Nr. 104.
V
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für 1891 unter Nr. 6469.
Vorwärts
8. Jahrg.
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Redaktion: Beuth- Straße 2.
Die Geschichte als geistige Waffe gegen die Sozialdemokratie.
Mittwoch, den 6. Mai 1891.
Expedition: Beuth- Straße 3.
wilhelm III. den„ Schöpfer eines freien Bauernstandes", erfüllten Periode unterlegen feien."
Weiter nennt unser Verfasser in seiner Schrift Friedrich Adels, die nur einer von Krankhaften Staatstheorien Als Mittel zu weil er die Gutsunterthänigkeit beseitigt hat. Nun zur dem hochedlen Zweck der Wiedererhebung des Adelš" Verwandlung der damaligen gutsunterthänigen Bauern in schlägt man mit schamloser Frechheit vor: allmälig die freie, leistungsfähige, besigende Bauern genügt jenes Edift, öffentliche Meinung an das bestimmtere Hervortreten des das die Gutsunterthänigkeit aufhob, nicht, da bedurfte es Adels an die Spitze der Nation zu gewöhnen, damit„ wenn erst einer ganzen Reihe von Gesetzen zur Regulirung der erst die Macht der Meinung und der Sitte gewonnen sei, alten feudalen Eigenthumsrechte und zur Ablösung der auf dann sicher auch die Macht der Gesetze entgegenkommend die den Gütern ruhenden Feudallaften. Hand bieten würde."
Die königliche Ordre vom 1. Januar 1889 betraute die Schule mit der Aufgabe, die Ausbreitung der sozialistischen und kommunistischen Ideen durch einen vertieften und er weiterten Geschichtsunterricht zu bekämpfen. Nun, vor uns liegt hier ein Geschichtsbuch, das ein schönes Stück neuer preußischer vertiefter und erweiterter Geschichte enthält. Es Hätte der Verfasser der Geschichte diese Gesetze genau betitelt sich:„ Ergänzungen zum Seminar- Lesebuch. I. Vater- gekannt, dann würde er jenen Ausspruch nicht gethan haben, ländisches." Wir geben hier einige Proben aus dem vater- daß Friedrich Wilhelm III. der Schöpfer des freien Bauern ländischen Geschichtsbuche zum Besten. Wie vertieft und standes gewesen sei. Gerade durch ihre unverzeihliche Nach erweitert sind beispielsweise die schönen Charaktereigenschaften giebigkeit gegen das preußische Junkerthum hat die ReFriedrich Wilhelms II. Jeder Bug der Leutseligkeit", der Tapferfeit" des feurigen, genialen" Prinzen ist mit großer historischer Gewissenhaftigkeit gebucht. Und da es solcher Züge nicht viele gab, so hat man in diesem Buche ein wirt lich erschöpfendes Berzeichniß derselben.
Die Revolution von 1848 dagegen war ein wahrer Freiheitskrieg" des Volkes. Sie schuf die Grundlage des preußischen Verfassungswesens, sie gab der Agrar- Gesetzgebung einen kräftigen Anstoß. Mit einem Schlage wurden 24 gutsherrliche Berechtigungen abgeschafft. Und da wankten gierung Friedrich Wilhelms III. ganze Klassen besitzender, denn unter anderen auch folgende schöne Institutionen zu leistungsfähiger Bauern in besiglose Arbeiter verwandelt. Grabe: die Jagdleistungen, die Pflichten der Bewachung Lesen Sie, Herr Geschichtsschreiber, einmal Knapp's Bauern- der gutsherrlichen Gebäude, die Abgaben zu Taufen, Ausbefreiung" selbst nach, wie verheerend z. B. die Deklaration stattungen u. s. w., das Recht, die Gänse der bäuerlichen vom 29. Mai 1816 auf den Bestand der Bauernwirth- Wirthe berupfen zu lassen, die festgesetzten Dienste der Und das ist immerhin viel werth. Allerdings find schaften eingewirkt hat. Im Ganzen schuf die vielgerühmte Bauern für Reisen des Gutsherrn und seiner Beamten einige Züge seines Wohlwollens gegenüber Personen niederer preußische Agrargesezgebung bis 1848 nur 45 493 bäuerliche u. s. w. Jetzt nahm man die Ablösung der Bauern von Herkunft ausgelassen worden( z. B. gegen die Familie Rieß). Eigenthümer statt allein 60 000 spannfähiger und 161 000 ihren Feudallasten energisch in die Hand. Und ferner hat uns der Schriffteller keine historischen Beweis- spannfähiger und nichtspannfähiger Bauern, welche einst bis zum Jahre 1848 nur 289 651 Dienst- und AbgabenWährend sich stücke herbeigebracht, die den Ausdruck feuriger Prinz" das Gesetz von 1811 zu Eigenthümer machen wollte. pflichtige abgelöst hatten, lösten sich bis 1865 über eine rechtfertigen; obwohl es deren gerade sehr viele giebt. Diese Thatsachen können Sie selbst in der Schmoller Million Bauern von den Hand- und Spanndiensten ab. Dies find offenbar Lücken des Buches. schen Besprechung des Knapp'schen Werks über die Bauern- Das war so ein Stück Sozialpolitik, das man der Revolu Interessant ist es ferner, daß der Verfasser des kleinen befreiung", in dem Jahrbuch für Gesetzgebung, Volkswirth- tion verdankt. Von dieser darf man bei Leibe nichts den Geschichtswerkes in seiner Stizze über Friedrich Wilhelm II. schaft und Verwaltung" nachlesen. Seminaristen erzählen. nicht der Möllmerschen Religionsedikte gedenkt. Jedenfalls Ueber die Revolution von 1848 schweigt sich unser hat er alle Geschichtserzählungen über diese Editte auf patriotischer Historiker fast vollkommen aus. Grund tiefer Studien als Fälschungen erkannt und hat sie gerade für das Volt gegenüber den so sehr verherrlichten Und was hat daher denselben keinen Platz in seiner gewissenhaften Ge- Freiheitskriegen zu sagen! schichte gegeben. Sehr anzuerkennen ist die große Be- Hatten doch die Freiheitskriege das Zeitalter der heiligen scheidenheit des Verfassers, der von diesen neuen Resultaten Alliance, das Zeitalter der totalen Verknechtung des Volksfeiner Forschung über die Wöllmerschen Edikte so wenig geistes eingeläutet? Aufhebens macht. Er beschwert den Leser nicht mit dem bekannten Ueberall predigte man nach den Freiheitskriegen die gelehrten Apparate, den sonst die Herren Historiker bei Umkehr der Wissenschaft. Zur alleinseligmachenden Kirche Serartigen wichtigen Entdeckungen anzuwenden pflegen, er sollte wieder die gottentfremdete Seele zurückkehren. Den schreibt einfach furzweg nichts über die Wöllmerschen Edikte. lichtscheuen Geistern war es am wohlsten wieder in dem Der Verfasser spricht ferner von Mißgriffen und Halbdunkel der katholischen Kirche ." Hatte man noch ein Frrungen der Regierung Friedrich Wilhelms II. , ohne jedoch Recht", fragt Herr von Treitschke einmal, von Freiheitsdiese hier näher anzugeben. Wir vermuthen, daß er uns friegen zu reden, wenn mit der Freiheit auch die Jesuiten hierdurch auf Die vielen Unterschleife aufmerksam zurückkehrten und die Inquisition des katholischen Molochs machen wollte, welche sich preußische Beamte in von Spanien ? Wenn in der Freiheit jene epidemische Ver Bolen haben zu Schulden kommen lassen. Wenigstens finsterung der Köpfe begann, das Konvertiten- Unwesen und macht uns Martin Philippson in feiner Ge- das lichtschene Treiben frommer Hegenmeister, der Krüdener schichte des preußischen Staatswesens vom Tode Friedrich und Hohenlohe?"
Daß die Revolution ferner ein einziges großes Deutschzu finden. Wir lesen nur so neben bei, daß dem König land schaffen wollte, das ist in dem ganzen Schriftchen nicht Friedrich Wilhelm IV eine Kaiserkrone angeboten wurde? Ob dies die Krone von Brasilien oder Frankreich war, ist aus dem Geschichtsbuche nicht recht ersichtlich. Er hat eine Kaiserkrone ausgeschlagen, weil Recht und Gerechtigkeit ihm höher standen als Glanz und Hoheit."
Friedrich Wilhelm IV. die deutsche Kaiserkrone, welche ihm So, so, weiß der Verfasser wirklich nicht, weshalb die Nationalversammlung anbot, ausschlug? Nun, weil sie nach den eigenen Worten des Königs eine Straßenpflasterkrone" war, ein imaginärer Reif, aus Dreck und Letten gebacken", eine Krone, die mit dem Ludergeruch der Revolution" behaftet war. nügen hier, um die Gewissenhaftigkeit der GeschichtsWir glauben, diese Proben aus dem Geschichtsbuche ges forschung des Verfassers zu charakterisiren.
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Nun noch ein Wort über den Geist der Wahrhaftig
des Großen bis zu den Freiheitskriegen" darauf aufmerksam, So gottesfürchtig und dem Himmel zugekehrt sich auch keit, der in diesem Verfasser wohnt. Derselbe muß natürlich daß der preußische Staat durch die Verschleuderung der immer die herrschende Adelsklasse gebärdete, so vergaß sie in seiner vaterländischen Geschichte der Sozialdemokratie großen polnischen Güter( der Starostengüter zc.) an die darum nicht das Diesseits. Im Gegentheil verstand sie es, einen tüchtigen Eselstritt- denn anders kann man diesen Günstlinge des Königs in unverschämtester Weise um wahr sich immer größere Standesvortheile zu erobern. In ver- Ausfall gegen unsere Partei nicht bezeichnen versetzen. haft ungeheuerliche Summen betrogen" wurde. Auch Barn- schiedenen deutschen Landestheilen, namentlich in Preußen, Er schreibt: Was den vorhandenen Staat schützt und hagen von Euse gedenkt dieser schamlosen Betrügereien schloß sich der Adel zu großen Vereinen zusammen, um seine aufrecht erhielt, Monarchie, Religion, Vaterlandsliebe, war hoher Beamten in der Biographie Hans v. Helds. Hier Kasteninteressen besser wahren zu können. den meisten( nämlich Sozialdemokraten) ein Greuel; mauche dürfte man wohl etwas mehr Deutlichkeit und Genauigkeit Im Programme der schlesischen Adelsreunion wird wollten sogar die Grundlagen des sittlichen Zusammenlebens, in der geschichtlichen Darstellung von Seiten des Historikers als Zweck der Verbindung angegeben: die Wieder die Ehe, beseitigen und das Eigenthum abschaffen."( Da erwerbung der Rechte und des Besitzes des deutschen muß Hänschen doch schließlich das Gruseln erlernen.)
erwarten.
Feuillefont.
Nachdruck verboten.]
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Die Falkner von St. Vigil. Roman aus der Zeit der bayerischen Herrschaft in Tirol
von Robert Sa, weichel.
wie nasses Stroh; da kann man Feuer hineinwerfen und neter Landjäger machte den Beschluß. Die Gefangenen es brennt nicht." wurden von den Soldaten in die Mitte genommen und der Bug setzte sich in Bewegung. Der Korporal mit seinem Landjäger schloß sich ihm an.
Mach' Du uns keine Geschichten," mischte sich Mutschleituer ein; ich hab's Dir schon gestern gesagt. Es wird schon brennen, wenn's Zeit ist. Die Bayern tragen ja fleißig Holz zu.“
rief eine jugendliche Stimme." Sollen wir das leiden? Und derweilen werden wir selber von ihnen geschmort,"
Ambros was meinst?"
Ein allgemeiner Aufschrei der Menge empfing die Schrei, in dem sich Schrecken, Jammer und Zorn Gefangenen bei ihrem Erscheinen im Hofe. Es war ein mischten, ein Schrei, so herzdurchdringend, daß der Offizier einen Augenblick stutzte, dann winkte er hastig mit dem
Der Oberlieutenant ließ sie gewähren. Er ging Die Frage wurde von Vielen wiederholt. Ambros Degen und der Tambour begann zu schlagen. Weinend, auf dem Hofe gemächlich hin und her, die linke Hand auf schaute sich um. Die jungen Burschen hatten sich allmälig schreiend, klagend, fragend umdrängte die Masse den Zug, das Gefäß seines Degens gedrückt, so daß der Spieß wag- um ihn geschaart, seitdem er auf dem Anger erschienen war, der sich nur langsam fortzubewegen vermochte. Die Ge recht hinter ihm wegstand, gähnte, brehte an seinem und wie in früherer Zeit erwarteten sie von ihm, daß er fangenen gingen, die Einen mit finstern oder wild trotzigen Schnurrbart, zupfte an seinen Handschuhen oder schaute nach den Ausschlag gäbe. Die Kampflust leuchtete ihnen hell aus Mienen, die Anderen verzagt, Ginige mit Thränen in den der Thurmuhr, unbekümmert um die aufgeregten und finstern den Gesichtern. Ambros' breite Brust hob sich, und seine Augen, zwischen den Soldaten, die fortwährend die Menge Mienen der Dörfler und die Drohungen, mit denen die Augen blitten. Menge die Neckereien der Soldaten zu beantworten anfing. von sich abwehren mußten. Das ununterbrochene Wirbeln Nur einmal blieb er stehen und lachte kurz auf. Eine mando. An die Gewehre!" ertönte auf dem Hofe das Kom- der Trommel verhinderte die Gefangenen, sich ihren Stimme rief dem Tambour zu:" Nimm Dich in Acht, Landslenten verständlich zu machen und der Oberlieutenant wenn ich Dich unter die Fäuste kriege, gerb' ich Deine ein Paar Worte mit dem Offizier gesprochen und war wieder der Gefangenen bestürmt wurde, ein mürrisches Schweigen Ein Landjäger war aus dem Hause gekommen, hatte sette allen Fragen, mit denen er über das Schicksal eigene Haut zum Trommelfell; darauf soll Euch Allen der zurückgegangen. Auf das weithin schallende Kommando des entgegen. Der Zug bewegte sich über den Anger nach dem Satan den Marsch zur Hölle schlagen." Oberlieutenants ward es in der Menge draußen still und Schulhause. Als er an der Ecke des Kirchhofes, der Schule
Das Gamsmanndl mußte in einen großen Born in fast athemloser Spannung folgte jedes Auge den gegenüber, angekommen war, tam ihm eiligst Herr Moltengerathen sein, daß es in der erwähnten Weise aus Bewegungen der Soldaten, die sich vor der Thür des Gerichts- becher entgegen. Der hochwürdige Herr war im Hausrock feiner gewohnten Schweigsamkeit herausgetreten war. Es hauses mit angezogenen Gewehren aufstellten. Der Ober- und in Schuhen, und sein Käppchen bedeckte sein silberweißes fuhr auch gegen Ambros, der neben ihm stand, auf lieutenant verschwand für eine Weile im Hause. Als er Haar.„ Der Herr Pfarrer!" rief es in der Menge, und es Ladinisch fort:" Hättet Ihr gestern auf mich gehört, würden wieder zurück kam, folgte ihm ein Landjäger mit Ober- und flang wie ein hoffnungsvolles Aufathmen. Herr Moltenwir die blaue Satansbrut jammt ihren Ofengabeln zum Untergewehr, und hinter diesem kamen paarweise diejenigen, becher machte schon von Weitem dem Oberlieutenant Zeichen, Thal hinausgeworfen haben. Haben wir nicht im Noth- die vor das Amt gefordert worden waren, mit dem Rücken und dieser befahl dem Tambour, seine Stöcke ruhen zu falle unsere Stutzen daheim hängen? Aber Ihr seid Alle gebundenen Händen. Es waren ihrer Zehn. Ein bewaff- laffen und ließ Halt machen.