Listen auf seinen Zettel schreiben, bis zur Ergänzung der offenen Liste zur geschlossenen, vorausgesetzt, daß die Zahl der Zusatzstimmen nicht ein Fünftel der in dem Bezirk zu wählenden Deputierten übersteigt. Bei dem letzten Wahlkampf gibt es viel mehr„ge- schlossene" Listen als bei dem vorigen, was auf größere poli- tische Reife schließen lassen sollte. Die sozialistische Partei hat natürlich überall geschlossene Listen und ver- wehrt den Genossen prinzipiell auch den Gebrauch des Bor- zugsvotums, womit sie allerdings das vorige Mal nicht durch- gedrungen ist. Die geschlossene Liste stellt selbstverständlich eine politisch schärfere und reinlichere Abgrenzung dar als die offene. Aber die offene Liste trägt oft der betreffenden Par- tei wesentlichen Stimmenzuwachs ein, da man nur deshalb für sie stimmt, um einem oder dem anderen bevorzugten Kan- didaten, dessen Namen auf einer im übrigen unbeliebten Liste steht, eine Stimme zuzuwenden. Die Proportionalität in der Verteilung der Mandate wird in der folgenden Weife erzielt: Zunächst wird die Zahl der von jeder Liste davongetragenen Stimmen festgestellt durch das Zählen ihrer Stimmzettel. Dann werden die Vor- zugs- und Zusatzstimmen ihrer Kandidaten dazugezählt: da es sich hier um Einzel- und nicht um Listenstimmen handelt, müssen sie, um addierbar zu sein, durch die Zahl der zu wählenden Kandidaten dividiert werden. Dann teilt man die Gesamtzahl jeder Liste erst durch eins, dann, durch zwei, durch drei usw. und ordnet die Quotienten der Größe nach. Nehmen wir einen Wahlbezirk von 20 Mandaten an, in dem der Regierungsblock 200 000 Stimmen erzielt, die Klerikalen .150 000 und die Sozialisten 100 000, so rangiert der Block an erster Stelle(Listenzahl: 1), die Klerikalen an zweiter lListenzahl: 1), die Sozialisten an dritter(Listenzahl: 1); an vierter Stelle folgt der Block(Listenzahl: 2), an fünfter die Klerikalen(: 2), an sechster der Block(: 3) usw. Inner- halb der Liste entscheiden die Vorzugs- und Zusatzstimmen: in ihrer Ermangelung die Reihenfolge, in der die Namen aus der Liste stehen. Diese Methode bedingt eine lange Periode der Ungewißheit nach Beendigung der Wahl, was bei der Erbitterung und Verhetzung des heutigen Wahl- kampfes als ein Vorteil zu begrüßen ist. Voraussagen über den Ausgang zu machen, ist immer eine undankbare Aufgabe. Heute würde man dazu ganz und gar der Unterlage entbehren. Man kann immerhin sagen, daß im Falle der Entfesselung der fascistischen Ge- walt am Wahltage selbst, die ausschließlich von der Regie- rung abhängt, die Sozialisten materiell an der Stimmabgabe verhindert werden würden, so daß das Votum des Partei- Vorstandes, das den Genossen die Wahlbeteiligung zur Pflicht macht, an der Macht der Tatsachen zunichte gemacht werden würde. Vermutlich aber wird sich die Regierung mit der vorbereitenden Gewatl begnügen, um dann sagen zu können, daß das Wahlergebnis, auf dem natürlich die vor- hergegangene Gewalttat lastet, der„freie Ausdruck des Äolkswillens" war. Dies vorausgesetzt, rechnen wir darauf, daß die sozia- listische Partei von ihren 135 etwa 8vbis100Mandate behaupten wird. Zu günstigeren Boraussichten glauben wir uns nicht berechtigt, da die vorausgegangene materielle Be> einträchtigung der sozialistischen Wahlvorbereitungen durch den weißen Terror gerade in den sozialistisch stärksten Provinzen,� in Reggio Emilia , Bologna , Ferrara und Perugia am weitesten gegangen ist. In der Tat haben die Provinzen Reggio Emilia und Perugia die W a h l e n t h a l» tung dekretieren müssen wegen der materiellen Un- Möglichkeit, den Kampf ohne Blutvergießen aufzunehmen. Was die anderen Parteien betrifft, so sieht man für die K o m m u n i st e n ein sehr kümmerliches Ergebnis voraus, 5 bis 7 Mandate. Die Reformisten dürften kaum ihre 20 Mandate behaupten. Die Republikaner dagegen, die in der letzten Kammer nur 6 Abgeordnete hatten, werden wahrscheinlich bedeutende Vorteile davontragen. Den Klerikalen stellt man ollgemein eine sehr ungünstige Prognose, die wir nicht teilen; wir glauben, daß sie an-
nähernd die bisherige Fraktwnsstärke von 100 Mandaten beibehalten werden. Was übrig bleibt, heimst der Block ein, die große un- gegliederte politische Masse, die sich im Zeichen der Reaktion zusammengefunden und verschmolzen hat. Er wird seine zahlenmäßige Macht dem Fascismus verdanken und auch ihm seine politische Schwäche als Regierungsmehrheit. Wenn diesmal der Wahlkampf mit Methoden geführt worden ist, die eine Negation des Parlamentarismus dar- stellen, so wird man an dem aus ihm hervorgehenden Parla- ment die Folgen dieser Methoden spüren. Nicht der Sozia- lismus und Kommunismus, nein, die Bourgeoisie selbst hat den Parlamentarismus feines Prestiges entkleidet und hat den politischen und sozialen Kampf außerhalb des Parka- ments verlegt.' * Rom . 15. Mai. (WTB.) Die Wahlen zur Deputier- tenkammer sind heute im ganzen Lande einschließlich der neuen Provinzen vorgenommen worden. Die Wahlbeteiligung be- trug 50 bis 70 Prozent: in manchen Wahlkreisen war sie stärker als im Jahre 1819. Namentlich in R o m war die Wahlbeteiligung stark. Zu R u h e st ö run gen ist es nur in der Provinz Neapel gekommen In Ponticelli wurde bei einem Zusammenstoß zwischen F a s c i st e n und Kommuni st en eine Person getötet. Auch aus R e f i n a wird ein Toter gemeldet.
Geborene Führer öer Republik. Die„Kreuzzeitung " fühlt sich bemüßigt, von einem söge- nannten„A d e l s t a g" Notiz zu nehmen, der am 12. Mai in Berlin getagt hat. Die dort angenommene Entschließung,' ein Sammelsurium abgedroschener nationalistischer Redens- arten, zeugt von der Geistesarmut der Versammlung, und ein kräftiger antisemitischer Einschlag läßt darauf schließen, daß auch das Geschlecht des berühmten Dreschgrafen Pückler noch nicht ausgestorben ist. Das ganze Geschwätz wäre nicht der Erwähnung wert, wenn sich nicht darin folgender Satz fände: Mehr als bisher müssen die nationalen Parteien geborene Ffihrernalurcn aus unseren Reihen in führende Stellungen und besonders auch in die Parlamente bringen. Das zwingt zu der Frage, wo und wie sich der Beruf des Adels zur Führung der Nation erwiesen hat. Eigentlich sollte man annehmen, daß aus einer Gesellschaftsschicht, der nichts fehlt, um ihren Angehörigen mühelos alle Früchte der Bil- dung und Kultur zu vermitteln, eine erhebliche Zahl beson- ders leistungsfähiger Persönlichkeiten hervorgehen müßte. In Wirklichkeit sind adelig Geborene, die sich frei- gemacht haben von Standesdünkel und agrarischen Klassen- interessen, seltener als weiße Raben, und das geistige U n- v e r m ö g e n ist in jenen Kreisen greadezu erschreckend. Seit Bismarck , der in gründlicher Verachtung seiner Standesge- nassen und im Kampf gegen sie lebte, hat der deutsche Adel keine Gestalt von mehr als Normalwuchs hervorgebracht. Der Durchschnittsaristokrat— es gibt auch gern gesehene Aus- nahmen— ist ganz einfach ein politischer Trottel. Seinem Niveau entspricht die Entschließung des sogenannten „Adelstags"._
Strahlenpunkte öeutschen Geistes. Die Pfingstfeiertage benutzt der Chefredakteur der deutsch - völkischen„Deutschen Zeitung", Max Maurenbrecher , zu einem historischen Rückblick über die Entwicklung des deutschen Geistes, aus dem wir folgenden Absatz nicht ganz unerwähnt lassen wollen: Seine vergleichsweise breiteste Wirkung hat der deutsche Geist in den fünfzig Jahren erlebt, die zwischen 1781 und 1832 liegen. Im ersten dieser beiden Strahlenpunkte erschienen gleichzeitig Lessings„Nathan". Kants„Kritik der reinen Vernunft " und Schillers„Räuber". Das zweite war das llohr von Goethes und Hegels Tod. Jeder Kenner der deutschen Geschichte weiß, welch verschwenderisch reich ausbrechendes Leben zwischen diesen beiden Polen liegt.
Gin neuer Zlnanzplan. Interview mit Schieberski. Vorgestern nachts um 3 Uhr wurde ich durch rasendes Klingeln des Telephons aus dem Schlaf gerissen.„Hier Schieberski! Ich bin in der Aschanti-Bar und habe mich entschlossen, Ihnen für den„Vor- wärts" ein Interview zu gewähren. Mein Auto holt Sie m fünfzehn Minuten ab. Auf Wiedersehen." Fünfzehn Minuten später saß ich im Auto. Schieberski ist in Geld- und Anleihefragen eine Autorität ersten Ranges, feine Erfolge auf diesem Gebiet sind geradezu rätselhast. Er er- weckt den Neid seiner Bewunderer und stets minder erfolgreichen Nachahmer. Ich wußte, ein Interview mit ihm für den„Vorwärts" würde eine Sensation sein. Echieberski warf bei meinem Kommen die eben angezündete Zigarette weg, reichte mir die Rechte, deren Zeigefinger ein kirsch- großer Brillant schmückte, und sagte: „Lieber Freund! Vaterländische Sorge hat mich oeranlaßt, Sie in so früher Stunde zu mir zu bitten. Ich fürchte, wir werden den Frieden verlieren, wie wir den Krieg verloren haben, well man bei uns das einfachste nicht sieht und den Rat von Männern, die in Geld- und Kreditfragen erfahren sind, nicht beachtet." Er schlug mit der Faust auf den Tisch, der Brillant blitzte und das Whiskyglas schwankte:„Hätte man meinen Rat beachtet, so wäre der Krieg glänzend gewonnen worden." „Darf ich fragen.,." sagte ich. indem ich Ohren und Bleistift spitzte. „Man fleht bei uns das einfachste nicht," fuhr Schieberski fort. „Man hat nicht begriffen, daß ein Krieg weder eine diplomatische noch eine militärische, sondern einfach eine Valutaange- legen heit ist." „Am 4. August 1914 war ich bei Bethmann. Ich sagte ihm: „Exzellenz, man sieht bei uns das einfachste nicht. Führen Sie den Krieg bis zur Vernichtung des Feindes, aber führen Sie ihn mit den modernen Waffen der Humanität. Sagen Sie den feindlichen Völkern, daß wir nichts wollen als i h r G l ü ck. Geben Sie unserer Industrie den Auftrag. Pfundnoten. Rubelnoten. Zehn-, Hundert-, Tausendfrankscheine zu fabrizieren. Lassen Sie in Gottes Namen schießen, aber nicht mit Granaten, sondern mit Pfundnoten. Rubelnoten, Frankscheinen. Schicken Sie über olle Städte Frankreichs , Englands. Rußlands Flieger, aber lassen Sie um Gotteswillen keine Giftgas- und Brandbomben werfen, sondern Pfundnaren. Rubelnoten, Frankscheine. Vergelten Sie als echter Christ Böses mit Gutem, überschütten Sie den Feind mit Blüten."
Er schlug auf den Tisch, daß der Brillant zu springen drohte und das Whiskyglas umfiel.(Er bestellte sofort ein neues.) „Bethmann hat mich nicht verstanden. Dieser Idiot sah das ein- fachste nicht. Er begriff nicht, daß wir mit dieser Methode den Krieg zu führen, statt den Haß die Lieb: der Feinde erworben hätten. Stellen Sie sich vor: Fliegeralarm in Paris . Statt sich er- schreckt in Keller zu drängen, wäre eine freudig erregte Menge aus die Straße gestürzt, man hätte sich geschlagen und die Hüte geschwenkt, man hätte gerufen:„Viva ItAJicmagiiel" „Und—" fragte ich erstaunt. „Und," antwortete Schieberski,„Sie sehen das einfachste nicht. In vierzehn Tagen waren die Banken von Frankreich , England und Rußland pleite. Haben Sie schon etwas von Inflation gehört? Sie waren einfach pleite, sie hätten sich selber aufgeftessen, sie mußten ganz einfach um Einstellung der Feindseligkeiten bitten." Ich schwieg überwältigt. Aber mich meiner Iournalistenpflicht erinnernd, fragte ich:„Meinen Sie also, daß wir den Krieg wieder aufnehmen sollen?" „Krieg?" sckirie Schieberski und fchlua auf den Tisch, daß der Brillant krachte und das Whiskyglas in weitem Bogen wegflog.(Er bestellte sofort ein neues.)„Ich hasse den Krieg, ich bin überzeugter Pazifist. Wir haben den Krieg verloren und müssen das uns Auf- erlegte nach besten Kräften erfüllen. Und das eben ist es, weshalb ich Sie in fo früher Stunde zu mir gebeten habe." „Merken Sie auf"— er rückte näher und sprach mit gedämpfter Stimme—,„wir sollen zunächst einmal 50 Milliarden ver- Zinsen und tilgen. Nach meinen Begriffen eben nicht übermäßig viel. Na— ich will Ihnen sagen, wie man das in vierzehn Tagen er- ledigt." „Bei uns sieht man eben das einfachste nicht. Wir geben also für 59 Milliarden Schuldverschreibungen aus, nicht wahr, die werden unter die Leute gebracht. Sie verstehen soweit. Nun aber kommt dos Entscheidende. Man läßt sich sodann H ö l l e i n kommen und sagt ihm:„Lieber Höllein, Gott hat Sie zu Großem bestimmt. Besetzen Sie heute Nacht mit zehn handfesten Leuten die Reichskanzlei. Man wird keinen Widerstand leisten. Setzen Sie Wirth als Verräter des Proletariats in den Kohlenkeller. Proklamieren Sie die Räte- republik, erklären Sie alles Privawermögen für beschlagnahmt, alle Staatsschulden für annulliert. Die Schuldverschrei- bungen werden sodann auf 15 Proz. des Nominalwertes fallen. Das genügt aber noch nicht. Ernennen Sie Koenen zum Reichsfinanzminister. Die Schuldverschreibungen werden dann auf 1 Proz. fallen. Ist die Sache soweit, kommt eine Hundert- schaft Schupo und stellt die Ordnung wieder her. Wirth steigt aus dem Kohlenkeller. Sie erhalten Amnestie und ein Promille des Umsatzes." .Und?" fragte ich erstaunt.
Wir glauben, daß der mouaichkstlfch�ulllsemikifche Lefertreis ftOJ „Deutschen Zeitung" nicht ohne Befremden lesen wird, mit welchen. Momenten hier der Höhepunkt deutschen Geistes umgrenzt wird. Lessmgs„Nathan" hat als Grundgedanken die religiöse Tole- ranz, zum Helden einen geistig hochstehenden Juden, enthält in der Person des Patriarchen eine bitt erböse Satyre auf den Antisemitismus! Kants„Kritik der reinen Vernunft " leitet eine rein logische Betrachtungsweise der Dinge unter Ausschaltung der Religion und des Glaubens an Gott und Unerheblichkeit ein, Schillers revolutio- näres Drama„Die Räuber " trägt das Motto„in t�raimos" (Gegen die Tyrannen), Goethe war ausgesprochener Kosmopolit und in so starkem Maße Verehrer Napoleons , daß er selbst die Begeisterung der Freiheitskriege nicht zu teilen vermochte. Heg eis Philosophie, wenn sie auch in eine Verherrlichung des preußischen Absolutismus ausmündete, lieferte doch auch eine starke geistige Wurzel für das Schaffen von Karl Marx . „Nationale" Männer im Sinne der �Deutschen Zeitung" sind weder Schiller, noch Lessing , noch Kant, noch Hegel gewesen. Und wenn Max Maurenbrecher auch die Verantwortung für den Niedergang auf den Einfluß der Juden Börne und Heine zurückführt, so werden die Leser der„Deuffchen Zeitung" doch wohl kaum den Eindruck los werden, daß hier der e h r l i ch e.Verfasier der„Hohenzollernlegende" dem weniger ehrlichen Chef- redakteur der„Deutschen Zeitung"(ehrlich im letzten geistigen Sinne) ein Schnippchen geschlagen hat._ tzolz' Vernehmung. Die Untersuchung gegen Hölz ist in den letzten Tagen mit aller Beschleunigung fortgesetzt worden, um ein möglichst geschlosse- »es Bild über das Treiben des oogtländischen Räuberhauptmanns zu gewinnen. Unter den vielen Zeugen, die vernommen wurden, befand sich auch der jetzige Bürgermeister von Falkenstein. Jnter- essant ist seine Feststellung, daß die kommunistische Bewegung in Falkcnstein sehr viele Anhänger verloren hat und daß man von Hölz so gut wie gar nicht mehr spricht. Hölz selbst behauptet, daß auch er das Bestreben gehabt habe, geordnete Verhällniffe in Falkenstein herbeizuführen, daß aber die Fabrikanten mit dem früheren Bürgermeister an der Spitze sich energisch dagegen g e- wehrt und vor allem verhindert hätten, daß an Stelle der Spitzen- und Gardinenindustrie, für die es nicht genug Arbeit gebe, in Falkenftein eine andere Industrie heimisch gemacht werde. So habe man geplant, ein großes chemisches Werk in Falkenstein zu er- richten. Das sei aber von den Fabrikanten mit allen Mitteln hintertrieben worden. Hölz versicherte dem untersuchungs- führenden Staatsanwalt Dr. Jäger wiederholt, daß er prinzipiell ablehne, überhaupt eine Auskunft zu geben. Im übrigen steht Hölz auf dem Standpunkt, daß er seine strafbaren Handlungen nur aus„militärischen" Gründen begangen habe, daß er als Revolu- iionär gewissermaßen ein Recht zu diesen Taten gehabt habe. Einen der Zeugen, der ihn gelegentlich fragte, warum er denn die Häuser der gänzlich unbetelligten Falkensteiner Villenbesitzer niedergebrannt habe, fertigte Hölz kurzerhand mit den Worten ab:„D a s v e r- stehen Sie nicht!" Die Staatsanwaltschaft ist bemüht, zu er- Mitteln, wohin die riesigen Beträge gekommen sind, die Hölz in Plauen und in anderen Orten des Vogtlandes erpreßt hat. Es ist zwar erwiesen, daß Hölz für die Arbeitslosen in Falkenstein und auch zum Unterhalt seiner„Roten Garde" große Beträge ge- braucht hat, ober man hätte Gründe zu der Annahme, daß er noch erhebliche Summen irgendwo versteckt hätte. Hölz lehnt natürlich jede Auskunft darüber ab mit der Begründung, daß das Urteil über ihn ja doch längst gefällt sei und daß man jetzt mit ihm nur noch„Formalitäten" erledige. Der arme INanni Um ihren Lesern über zwei lange Psingst- feiertage hinwegzuhelfen, bringt die„Post" eine ellenlange Schil- derung des Hauses Doorn durch einen Herrn v. Trotha. Die Ge- nauigkeit, mit der dieser Mann jedes einzelne Apartement beschreibt, läßt"den Wunsch auskommen, ihn als I n n e n d e k o r a t e u r zu beschästigen. Gleich zu Anfang stößt man auf die erschütternoe Tatsache, daß die„kaiserliche" Haushaltung nur über zwei Autos verfugt(wo doch jeder Deutsche mindestens drei hat)! Fer- ner erfährt man, daß Wilhelm sich ein sehr umfangreiches Bureau einzig zu dem Zweck halten muß, um den bei Geburts - tagen usw. einsetzenden Brief- und Telegramm stürm zu bewältigen. Die deutschen Monarchisten, die so beweglich über die „Enge" in Haus Doorn jammern(jeder Arbeiter hat es besser als dieser Mann mit seinem nur 9 2 Hektar großen Befitz!), hätten es also selbst in der Hand, für Wilhelm ein paa? Räume zur ander- weiten Benutzung freizubekommkn.
„Lieber Freund, Sie sehen das einfachste nicht. Natürlich haben wir inzwischen Aufkäufer ausgeschickt und die Schuldver- schreibungen aufgekauft. 1 Proz. von 59 Milliarden sind 599 Millionen, wir haben in der Reichsbank 1979 Millionen Gold. Wir lassen uns nicht lumpen, wir zahlen in Gold und haben in vierzehn Tagen die ganze Affäre glatt erledigt." Ich schwieg überwältigt. Aber mich meiner Iournalistenpflicht erinnernd, fragte ich: „Wie aber, wenn dann die Entente die 82 Milliarden auflegt, die noch übriggeblieben sind?" „Ganz einfach," antwortete Schieberski mit dem Ausdruck ernster Entschlossenheit,„die Operation wird eben so oft wiederholt, b i s alles ehrlich bezahl: ist." Es war inzwischen 5 Uhr geworden. Schieberski brachte mich in seinem Auto nach Hause, und auch in den Gesprächen, die wir unterwegs führten, stand ich ganz unter dem Eindruck seiner genialen Persönlichkeit. Er ist wie gesagt, eine Autorität ersten Ranges in allen Geld- und Kreditfragen. Da ich aber leider nicht das mindeste davon verstehe, sondern mir mein Geld mit Feuilletons sauer ver- dienen muß, gebe ich seine Aeußerungen, deren wellgeschichtliche Be- deutung ich nur ahnen kann, ohne weitere Bemerkungen wieder. Morgen aber will ich Häven st ein interviewen und ihn fragen, wie e r darüber denkt. S z a n d o r.
Die junge Bühne veranstaltete im Lvzeumffub eine Aufführung von„Frühlings Erwachen". Dieses Spiel Wedekinds zeigte ver- hallene Glut und erwachendes Leben, Ahnung nur, von der ein Hauch und eine Stimme bleiben darf. Gedämpfte Leidenschaft, auf- schreiende Anklage der Gesellschaft sind sein Signum. Drei der jun- gen Künstler trafen es: Martin Brandt(Moritz Stiefel), Hugo Schräder(Melchi Csabor), Rosy L i e p m a n n(Wendla Borgmann). Hier erklang die Schicksalsfrage ans halbgeöffneten Lip- pen, und der Sehnsuchtsschrei:„Mutter, warum hast du mir nicht alles gesagt?" erschütterte uns, ohne laut zu gellen. Drei Darfteller, die durch Takt und Begabung der Aufführung den Charakter eines Kammerspiels gaben. Erwähnt seien nach Fräulein K a t s ch als Frau Bergmann, Herr Wagner als fremder Herr. Erwähnt auch Lore S t e! l e r in der Hoffnung, sie nie wieder zu sehen, desg'ei- chen Emile Carre, den jeder Landarzt aus Neutomischel oder Schrimm wegen Beleidigung oerklagen dürfte. Maria M e n o n i lerne ihre Rolle! Schwer war die Aufgabe, mit mangelnden sze- nischen Mitteln Illusion zu schassen; doch sie gelang fast restlos. Nur meide man künftig die endlosen Pausen, die die Stimmung zerreißen._ wp. KomStiienljiniS. Wegen technischer Schwierigkeiten wurde die Erstausführung von„Ter blonde Engel' aus MitUvoch verschoben. Tie gelösten slarten behalten ihre Gülugkert. (?ine Ausstellung moderner deutscher Bühnenkuutt wird im Monat Juni im Landesgewerbemuseum von Stuttgart stattsinden, die Pros. Dr. G. E. Pazauret gemeinsam mit dem Ausstattunzsdireltor H ans i» g vom Landestheater veranstaltet.