ihrer Hilfe?ann man, ohne daß es diesen zu Bewußtsein kommt, auch solche Zeitungen beeinflussen, die weder gekauft find noch sich kaufen lassen wollen. Ueber die ungeheure Gefahr dieser Entwicklung soll man sich nicht tsiuschcn. Ln der Demokratie wird alles, Regierung, Verwaltung, Gesetzgebung, durch das Volk bestimmt, das Volk aber bildet sich sein polnisches Urteil aus den Zeitungen, die es liest, aus den Nachrichten, die ihm vorgesetzt werden. Ohne die Erhaltung und den kräftigen Aufstieg einer unab- hängigen Presse wird die Demokratie zur Afterdemokratie, und das Volk, das zu herrschen glaubt, wird von denen re- giert, die durch die Macht ihres Geldsacks seine Gedan» ken beherrschen. Die Lösung dieses Problems kann nicht darin gesucht werden, daß die Presse, statt zum Werkzeug des Großkapitals einfach zu einem Glied der Staatsmaschinerie ge« macht wird, wie das im bolschewistischen Rußland geschehen ist. Denn auf diese Weise wird der letzte Rest von Presse- freihelt ausgerottet, und das Zeitungswesen wird.zum Än- itrument derjenigen gemacht, die augenblicklich die Macht m Händen haben. Heute laufen in Rußland alle Rotations- Maschinen für den Bolschewismus, sie würden heute oder morgen ebenso gehorsam für den weißen Terror laufen, wenn es diesem gelänge, die Macht an sich zu reißen. Nur in ganz anderer Weise kann Hilfe werden vom Staat und vom Volk. Ein wahrhaft demokratisches Staatswesen hat die Pflicht, die Unabhängigkeit der Presse zu schützen, es darf nicht untätig zusehen, wie ein selbständiges Presfeuntsr- nehmen nach dem anderen vor Not schwach wird und in den unergründlichen Schnappsack der großkapitalistischen Alles- täufer verschwindet. Die Gesetzgebung muß die Presse» Unternehmungen zur öffentlichen Klarstellung ihrer sinan- ziellen Grundlagen zwingen und dem um seine Meinungs- freiheit kämpfenden Jouryalisten die nötige materielle und
moralische Rücken das Volk selb seiner großen Ma
tütze leihen. Das Entscheidende wird aber t zu tun haben, das Volk, das leider in se dem Zoitungswesen mit einer merkwürdigen, dem Fachmann kaum verständlichen Kritiklosigkeit gegen- übersteht und oft am liebsten an den Quellen zu trinken scheint, die am meisten vergiftet sind- Es bleibt ein unvergeßliches Verdienst der deutschen Arbeiterklasse, daß sie die gewaltige Bedeutung der Presse für den Kampf um die Macht früzeitig erkannt und sich unter großen selbstlos gebrachten Opfern ihr eigenes Zei- iungswesen geschassen hat, das gegen großkapitalistische Ein» slüsse gefeit ist. Es genügt aber nicht, daß diese Prelle be- steht als eine Insel in der Hochflut der kapimlistischen Presse- korruption, nur wenn sie ständnigan Verbreitung und Einfluß zunimmt, kann sie die große Mission erfüllen, die ihr zu- gefallen ist: das Allgemein interesse gegen kapita- listische Machtbestrebunaen zu verteidigen und durchzusehen. Es ist in den letzten drei Iahren unter Arbeitern viel darüber gestritten worden, wie man am besten zur politischen Macht kommt, und man hat daneben oft die einfache Wahrheit ver- gessen, daß man niemals zur Macht kommt, wenn man nicht durch den täglichen Einfluß der Zeitung Macht über die K S v f e gewinnt. Hier ist der Platz, wo um die größten Entscheidungen der Zukunft gerungen wird! » Folgende Verlchllgnng geht uns zu: Die Morgenausgab« des .Horn) Sri»" vom 7. Aprll 1921 bracht« unter der Ikberschrist: ..S t ln n« s"«inen Urtikel, in dem ein« Zusammenstellung über «ine Reihe der wichtigsten Wlrtschoftsbetriebe inoerhalb Deutsch- l-Hv» gegeben wird, die sich nachweislich unter dar Kontrolle von Stinnes befinden sollen. In dieser Zusammenstellung sind die.Wirtschaftlichen Nachrichten aus dem Ruhrbezirt" genannt. Dies« Behauptung widerspricht txn Tatsachen. Herr Stinne» ist an den.Wirtschaftlichen Rachrichten aus dem Ruhrbezirf, Essen. "»der finanziell noch in anderer Weis« beteiligt. Wirtschaftlich« Nachrichten aus d«m Nohrbeztrk. I. A.: Dr, R«chlin.
die Probe aufs Exzeiaps!... Die Telegraphsnunion veröffenUicht folgende Erklärung: In den letzten Tagen ist die Oesfentlichkeit und die deutsche Presse durch«ine Reihe irresllhrender Behauptungen über die Tele- grapijemmlon beunruhigt worden. Man hat der Telegraphenuniost zum Vorwurf machen wollen, daß sie unter dem Einfluß der Großindustrie, insbesondere des Herrn Hugo Stinnes stehe. Diese Behauptungen sind unrichtig. Die Tele- graphenunion Hot die erheblichen zur Erweiterung ihre» Betriebes erforderlichen Kapitalien sich verschafft, ohne irgendwelche Ver- pflichtungen bezüglich ihrer Haltung zu übernehmen. St« steht nach jeder Richtung hin unabhängig da, dient keiner Partei und keiner Wirtschaftsgrupp«, sondern lediglich dem objektiven Dienst der beut- scheu Presse und der freien Meinungsbildung des Volkes. Dies« wird im besonderen dadurch gewährleistet, daß genau wie bei jeder Zei- tung auch bei der Telegraphenunion die Chefredakteur« der einzelne» Dienstzweige unbeeinflußt durch die Verlagsleitung lediglich ent- sprechend ihrem journalistischen Pflichtgefühl ihre Arbeit verrichten und verrichten werden. Für unsere Jnteressennahme an dem Dammert-Verlag S- m. b. H-, die in erster Linie mit Rücksicht aus das Wohl der mehreren hundert Angestellten und auf die ungestörte Weiterversorgung der deutschen Presse erfolgt Ist, gilt dasselbe. Die Korrespondenzen und übrigen Dienstzweige des Dammert-Derlags werden auch nach Aus- scheiden des Herrn D«. Rudolf Dommept von den bisherigen Chef- redatteuren unverändert weltsrgeleitet und sind Eigentum des Dammert-Berlags G. m. b. H., nicht aber des Herrn Rudolf Dam- mert persönlich. Im übrigen lehnen wir es ab, uns in die vielfach gehässige Polemik, die sich an unsere Interessengemeinschaft mit dem Dammert-Verlag G. m. b. H. geknüpft hat, weiterhin einzulassen. Die Fortführung unserer Geschäfte wird die Unabhängigkeit beider Institute auch künftig in jeder Weise klarstellen. Die Telegraphenunion macht sich die Sache sehr leicht- Es gibt natürlich kein vom Großkapstal abhängiges Presse- unternehmen, das diese Abhängigkeit eingestehen würde. Die wirklichen Verhältnisse können in diesem Fall und in allen anderen nur festgestellt werden, wenn ein Organ geschaffen wird, das gesetzlich bevollmächtigt ist, sie zu untersuchen, wie das in Oesterreich bereits gefchieht- Daß die Presseunternehmungen reine Hände haben, ist höchstes Gebot des öffentlichen Interesses, darum sollen sie ihre Hände nicht unter der Schürze oerstecken dürfen� mit der Versicherung, sie wären rein, sondern verpflichtet sein, sie zu zeigen. Sie sollen eine volle Klarstellung ihrer Äerhällnisse der Allgemeinheit schuldig, sein. die Leistungen öer Bergarbeiter. Bergrat Dr. H e r b i g, Direktwnsmitglied des Rheinisch- westfälischen Kohlensyndikats, bespricht in der„Bergwerks- zeitung" die.kritische Kohlenwirtschaftslage. Dabei äußert er sich in sympathischer Weise zu den Ueberschichtenleistungen der Bergleute. Er urteilt darüber wie folgt: „Es ist ein Markstein in der nachrevolutionären Wirtschafts- geschichte und ein Ehrenblatt in der Geschichte der westsälischen Bergarbeiterbewegung, daß im Februar 1920, al» der ganzen Belegschaft noch der Kampfruf noch der Sechsstundenschicht im Ohre lag, auf dringende Vorstellungen der Regierung die Ge- werkschaften sich dazu entschlossen, daß in der Woche 7 Ueber. stunden, nämlich an zwei. Tagen je. 3'ch ljeberstunden verfahren werden sollten. Für diese Ueberstundrn wurden 100 Proz. Lohnzuschlag und gewisse Lebensmittelvergllnstigungen bewilligt. Es wurde also uicht nur an die ideale, sondern auch an die materielle Seite der menschlichen Natur appelliert. Keinen dieser beiden Ge- sichtspunkte soll man unterschätzen, und e» wäre gut, wenn die Leute, welche au« Beruf oder Neigung sich mit dem Suchen nach neuen Wirtschaftsformen beschäftigen, stets im Aug« behielten, daß beide Antriebe zur Wirkung kommen müssen. Do» Ueberfchichten- abkommen hat sich insofern bewährt, al» es zwar mit Schwankungen in der Anzahl der Beteiligten— doch ein volles Jahr lang
f durchgehalten worden ist. Wir wollen dos auch setzt nicht ver- ] gesien, wo die Arbeiterschaft diese Ueberfchichten am 13. März d. L. eingestellt hat." Es wäre zu begrüßen, wenn sich all« Unternehmerner� treter bemühten, das Ueberschichtenverfahre» der Bergleute so anzuerkennen, wie es Herr Bergrat Herbig tut. Jeden- falls kann nicht vergessen werden, daß die Grubenarbeiter während der ganzen Dauer ihrer Schicht abgeschlossen sind von Sonne und Tageslicht, stets umringt von den elementaren Gefahren der Tiefe. Man darf schon darum in dem A- lauf des llsberschichtenahkommens keine Böswilligkeit der Bergarbeiter erblicken, sondern muh trachten. mit ihnen zu einer Verständigung zu kommen, die ihren persönlichen Bedürfnissen unst dem Bedürstiis der Volkswirtschaft gerecht wird. Dies muß ohne Zwang geschehen. wenn der gemeinnützige Zweck erreicht werden soll.— Im SozialpolitischenAusschußdesReichs- wtrtschaftsrates stand ein Gesetzentwurf zur Erörte- rung, der die Schichtzeit im deutschen Steinkohlenbergbon gemäß den gegenwärtig geltenden Tarifverträgen festlegen will. Das würde für den Hauptteil des Bergbaues die Sieben st undenfch ich t unter Tage bedeuten. Dte Unternehmervertreter sprachen sich dagegen aus, sie wollen dieses Gesetz allenfalls für den Ruhrbergbau gelten lassen. Der Arbeitnehmeroertreter, Gewerkschastssekrctär Genosse Gärt- n e r« Hildesheim (Angestellter des Bergarbeiterverbandes) erklärt« jedoch, der Gesetzentwurf fei für die Ardeiter upan- nehmbar, wenn er sich nicht auf den gesamten deutschen Bergbau beziehe. Wenn man neue Ungleichheiten schaffe, ent- ständen dadurch neue Streitigkeiten im Bergbau. Ein solchri' Gesetzentwurf hätte überhaupt schon längst als Gesetz in Kraft sein müssen, wenn man die andauernden Differenzen über die Schichtzeit im Bergbau nicht haben wollt«. Sei die Siebenstundenschicht gesetzlich festgelegt, dann könne man auch eher über die Frage notwendiger Ueberstunden zu einer Ver- ständigung kommen. Weil bisher über die regelmäßig? Schichtzeit im Bergbau gesetzlich noch nichts bestimmt fei. glaubten die Arbeiter begreiflicherweise, die Ueberstunden sollten einen Uebergang zur regelmäßigen Schichtverlänge-- rung über die tariflichen Abmachungen hinaus, darstellen. Dies Mißtrauen könne beseitigt werden durch eine klare ge- setzliche Ueberschicht der Höchstschichtzeit für den Gesamtbcrg- bau. Da die geladenen Sachverständigen nicht anwesend sein konnten wegen gleichzeitiger Besprechungen im Arbeits- Ministerium über die Lage im Ruhrgebiet , so wurde die wettere Erörterung auf den 14. d- M. vertagt. sie gilt kein verbot/ Unter dieser Ueberschrist berichteten wir über eine Demonstration der Deutschnationalm am Blsmorck-Denkmal zu einer Zeit, wo Der- sammlungen unter freiem Himmel in Berlin verboten waren. Hierzu schreibt im» der Kommandeur der Berliner Schutzpolizei , Herr Oberst Kaupisch: .Die meinerseits sofort eingeleiteten Ermittlungen haben«r- geben, daß zwar die Niederlegung von Kränzen durch kleine Ab- ardnungen von wenigen Personen erfolgt ist. daß auch Neugierig« und Schaulustige zeitweise stehengeblieben sind, daß aber kebi« Demonstrationen, weder durch Absingen von patriotischen Lieben.' noch durch Halten von Ansprachen stattgefunden haben. Es bedarf wohl keines Hinweises, daß ich bestrebt und perpflichtet bin, den gesetzlichen Bestimmungen ohne Rücksichtnahme auf die politisch« Partei st«llung Geltung zu ver- schaffen." Unser Gewährsmann hat gehört, wie bei gelegentlichen Ansamm- lungen größerer Personenmengen von deutschvälkischen Rednern auch Ansprache» gehalten wurden. Es ist möglich, daß diese Tatsache der Polizei entgangen ist, woraus wir übrigens Herrn Oberst Kaupisch und sein«» Untergebenen keinerlei Borwurf machen- Der Vorgang war uns nur typisch für die D e u t s ch n a t i o n a l e n, die fortge» setzt noch der.Stärkung der Staatsautvrität" schreien, selber ober als erste auf die Gesetz« pfeifen, wo es ihnen in ihren politischen Kram paßt.
Erziehung zum Renschen. Eine« der schwierigsten Problew« der Pädagogik ist die gleich- wertig« Ausbildung von Körper und Geist. Di« hellenische Schul« betonte diese Einheit. Im Mittelalter, das ganz vom Geiste monchi- ichen Christentum» beherrscht war, ging st« verloren. Aus Bildung»- schulen wurden Gelehrtrnschulen, der Körper in Acht und Bann ge- ta». So ist j» auch heute noch, wenngleich die Körperausbildung bereit» wieder ein bescheidenes Plätzchen einnimmt. Aber im allge- meinen gilt doch der Grundsatz, daß dl« Schule die geistigen Fähig- leiten zu entwickeln hat und daß körperlich« Erholung und Ertuchti- gung der Freizeit überlassen bleiben. Segen dies« Anschauung anzukämpfen trat 1904 Elizabeth D u n c a n auf den Plan..Die Duncan-Schule tritt sür eine Gleich- stellung der körperlichen und geistigen Erziehung«in. Sie sieht in der Durchbildung des Körpers nicht nur ein Mittel zur physischen Gesundung und Kräftigung, sondern ein solches zur geistigen Er- Hebung und zu seelischer Vertiefung. Sie betrachtet es al» ihr« Pflicht- mitzuarbeiten am notwendigen Werk der Befreiung unserer Jugend von einem einseitigen Intellektualismus und einer mecha, nischen Lebensauffassung", heißt es in ihrem Programm. Sie de- gönn mit der Erziehung einer Gruppe von Mädchen im zartesten Alter. Ihr Wert war bald in Deutschland al» mustergültig bekannt. Dann kam der Krieg und verschlug die Dunegn-Schul« nach Amerika . Wir hörten über den Fortgang des Experimentes— denn al, solche» nußte es damals noch betrachtet werden weiter nichts. Nun ist die Duncan-Schule au» Amerika zurückgekehrt und am Donnerstag tonnte man ihr« Leiser Elizabeth Duncan und Max Merz mit den Zöglingen zum ersten Mal« wisder begrüßen. Aus den Kindern sind erwachsen« junge Mädchen geworden, und es erhebt sich die Frag«: Wa» hat Elizabeth Duncan «rreicht? Der erst« Eindruck ist der vollkommenen Adels, vollkommener Reinheit und Hormon!«. Man bedauert, diese Geschöpfe in einer großen Stadt eingeschlossen zu wissen. Sie atmen Land, sind wesentlich ein» mit dem Land«. Dann kommen die Vorführungen und bestätigen den Eindruck. Hier ist Tiernähe vom Geist beherrscht, hier ist Verwandt- schaft mit Blumen ohne Fidussentimolität. Hier ist Natur, Gesund- heit und Freiheit ohne andere Schranken denn die natürlichen An- stand«». Musik und Rhythmus sind die Grundlagen dieser Kultur. Gehen, Lausen, Springen, d-es« Dreieinigkeit der Bewegung, sind die Grundlagen ihrer Tanzspiele. Der Tanz steht im Mittelpunkt ihrer Körperkultur. Aber dieser Tanz hat mit dem Expressionismus des modernen Tanzkults, diesem ekstatischen Bekenntnis einer unheiligen und verzweifelnden Zeit nichts zu tun. Er ist nicht mehr als das Treiben der Füllen auf den Weiden. Wo das..Zurück zur Natur' ol? Anfang wahrer Kultur! Und man muß gestehen, daß das Zurück hier wirklich eist Vorwärts ist, möchte die Methode Elizabeth Duncans gern In utsserer Erziehungoreform oerontert sehen. Einheitsschule und Arbeitsschule wären ihr würdiger Rahmen
Dt« Nutzanwendung? Ei wäre«in Berlust, bliebe die Duncan- Schul« auf sich gestillt. Sie gibt das, was unser moderner Tuen- betrieb vergeblich anstrebt: Erlösung des Körpers, Erlösung der Seele au» dem Rachen des Ungetüms Großstadt, au» den Krallen des Klnderschrecks Gelehrtenschule. Erziehung des Schülers zum Menschen durch Betonung de» beseelten Körpers. Aber wie die Reform? May sollt« Turnlehrer und Turnlehrerinnen zu Elizobeth Duncan in die Lehr« schicken. Und dann: Hinaus aufs Londl Wo immer ein Stückchen Wiese ist. Mit einem«vheriichen Nochklatsch wäre e» allerding« nicht getan. Do» Wesentlich« ist die Seele, der Seist der Duncan-Schule. E« ist der Geist, der un» heute fehlt wie Land und Luft,,■ J—«. Autigane in der Volksbühne. Bon den auf un» gekommenen oltgriechlschen Dramen haben die düsteren Sckiickscilstraaödien des schuldlos in schwerste Freveltat verstrickten König Oeoipus und Sophokles Antigone sich am meisten lebendig zu unserer eigenen Ge- donkenwelt in Beziehung stehend« Wirkung gewahrt. Ist Oedipus ergreifende» Symbol der dunklen Gewalten, die, jede menschliche Voraussicht spottend, ihre Opfer in» Verhängnis treiben. Plan und seine Tat, durch welch« es entrinnen wollte, in» Gegenteil ver- kehren— so verherrlicht dse Antigone-Dichtung Kraft und Größe des Menschen, der im Vertrauen auf ein ihm in die Seele einge- graben«» Rechtsbewußtsein, die Tat, die ihm geboten scheint, voll- bringt. Sophokles Heldin, Oedipus Tochter, einem vom Göttcrzorn verfolgten frevelnden Geschlecht entstammend wie die Iphiqemie des Gaetheschen Dramas, erhebt gleich dieser sich zu der höchsten Rein» beit und dem höchsten Mut. Aber keine fteundllche Fügung wie bei dem deutschen Dichter belohnt das Vertrauen, mit dem sie ans die Götter schaut, führt den tragische» Konslickt zu versöhnender Lösung. Die Götter bleiben unerbittlich. Der Fluch, d«N sie auf da» Geschlecht geworfen, wirkt blind und unaufhaltsam welter fort. Ei« büßt die Tat mit ihrem Leben. Aber auch, den übermütigen Despoten, dem sie Trotz bietet, ihm. den Schuldigen, und sein ganze» Hau » zieht sie, die Schuldlose, mit in be» Untergang. Sie trauert um de» Bruder« Polyneike, Fall, der in dem Kampf« wider Kreon dem neuen Herrscher Theben» unterlag. In wildem Haß bat dieler dos Gebot erlassen, daß keiner de» Besiegten Leichnam bestatten soll. Ein Froh der Vögel soll er dort modern. Todesstrafe steht aus Verletzung des Befehl». Doch Antigone schreckt da, nicht. Sie will dl« Pflicht erfüllen, die uralt frommer Brauch der Schwester vorschreibt So streut sie Staub auf ihres Bruders Leib und spendet ihm. daß seine arme Seele Ruhe findet,«in Toten- npfer. In der Szene, da sie von den Häschern vor Kreon geführt, sich kühn»u ihrer Tat bekennt, und seiner zusälligen irdischen De- walt die Berufung quf dl»„Natur und der Göttcr ungeschriebenes ewiges Gesetz"' entgegenstellt, gipfelt da» Werk. In dem» Pathos ihres ethischen Idealiemus klingt-In verwandter Ton wie in den Schillerworten von jenen„Rechten, die droben hangen ewig unveräußerlich". Auf dos Geh?!» des Herrschers eingemauert in imterirdische» Gkwölb, gibt st? sich ungebrochenen Sinnes selbst de» Tod. Die Mahnungen de» Ehors, die Bitte» von Kreon« vntiaones verlobten Sahne« prallen an der starr«, Rachlucht de» König « ab. Erst die Furchä vor dem strafenden Zorn der Götter.
den der blinde Seher Tiresia » ihm androht, treibt ihn zum Wider- ruf. Zu spät. Sein Sohn hat sich, als er die Braut entseelt fand, dem Dater fluchend in sein Schwert gestürzt. Die Mutter, Kreon, Gallin , folgt dem Sohn ins dunkle Schattenreich. Wehklagend bricht, der sich noch eben jeder Schranke seines Herrscherwillcns überhoben wähnte, zusammen. In stimmungsvollem Rahmen, der mit«infochsten Mitteln im Hintergrund« da» Königsschloß markierte, zogen die Szenen, zu- weilen von begleitender Musik unterstützt, vorüber. Beim Aufgehen des Dorhonges tiefes Dunkel. Rur die Gruppe der beiden Schwestern tritt, hell belichtet, hervor. Marl « Dietrich war«Ine edel gc- faßte, in anttkisicrender StUisicrung. immer weiblich-natürlich blei- bend« Antigone , die. alle unnötige Schroffheit im Verhalten zu der Schwester durch den Wohllaut ihrer Stimme mildernd, sich vom ersten Augenblick die Herzen gewann. Dann erscheint, von unten her aufsteigend, der Chor, in festlich- feierlichen Stroohen den Sonnenaufgang grüßend. Cr deklamierte gut! auf die rhythmisch« Durchbildung des Vortrages hatte dl« Kayßiersche Regie offenbar ganz besonderen Fleiß verwandt. Aber die Wirkung hätte sich viel- leicht durch einige Kürzungen noch steigern lassen, da bei längerem Zusammensprechen vom Text« notwendig viel verloren geht. Sehr plastisch, das jäh« Jagende der Leidenschaft vortrefflich wider- spiegelnd zeichnete Herr Stahl-Rachaebaur den Kreon. So wuchs der Eindruck des Dramas bis zur Mitte in starker Steigerung an. In den späteren Szenen, die dos im wesentlichen schon«nt- schiedene Schicksal in lyrisch-rhetorischen Refl-xionen und Berichte» weiter ausmalen, ließ die Spannung nach. Auch hier kamen einig« der langen Reden, so dl« de« Haimon, de» Tiresia » und des Dieners, der die Botschaft von de» Sohne» Selbstword bringt, auf der Bühne nicht zur rechter Geltung. ckt. Gastspiel Maria Labia . Frau Labia hat vor vielen Iahren bn Gregor In der Komischen Opfer dj« temperamentvollst«, rassigste und mahrhaft möglichst« Magda in„Tiefland" gesungen. Jetzt, da sie älter wurde, entdeckt man einen Fehler ihrer Stimmbildung. Labia : dos heißt auf deutsch Lippe. Di« Stellung ihrer Lippen und ihres Mundes beim Gesang bleibt auch heute noch klassisch! noch hält ihr metallenes Organ keinen Affekt aus, ohne schrill, fast schreiend zu werden Einst Oboe, setzt Klarinette. Ihr Spiel unterstreicht das Italienische. Theatermäßig« ihrer Rolle: sie ahnt nicht, wie sehr sie damit die innere Unwahrhaftigkelt dieses gemarterten Weibes vnd die Hohlheit dieser ganz glühendheißen Theaterepisode mitbefapst. Ihr große» Auge blickt unschuldia, ihr Kuß tänzelt In der Graz, « einer Stadtdame, nicht eines Müllermädchens, und wen» sie ab- wtlsend dl« Finger vibrieren läßt, wenn sie die Arm« in die Hüften stemmt, katzchengleich herumkriecht und sich kauert, schließlich de- müttg in wirkliche Anbetung verfällt, so bleibt hinter der packenden Sinnlichkeit des Momentes ein großer Schaden de» Bewußten allzu Intellektuellen, da« verstimmt vnd auch an die schauspielerisch? Bollendung ihrer spontanen Ausbrüche nicht mehr recht glauben läßt. Eine Rolle, prachtvoll studiert, au» Einzelallgen klug geflickt. doch«ine Rolle nur, die«wer Italienischen Primadonna in ichillern- der Mowc der Autoren angenähert. Man erwartete einen Menschen in dem fesselnd verisuschen Stück der Gegenwart. Die Männer um die Labia herum wirkten stärker, vor allem Pedro H a p» d o r f. der dt« Entwicklung vom jungen Siegfried vom reinen erlösenden
s