Nr. 235 ♦ 38. Jahrgang
Seilage des vorwärts
Zeettag, 20. Mal 1021
Serufsauslefe. Von Alfred Fröhlich . Das Taylorsystem hat den kräftigsten Anstoß dazu gegeben, sich mit der Berufsauslese zu befassen. Bisher stand es jedermann frei, jeden Beruf zu ergreifen, ohne Rücksicht darauf, ob er für ihn geeignet fei oder nicht. Der junge Mensch ficht in den meisten Fällen vor seinem Berufe wie vor einem dunklen Tore. Selten ist die Berufswahl von einer inneren Neigung diktiert. Oft ist der Beruf des Vaters oder des Vor- munds ausschlaggebend, noch öfter sind falsche Ratgeber am Werke, die das Schicksal unserer Jugend nach der Konjunktur beeinflussen. Nicht Neigung, nicht Befähigung, lediglich die Aussichten des Berufes und die materiellen Verhältnisse leiten die Berufswahl. Der eine, ein Kind wohlhabender Eltern, die es sich„erlauben" können, wird durch die höheren Schulen mühsam durchgeschleppt und gelangt vermöge seiner Vettern und Basen in einflußreiche Stellungen, von der Hoffnung ge- tragen, mit dem Amte auch den Verstand zu bekommen, wäh- rend so manchem hochbegabten Arbeiterssohn aus Mangel an Geldmitteln jede höhere Schule und damit jeder Aufstieg versagt bleibt. Man hört oft den Satz, daß das Genie seinen Weg schon aus sich allein mache. Dieser Satz mag im ein- zelnen richtig sein, aber im Leben eines Volkes, namentlich eines in Not geratenen Volkes, ist er grundfalsch. Die Wege eines solchen Siegers erscheinen in der nachträglichen Schilde- rung der Lobredner recht hübsch und interesiant, aber welche ungeheure Nacharbeit notwendig war, um dasjenige nachzu- holen, was dem Reichen spielend in der Jugend beigebracht wurde, m welcher Weise diese aufgewendete Mühe von wichti- geren und größeren Aufgaben zurückhielt, davon erzählt kein Heldenbuch. Auch von den ungezählten Tausenden, denen trotz aller Begabung die Dirne„Erfolg" untreu war, schweigt das Lied der Erfolgsanbeter. Nirgends tritt die soziale Ungerechtigkeit des kapitalistischen Zeitalters krasier zutage, als in der Er- ziehnngsfrage, im Berufsproblem. Keine Mildtätig- keit, keine Wohltat, kein Schulgeldnachlaß, keine Weihnachts- befcherung, keine Quäkerspeisung kann darüber hinwegtäuschen, welche Sünde unsere„kapitalistische Kultur" gegenüber dem köstlichsten Kleinod, das ein Volk besitzt, seiner Jugend, be- lastet. Tausende ärmlich gekleidete, blutarme Proletarier- kinder werden von der lasterhasten Straße erzogen, atmen nicht nur ihren bazillengeschwängerten Staub, sondern auch das Gist der frühzeitigen Verderbtheit, während eine Handvoll bevorrechteter Kinder, in feine Seide und Spitzen gehüllt, vom ersten Tage ihres Erdendaseins wie ein Augapfel behütet, die beste Ernährung, die vollkommenste Erziehung genießen können. Die schwielige Hand des Arbeiters war einmal genau so zart wie die des verwöhntesten Reichen, dasselbe leuchtende Glück des ersten Kinderlächelns, des ersten gestammelten Wortes, der ersten Gehversuche strahlte im Palast wie in der Hütte und in der Mietskaserne. Dasselbe Recht auf Sonne, auf Menschenwürde hier wie dort! Recht, nicht Wohltat; An- spruch, nicht Gnadengeschenk! JmKindeistderSozia- lismus am rein st en und tief st en begründet. Im Kapitalismus wird jede Frage zum Rechenexempel, auch die Erziehungsfrage, auch die Berufswahl. Jede Seelen- regung auf der einen Wagfchale wird durch Gold auf der anderen abgewogen.„Busineß" nennt der Amerikaner diesen Zeitgeist. Kunst, Wissenschast. Liebe, was kosten sie? Wer am meisten bietet, führt die Braut heim. Nie hat der Egois- mus größere Triumphe gefeiert als im Kapitallsmus. Völler- friede, Völlerrecht, soziale Gesinnung, Gerechtigkeit? Ist der von den Italienern geprägte„sacro egoismo", ein heilige» Egoismus? Nein, nur ein heilig gesprochener Egoismus. Der Kapitalismus hat dem Egoismus Altäre aufgebaut und opfert ihm alles, was im Menschen gut und edel ist. Er opfert ihm auch das einzige Paradies der Armen, ihre Kinder;
denn das Kind lebt noch im Paradiese und leitet durch den reinen Spiegel seiner Seele die Sonnenstrahlen in unser Herz. Die Ellernliebe, die reinste, die es gibt, weil sie wünsch- los ist, will dem Kinde, wenn sie schon nicht imstande ist, sein Paradies zu erhallen, doch wenigstens die beste Zukunft sichern. Mit Staunen und verzeihlicher Eitelkeit verfolgt man die Spuren des wachsenden Talentes der Kinder, freut sich, wenn die Schule die stohen Erwartungen bestätigt. Aber die Möglichkeiten, den Neigungen und Eignungen folgen zu können, sind in Proletarierkreisen verschwindend klein. Die Kinder müssen möglichst bald selbständig werden, sich selbst erhalten, ihre Eltern unterstützen, wenn sie flügge geworden sind. Studieren, selbst wenn dazu die größte Begabung vor- Händen ist, können sie nicht, das ist ein Vorrecht der be- mittelten Klassen. Was dem Ellernpaar das einzelne Kind ist, ist dem Volke seine Jugend. Hier wie dort hängt Glück und Wohl- stand von den Fähigkellen, von der Leistung ab. Was ein geratener Junge für feine Eltern ist, bedeutet eine berufs- tüchtige Jugend für das Volk, für die Gesellschaft, Daher ist es ein Gebot des Selbsterhaltungstriebs, die Berufstüchtigkeit, die Berufssteudigkeit zu fördern. Die besonderen Fähig- leiten jedes einzelnen zu erforschen, muß deshalb eine wesent- liche Aufgabe jener Kräfte sein, denen die Erziehung der Jugend anvertraut ist. Ihnen erwächst dadurch eine neue schöne Pflicht, die ihren Beruf m unmittelbaren, lebendig wirksamen Zusammenhang mit dem Volksganzen bringt. Mit dem großen Einmaleins oder dem erweiterten ABC ist dem .Berufe des Lehrers nicht Genüge getan, aber sich versenken in die reine Kindesseele, sie rein erhallen, sie erforschen, ihre fähigkeiten entdecken und fördern, die Ellern beraten, ihre inder jenen Berufen zuzuführen, die sie befriedigen und dem Gesamtleben gute Mitarbeiter zu sichern, das ist ein Ziel, der Jünger Pestalozzis würdig. Dort, wo die seelische Einfüh- lung nicht ausreicht, trete der Psychotechniker mit seinen Zlppa- raten auf den Plan. Doch auch der Psychotechniker kann der pädagogischen Fähigkeiten nicht entraten. Der Prüfling ist keine seelenlose Maschine. Die Entwicklungsjahre bieten manche Ueberraschungen. Starker Wille und Uebung können mangelnde Fähigkeiten ausgleichen. Nie wird der Apparat die mllfchwingende Seele des Seeleniorfchers ersetzen. Noch ist die Apparatur in ihren Anfängen und daher ver- besserungsfähig. Es wäre bedauerlich, wenn die Psycho- technik mit ihren viewersprechenden Anläufen eine Mode- erscheinung wäre, wenn sie in unberufene Hände gelangte, die auch dieses Gebiet kapllalsstisch auszubeuten suchten und heute die Jugend, morgen die Reklame und übermorgen Straßen- bahnführer oder Telephonistinnen psychotechnisch untersuchen. Die Jugendberatung gehört in die Hände unserer fähigsten Köpfe, well es sich hier um Entscheidungen handelt, die der Prüfling unter Umständen mit seinem Lebensglück zu be- zahlen hat. Die Berufsberatung auf psychotechnifcher Grundlage ist wünschenswert und schon heute möglich, aber wie oft wird sie nur Beratung bleiben müssen, well die heutige Gesell- schastsordnung dem Begabten nicht die Mittel zur Verfügung stellt, dem Rate folgen zu können. Ist eine wissenschaftliche oder künstlerische Begabung festgestellt, bedürste es heute Zu- Wendungen von ausreichenden Stipendien und dergleichen, um dem Prüfling das Studium zu ermöglichen: also eines Geschenkes von feiten der Gesellschaft. Wer aber soll die Eltern für den Entgang seines Verdienstes entschädigen? In emer sozialen Gesellschaft wird die Ausbll- dung nach Neigung und Fähigkell der Jugend die erste Pflicht und die vornehmste Aufgabe sein. Der Sozialismus wird die Lösung dieser in der heutigen Wirtschaftsordnung unlösbaren Frage bringen, nicht nur, weil in ihm die materiellen Vor- aussetzungen gegeben sind, die heute fehlen, sondern auch, well er die ganzen Kräste des Volkstums für fein Geisteswirtfchafts- leben benötigt. Schon heute ist der staatliche Aufwand für jeden Besucher einer höheren Schule weit größer als das Schul- geld beträgt. Schon heute wird also den Söhnen bemittelter fs
Kreise— denn diese stellen das größte Kontingent der Be- fucher höherer Schulen— auf Kosten der Gesamthest ein un- ermeßliches Geschenk dargeboten. Unermeßlich deshalb, well die Ausbildung geistige und seelische Kräste anzuregen und auszulösen vermag, die sich nicht in Zahlen ausdrücken lassen. Schon dieser Umstand ist Grund genug, den Besuch unserer höheren Schulen allen zu ermöglichen, deren Fähigkeiten dazu ausreichen. Hier zeigt sich so recht d eullich die soziale Bedeu- tung des gesamten Schulwesens. Deshalb sind die auf Er- werb berechneten privaten Schulen ein Widerspruch in sich selbst. Aus demselben Grunde ergibt sich auch die Wider- sinnigkeit jenes Dünkels, der leider so häufig die Absolventen höherer Anstalten auszeichnet. Sie haben keinerlei Grund dazu. Während die anderen Berufe bereits im Erwerbs- leben stehen, haben sie das Glück, den Lehren unserer bedeu- tendsten Forscher und Künstler zu lauschen, die Wissenschast an ihren Quellen zu schöpfen. Nur der hellig gesprochene Egoismus eines kapitalistischen Zeitalters konnte einen solchen Dünkel— der, nebenbei gesagt, immer em Zeichen von Halb- bildung ist— entstehen lassen. Er widerspricht der selbstver- ständlichen Lehre: Was mir die Gesamtheit schenkt, bin ich ihr schuldig. Um wieviel mehr wird die spätere Regelung der Erziehungsstage und der Berufswahl der Gesellschaft.as n- recht geben, von jedermann zu verlangen, daß er ihr seine ganzen Kräfte zur Verfügung stelle. Die Freiheit in der heutigen Berufswahl und in der Art der Verwendung seiner Fähigkellen ist eine Scheinfre hell, denn in Wirklichkeit ist heute jedermann gezwungen, sich der Peitsche der wirtschaftlichen Abhängigkeit zu fügen. Diese Scheinsteihell bedeutet aber zugleich eine Verschwendung von Kräften, denn jede falsche Berufswahl erzeugt persönliches und famlliäres Unglück und unermeßlichen volkswirtschaftlichen Schaden.> Nur anarchistische Köpfe werden in der psychotech- nisch geleiteten Berufsauslese, in der Aufstiegsmöglichkeit aller Tüchtigen und m der Forderung nach sozialer Betäll- gung einen Eingriff in die persönliche Freihell erblicken; wer aber sozial empfindet, wird gerade in dieser Lösung einen Ausweg aus dem heute bestehenden Chaos begrüßen.
Groß-Berüu Stäötisthe Werke als Vorschläge des Skadkbaurats Horten. Die Rentabilität der städtischen Werke hat Berlin schon viele Kopfschmerzen bereitet. Während früher Millionenüberschüsse erzielt wurden, ist heute das Gegenteil der Fall, und die Feinde der Soziali» sierung nutzen unter Außerachtlassung der durch den Krieg geschaffenen besonderen Verhältnisse die Vetriebsergebnisse als Argument gegen jede Sozialisierung aus. Diese Frage erregt natürlich die schärffte Aufmerksamkeit der Arbeiterschaft, und so fand denn ü gestern nachmittag im Margaretenlyzeum in der Jslandftraße eine Versammlung sämtlicher unter die Deputatton„Werte" fallenden � Betriebsräte unter Hinzuziehung der Gewerkschaften und der Der->- treter der sozialisttschen Stadwerordnetenstaktionen statt, in der Stadtbaurat Horten über„Die Zukunft unserer Werke" sprach. Horten gab zunächst einen lleberblick über die Größe der städtt- schen Werke. Die Gesamtzahl der Arbetter beträgt 20 00(1 Von diesen entfallen 14 000 auf die Gaswerke, 2800 auf die Elektrizitäts- werke, 1000 auf die Wasserwerte und 2S00 auf den Rest. Die Ge» famtgaserzeugung beträgt 4S0 Millionen Kubik» meter. Davon wurden von den allen Berliner Werken 300 Mll- lionen hergestellt, während die Werke der Vororte ISO Millionen produzierten, und schließlich werden noch ISO Millionen Kubikmeter von der allen englischen Gasanstalt erzeugt, die eine andere Ent- Wicklung genommen hat als man es hätte wünschen können. Wäh- rend des Krieges ist sie scheinbar sozialisiert worden. Doch ist sie von einer anderen Gesellschaft dann aus 50 Jahre gepachtet worden und da derselben zwei Drllttel des Aktienkapitals gehören, ist die Stadt von der Mitbestimmung tatsächlich ausgeschaltet. Drei Fünftel
STf
Sline Menschenkind. in. Der Sündenfall. Bon Martin Andersen Rexö.
Da begann er wieder draußen unter den erhellten Fenstern auf und ab zu gehen, wie ein kranker Hund. Stine sah ihn, so oft sie Wasser an der Pumpe holte— und sagte im Borbeieilen ein Wort zu ihm. Einmal setzte sie den Eimer hin und lief zu ihm.„Geh zu Bett, hörst du," sagte sie und umfaßte seinen Arm, um ihn zu überreden. „Das kann ich doch nicht", erwiderte er, halb weinend. .Mutter hat gesagt, daß ich aufbleiben soll, um anzuspannen." „Pah, das laß sie man selber' besorgen. Du bist doch nicht ihr Sklave." „Das wag ich nicht, dann wird Mutter wütend.—— Ach, was bin ich doch für ein feiger Kerl. Ich gettau mich nichts." Stine drückte seine Hand, vm ihm mitzuteilen, daß sie ihm nicht grolle; dann lief sie weg. Gegen elf Uhr schickte Sine sie zn Bett. „Du mußt ja todmüde sein von der langen Tour", sagte sie.„Und heut morgen bist du so früh aufgestanden,— mach, daß du dich schlafen legst!" Sie machte kurzen Prozeß gegenüber Stines Einwänden, indem sie sie aus der Küche stieß. Ja, müde war Stine, so müde, daß sie im Begriff war, zusammenzusinken. Einen Augenblick stand sie zögernd in der dunklen Waschküche... da draußen auf dem Hof ging Karl in so elender Stimmung umher, ein freundliches Wort konnte ihm gut tun. Aber wenn er nun mitginge und sich auf den Bettrand zu ihr setzte und plauderte, wie es zuweilen vorkam, wenn er Trost brauchte? Stine war zu müde zum Schwatzen; es wurde ihr geradezu übel bei dem Gedanken, noch länger wach bleiben zu sollen. Diesmal siegte die Eigenliebe; sie opferte einen andern um ihrer selbst willen und schlich hinüber in ihre Kammer. Mit geschlossenen Augen saß sie ein Weilchen auf dem Dettrande. Die starken Eindrücke des Tages wühlten in ihr — und die Müdigkeit: sie war so überanstrengt, daß sie schwankte. Mit«wem Ruck nahm sie sich zusammen, streifte im Nu die Kleid« ab und hüpfte in» Bett, Ea tat gut» sich
in die kühlen Bettücher zu hüllen und von allem fortzukom- men, förmlich hinabzusinken w Müdigkeit und Wohlsein! So- bald sie die Wange auf das Kissen gelegt hatte und anfing, an dieses und jenes Schöne zu denken, pflegte sie meistens ein» zuschlafen. Wie die Gedanken, so sind die Träume, hatte Großchen gesagt. Und Sttne wollte so gern etwas Schönes träumen, wollte aufwachen voll dunkler Süße von dem Träumen, das nur noch als flüchtiger Nebelrest des Morgens verweilte und vor dem Tageslicht schwand. In dieser Zeit träumte sie oft von dem Prinzen, der kommen und sie zum Gute seines Vaters führen würde,— wie Großchen es im Spinnlisde prophezeit hatte. Am Tage gab es ja keine Prinzen, wenigstens nicht für eine arme Dir« wie Sttne; in der Nacht existierte der Prinz jedoch wirklich und kam und hielt bei Großchen um sie an. Das war gerade das Großartige bei den Träumen, daß sie einen ins Licht emporhoben, so daß man das Ganze von oben sehen konnte. Nöte gab es allerdings trotzdem, denn er fand sie nicht schön.„Nein, das Schönste trägt sie in sich," sagte Großchen,„sie hat ein Herz von Gold." „Von Gold?" sagte der Prinz und machte große Augen. „Laß sehen!" Da öffnete Großchen und zeigte chm Stines Herz.„Das tun wir sonst nicht gexn," sagte sie,„denn es kann leicht staubig werden." Und der Prinz wurde vergnügt— denn von Gold ver- stand er etwas. Und er nahm Stine bei der Hand und sang aus Eroßchens Lied: „Und trug sie für ein kleines Kind viel Kummer und Herzeleid ra ra, in Ruh'; ra ra, in Ruh'! So soll sie fitzen auf dem Ehrenplatz, im Pelz und Feierkleid. � Fallerille, fallerille, ra ra ral" „Aber das handell ja von Großchen selbst, sagte Sttne und sieh seine Hand verzweifelt los— denn es tat ihr leid. „Das macht nichts," sagte Großchen und fügte beider Hände wieder zusammen.„Nimm ihn nur. Ich komme auch an die Reihe. Und das Lied ist ja für uns beide gedacht." Sttne schlug die Augen im Dunkeln auf und fühlte zu ihrer großen Freude, daß sie wirklich eine warme Hand in der ihren hatte. Es faß jemand auf dem Rande ihres Bettes und fühlte nach ihrem Gesicht. „Bist du's, Karl?" fragte sie, nicht im geringsten ängstlich. ab« ew wenig enttäuscht. „Nun sind sie weggefahren. da« Packt" sagte«.„Sie
waren betrunken und haben gehörigen Spektakel gemacht. Ich begreife nicht, haß du bei dem Lärm hast schlafen können. „Sie wollten mir zwei Kronen Trinkgeld geben, weil ich an- spannte; aber ich will nichts von ihrem Saufgeld haben. Ich Hab' ihnen gesagt, sie könnten'- denen zurückliefern, die sie darum geprellt hätten. Da hätten sie mich beinah geschlagen." „Das war gut, daß sie das zu hören kriegten!" sagte Sttne lachend.„Das hatten sie verdient." Aber Karl war nicht in der Stimmung mitzulachen. Cr hiell ihre Hand im Dunkeln, ohne etwas zu sagen. Sttne merkte, wie die trüben Gedanken in ihm nagten.„Run darfft du nicht mehr daran denken," sagte sie;„darum wnd's doch nicht besser. Es ist bloß dumm, sich zu sorgen." „S i e war nicht mit draußen beim Wagen,"" sagte er geistesabwesend, anscheinend ohne ihre Worte gehört zu haben.„Vielleicht konnte sie gar nicht mit hinausgehen." „Warum denn nicht, du? ftagte Stine. Sie bekam auf einmal Angst. „O,— sie trinkt ja um die Wette mit ihnen. Es mag fein, daß sie—" Sein Kopf sank auf ihre Brust hinab, wäh- rend heftige Stöße ihn durchzuckten. Stine schlang die Arme um seinen Hals, strich ihm übers Haar und sprach beschwichtigend zu ihm wie zu einem kleinen Kinde.„So, so. nun mußt du hübsch groß sein!" sagte sie. Und als ihre Trostgrunde nichts halfen, machte sie ihm neben sich Platz und nahm feinen Kopf an ihre Brust.„Nun mußt du groß und vernünftig sein, sagte sie.„Du brauchst dir doch nichts draus zu machen, sondern kannst von allem weg- reisen." Ihr Kinderherz klopfte gegen seine Wange, schwer von Mitgefühl. Nach und nach gelang es ihr, ihn zu beruhigen; still lagen sie zusammen und plauderten, ganz vergnügt— und mußten plötzlich lachen, als sie entdeckten, daß sie die Köpfe unter die Decke hielten und flüsterten. Dieses Lachen nahm den letzten Rest von Karls Schwermut fort; er fing an, sie zu kitzeln und wurde ganz ausgelassen.„Das darfft du nicht» denn dann muß ich schreien," sagte sie ernst und suchte seineu Mund. Ihre Küsse machten ihn still; und auf einmal schlang« die Arme um sie und preßte sie heftig an sich. Stine wehrte sich, mußte aber nachgeben vor der Kraft seiner Umarmung. Alles in ihr wurde so schwach „Nun tust du mir ja was zuleide." sagte sie und begann zu weinen.(Forts." �