Nr.166+ 38.Jahrgang Ausgabe B Nr. 82

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Telegramm- Abreffe: Sozialdemokrat Berlin

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Vorwärts

Berliner Volksblatt

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Sonnabend, den 9. April 1921

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Ministerpräsident Stegerwald .

England in Spannung.

Die Sihung des Preußischen Landtags begann heute bei vollbe. Rabinetts Stegerwald. Der neugewählte Ministerpräsident| gründete mit Schirmer den Berein Arbeiterschutz", aus dem die fetztem Hause vormittags 11 Uhr. Das Haus beschloß zunächst nach wird erst neue Verhandlungen mit den Vertretern der Bar- chriftlichen Gewerkschaften hervorgegangen find. 21s längerer Geschäftsordnungsaussprache auf Antrag Siering( Soz.) teien einleiten müssen, um eine Regierung auf parlamentari - fich fofale chriftliche Holzarbeitervereine zum Berband zujan- men­gegen den Widerspruch der Kommunisten die Punkte der Tagesord. fcher Grundlage zustande zu bringen. Sollten diese Be- fchloffen, wurde Stegerwald fein Borsigender. Er gab ein Blatt nung, betr. Ausnahmegerichte, einheitliche Regelung der Be- mühungen scheitern, so wird der Landtag demnächst zu einer für eine Reihe chriftlicher Gewerkschaften heraus, die fich e'gene amtenbesoldung, Einschränkung der Arbeitslosigkeit, von der Tages. Neuwahl zu schreiten haben. Berufsorgene noch nicht leisten konnten. Schließlich wurde er Bor­ordnung abzusehen, da man erst die Bildung der neuen Re- Das Wahlergebnis läßt erkennen, daß sämtliche Bar fizender des Gesamtverbandes chriftlicher Gewerkschaften. Bei der gierung abwarten will. Ein Antrag über Maßnahmen der Be- teien des Hauses mit Ausnahme der Unabhängigen und der Parlamentarisierung" der Reichsregierung gegen Ende des Krieges fagungstruppen, in dem gegen Einrichtung von Standgerich Kommunisten für Stegerwald gestimmt haben. Die Sozial- murde er in das Kriegsernährungsamt berufen. In der preußischen ten und Verhängung des Belagerungszustandes Einspruch erhoben demokraten haben dies in der Absicht getan, die Angelegen- Realitionstegierung befleidete er den Bosten eines Wohlfahrts wird, soll auf Antrag Hoffmann( Komm.) heute mit zur Berhand- heit der preußischen Regierungsbildung zunächst einmal ministers. Ein parlamentarisches Marbat erhielt er zuerst bei der lung fommen. wenigstens einen Schritt vorwärts zu bringen. Das wäre chl der Deutschen Nationalversammlung. Darauf erfolgt die endgültige Wahl des Präsidiums, die nicht gelungen, wenn die Sozialdemokraten Stegerwald ihre verfaffungsmäßig nach Ablauf von vier Wochen vorgenommen wer- Stimmen vorenthalten hätten, denn dann hätte er zwar durch den muß. Auf Antrag Herold( 3.) wird Präsident Leinert, auf An- die Stimmen der bürgerlichen Parteien allein gemählt werden trag Eiering( Soz.) Dr. Porsch, Dr. von Kries und Garnich zu Bize- können, hätte aber die Wahl sofort wieder ableh Aus dem Umstand, daß der Arbeiter- Dreibund eine Frist präsidenten endgültig gewählt. nen müssen, da es nicht in seiner Absicht und auch nicht im bis Dienstag mitternacht für den Streitbeginn gestellt hat, Rahmen der politischen Möglichkeit liegt, ein rein bürgerliches wird noch einige Hoffnung geschöpft. Bürgerliche Meldungen Kabinett unter deutschnationaler Patronanz gegen die Sozial- sprechen von Spaltungserscheinungen unter den Bergarbei demokratie zu bilden. Man wäre also, wenn die Sozialdemo- tern und Streifgegnerschaft unter Eisenbahnern und Trans­traten für einen Kandidaten aus den eigenen Reihen gestimmt portern. Die Regierung ruft die loyalen" Bürger zum hätten und mit ihm wie vorauszusehen war in der Selbstschutz auf, Reservisten und Freiwillige zur Fahne. Minderheit geblieben wären, um feinen Schritt meiter ges Das legte Angebot der Bergarbeiterleitung schlägt vor, durch tommen, sondern hätte abermals vor dem Nichts geftanden. eine Staatsanleihe den Bergwerfen die Fortzahlung der bis­Es wurden abgegeben 388 Stimmen, davon 332 Stim­Die Stimmabgabe der Sozialdemokratie für Stegerwald herigen Löhne zu ermöglichen. Sonnabend vormittag sollte men für den Miniffer für Bolfswohlfahrt Stegerwald bedeutet also alles eher als eine Blantovollmacht der Dreibund mit Lloyd George verhandeln. Die Terrorafte ( 3.), 25 für den Abg. Ludwig( usp.), 1 Stimme für für den neugewählten Ministerpräsidenten, in den Bergbezirken Schottlands und Wales', mit ihrer starf Jacobi- Raffauf( 3.)( Große Heiterteit), 1 Stimme für nun ein Rabinett nach seinem Belieben zu bilden, und alles feltischen Bevölkerung, dauern an. Adolf Hoffmann ( BPD.), 1 Stimme für Scholem eher als ein Bersprechen, einem wie immer zusammengefeßten ( BKPD.)( Heiterkeit). Unbeschrieben waren 23 Stimmzettel, Kabinett Stegerwald ihre Unterstützung zu leihen. Biel­ungültig 4. minifter Stegerwald ist somit zum mehr haben die Sozialdemokraten Ministerpräsidenten gewählt.

Wahl des Ministerpräsidenten.

Hieran schließt sich die Wahl des Ministerpräsidenten. Bräsident Leinert: Bestimmungen über die Art der Wahl bes Ministerpräsidenten sieht die Geschäftsordnung nicht vor. Es sollen die Bestimmungen über die Wahl des Präsidiums zugrunde gelegt werden. Die Wahl erfolgt durch Stimmzettel.

Die Sigung dauert fort.

tion finde.

Frankreich zur Konferenzfrage. Die Washingtoner Konferenz.

eine derartige Finanz fonferenz die Wiederaufnahme desjenigen

für Stegerwald erst gestimmt, nachdem die Unterhändler des Zentrums die Zusicherung Paris , 9. April. ( EE.) Das Journal" hat in offiziellen fran gegeben hatten, der Gemählte würde sofort wieder zurüdtreten, falls ihm nicht die Bil- döfifchen Kreifen Erkundigungen über die New Yorker Meldung ein. Der preußische Landtag hatte durch den Beschluß, die bung eines Kabinetts gelinge, die auch die gezogen, monach in Washington in Anwesenheit deutscher Vertreter Wahl des Ministerpräsidenten unter allen Umständen heute vorzunehmen, sich selber vor die Notwendigkeit einer Ent- 3ustimmung der sozialdemokratischen Frat- eine internationale Ronferenz stattfinden soll. Es wird erklärt, daß fcheidung gestellt. Der Beschluß war verständlich, weil der Die Parteien der Rechten stimmten für Stegerwald, weil Bedankens bedeuten würde, der auch die Brüsseler Konferenz be­Welt nicht länger das Schauspiel der unschlüssigkeit und der ihnen die Möglichkeit fehlte, einen eigenen Kandidaten durch feelte. Auf dieser Konferenz müßte Deutschland darauf ver­Berfahrenheit geboten werden sollte, wie es sich seit den Wah- zubringen. Hätten sie aber für einen solchen gestimmt, so sichten, die Entschädigungsfrage zur Diskussion zu stellen. Auch len vom 20. Februar entwickelt hat. Wir erleben damit ein wäre Stegerwald dennoch gewählt worden und wäre als heute wünscht Frankreich nicht, daß das Entschädigungsproblem auf Stüd Fortbildung der eben erst geschaffenen preußischen Berfiegreicher Kandidat der alten Koalition in irgendeiner Finanzkonferenz gelöst werde. Die Entschädigungs. faffung, deren Schöpfer angenommen hatten, die Wahl des Erscheinung getreten. Die Stimmabgabe der Rechten mar frage, dies ift der Standpunkt Frankreichs , kann nur durch die An­Ministerpräsidenten würde erst dann erfolgen, wenn zwischen ein taftisches Manöver, um eine solche Klärung der Lage, die wendung des Versailler Friedensvertrages einer Lösung entgegen­den Parteien eine lebereinkunft über das Programm und auch Teilen der bürgerlichen Mittelparteien wenig willkommen die Zusammensetzung der ganzen Regierung zustande ge- gewesen wäre, zu verhindern. tommen sein würde.. In diesem Fall war die Wahl des Mini­sterpräsidenten durch den Landtag nur noch eine verfaffungs­rechtliche Formalität.

Die Weigerung des Zentrums und der Demofraten, die alte Koalition fortzusehen, und die Unmöglichkeit, Sozial demokratie und Deutsche Boltspartei unter einen Hut zu brin gen, hat eine neue Situation geschaffen, und der Landtag war nett erst selber zusammenstellen und ihm die parlamentarische genötigt, einen Ministerpräsidenten zu wählen, der sein Kabi Mehrheit schaffen muß. Die Dinge entwickeln fich also ähnlich, wie wenn der Ministerpräsident von dem Staatsoberhaupt oder von einer verfassungsmäßig besonders hiermit betrauten

Herr Stegerwald wird also nicht geringe Schwierigkeiten zu überwinden haben, wenn er den ihm vom Landtag er teilten Auftrag erfüllen soll. Diese Schwierigkeiten liegen freilich in erster Linie bei den Demokraten und bei seiner eigenen Partei.

nungen, ein parlamentarisches Kabinett zustande zu bringen, In letzter Stunde verlautet, daß Stegerwalds Hoff trage, ein Geschäftsministerium" zu bilden. äußerst gering feien, und daß er sich bereits mit dem Gedanken

geführt werden. Um diesen durchzuführen, ist eine neue Konferenz nicht erforderlich. Eine Finanztonferenz fönne stattfinden, jedoch erst dann, wenn die Entschädigungsfrage zur Befriedigung der alliierten Staaten gelöst worden ist.

Europas Katastrophe.

London , 8. April. ( WTB.) Der Pariser Berichterstatter der

ftrophe in Europa " überschriebenen Artikel, die größtmögliche Auf­Bestminster Gazette schreibt in einem„ Borzeichen einer Kata­ftrophe in Europa " überschriebenen Artikel, die größtmögliche Auf­

merksamkeit müsse den zahlreichen Anzeichen der tommenden Strife in Europa zugewandt werden, die weit ernster sein werde, als irgendeine andere, die man seit dem Kriege durchgemacht habe.

Wie die„ P. P. N." hören, wird man Herrn Stegerwald , Furchtbare Entscheidungen würden. in turzer Zeit getroffen Persönlichkeit ernannt wird nur mit dem Unterschied, der heute mit den Stimunen der Deutschnationalen, der Deutschen werden müssen. Lloyd George habe der Unwendung von Straf daß nicht eine neue Ernennung, sondern eine Neuwahl Boltspartet, des Zentrums, der Demofraten und der Sozialdemo- maßnahmen gegen Deutschland zugestimmt und dadurch endgültig durch den Landtag notwendig wird, wenn dem zum Minister- fraten zum preußischen Ministerpräsidenten gewählt wurde, ge- die Politit Frankreichs und zweifellos auch die Englands orientiert präsidenten bestimmten Mann die Bildung eines Rabinetts nügend Zeit zur Bildung seiner Regierung laffen. Der Landtag auf einem Wege, auf dem es jeẞt fein Zurüd mehr gebe. Der Be­mißlingt. dürfte sich heute voraussichtlich bis nächsten Donnerstag schluß, Düsseldorf zu besetzen, fel der Beginn einer neuen(?) Politi In diese Situation mußte eine Persönlichkeit die besten vertagen, zumal seine heute nochmals und endgültig gewählten Brä- gewefen, die nicht leicht verlassen werden fönne, sondern weiter und Aussichten haben, in deren politischem Chraratter die weitest fidenten sich am Dienstag und Mittwoch zur Eröffnung der Frant weiter gehen müsse. In gewissen Kreisen sei es ein offenes Ge­gehenden Möglichkeiten liegen. Eine folche glaubt man in furter Messe begeben. Am Donnerstag dürfte dann die große Aus- heimnis gewesen, daß die militärischen und die finanziellen Opera­Dem bisherigen Wohlfahrtsminister Stegerwald gefunden sprache über den Aufstand im mitteldeutschen Industionen gegen Deutschland nur die ersten Schritte in einem großen, zu haben. Stegerwald ist Zentrumsmann, Arbeiter von Hause striegebiet beginnen. Die Interpellationen zu dieser Frage wenn auch vagen Broblem bedeuteten. Je weiter Frankreich und aus und christlicher Gewerkschaftsführer. In der alten Koali- werden noch von der alten Regierung beantwortet werden, ob- England auf diesem Wege fortschritten, um so weiter würden sie ver­tion hat er mit den sozialdemokratischen Ministern in gutem mohl der jegt eingetretene Fall staatsrechtlich nicht völlig geflärt ist. pflichtet sein, zu gehen. Die nadte Wahrheit sei, daß eine neue und Ebernehmen zusammengearbeitet. Durch seine bekannten Erft am Dienstag der übernächsten Woche dürfte Ministerpräsident furchtbare Epoche begonnen habe, denn Briands Methode sei die Bestrebungen, eine große christlichsoziale Partei über das Stegerwald seine Regierung vorstellen, falls ihm die Bildung Methode der Gewalt. Frankreich verlasse sich auf die volle Unter­Rentrum hinaus zu gründen, hat er die Aufmerksamkeit weiter einer solchen gelingt. Es ist Stegerwald dabei freie Hand ge- ftügung Englands bei seinen Forderungen an Deutschland . England politischer Kreise auf sich gelenkt. laffen worden; es verlautet aber, daß er seinen Auftrag zur Re- habe sich zu einer bestimmten Politik verpflichtet und könne Frank. gierungsbildung zurückgeben werde, wenn eine der alten Koali- reich jezt nicht verlassen. Die Aussicht auf Verhinderung eines fionsparteien eine Teilnahme an seiner Regierung ablehnen sollte. tieferen Sprunges in unbekannte Gefahren aufeinanderfolgender unbeschränkter Strafmaßnahmen erscheine hoffnungslos. Der Be richterstatter hält die legte Rede Briands für äußerst wichtig, da sie Adam Stegerwald ist am 14. Dezember 1874 als Kind so unzweideutig sei und die fast einstimmige Unterstügung des franzö einer armen Familie in Unterfranten geboren. Er erlernte das fischen Parlaments gefunden habe. As Briand fein Amt antrat, Tischlerhandwerk, durchwanderte als Handwerksbursche Süddeutsch- fei er in einer äußerst schmachen Lage gewesen, jetzt sei seine Stellung land, wo er auch in der Hauptsache gearbeitet hat und fom in äußerst start. In Frankreich sei man der Ansicht, durch Gewalton­München in die Gesellenvereinsbewegung. Er besuchte Privatvorwendung gegen die deutschen Kapitalisten werde man sie, zwingen, lefungen bei dem Münchener Boltswirtschaftler Lujo Brentano und einen Teil ihres Reichtums abzutreten.

Es liegt gewiß nicht in Stegerwalds Absicht, ein Regime der sozialpolitischen Scharfmacherei zu begründen und reaftio­nären Bestrebungen Borschub zu leisten. Auf der anderen Seite ist es fraglich, ob er bie nötige Charakterstärte auf­bringen würde, den zielbemußten Bestrebungen von rechts den nötigen Widerstand entgegenzulegen, zumal wenn ihm in seinem Kabinett die foaidemokratischen Rückenstühen fehlen follten. Indes, wie gesagt, bedeutet die Wahl Stegerwalds zum preußischen Ministerpräsidenten noch nicht die Bildung eines

Stegerwalds Laufbahn.