Nr.21738.Jahrgang Ausgehe B Nr. 107
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Dienstag, den 10. Mai 1921
Die Sozialdemokratie springt ein.
Ministerium Wirth?
Ueber die Kabinettsbildung, die in den nächsten Stunden troffen. Falls Deutschland das ihm gestellte Ultimatum bis Mitt erfolgen muß, ist in diesem Augenblic mur soviel zu sagen, woch abend nicht annimmt, so beginnt Donnerstag früh der Im Laufe des heutigen Vormittags ist die Rabinetts- Daß sie wahrscheinlich von dem bisherigen Reichsfinanz- Bormarsch in das Industriegebiet, dessen Besetzung am Freibildung ihrem Ziele erheblich näher gekommen. Allem An- minister Dr. Wirth übernommen werden wird. Wirth steht tagabend vollzogen sein soll. Unterzeichnet die Reichsschein nach wird die neue Regierungsfoalition sich wieder auf dem linken Flügel des Zentrums, er war während regierung jedoch die ihr gestellten Forderungen, so beiben die neu einer Bufammenfaffung jener Barteien annähern, die in der mente der Erzbergerschen Steuergesetzgebung gegen den fapi- Belegungsgebiet, bis die im März und April ausgehobenen Reseiner bisherigen Ministerschaft ehrlich bemüht, die Funda- aufgebotenen Mannschaften des Jahrgangs 1919 im linksrheinischen Periode der Nationalversammlung die Regierungs - talistischen Ansturm zu retten. Allerdings hat die Situation, fruten des Jahrgangs 1921 soweit ausgebildet sind, daß fie den geschäfte führten. wie wir in letter Stunde hören, wieder eine Aenderung Jahrgang 1920 eventuell im inneren Dienst ablösen können. Das Die bisherige Regierungstoalition aus Deutscher Bolts- erfahren. Das Zentrum hegt nach unferen Informationen wird gegen Ende Juli der Fall sein. Da Ende Juni auch der partei, Zentrum und Demokraten ist im wesentlichen dadurch schwerste Bedenken, mit den Sozialdemokraten allein Termin für die Auflösung der Einwohnerwehren in Deutschland gesprengt, daß die ihr angehörenden Parteien in der Frage eine Regierung zu bilden, es wünscht dringend den Eintritt abläuft, so würde gegebenenfalls der Jahrgang 1920 nach der Ruhr der Annahme oder Ablehnung des Entente- Ultimatums ge der Demokraten. Diese hinwiederum wollen ihren Ein- geschickt und der Jahrgang 1919 fönnte in diesem Falle wieber be spalten sind. Die Deutsche Boltspartei hat durch tritt davon abhängig machen, daß sich auch die Deutsche urlaubt werden. ihren in der letzten Nacht gefaßten Beschluß, das Ultimatum Boltspartei menigstens zum großen Teil zum Jaabzulehnen, Deutschland in die Gefahr gebracht, daß Standpunkt befehrt und in die Regierung eintritt. Es ergäbe ster hat den 3o1lbeamten Befehl gegeben, sich zur Abreise Brüffel, 10. Mai. ( EP.) Der belgische Finanzmini die Franzosen Mittwochnacht marschieren und das Ruhrgebiet sich für diesen Fall eine Kombination der alten Regierungs in das Ruhrgebiet bereit zu halten. Ein in Beverloo statio besetzen werden. Dieser Beschluß, der im Gegenfab zu der foalition mit der Sozialdemokratie evtl. unter Ausniertes Jägerregiment wurde gestern nach Deutschland abtrans. ursprünglichen Haltung eines großen Teils der Partei steht, fcheiden des den Deuticnationalen aunei- niertes Jägerregiment wurde gestern nach Deutschland abtransist ein feiger aus parteiegoistischen Gründen gen Flügels der Deutschen Volkspartei . Die sozialdemo portiert. bittierter Rüdzug, geboren aus der Konkurrenzangst fratische Reichstagsfraktion wird sich in ihrer nächsten Sizung, vor den Deutschnationalen, deren Agitation die Deutsche die um 3 Uhr nachmitags beginnt, mit dieser neuen Lage be Boltspartei fürchtet, falls sie die Verantwortung für die schäftigen müssen, vorausgefeßt, daß sie sich bis dahin nicht Unterzeichnung des Ultimatums übernimmt. schon wieder geändert hat.
3war erzählt man sich zurzeit im Reichstag, daß Herr Stresemann noch im legten Augenblick die lebhaftesten Anstrengungen macht, um in seiner Partei einen Um schwung für die Annahme des Ultimatums herbeizuführen, doch ist der Erfolg dieser Bemühungen einmal sehr zweifelhaft, und sodann die Zeit so drängend, daß man auf das Resultat nicht warten fann, da die Frist für die Bes antwortung des Ultimatums in wenigen Stunden abläuft.
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Lefèvre hetzt.
Paris , 10. Mai. ( EE.) Im Journal" schreibt der frühere Kriegsminister André Lefèvre : Das französische Bolt wird die neuen deutschen Aeußerungen steptisch aufnehmen. Es weiß durch Die Unabhängigen find von der Sozialdemokra- die früheren Bersicherungen Deutschlands , was es davon zu halten tischen Reichstagsfraktion befragt worden, ob sie sich an der hat. Frankreich weiß auch, daß Deutschlands A brüstung" ein Bildung der Regierung beteiligen wollen. Sie haben darauf leeres Wort ist, denn wenn man einmal die deutschen Geschüße, geantwortet, daß fie bereit seien, mit den Sozialdemokraten alle Gewehre, alle Flugzeuge und alle Unterseeboote zerstört haben zufammen, eventuell unter Heranziehung des Allgemeinen wird, dann fann Deutschland fie doch noch immer wieder neu herDeutschen Gemertschaftsbundes und der Afa, eine Regierung stellen. Nur wenn das Ruhrgebiet befeht würde und wenn Oberzu bilden, nicht aber mit einer bürgerlichen Partei. fchlefien an Polen fiele, tönnte man die deutsche Kohlenproduktion Praktisch bedeutet das bei den bekannten Mehrheitsverhält fontrollieren und hätte soviel Mittel in der Hand, um sich auch benissen im Reichstag wiederum eine Ablehnung, Selbstausschal- zahlt zu machen und einen neuen Krieg zu vermeiden, indem man tung und Schwächung des sozialistischen Einflusses. Deutschland dazu verurteilt, fich einer friedlichen Beschäftigung zu
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So ist durch das Berhalten der Deutschen Volkspartei das deutsche Volk vor die unmittelbare Gefahr der Ueber das Programm der neuen Regierung fann zu- widmen. Das ist die Lösung des Problems. Und heute, morgen, feindlichen Invasion, des Verlustes seiner mich nächst nur soviel gesagt werden, daß sie es als ihre Aufgabe übermorgen, allein oder mit einem anderen, mit oder ohne Mandat tigsten Industriezentren gestellt. Was das bedeutet, ist betrachten wird, den Einmarsch der Franzosen werde Frankreich doch dahin gelangen, eben weil nur so seine Sicher hier schon zur Genüge ausgeführt worden. In dieser unge in das mehrlose Land zu verhindern, indem heit gewährleistet ist. mein ernsten Situation hat die Sozialdemokratische Reichs. fie nicht nur die Annahme des Ultimatums erflärt, sondern tagsfraktion in den heutigen Vormittagsstunden mit 56 fich auch für die Erfüllung seiner Bedingun gegen 20 Stimmen den schweren Entschluß gen einfeßt. Sollte fich die Mehrheit, auf die sich die neue Re- Die Preffe von heute morgen spiegelt die gesteigerte Er gefaßt, fich an der Bildung einer Regierung gierung ftügt, zu schwach erweisen, so würde eine Reichs.regung der öffentlichen Meinung wider. Noch ist das neue zu beteiligen oder unter Umständen die Biltagsauflösung damit in die Nähe gerückt sein. Rabinett erst in feinen Umriffen zu erkennen; da jedoch die, bung einer Regierung selbst zu übernehmen, Mehrzahl der Berliner Blätter das Ergebnis der Beratungen die das von der Entente gestellte Ultima Amerika wünscht die Annahme. der legten Nacht noch nicht für ihre Betrachtungen verwerten tum annimmt und damit vom deutschen Volf die ihm fonnte, beschränken fie fich im allgemeinen darauf, noch einParis, 10. Mai. ( EE.) Die Agentur Radio meldet gleich mal alle Gründe für oder wider die Unterzeichnung ins Feld unmittelbar drohende Katastrophe abwendet. Der Partei zeitig mit dem Erchange Telegraph aus Washington : Wir erfahren zu führen. Für die Rechtspreffe ist selbstverständlich die Frage ausschuß hat sich mit 28 gegen 13 Stimmen dem Beschluß von einer hochgeffellten Autorität, daß die Regierung der Berber Entwaffnung nach wie vor der springende Bunft. Der Reichstagsfraktion angeschlossen. einigten Staaten wünfht. Deutschland möge die Be- Ob das Ruhrgebiet befeht, ob Hunderttausende deutscher dingungen der Alliierten annehmen. Man glaubt zu wiffen, daß Arbeiter in fremde Schuldknechtschaft geführt, ob Deutsch Deutschland von Drefel, dem amerikanischen Geschäftsträger, in dieser Richtung verständigt wurde.
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Eine Drohung.
Paris , 10. mai.( EE.) Der„ New York Herald " veröffentficht heute an auffallender Stelle folgende Mitteilung aus Washing ton : Die Regierung fann den amerikanischen Truppen geftatten, an der Befehung des Ruhrgebietes an der Seite der franzöfifchen und englischen Streitfräfte teilzunehmen, falls fich dies als notwendig erweisen sollte. Die Frage ist indes aber noch nicht erledigt. Die Reglerung hat die Macht, eine folche Teilnahme, während die Beratung der Refolution noch in der Schwebe ist, anzuordnen. Auf Anweisung Hardings ist die Beratung auf unbeftimmte Zeit verlagt worden und wird von der Kommiffion des Repräsentantenhauses erst wieder aufgenommen werden,
Die Sozialdemokratie ist damit und nicht zum ersten Male in die Bresche gesprungen, um das deutsche Wolf in einer Situation vor dem Schwersten zu bewahren, in der gerade jenen Leuten der Mut der Verantwortung ausging, die stets den Mund voll patriotischer Redensarten führen. Kein Parteiinteresse hat sie zu ihrem Schritt bes wogen wir wissen aus hinlänglicher Erfahrung, daß es fich der Opposition weit beffer lebt und daß einem die Aufopferung in schweren Augenblicken nicht gedanft wird. Aber höher als jedes Parteiinteresse steht die Eristenz des deutschen Boltes, über die in menigen Stunden die Entscheidung fällt. Hätte in diesem Augenblick die Sozialdemokratie gezögert, fo wäre die Gefahr eines resultat lofen Ablaufs des Ultimatums, der praktisch die Ab lehnung bedeutet, taum noch zu bannen gewesen. Ob der mutige Schritt der Sozialdemokratie Erfolg haben wird, hängt von der Haltung der übrigen Parteien wenn der Präsident des Hauses es fordert. ab. In diesem Augenblick besteht die größte Wahrscheinlich- Die einzige Löfung der Reparationsfrage scheint, einer Mitfeit, daß ein aus Sozialdemokraten und 3entrum feilung aus dem Staatsdepartement zufolge, die zu sein, daß bestehendes Kabinett zustande kommt, in dem möglicher Deutschland fich den Bedingungen der Alliierten völlig weise auch die Demofraten vertreten sein werden. Die unterwirft. Man ist der Ansicht, daß die amerikanische RegieDemokratische Fraktion, die ziemlich genau zur Hälfte für, rung das Programm der Alliierten auch mit Einschluß der Besetzung zur Hälfte gegen die Annahme des Ultimatums ist, des Ruhrgebietes voll und ganz gebilligt habe. bert foeben darüber, ob sie einzelnen ihrer Mitglieder den Eintritt in ein Annahmekabinett gestatten will. Sie wird voraussichtlich zum mindesten den Beschluß faffen, bei der Paris , 10. Mai. ( EE.) Wie die Chicago Tribune" meldet, Abstimmung im Plenum den Fraktionsawang auffieht der Blan des Generals Wengand vor, daß das ganze zuheben und ihren Mitgliedern volle Freiheit der Ent Ruhrgebiet innerhalb von 15 Stunden durch einen einzigen fcheidung zu geben. Dadurch wird die Mehrheit für die An- Sprung der alltierten Truppen von Düffelborf aus besetzt werden nahme, die durch Sozialdemokratie, Zentrum und unab tönnte. Der Vormarsch würde von dem Lippe- und Wuppertal aus hängige gesichert ist, wesentlich verstärkt werden. Es beginnen. Es sei die Meldung eingetroffen, daß Tausende Don verlautet, daß auch einige Mitglieder der Deutschen Gelbgeschüßen, Maschinengewehren usw. noch nicht zerstört worden Boltspartei entschlossen find, im Plenum offen für feien. die Annahme des Ultimatums zu votieren, insbesondere Genf , 10. Mai. ( Fr. 3tg.") Nach den Mitteilungen der franmird in diesem Zusammenhang der bisherige Reichsschah zöfifchen Breffe ist bereits die Hälfte der zur Befegung des Ruhr. minister v. Raumer genannt. gebiets aufgebotenen Truppen im linksrheinischen Gebiet einge
land in neuen Bürgerkrieg verwidelt werden soll, ist Blättern vom Schlage der Deutschen Tageszeitung" und der " Deutschen Zeitung" gleichgültig. Die„ Deutsche Zeitung" hält auch diese Stunde für geeignet, gegen Andersdenkende fich in antisemitischen Beschimpfungen zu ergehen. Da diese Dinge mit Politit nichts zu tun haben, übergehen wir die Aus führungen des Pogromblattes und erwähnen nur kurz die Stellungnahme der reaktionär- agrarischen Deutschen Tageszeitung", die schreibt:
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vergebens nach einer Würdigung der Entwaffnungsforde. In den Darlegungen der Unterzeichnungspolitiker wird man rungen fuchen, die das Ultimatum enthält. Und doch find gerade diese für bie legte Entscheidung nach den verschiedensten Richtungen von größter Bedeutung. Wir sollen ohne Vorbehalt und unver züglich die Maßnahmen zweds Abrüstung zu Wasser, zu Lande und in der Luft, die der deutschen Regierung durch Schreiben der Berbandsmächte vom 29. Januar 1921( Pariser Beschlüsse) aufgegeben worden sind, durchführen". Die Bedeutung der hierdurch geforderten Entwaffnung der Dst feftungen ist schon wiederholt behandelt worden. Es sei im übrigen nur noch darauf hingewiesen, daß die Annahme dieser Bestimmungen auch unsere aufblühende Luft. fahrtindustrie vernichtend treffen würde. Bir müßten sofort ein allgemeines Bau- und Einfuhrverbot für Luftfahrzeuge erlaffen, bis es der Interalliierten Luftfahrkommission gefällt, die Bollendung der Ablieferung des Heeresgerätes anzuerkennen. schränkung des Luftfahrzeugbaues ist selbstverständlich ein Der Hinweis auf die etwaige Notwendigkeit einer Einblenfungsversuch, um darüber hinwegzutäuschen, daß es den Orgeschfreunden der Reaktion einzig und allein auf die Erhaltung der bayerischen Einwohnerwehr ankommt. lehnung des Ultimatums durch die Deutsche Volkspartei Die Deutsche Allg. 3tg." teilt die endgültige Abmit; schon vorher bestand fein Zweifel mehr, daß die Anhänger einer Annahme des Ultimatums in eine kleine Minderheit gedrängt worden waren. Die„ Tägl. Rundschau", die den Deutschnationalen näher als der Partei ihres