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Nr. 22638.Jahrgang Ausgabe A nr. 115

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Vorwärts

Berliner Volksblatt

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Zentralorgan der fozialdemokratischen Partei Deutschlands  

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Sonntag, den 15. Mai 1921

Vorwärts- Verlag G.m.b.H., SW 68, Lindenstr. 3 Fernsprecher: Amt Morisplay, Nr. 11753-54

Kundgebung der Gewerkschaften. Sozialismus und Chriſtentum.

Die Verhältnisse in Oberschlesien   und die bevorstehende deutsche Arbeiterschaft doch keinem Zweifel darüber hin, daß derartige Entscheidung über die Zugehörigkeit dieses Landes haben den Beträge nicht aus der Substanz gewonnen werden können, sondern deutschen   Gewerkschaften Beranlassung gegeben, bei durch mehrleistung der merttätigen Bevölkerung den Botschafternoon England, Frankreich   und erbracht werden müffen. Italien   vorstellig zu werden, um ihnen die Auffassung der deutschen   Arbeiter in der oberschlesischen Frage persönlich vor Die deutsche   Arbeiterschaft ist der Ansicht, daß selbst beim Verbleiben Jede Schmälerung des deutschen   Gebietes erhöht diese Casten. zutragen. Als Vertreter des Allgemeinen Deutschen Gewerf Oberschlesiens   bei Deutschland   Arbeitsleistungen zu vollbringen find, schaftsbundes, des Deutschen Gewerkschaftsbundes( München  ), die über das hinausgehen, was nach dem Sinne des 13. Leiles des Gewerkschaftsringes( Hirsch- Duncker) und des All­gemeinen freien Angestellten- Berbandes( Afa) wurden die des Friedensvertrages billigermeise der Arbeiterschaft zugemutet Herren Baltrusch, Sassenbach und Wissell im find der Arbeiterschaft der gesamten Welt und damit auch den deut­werden kann. Im 13. Leile des Friedensvertrages Laufe des Sonnabendnachmittag von den drei Botschaftern schen Arbeitern Bersprechungen gemacht, deren Inhalt dort zu be empfangen. fannt ist, als daß wir hier darauf näher einzugehen brauchen. Wenn In der Aussprache wurden die verschiedenen Seiten der ober- nun ein so überaus wichtiges Gebiet wie das oberschlesische schlesischen Frage berührt, vor allem wurde auf die dringende Not- von Deutschland   losgelöst würde, würde die auf den deutschen   Ar­wendigkeit hingewiesen, die deutsche   Bevölkerung gegen die drohet beitern ruhende Last eine unerträgliche werden. den und zum Teil schon eingesetzten Plünderungen und gegen Es ist immer und vor der Abstimmung auch pon den Polen  die verübten Gemaltmaßnahmen der Polen   zu schüßen. von einem Es ergab sich die übereinstimmende Auffassung, daß der Oberste ungeteilten Oberschlesien  Rat in feiner Beschlußfassung über die Zugehörigkeit Oberschlesiens  fich nicht durch den Aufstand der Polen   beeinflussen lassen werde. Den Herren Botschaftern wurde folgende vom 13. Mai datierte, von den beteiligten Gewerkschaften unterschriebene

übergeben:

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Denkschrift

In der gestrigen Tagespresse mar behauptet, daß die Inter­affiierte Kommission in Oppeln   mit den aufständischen Bolen eine vorläufige Vereinbarung getroffen habe, die nach der ganzen Sachlage von den Aufständischen selbst als eine endgültige angesehen worden wäre, da sie ihre Wünsche fast restlos erfüllt hätte. Benn schon heute die Tagespresse berichtet, daß die behauptete Bereinbarung nicht getroffen sei, so gibt doch die Tatsache, daß folche Behauptungen offenbar von polnischer Seite in die Welt gefeßt werben, den unterzeichneten deutschen   Gewerkschaften Anlaß, den be­teiligten Mächten folgendes mitzuteilen:

Durch Annahme des Londoner Ultimatums

wird das deutsche Wirtschaftsleben mit ungeheuren finanziellen Ber pflichtungen belastet. Wenn auch das gesamte deutsche Wirtschafts­Leben diese Bürden einheitlich zu tragen hat, so gibt sich die

die weitaus überwiegende ist.

Im Wandel der

nationale wie der 1. Mai das der sozialistischen  . Die Pfingsten ist das Fest der christlichen Inter. Ausgießung des heiligen Geistes auf die Apostel, die in fremden Sprachen zu reden begannen und auszogen, die Bölker zu lehren, symbolisiert den historischen Borgang, in ihren Samen in Hirne und Herzen der ganzen Menschheit dem die jüdische Glaubenslehre, mit Elementen der griechi­ausstreute. Es war ein gewaltiges Ereignis, die Entstehung fchen Philosophie vermischt, die nationale Kapfel sprengte und einer Religion, die alle Schranken der Sprache, der Abstam­mung, der staatlichen Grenzen überwand und über ihnen ein geistiges Weltreich aufrichtete.

lungen war, ein alle Böller des zivilisierten Erdkreises um Was den römischen Imperatoren auf die Dauer miß­spannendes Reich aufzurichten, das der Menschheit den Frie den gewährleistete, dieses Wert sollte nun das Papsttum vollbringen. Auch dieses ist in seiner weltlichen Mission ge­scheitert, wie feine Anhänger meinen infolge der Glaubens­spaltung durch die Reformation aber auch die Zeit vor ihr ist von blutigen Völkerfämpfen voll gewesen. Trozz alledem bleibt es auch für den ferner Stehenden ein spannen­des Schauspiel, wie das Papfttum alle Stürme der Zeit Beit als moralische Macht geltend gemacht hat. überdauert und sich auch in den Ereignissen der neuesten

gesprochen worden. Die Abstimmung in Oberschlesien   hat eine über­wiegende deutsche Majorität ergeben, daß, wenn eine ähnliche pol­nische Majorität zu verzeichnen gewesen wäre, tein Zweifel gegeben wäre, daß die Polen   dieses zum Anlaß genommen hätten, die zu unterschied der Konfession, die es mit ihrem Glauben ernst Der Krieg fand die Sozialisten und jene Christen ohne weisung von Oberschlesien   ungeteilt an Polen   zu fordern. Das nahmen, in eine gemeinsame Defensive gedrängt. Und hier gleiche müssen die deutschen   Arbeiter verlangen, um so mehr, ist wieder die Tatsache festzustellen, daß sich die tatho: als die ihnen obliegenden Pflichten viel größer find, als die den pol- fische Kirche, wenigstens im Umkreis unserer Beobach nischen Arbeitern zufallenden und weil die Abstimmung ergeben tung, gegen die nationalistische Seelenvergiftung widerstands­bat, daß gerade in den Industriegebieten die deutsche Arbeiterschaft fähiger ermies als die evangelische. Den tapferen Männern, die innerhalb der evangelischen Kirche für die über­Benn auch die unterzeichneten deutschen   Gewerkschaften glauben nationalen Ideale des Christentums eintraten, gebührt persön annehmen zu dürfen, daß bei der vorstehenden Entscheidung über licher Dant und Anerkennung. Sie taten es mit mehr Oberschlesien  : die beteiligten Regierungen die Sachlage objeftio Energie als irgendwelche ihrer katholischen Amtsbrüder, aber prüfen, halten sie es aus Sorge für die deutsche Arbeiterschaft für die größere Stärke ihrer Leidenschaft erklärt sich aus den ihre Pflicht, auf das dringendste darauf hinzuweisen, daß eine meistärkeren Widerständen, auf die sie stießen, und aus der fast tere herabbrüdung der Lebenshaltung der deutschen   hoffnungslosen Isolierung, in der sie sich befanden. Der Arbeiterschaft eintreten muß und der 13. Teil des Friedensvertrages Katholizismus fand sich dagegen von vornherein in eine mil­in Deutschland   nicht durchgeführt werden kann, wenn die Regelung dere Atmosphäre verseßt, dank seiner geschichtlich gewordenen in einem Sinne erfolgen würde, wie er gestern als Beschluß der internationalen Organisation und ihrer Leitung durch einen Interalliierten Kommission behauptet worden war. Mann, der sich durch die Reinheit seines Wollens auch in den Kreisen anders Glaubender und anders Denkender Respekt gewann. Praktisch blieb die christliche Internationale ebenso ohnmächtig gegen das Toben des Krieges wie die sozialistische. Rom   versagte in seinen Bemühungen zur Friedensstiftung, ebenso wie Stockholm  .

Briands Antwort an Lloyd George  .

Paris  , 14. Mai.  ( WTB.) Ministerpräsident Briand   erklärte als Antwort auf die gestrige Rede Lloyd Georges im Unterhause einem Vertreter des Temps", der Auszug aus der Rede des eng­lischen Premierministers, den er befize, sei zu unvollständig, als daß er ein endgültiges Urteil abgeben könne.

Er sei jedoch nicht erstaunt gewesen, daß der französische  Standpunkt von dem Lloyd Georges wesentlich abweiche. Der eng­ lische   Standpunkt werde beeinflußt von der Ansicht des bri tischen Kommissars in Oberschlesien  , die von der An­ficht des französischen   Vertreters und auch in gewisser Beziehung von der des italienischen Kommissars abweiche. Es sei wünschens mert und das sei auch die Ansicht der französischen   Regierung- daß man den drei Kommissaren

unbedingt nöfige Zeit

einen Schrift bei der polnischen Regierung, damit diese ihre Staatsangehörigen daran hindere, Schritte zu unter­nehmen, die nur dazu angetan wären, der polnischen Sache in Ober­ schlesien   zu schaden.... Die französische   Regierung hat ihre Pflicht in jedem Falle unter den schwierigsten Umständen erfüllt, indem sie mit 12 000 Soldaten Leben und Eigentum der Deutschen  gegen mehr als 100 000 polnische Insurgenten verteidigt hat.

Paris  , 14. Mai.  ( EE.) In seinem Interview mit dem Re­dafteur des Temps" sagte Briand   weiter: Jezt hat man aber neuer­dings Beunruhigung durch deutsche Banden zu befürchten, die sich an der ganzen oberschlesischen Grenze, die gegen Deutschland   völlig offen ist, in großer Zahl bilden. Es ist sicher, daß, wenn die Deutschen   die Ermächtigung erhalten, gewaltsam in Oberflchefien zu intervenieren, eine sehr schwere Situation

Der große Bölferfrieg zeigte aber zugleich, wie sehr alle Glaubensstreitigteiten hinter neuen brennenden Noch der Dreißigjährige Krieg repräsentiert sich äußerlich als Konfliktstoffen in den Hintergrund getreten waren. ein Religionsfrieg. Noch in späteren Kriegen unterschied man zwischen katholischen Mächten und protestantischen. Noch der Sieg der deutsch  - englisch  - russischen Allianz von 1815 mar ein Sieg der firchlichen Reaktion. Im Weltkrieg war es zunächst ausschließlich die nationale Ideologie, die dem imperialistischen Machtkampf der kapitalistischen   Staaten das Mäntelchen lieh, mit dem Eintritt Amerikas   in den Krieg traten moderne Ideen von Humanität und Freiheit, die schon in den napoleonischen Kriegen eine bedeutsame Rolle gespielt hatten, jener zur Seite. Mit Wilson fehrten Rousseau  und Kant nach Europa   zurück, aber nur um ihre Ünkraft zu beweisen, sie mußten fapitulieren vor Ludendorff  laffe, um ihre verschiedenen Ansichten auszugleichen und gemäß dem und Foch. Bertrage einen einheitlichen Vorschlag hinsichtlich der Das Christentum blieb aber in allen nationalistischen und Grenzlinie zu machen. Es sei sicher ein Irrtum gewesen, von der geschaffen würde. Go tadelnswert auch das Vorgehen der polnischen Pazifistischen Bestrebungen nur noch Begleitmotiv. Es stand Kommission in drei oder vier Tagen(?) einen Bericht über eine so Insurgenten ist, so wird es doch nur im Innern von Oberschlesien   nicht mehr im Brennpunkt der geistigen Kämpfe, es war in heille Frage zu verlangen, der erst in Angriff hätte genommen wer ausgeübt. Die polnische Regierung zeigt sich auch der Einladung es sich nicht zum Feldprediger des Militarismus erniedrigte, feiner seiner Formen tonzentrierte politische Kraft. Soweit den könne, nachdem das Ergebnis der Abstimmung Gemeint für der Alliierten willfährig und unterließ es, sich mit den Infurgenten blieb es in der Rolle des Duldenden. Man sah nichts von der Gemeinde endgültig habe bestimmt werden fönnen. Es feien drei folidarisch zu erklären. Das Ergebnis der Abstimmung sowie der ftreitbaren, geschweige denn der im Weltlichen- trium­verschiedene Berichte erstattet worden, die die Alliierten noch Friedensvertrag würden verletzt werden, wenn man eine Organi- ftreitbaren, geschweige denn der nicht gemeinsam hätten prüfen tönnen. Das sei der Grund der Un- fierung der deutschen   Truppen außerhalb Schle. phierenden Kirche. ruhen, aber auch die falsche deutsche   Nachricht(!) über den end- fiens zum Zwecke einer direkten Aktion, durch die eine Lösung der gültigen Charakter der Bufprechung des Industriegebiets an Deutsch  - fchlesischen Frage durch die Gewalt der Waffen herbeigeführt werden land entgegen dem Ergebnis der Volksabstimmung trage Schuld follte, dulden würde. Der Friedensvertrag bildet die einzige Grund­lage zur Regelung des Problems für die französische   und englische Briand vertritt den Standpunkt, daß das lebel noch vollständig Regierung. Die franzöfifche Regierung verfehlte auch nicht, die wieder gutgemacht werden könne, denn die Interalliierte Aufmerksamkeit der Deutschen   auf deren Verantwortlichkeit zu Romission habe ihre volle Pflicht getan, ohne in lenten. irgendeiner Weise mit den Aufständischen zu paktieren, noch einen Die so schwierige Lage resultiere hauptsächlich daraus, daß die Waffenstillstand mit ihnen abzuschließen, wie es die tendenziöse Berantwortlichkeit und die Leistungen, die zwischen den vier alliier­deutsche Propaganda(!), die die Welt überflute, gesagt habe. Die ten Mächten geteilt werden sollten, einzig und allein auf den fran­französischen und die italienischen Truppen hätten zöfifchen und italienischen Truppen beruhen. Es sei daher nicht billig, Berlufte an Toten und Verwundeten gehabt und ihren ganzen daß man diefen, da man ihnen eine so schwierige Aufgabe über­Einfluß aufgewandt, um die Unruhen zu befämpfen. Die tragen habe, den Vorwurf mache, fie feien ohnmächtig, während doch Ruhe sei beinahe wieberhergestellt, man habe einen die französischen   und italienischen Truppen ihre Pflicht bis zum direkten Kampf zwischen Deutschen   und polnischen Banden ver- Aeußersten täten. hindert. Briand   polemtfierte dann ausführlich gegen Lloyd Georges Eine ähnliche Erflärung gab Briand   Bertretern der auswär  - historische Erfurse über Oberschlesien   und wies darauf hin, das laut tigen Preffe. Nur daß er noch ein wenig dider auftrug. Er fagle Friedensvertrag, auch wenn Oberschlesien   an Bolen fiele, der deutsche Rohlenbezug von dort für 15 Jahre gesichert fei. Man dürfe also die Die französische   Regierum unternahm Reparationsfrage nicht mit dem oberschlesischen Problem verwidein.

daran.

unter anderem:

Glaubenstämpfe und in der inneren Politik. In der Das Ergebnis ist eine bedeutsame Milderung der Bresse   und auch auf den Kanzeln sind die Strafpredigten gegen feltener geworden. Die Sozialdemokratie hält sich ferner die glaubenzerstörende" ,,, materialistische" Sozialdemokratie denn je von aller Pfaffenfresserei. Ein katholischer Priester fizt als Arbeitsminister neben sozialdemokratischen Ministern, zu nehmen. Das sind Verhältnisse, wie sie vor zwanzig, selbst und feiner Seite fällt es ein, an diesem Verhältnis Anstoß vor zehn Jahren noch ganz unmöglich waren.

weisen sie, daß auch das Verhältnis zwischen Christen­Mögen sie von Dauer sein oder nicht, auf jeden Fall be­tum und Sozialismus im Fluß der Entwicklung steht und Veränderungen unterworfen ist. Sie zeigen vielleicht auch, daß diejenigen letzten Endes nicht zum Wohle ihrer Kirche wirken, die nur denjenigen als echten Gläubigen an­erkennen, der zugleich ein hartgefottener politischer Reaktionär ist. die meinen, daß auch die protestantische Kirche nicht Und daraus entsteht ein großer Vorteil für jene, bis auf die Knochen monarchistisch und deutschnational zu sein braucht, wie sie es in Preußen zum allergrößten Teile noch ist.