Verfasser: .Bogdan, Krieger, Königlicher Hausbibliothekar." Do» Buch— so versichert eine Anzeige des Berleger»— bildet ein werwolles Kon- firmationsgefchenk. Kindchen, was brauchst du noch mehr! Sowjetvaluta. Ein Norweger, der kürzlich au» Rußland zurückgekehrt ist, erzählt in einem Blatt folgende Geschichte: Al« eines Tages bei einem Regiment die Löhnung ousgezahtt wurde, liefert- man die Banknoten tonnenweise an die Offiziere. Ein Dataillons- kommandeur bettagte sich, er habe zu wenig erhalten.„So?" sagte der Zahlmeister.„Na, hier haben Sie noch eine Tonne— aber ve- gessen Sie nicht, mir die Tonne zurückzugeben!" Voltsbühne. Die vübnenbilder ,a«ophokle«'.Anttgone', die als niichsl« Erslauffübrung vorbereitet wird, find von San» Strohbach, die Musik von Hein, Tiessen. Kleine» Schauspielhaus. Karfreitag findet ein« Anllübrnng von Korti«.Nachtasyl- siatt. Nalija: öZertrud T y s o l d t. in der Inszenierung von Victor Schwannete. Bühnenbild: Hermann Krehan. «uuttiolon Kritz«urlitt. Potsdamer Str lt». Villa lt. bleibt vo» Freitag, den 2S. War,, bis Dienstag, de» 2S. Mäiz, geschlossen. Cur! Earrinth hat unter dem Titel.Sommer» ein neue» Scha» spiel vollendet. Die Nraufiühruna de» Berte» findet Anfang April ine Düfseldorjer Schauspielhaut statt.