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Nr. 260.

Erscheint täglich außer Montags. Preis pränumerando: Viertel­jährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 Mt., wöchentlich 28 Pfg. fret in's Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags- Nummer mit illustr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 8,30mt. pro Quartal. Unter Kreuz band: Deutschland   u. Desterreich Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3 Mt.pr.Monat. Eingetr. in der Post Zeitungs- Preisliste für 1894 unter Nr. 6919.

Vorwärts

11. Jahrg.

Snfertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pfg., für Bereins- und Bersammlungs Anzeigen 20 Pfs. Inserate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochen­tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonn­und Festtagen bis 9 Uhr Vor­mittags geöffnet.

Fernsprecher: Amt 1, Nr. 1508. Telegramm- Adresse:

Sozialdemokrat Berlin  !

Berliner   Bolksblatt.

Bentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Mittwoch, den 7. November 1894. Expedition: SW. 19, Benth- Straße 3.

Arbeiter! Parteigenossen! Trinkt kein boykottirtes Bier!

An die Parteigenossen!

Um den an verschiedenen früheren Parteitagen und jüngst auch wieder in Frankfurt   a. M. geäußerten Wünschen der nossen   nach einer billigen Protokollausgabe zu entsprechen, wird das Protokoll

über die

des ,, Leipziger Tageblatts" pp. Leonhardt. Kurz vor dem hand Gesindel auf friedfertige, zu patriotischer Feier vers Zusammentritt des Reichstages( im Frühjahr 1871) hatte sammelte Deutsche   verübten feigen und brutalen Angriffe, besagter Leonhardt unter anderem die Frechheit, unsere ge- und wenn dieser Vorwurf unbegründet ist, eine verleumde Gefangenen Parteigenoffen, offenbar um deren damals er rische Beleidigung finden. vorbereitenden Theilnahme an den brutalen Exceffen, diesseitigem Recht in der Regel im Wege der Privatklage Allein Beleidigungen von Privatpersonen sind nach wartete Freilassung zu hintertreiben, der Mitschuld und welche zu jener Zeit durch deutschen   Chauvinismus in zu rügen, von welcher Regel nur dann eine Ausnahme Zürich   provozirt worden waren, zut bezichtigen. gemacht wird, wenn das öffentliche Interesse die strafrecht­Es scheine," bemerkte der pp. Leonhardt ,,, daß endlich ein- liche Verfolgung als geboten erscheinen läßt. Der letztere an anderer Stelle ausdrückt) ein positiver Anhalt über das Interesse kann nicht ohne Rücksicht auf die Persönlichkeit zum Preise von 25 Pf. im Einzelverkauf erscheinen. Bei wilde und vaterlandsverrätherische Treiben der internatio- des Beleidigten und dessen Verhalten, soweit dasselbe mit Partienbezug wird 110 ch weitere Preiser- nalen Arbeiterliga gewonnen werde." Da unsere inhaftirten der Beleidigung in Verbindung steht, entschieden werden. mäßigung gewährt. An Umfang wird das Protokoll den Genossen gegen solche Verleumdungen sich nicht vertheidigen In letzterer Beziehung ist zunächst eine in dem Organe legtjährigen gleichkommen und konnte obige Preisnormirung nur fonnten, so hielt es ihr Anwalt, Herr Rechtsanwalt Ihrer Partei, dem von Ihnen, Herr Bebel, redigirten unter der Voraussetzung des Massenabsatzes erfolgen. Freytag in Leipzig  , zugleich mit Rücksicht auf die drohende Volksstaat"( Nr. 22) über die Züricher   Vorfälle enthaltene Beeinflussung der fünftigen Geschworenen für geboten, Notiz von besonderem Interesse; dieselbe lautet: Das Protokoll gelangt am 24. November zur Ausgabe. gegen die Magdeburger Zeitung" gerichtlich vorzugehen." In Zürich   sind anläßlich der Verhöhnung und pros Wir bitten die Vertrauenspersonen und Genossen, ihre Be- Er erhob deshalb bei dem königlichen Kreisgericht in vozirenden Behandlung der französischen   Internirten seitens stellungen ungefäumt aufzugeben, damit die rasche Zustellung, in Magdeburg   Privatklage gegen den Redakteur der Magde  - der dortigen Bourgeoisie und Aristokratie, wobei das Volk der Reihenfolge der Eingänge bewerkstelligt werden kann. Be- burger Zeitung", erklärte aber gleichzeitig, daß, wenn der Partei für die ersteren ergriff, Unruhen ausgebrochen. Redakteur den Einsender des stellungen bitten wir direkt zu richten an die betreffenden Ar- Natürlich müssen auch hier, wie immer, die Juternatio tikels nennen würde, er den Strafantrag zurück- nalen Schuld sein." ziehen und den Verfasser des Artikels belangen Wie Sie hierunter Entstellung des wahren Sach wolle. Auf diese bei dem föniglichen Kreisgerichte Magde verhaltstein Wort der Theilnahme für Ihre malträtirten burg angebrachte Klage erhielt Herr Freytag folgende Bus Landsleute, kein Wort des Tadels gegen die nichtswürdigen schrift von dem dumals in Magdeburg   residirenden Staats- und verächtlichen Angreifer gefunden, vielmehr geradezu anwalt Tessendorff: gegen Ihre Landsleute und für deren Feinde Partei er­

Verhandlungen des Parteitages zu Frankfurt   a. M. mal( durch diese schmachvollen Begebenheiten", wie er sich Fall liegt hier nicht vor. Die Frage nach dem öffentlichen

Buchhandlung des Vorwärts",

Berlin   SW., Beuthstraße 2.

Mit sozialdemokratischem Gruße

Der Parteivorstand.

d.

Ein preußischer Juftig- nd" Kreisgericht hierselbst unter dem 16. 6. M. an haupt schon längst, namentlich aber während des minister in spe.

-

" Auf die von Ihnen bei dem königlichen Stadt- griffen haben, so haben Sie diese lettere Haltung über­gebrachte, von demselben an mich abgegebene Denunziation letzten Krieges beobachtet. Man braucht nur Ihr Parteis gegen den Redakteur der" Mageburger Zeitung" wegen Ver- Organ zu durchblättern, um namentlich seit der Schlacht Motto: Was ein Hätchen leumdung, benachrichtige ich Sie ergebenst, daß ich mich bei Sedan   fast auf jeder Seite die ruhmreichen Erfolge werden will, frümmt sich bei Beiten. zur Strafgerichtlichen Verfolgung der Sache, worüber nach dieses für Deutschlands   Selbständigkeit und Ehre geführten Die Gerüchte, wonach Herr von Tessendorf zum preu- diesseitigen Gesetzen von mir und nicht von dem Gerichte Krieges in der gehässigsten Weise heruntergezogen, jeden Bischen Justizminister ernannt werden, und mit seinem zu befinden ist, nicht habe veranlaßt sehen können. Wenn scheinbaren kleinen Erfolg der feindlichen Waffen aber mit Kollegen von Köller das Programm des neuesten Kurses es in der Nummer 62 jener Zeitung unter Leipzig   mit unverkennbarer Schadenfreude als wichtigen Sieg registrirt zu verkörpern soll, bringen uns einen Vorgang aus dem Jahre bezug auf den blutigen Konflikt zu Zürich   wörtlich heißt: sehen. Nicht minder heftig und oft gehässig sind die in Ihrem 1871 in Erinnerung, bei dem Herr von Tessendorff dem obigen Motto alle Ehren angethan hat.

Als nach Einleitung des Leipziger   Hochverrathspro­zesses unsere Parteigenossen Bebel, Liebknecht und Hepner in Untersuchungshaft sich befanden, fühlte die national­liberale Presse bekanntlich nach Herzenslust ihr Müthchen an den gefangenen, wehrlosen Feinden, indem sie dieselben systematisch schmähte und verleumdete. Am ärgsten trieb es die ,, Magdeburger Zeitung" und am ärgsten in diesem ehren= werthen Blatt dessen gleich ehrenwerther Leipziger   Kor­respondent: der wegen ans Zuchthaus austreisender Un­regelmäßigkeiten aus dem Postdienst entlassene Mitarbeiter

Feuilleton.

Erinnerungen eines Kommunarden.

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Aus dem Französischen von Jakob Audorf. Er setzte sich sofort an seinen Schreibtisch und krigelte folgende Beilen aufs Papier:

2. Madame Sylvia Meylan. Boulevard Clichy 260. Paris  , den 18. Juni 1871( 6 Uhr Abends). Theure Frau!

Es scheint, daß endlich einmal ein positiver An- Organ sich nicht selten findenden Angriffe gegen Personen jeder halt über das wilde und vaterlandsverrätherische Treiben Stellung. Ereignisse, Einrichtungen und Personen, die jedem der internationalen Arbeiterliga gewonnen werden wahren deutschen   Patrioten werth   und thener sind, werden wird; die in unserer Stadt Stadt start verbreiteten dort herabgesetzt, in den Schmutz zu ziehen gesucht. Hierauf Gerüchte, daß die im hiesigen Bezirks- Gerichtsgefängnisse näher einzugehen, würde mich zu weit führen; nur will ich inhaftirten Sozialdemokraten Bebel, Liebknecht und Hepner Sie an die Worte erinnern, mit denen Sie( in der Nr. 1 ebenfalls durch Vorbereitungen solcher Handlungen, deren jenes Blattes vom 1. Januar*) d. J.) das neue deutsche Schauplatz foeben Zürich   gewesen ist, gemeint sein sollen", Kaiserreich inaugurirten. Sie lauten: haben, seitdem diese schmachvollen Begebenheiten bekannt geworden, an Bestimmtheit zugenommen,"

so läßt sich hierin allerdings gegen Sie der Vorwurf einer indirekten Betheiligung an jenem im Auslande von aller­

meiner ewigen Dankbarkeit. Ich werde völlig gefaßt und bereit Sie erwarten. Glauben Sie an meine Freundschaft. Sylvia. Bu gleicher Zeit schrieb sie dem Baron Meylan  : Paris  , den 18. Juni 1871.

Mein Herr!

*) Bereits am 17. Dezember des vorhergehenden Jahres( 1870) waren Bebel, Liebknecht und Hepner in Untersuchungshaft ge nommen, wie Tessendorf sehr wohl wußte.

"

Sie ist allein, und eine Frau und vor allem eine Creolin fennt keine Treue über das Grab hinaus!"

Und ich?" fuhr sie in ihrem Nachdenken fort, indem sie ihr schönes Haupt in die Hand stüßte, habe ich denn nichts von diesem Nichtswürdigen, der zu allem fähig ist, zu befürchten?"

Jm Begriff, Frankreich   zu verlassen und nach Jamaika  , Sie erhob sich und schritt in ihr Schlafzimmer, wo meiner eigentlichen Heimath, zurückzukehren, möchte ich nicht sie ein Kästchen von Ebenholz, welches auf dem Ramine abreisen, ohne mich bei Ihnen und meiner Tante zu ent- stand, öffnete, um ersterem einen kleinen eleganten, ziselirten schuldigen, daß ich bis jetzt auf Ihren gefühlvollen Brief, und damascirten Revolver englischer Arbeit, zierlich wie welchen ich vor einigen Tagen erhielt, nicht antwortete. ein Damenschmuck, zu entnehmen. Sie betrachtete den Wahnsinnig vor Schmerz, glaubte ich den Tod meines ge- selben einen Augenblick, las dann ein zerknittertes oft liebten Mannes nicht überleben zu können. Die Natur hat und immer wieder gelesenes Papier und legte darauf Beides Ich verließ Sie gestern Morgen, nachdem ich konstatirt anders entschieden. Indem ich in diesem Augenblicke noch in das Kästchen, welches sie mit Sorgfalt verschloß. ,, Er wird kommen!" murmelte sie, warf ein Tuch um hatte, daß Ihre Gesundheit vollständig gekräftigt sei; wenn einmal Ihren Brief lese, vergesse ich die unglücklichen Miß­Sie meine Vorschriften befolgen, wird es immer besser verständnisse, welche uns von einander entfernten und würde die Schultern und ging selber, das Billet in den nächsten gehen. Es ist mir seit gestern gelungen, den Wunsch, glücklich sein, Sie noch einmal vor meiner Abreise sehen zu Briefkasten zu werfen. welcher Ihnen so sehr am Herzen liegt, zu erfüllen. Ihr können. Möge mein Schreiben Sie nicht befremden! Während Gemahl wird an der Seite Ihres Vaters ruhen. Ich habe die Einwilligung der Behörden erhalten, daß er auf dem der einsamen Tage, welche ich in der letzten traurigen Zeit Friedhofe Montmartre begraben werde; doch unter der Be- verlebt, habe ich über vieles nachgedacht. Es würde mich dingung, daß die Ueberführung Nachts geschehe. Ich habe wirklich mit Schmerz erfüllen, wenn Sie mir meine Bitte in Ihrem Namen eingewilligt und hoffe ich die Ehre zu abschlagen würden. haben, Sie morgen Abend am Boulevard de Clichy abzu- Ich erwarte Sie, mein Herr, also morgen Abend um zuholen. Halten Sie sich bereit und bewahren Sie sich neun Uhr. Ihren Muth. Ihre schwer geprüfte Cousine Sylvia Meylan. Genehmigen Sie, edle Frau, die Versicherung meiner aufrichtigsten Gefühle der Verehrung. Langsam überlas sie dieses Schreiben noch einmal und Dr. J. Marcas. blieb in Nachdenken versunken. Wäre dieser Mensch nicht Am folgenden Tage, nachdem der Doktor an Sylvia Eine halbe Stunde später brachte ein Dienstmann zu gleicher Zeit ein Bösewicht und ein solch eitler Geck, folgende Antwort: als welchen ich ihn kenne, er würde diese Einladung nicht schrieb und sie selber den Baron Meylan zu dem Rendezvous Danke, theurer und guter Doktor! Ich versichere Sie befolgen. Was habe ich zu befürchten?" wird er sich sagen, leingeladen hatte, stieg Mutter Madeleine mit ihrem

Die Sühne. Im vollen Vertrauen auf Doktor Marcas, daß der würdige Mann Alles thun würde, um sein Vorhaben auss zuführen, hatte Sylvia für die kurze Zeit ihres Verbleibens in Paris   teine weitere Dienerschaft angenommen. Was Sie noch als letzte Pflicht ansah, war, Louise aus ihrer Stellung zu befreien und mit sich nach Jamaica   zu nehmen. Eine gute alte Frau, welche auf dem Boulevard Clichy unter dem Namen Mutter Madeleine bekannt war, nahm sich der häuslichen Arbeiten in der kleinen Wirthschaft an und war voll Bewunderung für ihre Madame".