Schluß öe Set der weiteren Aussprache des Landtags über die Un- ruhen in Mitteldeutschland führt der Minister des Innern Severing aus: chorsing ist erst im vergangenen Jahre Oberpräsident der Provinz geworden. Der Regierungsbezirk Merseburg wird heute noch von folgenden cherren verwaltet: In den Landratsämtern von drei Mitgliedern der Unabhängigen, von drei Mitgliedern der Sozialdemokratischen Partei und von zehn Bürger- l i ch e n, darunter einigen Deutschnationalen, und der Regierungs- Präsident des Bezirks Merseburg ist der D e u t s ch n a t i o n a l e cherr v. G e r st o r f f.(Lebhaftes chört, hört! links.) Wenn Sie also glauben, daß die Verwaltung des Bezirks schlecht gewesen ist, so 'Ziagen Sie sich nur an die eigene Brust. Wenn Sie glauben, daß man heute noch Unabhängige und Sozialdemokraten aus dem Ver- waltungskörper fernhalten kann, dann irren Sie ganz gewaltig. Soll- ten Sie den Versuch machen, die preußische Verwaltung von den An- gehörigen dieser Parteien wieder zu„reinigen", dann leisten Sie Preußen und dem Reiche den denkbar schlechtesten Dienst, denn das arbeilende Volk läßt es sich nicht mehr gefallen, Staatsbürger zweiter Klasse zu sein.(Sehr wahr! links.— Stürmische Zurufe rechts und bei den Kommunisten: Kommunisten sind vogelfrei!) Sie haben so lange kein Recht(zu den Kommunisten) in Staatsstellungen zu gelangen, als Sie mit Maschinengewehren und Sprengbomben die Verfassung ändern wollen. Aber die Herren von rechts sind viel gefährlicher, weil sie klüger sind, und nicht so täppisch wie die Kommunisten die Dersasiung ändern wollen. Wollen Sie(nach rechts) einmal versuchen, nach dem alten übernommenen Rezept der konservativen Politik Preußen oder das Reich zu verwalten, dann löni*©ie gleich den Konkurs Preußens und des Reiches anmelden. Der Abg. v. D r y a n d e r hat behauptet, der preußische Minister des Innern habe es zugelassen, daß in Mitteldeutschland schweres Kriegsmaterial in den Händen von Verbrechern verblieb, während er gegen O r g e s ch überaus scharf vorgegangen sei. Wel- chen Minister des Innern haben Sie gemeint, Herr Abgeordneter? (Zuruf des Abg. v. Dryander: Sie, Herr Minister!) Sie waren einmal Geheimer Oberregierungsrat, wenn ich mich recht erinnere. Da sollten Sie sich doch über die Kompetenzen zwischen Reich und Preußen klar sein. Sie sollten als ehemaliger Verwaltung?- beamter auch wissen, daß in dem Entwasfnungsgesetz alle Kompetenzen dem R e i ch s m i n i st e r des Innern zugewiesen sind. (Zuruf des Abg. v. Dryander: Der mit den Einzelministern im engsten Konnex zu handeln hat.) Zu dieser engen Verbindung be- durfte es nichi erst Ihrer Mahnung. Es ist eine glatte ll n- Wahrheit, daß der Rcichsminister Koch die Maßnahmen Preußens als unzulänglich bezeichnet hat.(Hört, hört! b. d. Soz.) Der Reichsminister des Innern hat vielmehr, wie mir heute Exz. L e w a l d auf meine Anfrage ausdrücklich bestätigt hat. in einem Interview in Darmftadt erklärt, daß er sich mit den Maßnahmen des preußischen Ministers des Innern zur Bekämpfung des Putsche? in allen Einzelheiten einverstanden erklärt habe. (Hört, hört! b. d. Soz.) Das ist der geistige Gehalt Ihrer Reden, Herr Abg. Dr. v. Dryander.(Heiterkeit links.) Sie haben auch be- hauptet, daß ich den Staatsapparat und-Organismus zerstört hätte. (Sehr richtig! rechts.) Gewiß hat der Staatsorganismus seit der Revolution arge Belastungsproben erduldet. Die schlimmste war nach dein Kapp-Putsch zu überstehen, der Sie ja(nach rechts)„überrascht" hat. Wenn Sie nichts gewußt haben, dann haben Sie eben geschlafen und damit das Verbrechen begangen, das Sie der Regierung zum Vorwurf machen. Mich hat der Kapp-Putsch nicht überrascht, denn ich habe zwei Tage zuvor in Berlin einige Reichsstellen auf Grund von Informationen aus der Reichs- wehr gewarnt, und ich stand doch gar nicht in so engen Beziehun- gen zu der Reichswehr wie der Abg. v. Dryander.(Sehr gut! b. d. Soz.) Ich traf bei meinem Amtsantritt eine Zwangslage an, die durch die bekannten„Vereinbarungen" der Mehrheitsparteien init den Berliner Arbeitern geschaffen war. Darin heißt es u. a.: „Gründliche Reinigung aller öffentlichen Verwaltungen und Betriebsverwaltungen von allen gegenrevolutionären Persönlichkeiten, besonders in leitenden Stellen." Ich habe mich bemüht, das Der- sprechen der Koalitionsparteien eiyzulösen. Daß das ch t rest- l o s gelungen ist, gebe ich ohne weiteres zu. Die Mhnenflucht einer Anzahl Beamter in das Lager der Kappisten konnte sich eine demokratische Regierung nicht gefallen lasten. Solche unzuverlässige Beamte mußten unnachsichtlich von ihren Posten entfernt werden. Herr v. Dryander behauptete ferner, in Delitzsch fei ein unabhängiger . ü»,ti renarbeiter Landrat, der, als die Reichswehr dort einrücken woß.?, öffentlich gegen die Reichswehr aufgehetzt und eine Schlägerei herbeigeführt habe. Diese Behauptung des Herrn v. Dryander ist eine glatte Lumperei. (Ohol-Rufe rechts.— Der Minister schlägt auf den Tisch und wieder- holt mit erhobener Stimme:) Natürlich ist dies« Behauptung eine glatt« Lumperei.(Großer Lärm rechts. Zuruf«: Gehen Sie doch!) Ich weiß nicht, wie ich es den Herren rechl machen soll, bin ich nicht hier, dann verlangen si« nach meiner Anwesenheit, und bin ich hier, dann soll ich gehen. Sie müssen es schon mir überlassen, wie ich die Schiefheiten und Unrichtigkeiten Ihrer Red« berichtige. Wenn«ie sich über meinen Ton entrüsten, so wollen Sie gefälligst bedenken: Ach beliebe immer den Ton, den man mir gegenüber anschlägt. Ich kann auch im M o l l- 1 o n verhandeln, aber bitte, gehen Si« mir mit gutem Beispiel voran.(Zuruf des Abg. Graes : Das würde bei Ihnen«ms unsruchibaren Boden fallen!) Sic sind gerade der richtige K n i g g e, Herr Graes!(Schallende Heiterkeit links.) Ich nehme die kommunistische Gefahr nicht leicht und versolge die Hetzereien- in Versammlungen und in der Presse mit aller Aufmerksamkeit, und werde den Wirkungen dieser Hetzen mit der größten Entschiedenheit entgegen. Die Sozial- de'mokratie hat auch in der Aera Puttkamer niemals zur' Erreichung ihrer Ziele zu Dynamitattenlaten, zu Sprengstoisen nnd zu Maschinengewehren gegriffen. Sie hat niemals zu illegalen Kampiesorgani'ationen gegnssen und hat sich auch niemale a u s- l ä n d i s ch e n Diktatoren gebeugt. Nach Hrn. o. Dryander sollen be! diesem Aufstande auch keine Vorbereitungen getroffen worden sein. In dem Augenblicke, als es fest stand, daß der mitteldeutsch« In- dustriebeztrt nicht allein in seinen Fabrikbetrieben beunruhigt war, sondern daß auch die Spuren oon Dynamitattentaten bis nach He t ist e dt und Mansseld führten, sind Entsch'üsse gesam worden, die Polizeiaktion einzuleiten. Der angeblich„schlappe" preußische In::-nm!nister hat schon am it. März den Reichswehr - minister und dm Reichsinnenministcr aus die Gefahr aufmerksam gemocht und gebeten, diesen Gegenstand In einer kombinierten Sitzung der Reichs- und Staatsbehördeu ps besprechen.(HörtI hört!) Schon damals erschien mir eine Ver« schärfung des Dynamitgesetzes notwendig zu sein; schon da- mals trat ich für aemeinlam« Maßnahmen von Reichs- und Staats- regierung zur Bekämpfung des verbrecherischen Wahnsinns ein. Wir hafcin' also in der Bekämvsuna dieser gcmeinse'ahrlichen Verbrechen du Initiative ergriffen. Allerdings so leicht, wie Dr. von Dryander sich d!« Sache als alter preußischer Verwaltungsbeamter denkt, ist es nicht mehr. Wir haben heute nicht mehr«in Reichsheer von 800 000 Mann.(Zuruf rechts: Durch Ihr« Schuld!— Zuruf bei den Kommu- nisten: Und das bedauern Siel) Ich habe nichts bedauert, ich Hab« nur die Tatfache festgestellt. Es ist nicht mehr so leicht. einen Aufstund zu bekämpfen, wie das früher der Fall sein machte. Bei den srüheven lokalen Unruhen war es möglich, daß im preußischen Mliristerium des Innern«in fertiger Operatlansplan vorlag. Die jetzige Aufftandsbewegung sollte aber eine Bewegung sein, die nicht allein Preuße», sondern da» Reich«»faßte.(Zuruf de» Abg.
c putjchöebatte im Scholem : Wie die am 0. November!— Lachen bei den Soz.) Setzen Sie sich(zu den Kommunisten) erst einmol auf den Hosen- boden und lesen Sie einen gewissen Karl Marx ! Sonst müßte Ihnen klar sein, daß Revolutionen nicht gemacht werden, sondern das Endergebnis einer ganz bestimmten wirtschaftlichen und politischen Entwicklungsperiodc sind. Revolution macht man in Deutschland nicht aus das Machlgebot von Moskau aus; Revo- lution beschließt man auch nicht im Zentralausschuß der VÄPD. oder in Irgend einem Artikel der KAPD.; Revolutionen wollen sich aus- wirken in der Wirtschaft und in der Politik des Landes. Ich halte Sie nicht für so mächtig, daß Sie mit Ihrer Partei selbst in der Allianz mit der KAPD. «ine Revolution in Deutschland machen könnten. Was Sie können, ist, in einzelnen Landectci'en Preußens Zerstörungen anzurichten, zu deren Ausmerzung die fleißige Arbeit einiger Jahrzehnt« gehört. Vor diesem Schaden haben wir das preußische und das deutsche Volk zu bewahren. Die außenpolitische Situation zwingt uns zu größter Vorsicht. Jedes unvorsichtige Wort, das hier, besonders von einem Minister gesprochen wird, wird im Auslande mit Behagen für die Interessen unserer Feinde ausgenutzt. Aber soviel darf ich doch sagen: Di« Kommunisten rechneten damit, daß, wenn die Abstimmung in Oberschlesien für die Polen nicht günstig aussiel«, irreguläre polnische Banden in Schlesien einfallen und dadurch«ine Abwehr seitens der Rsichsregierung notwendig machen würden. Wären damals Reichswehr und womöglich stärker« Kräfte der Schutzpolizei in Schlesien gefesselt worden, glauben Si«, daß wir dann m Mitteldeutschland !o verhältnismäßig leichtes Spiel gehabt hätten? So wie ich mich um die Aufstellimg der Polizei und um ihren Geist bemüht Hobe, so wird es keiner meiner Amtsnachfolger tun können. Der Abgeordnete von Dryander hat sodann von der„Un- produktioität" meines Amtes gesprochen. Mir scheint, er Hot. seit- dem er nicht mehr aktiv ist, jede Fühlungnahme mit dem Mim- sterium verloren und ist deshalb gänzlich ununterrichtet über die Arbeit meines Ministeripms. Die Schaffung des Polizei- k ö r p e r s hat eine Reihe van Monaten in Anspruch genommen. Wir hoben in nächster Zeit in Preußen 85 000 Mann Polizei und 9000 Landjäger. Das ist ungefähr dasselbe, was im Reichs- wehrministerium in einem. eigenen Resiort bearbeitet wird. Daneben mußten noch die Verwaltungsgesetze vorbereitet werden. Einiges ist herausgekommen, anderes soweit in Vorbereitung, daß das kommende Stoatsministerium sie nur dem House vorzulegen braucht. Fertig sind das Gesetz über Groß-Berlin, das Ge- setz über den Staatsrat, das Gesetz über die Kreis- und Provinz iallandtagswahlen, die Aenderung der G e- meindeverfosfung, der Gesetzentwurs über die Autonomie der Provinzen. Fertig im Entwurf liegt vor die neue Kreis- Ordnung, die Städteordnung, die Landgemeinde- o r d n u n g und die Praoinzialardnung. Welches Amt ist denn da produktiver gewesen im letzten Jahre?(Zurus rechts: Aber die Qualität!) Daß die Qualität nicht ganz so schlecht sei» kann, bewies Ihr Lob on die Schutzpolizei. Drehen Sie(nach rechts) doch nicht fortgesetzt das Bäumchen. Geben Sie ruhig z», daß unter der Verwaltung de» sozialdemokratischen Ministers etwas geleistet worden ist, wos sich in Zukunft sehen lassen kann.(Bravo ! bei den Soz.) Es sollen angeblich keine Jnstrut- tionen an die Polizei gegeben worden sein. Das war bei ihrer guten Organisation gar nicht nötig. Der Abgeordnet« R a b o l d hat in seiner Rede und in der„Freiheit" zugegeben, daß der erste Schuß in Eisleben von den A u f r ü h r e r n abgegeben worden ist.(Zuruf des Abgeordneten R o b o l d(U. Soz.): Jawohl!— Lärmender Widerspruch bei den Komm.) Die Schutzpolizei konnte sich nicht stundenlang erschießen lassen ohne Gegenwehr. Sie konnte auch Nicht mit P a p i e r'k» g e l n auf Maschinengewehrseuer er-' widern. Schuld an dem Blutvergießen sind die, die zum bewasf- neten Widerstand gegen die Abordnungen der Schutzpolizei aufge- rufen haben. Der Abgeordnete von Dryander Hot in meiner Rede keinen einzigen„ausbauenden Gedanken" gefunden. Was aufbauend fein könnte, ist von der Regierung ous tatsächlich geschehen. Die Stärke einer Regierung äußert sich nicht darin, daß ihre Vertreter lange und oft reden, sondern, daß in entscheidenden Situationen ent- schieden gehandelt wird. Ich wünschte, daß die zukünftige Regierung sich nach dieser Maxime ebenfalls richtet. Auf die Anklagen der Kommunisten kann ich erst antworten, wenn sie sie besser begründen als bisher. Wer der Regierung in jedem Satz drei- oder viermol den Vorwurf macht, daß sie van ihr unterhaltene Mörder auf Ar- beitervertreter losläßt, der hat das Recht auf eine Antwort von dieser Regierung oerwirkt.(Zuruf der Komm.: Liefern Sie den Gegenbeweis!)' Ueber die angeblichen Mißhandlungen, die dem S L l t zugefügt sein sollen, habe ich heute eine letzte Crklä- rung vom Polizeipräsidium Berlin erhalten, worin gesagt wird, daß jener Dr. Bramer, aus den sich das„Tagebuch" be- ruft und der Sült als erster behandelte, ausdrücklich erklärt, von einer Mißhandlung Sülts könne keine Rede sein. Dieser Erklärung habe ich nichts mehr hinzuzufügen. Ich be- daure nur, daß sich auch der Abgeordnete Rabold zum Mund- stück derjenigen gemacht hat, die von einem bewußten Morde ge- sprochen haben. Ich frage den Abgeordneten, ob er es mir oder dem Polizeipräsidenten Richter zutrout, daß wir Anweisung geben, selbst politische Gefangene von dem Kaliber des Sült zu ermor- den.(Zurufe bei den Komm.: Kaliber?) Die Ausführungen, die Sült kurz vor seiner Verhaftung gemacht hat und die ihm sicherlich «ine Anklage wegen Hochoerrots eingetragen hätten, dufteten auch nicht nach Lavendel und Thymian.(Zuruf bei den Komm.: Das gibt Ihnen kein Recht,«inen Taten zu beschimpfen!) Ich wünschte nur, daß Sie so zartfühlend wären, wenn es sich um die Toten der Schutzpolizei handelt.(Sehr richtig! bei den Soz.— Zuruf bei den Komm.: Ein seines Kaliber, dieser Minister!)(Präsident Dr. Porsch ruft den Abg. Katz zur Ordnung.) Die Regierung kann mit dem Verlaus dieser Märzaktion völlig zufrieden sein. Der Ersolg hat ihr Recht gegeben, daß sie aus dem Posten mar, und daß sie es in schwerster Zeit verstanden hat, sich ein Instrument zu schaffen, das brauchbar eingesetzt werden kann gegen rechts und links, wenn es rechts oder links Ruhestörer geben sollte, die ihre Hand an die Verfassung oder an die versossungsmähigen Zustande legen wollen.(Lebhafter Beifall bei den Soz.) Bizepräsident Dr. Porsch teilt mit, daß laut Telegramm des Reichswehrgruppenkommando» Kastel der Abg. Klath(BKPD.) aus der Haft entlassen worden ist. Abg. Raschle(Dem.): Di« Behauptung der Kommunisten, daß es sich bei den Aufftänden in Mitteldeutschland nicht um«ine beab- sichtigle kommunistische Aktion gehandelt hat, zeugt oon wenig Mut bei diesen Herren angesichts des Zeugnistes ihres früheren Führers Levi. Der Minister des Innern ist gegenüber dem ungeheuerlichen Verbrechen dieses Putsches mit Ueberlegung, Ruhe und Entschiedenheit vorgegangen. Die Angriffe der Rechten gegen den Minister entspringen nur der Klais e n anmaß ung gegenüber einem Vertreter der Arbeiter.(Sehr richtig! links.) Auch die alten Landräte hatten den Aufruhr nicht verhindern können. Die Be- grenzung des Aufftandes ist dem Pflichtgefühl der Arbeiter zu danken. (Sehr richtig! links.) Abg. Dr. Deerbera(vnai. Dp.): Der Minister greift auch heute noch nicht trotz der Gefährlichkeit der Lage durchs weil er den Kon» takt mit den rodikolen Kreisen nicht verlieren möchte.(Gelächter bei den Sozialdemokraten.— Zurus: Kapp und Genosten!) Reden Sie über Kapp wie Sie wollen, aber an den Händen dieses Mannes klebt kein Blut.(Allgemeines Gelächter, stürmischer Widerspruch links.)
Landtage. Minister des Innern Severing: Die heftigsten Angriffe gegen mich von rechts und links wurden am ersten Tage erhoben, als ich noch gar nicht gesprochen halle. Sie(noch rechts) dürfen von mir im Hinblick aus den von Ihnen angeschlagenen Tan keinen höflicheren erwarten.(Zuruf links: Sau- Herdenton!) Die Behauptung, daß bei den Unruhen im Ruhrrevier im März des Vorjahres die Reichswehr zum Einsatz bereit- gestanden habe, ist f a l s ch. Als es so w«lt war, ist ihr Einsatz sofort erfolgt. Die Wirkung des K a p p- P u t s ch e s ous die Bergarbeiter ist psychologisch verständlich. Die von W a t t e r eingesetzten Ab- teilungen— Korps Lichtschlog u. a.— sind sämtlich ausgerieben worden. Alle Oberbürgermeister und Bürgermeister des Ruhr- reviers waren, um ein furchtbares Blutbad zu verhiudern, mit allen van der Regierung gewähllen Mitteln einverstanden, wie überhaupt damals auch alle anderen Parteien. Der damals angestrebte Sechs stundentag im Bergbau wäre, wenn er durch- gedrungen wäre, unser wirtschaftliches Ende geworden. Ich Hab« die Bergarbeiter überzeugt, daß die Regierung mit allen Mitteln dagegen ankämpfen müsie und werde. Bei dem lieber- fchichtenabkammen waren wir Ihnen(nach rechts) gut ge- nug, die Kastanien aus dem Feuer zu holen.(Zuruf b. d. Komm.: Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan!) Es ist ein Unterschied, ob w i r uns als Mohren fühlen oder ob uns diese Rolle von rechts z u g e d o ch t wird. Man kann nicht behaupten, daß die sozial, stilche Weltanschauung der Grund zu den Roheitsdelikten im Aufstandsgebiet wäre. Dies« Erscheinungen sind herbeigeführt durch die K r i« g s p 0 l i t i t. Di« Herren von der Rechten, die sich Über die Revolution und ihre Folgen beschweren, mögen an ihre Brust schlagen und bekennen: mes culpz, tnea raaxima culpa!(Lebhafter Beifall.) Abg. van Eynern(DBp.): Die Sozialisten haben immer ge- predigt, unter ihrer Herrschast würde man ohne Polizei und Ge» waltmaßregeln auskommen können: daher vermochten sie es nicht, ihrem Dogma entgegenzuhandeln und kräftig durchzugreifen. Abg. Krüger(Soz.): Man hat dem Minister Severing von der Rechten P a r t e i p o l i t i k vorgeworfen. Früher waren die konfer- vatioen Minister nur Vollstrecker der konseroativen Partei- Politik, die mit dem nationalen Interesse identifiziert wurde. Sie(nach rechts) haben durchaus keine Ursache zur Entrüstung über die verwilderte Jugend: alle, die jetzt an dem mitteldeutschen Putsch beteiligt waren, sind zur Schule gegangen, als Ihre Parteifreunde noch die Schule beherrschten.(Bravo ! und Sehr richtig! bei den Soz.) Herr v. Dryander hat behauptet, daß die Beamten nicht nach politischen Rücksichten, sondern nach fachlichen Fähigkeiten zu beurteilen seien. Diese Grundsätze, die hellte die Deutschnationalen vertreten, stehen nicht in Einklang mit der früheren Theorie dieser Kreise, nach der ein guter preußischer üavallerieofsizier zu jedem politischen Amt« befähigt sei. Wenn Sie sich heut« als Freunde der Beamten aufspielen und im Parlament für deren Forderungen eintreten, so dürfen Sie sich trotzdem nicht darüber täuschen, daß nicht alle Beamte an Ihrer politischen Herrschaft interessiert sind, und sich von Ihnen beeinflussen lasten. Die Beamten erinnern sich noch genall, daß Sie, als Sie noch in der Regierung saßen, für die Beamten nichts übrig hallen und ihnen sogar das Koalitionsrecht, das Recht auf die poli» tische Betätigung einschränkten. Durch Ihr Geschrei werden Sie trotz alledem in den breiten Bolksmassen nicht die Ueberzeugung erwecken können, daß die Wiederausrichtung Ihrer glorreichen Herrschaft. not»"> wendig ist. So wie Sie heute gege ndie Kommunisten scharf machen, so haben Sie es. früher auch gegen die Sozialdemokratie gtr,* ton. Die Kommunisten können ihre Aktion unmöglich damit be- gründen, daß sie durch sie den Kapitalismus beseitigen wallten. Im September 1919 erklärte die„Rate Fahne" in einem Artikel, sie habe eine neue Waffe zur Vernichtung des Kapitalismus gefunden, nämlich den Zusammenbruch der Produktion herbeiznsühren, um dem Kapitalismus ein Ende zu bereiten. Auch durch die neu« Aktion haben sie den Arbeitslosen wahrhaftig kein billigeres Brot verschafft, im Gegenteil, sie haben die Krise nur ver- schärft. Die Kommunisten sagen uns Sozialdemokraten, wir hätten nichts für die S o.z! a l i s i e r u n g getan. Gerade Ihr Führer Ernst Däumig war es, der erklärte, daß die Unab- h ä n g i g e n und die Sozialdemokraten eine starke A g i. tation für die Sozialisier ung betrieben. Die Kommu- nisten verleugnen Hälz. Als er im Ausland seinerzeit verhaftet wurde und ausgeliefert werden sollt«, wallten die Kommunisten in den Streit treten, wie sie sich überhaupt bei jeder Gelegenheit mit seinem Bestreben und Tun einverstanden erklärten und ihn als großen Idealisten hinstellten. Im Landtag lehnen sie die Berantwortung für den mitteldeutschen Putsch ab, nach außen hin haben sie das bisher nicht zum Ausrduck gebracht.. Sie haben auch die gemeinen Derbrechen gegen die Republik nicht verurteilt. Wie lehnen es ab, die Leute, die sich in diesem Kampfe um Sie geschart haben, als die Besten und Edelsten zu be- trachten. Wir haben niemals unsere Selbständigkeit und das Schicksal der deutschen Arbeiterschaft verkaust, wir haben niemals ein gutes Leben geführt auf Kosten des Proletariats eines anderen Landes.(Lärm bei den Kommunisten.) Wir Sozialdemokraten werden angesichts der Gefahr, die der deutschen Bevölkerung und der deutschen Arbeiterschaft von Ihnen droht, nicht müde werden, den deutschen Arbeitern immer und immer wieder zu sagen, welchen furchtbar trouriqen Zuständen sie entgegengehen würden, wenn sie den kommunistischen Führern folgen würden. Auch Ihre(nach rechts) Anschauungen und Ihre Absicht, das Volk zu überzeugen, daß die Wiederaufrichtung Ihrer Herrschast notwendig ist. um es glück- lich zu machen, werden wir ebenso wie die kommunistischen Methoden im Volke unschädlich machen.(Lebhaster Beifall bei den Soz.) Abg. Rabold(U. Soz.): Wir haben keinen Augenblick daran gedacht, daß Herr Severing oder der Polizeipräsident Richter die Anweisuna zur Ermordung Sülts gegeben hätlln. Es handelt hier überhaupt nicht um eine Frage der Sipo, Schupo, p o, sondern um eine Frage der P o p a, der politischen Polizei. (Große Heiterkeit.) Nach allen Indizien sind wir gezwungen, von einer Ermordung Sülts zu sprechen. Wir fordern die Aushebung der Ausnahmegerichte, die nerfasstmgswidrig sind. Die Kampf- ansage der Rechten nehmen wir aus und lehnen die Einheit?- front ob. Gerade in diesen Tagen wollen wir do? Volk ausrütteln und ihm klar machen, daß nur eine sozialistisch« Politik eine Milderung des'Friedensvertrages erreichen kann. Abg. Schal;(Komm.): Die Untergebenen Richters haben sich als Schufte erwiesen.(Ordnungsruf des Präsidenten.) Es ist kein Geheimnis mehr, daß Herr Severing und feine Partei auf dem Boden des kopitolistischen Systems stehen. Wir sogen uns nicht von Moskau los, fondern halten an der engsten Verbrüderung mit Moskau fest. Es lebe die Weltrevolution. Damit schließt die. Aussproche. Sämtliche vorliegenden Anträge über die Unruhen in Mitteldeutschland und den Fall Sült gehen an den Rechtsausschuß.— Das Haus vertagt sich. Ein Antrag Meyer (Konun.), die Sitzung früher als 2 Uhr nachmittag» zu beginnen, wird abgelehnt. Rächst« Sitzung Dienstag 2 Uhr: Beamten» fragen, Kleine Gegenstände. Schluß 6 Uhr.