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Der Jungczeche Kramacz stellte den Driiiglichkeitsantrag, wonach die Abgeordneten, welche während ihrer Mandatsdauer zu Staatsbeamten ernannt werden, das Abgeordnetenmandat ver- lieren sollen. Nach längerer Debatte, in welcher der Unterrichts- minister Madeyski erklärte, er finde keinen Anlaß, heute zu der Frage der Jnkomptabilität definitiv Stellung zu nehmen, die Regierung sehe keinen Grund, eine derart wichtige Frage dringlich zu behandeln und lehne jeden Zusammenhang zwischen der jüngsten Ernennung zweier Abgeordneter zu Ministerial- beamten und den politischen Parlamcntsfragcn ab, wurde die Dringlichkeit nüt 94 gegen 47 Stimmen abgelehnt und der An- trag dem Wahlreformausschusse überwiesen. Veranlaßt wurde der Antrag durch die kürzlich statt- gefundene Ernennung einiger Parlamentarier zu hohen Stellungen im Unterrichtsministerium, wodurch der lieber- gang derselben zur Opposition verhindert werden sollte. Casimir Perier   hat nicht genug an der moralischen Hinrichtung durch I a u r ö s. Er hat jetzt einen neuen Beleidigungsprozeß angestrengt und zwar gegen den Ab- geordneten M i l l e r a n d, den Chefredakteur derPetite Rvpublique", in welcher derselbe vorigen Donnerstag über den letzten Prozeß einen für Casimir Perier   allerdings nicht schmeichelhaften Artikel veröffentlicht hat. Nun wenn Casimir Perier   durchaus eine Wiederholung der grau- samcn Prozedur wünscht, so kann ihm der Gefallen ja ge- than werden. Wie schwer den Casimir-Leuten die zer- schuntternde Niederlage aus dem Herzen liegt, die ihr Mann mit seinem vorletzten Beleidigungsprozeß erlitten hat, wird in tragikomischer Weise durch die fürchterliche Drohung be- wiesen, zu der Herr Aves Guyot, der famose Sozialisten- sresser und Exminister, sich in seinemSiecle" versteigt' er kündigt nämlich unserem Genossen Jaures   denkonstitutiv- ncllen Tod" an, indem er ihm mittheilt, wenn er so rück- sichtslos gegen den Präsidenten der Republik vorgehe, könne dieser ihn ja niemals zum Minister machen. Ter arme Janrös! Tie Angelegenheit i« Cenchuis kam am Donnerstag vor die französische   Kammer. Der sozialistische Abge- ordnete L a v y begründete die Interpellation und erzielte eine beträchtliche Wirkung. Da erhob sich der Minister des östentlichen Unterrichts, Mr. Leygues, und verlas ein bis dahin geheim gehaltenes Aktenstück aus dem Jahre 1883, durch das Robin, der ehemalige Direktor von Cempuis  , arg kompro- mittirt wurde. Die Kammer ging darauf mit sehr großer Majorität zur Tagesordnung über. War das Aktenstück echt? Das muß abgewartet werden. Eine recht unanständige Ueberrumpelung war es unter allen Umständen, um so verwerflicher, als der Interpellant so loyal gewesen war, vor der Kanimersitzung dem Herrn Lengues das ganze Material zur Einsicht zu übergeben. Jevenfalls hat jetzt Herr Robin das Wort. Koloniale Freude«. Frankreich   steht jetzt wieder vor folgenschweren Konsequenzen seiner Kolonialpolitik. Eine Depesche aus Paris   meldet hierüber: In den Wandelgängen der Kammer theilten die Deputirten Boissy d'Anglas und Alype mit, daß die Regierung für morgen die Interpellation über Madagaskar   annehme. Sie versicherten gleichzeitig, die Regierung werde eine Kreditforderung von 60 bis KS Millionen Franks einbringen und die Ermächligung nach- suchen, 15 000 Mann nach Madagaskar   zu entsenden, um die Ausführung des Vertrages von 1KSS sicher zu stellen, durch welchen das Protektorat Frankreichs   über die Insel fest- gesetzt wurde. Die Kreditforderung und die Stärke deS Ex- peditionskorps sei nach den Berechnungen und Plänen der in diesen Angelegenheiten kompetentesten Personen festgesetzt worden. Für diese Forderungen dürfte sich in der Kammer eine bedeutende Majorität finden. Belgien  . Unsere Genossen haben noch nicht den Fuß in die belgische Kammer gesetzt, und schon beherrschen sie dieselbe. Die Thronrede, mit der die morgen, Dienstag, den 13. d. M., beginnende Kammersession eröffnet werden sollte, ist Knall und Fall aus dem parlamentarischen Geschäfts- Programm gestrichen worden, weil eine Thronrede ein Pro- gramm entwickeln müßte und eine umfassende Debatte zur Folge hätte. Ein soziales Programm hat aber die belgische Regierung so wenigzwie irgend eine anderesRegierung, und eine Diskusston mit den Sozialisten scheuen alle staatserhaltenden Parteien wie das höllische Feuer. Mit brutaler Gewalt unterdrücken, mit dem Polizeiknüppel oder Säbel drein- schlagen, auchAlles über den Haufen schießen" das kann diese geistig bankrotte Gesellschaft, abermit geistigen Waffen kämpfen", die Berechtigung ihrer eigenen Existenz nachweisen, den Sozialismus mit Vermuistgründen wider­legen das kann sie nicht, und wird sie nie- mals können weder in Belgien   noch anderswo. Seute(den 12. November) werden die noch ausstehenden enatswahlen vollzogen. Die meisten sind den Kleri- kalen sicher. Nur 7 werden der Opposition zufallen, und von diesen 7 beanspruchen die Sozialisten 4 für sich. Die Liberalen weigern sich zwar, werden aber wohl müssen. Die Sozialisten wollen in den Senat, dessen Existenz- derechtigung sie natürlich nicht anerkennen, nur in der Ab- ficht eintreten, von innen herausdie alte, überflüssige Baracke zu zerstören". Ten Tod eines der tüchtigsten Genoffen beklagen die belgischen Sozialisten. Am Freitag starb in Herstal  Oskar Beck, einer der eifrigsten Redner und Jour- nalisten der Partei. Zahlreiche Verfolgungen er war städtischer Beaniter vermochten nicht, ihnmürbe zu machen", seine Körperkraft wilrde aber rascher untergraben, und als er der Proletarierkrankheit erlag, zählte er erst 42 Jahre. DerPeuple  " vom gestrigen Tag widmet dem treiien Genossen einen warmen Nachruf. Das italienische Parlament tritt am 28. November zusammen. Die Regierung behauptet, einen Plan zur Deckung des Defizits zu haben, hält ihn aber sorgfältig ge- heim. Jedenfalls ist er gleichwerthig mit dem berühmten Plan" Trochu's zur Vertheidigung von Paris  . JenerPlan" war bekanntlich Schwindel. Das italienische Königreich ist ein- fach bankrott und zwar bankrott durch die Politik, welche Crispi jetzt auf die Spitze treibt. Die Finanzkrise und die politische Lage werden der Kammer reichlichen Stoff geben und verbürgen eine stürmische Session. Die Opposition hat mächtige Waffen gegen die Regierung, und sie hat hinter sich die allgemeine und beständig im Wachsen begriffene Erbitterung des Volkes über die Gewaltthätigkeiten, die Mißwirthschast und die Korruption des Crispinischen Regiments.   Der sozialistische Abgeordnete und Professor F e r r i, von der Universität Pisa  , soll wegenAufreizung zum Klaffen- haß und Zugehörigkeit zu einer verbotenen Verbindung" verfolgt werden auf grund des A n a r ch i st e n gesetzes. Die verbotene Verbindung" ist beiläufig ein aus grund des ?l n a r ch i st e n gesetzes ausgelöster sozial: st ischer Verein. Unddas Auarchistengesetz wird nicht auf Sozialisten angewandt, das verspreche ich bei meiner Ehre" hat Crispi in der Kammer gesagt. Es giebt eben allerhand Sorten vonEhre". Auch eine Crispinische. Tie norwegischen Wahlen werden unzweifelhaft zu einer Niederlage der konservativen Regierung führen. Die Wahlen, die nicht an einem Tage, sondern im Verlaufe niehrerer Monate stattfinden, sind zwar noch immer nicht zum Abschlüsse gelangt, aber die Opposition hat von den 114 Parlamentssitzen schon 57 erobert. Da noch 20 Wahlen stattzufinden haben, so wird der Erfolg der Radikalen sehr groß werden. Bekanntlich ist auch ein Sozialdemokrat ge- wählt worden. Tie Cortes treten heute in Spanien   zusammen. Von einer Thronrede ist abgesehen worden wie in Belgien  . Die Lage ist echt spanisch und die Regierung weiß nicht was sie sagen soll. Der alte KursZin Rustland. Aus jPetersburg wird telegraphirt: DiePetersburgskaja Gazeta" ist durch Verbot des Ver- kaufs von Einzelnummern für zwei Monate in Zensurstrafe ge- nommen worden. Dieselbe veröffentlichte jüngst einen stark übertriebenen Extrabericht über einen Zusammenstoß von Eisen- bahnzügen in Moskau   und ließ denselben aus den Straßen ver- kaufen. Attentatsfurcht scheint in Petersburg   zu Herr- schen. Von dort wird heute gemeldet: Die Amtsblätter veröffentlichen die Hof- und Polizeiverord- nungen betreffend die morgen Vormittag 10 Uhr erfolgende Ankunft der Leiche Kaiser Alexanders III. Das Publikum kann hinter den Spalier bildenden Truppen, an mehreren Stellen auch frei auf den Trottoiren Aufstellung nehmen. Auf Balkons, Dächern, Zäunen und Laterne npfo st en darf Niemand Platz nehmen. Gegen 9 Uhr Morgens werden die auf den Weg des Leichen- zuges ausmündenden Straßen gesperrt, sowie die Thüren der auf dem Wege liegenden Häuser und Magazine geschlossen. Der Pferdebahn- Verkehr aus dem Wege, welchen der Leichenzug nimmt, wird eingestellt. Alle Lokale, in welchen Spirituosen verkauft werden. werden schon heute Abend 10 Uhr geschlossen und bleiben es bis auf Weiteres. Zum ostasiatischen Kriege liegen heute die folgenden Depeschen vor: Hiroshima  , II. November.(Telegramm desReuter- schen Bureaus".) Amtliche Depeschen des Generals Oyama melden: Die erste Brigade hat Kinschow am S. und Talienwan am 7. d. Mts. eingenommen. Die chinesischen Streitkräfte in Kinschow bestanden aus 1000 Mann Infanterie und 100 Mann Kavallerie, in Talienwan aus 3000 Mann Infanterie und 130 Mann Kavallerie. Die Chinesen räumten die Plätze nach kurzem Widerstande und zogen sich nach Port Arthur zurück. Die Japaner verloren 10 Mann, der Verlust der Chinesen ist eben- falls gering. Shanghai  , 11. November.  (Telegramm deSReuter- schen Bureaus".) Nach einer Meldung aus Tientsin vom K. d. M. haben der Kaiser und der kaiserliche Hof die Abreise nach Sinjanfu (Provinz Kiangsu) vorbereitet. London  , 12. November. Nach einer Meldung derTimes" aus Tschifu   von gestern haben der Kaotai Kunz und mehrere Truppenchefs am 6. d. M. Port Arthur verlassen, woraus hervor- gehen würde, daß der Platz übergeben werden sollte. Am 10. d. M. wurde das Peiyang-Geschwader, aus sechs Schiffen bestehend, auf der Rhede   von Taku gesehen, wo eS Proviant und Munition einnahm. Demnach scheinen die Erfolge der Japaner vollständig zu sein. Die chinesische   Regierung soll ein zweites Mal die Mächte um ihre Vermittlung angefleht haben. London  , 12. November. Die heurigen Abendblätter mel- den aus Shanghai   von heute: Nach einem Telegramm aus Tschifu   haben die Japaner gestern früh Port Arthur genommen, fast ohne Widerstand zu finden. Als die Japaner nach dem Bombardement zum Sturm vorgingen, legten die Chinesen die Waffen nieder und ergaben sich. Wie verlautet, verließen der chinesische   General   mit dem Generalstab und den anderen Ober- ofsizieren in der Nacht des 6. November die Forts und retteten sich auf einen Aviso und einen Dampfer. Washington  , 12. November. Der amerikanische   Ge- sandte in Tokio   übermittelte gestern der japanischen   Regierung eine Depesche des Staatssekretärs Gresham. welche besagt, wenn Japan   sich dem Ersuchen Chinas   um Vermittelung des Präsi- deuten Cleveland   anschließen würde, so wäre dieser bereit, seine guten Dienste zur Verfügung zu stellen. Berichte über den Parteitag. In einer Parteiversamm- lung in Dresden  , die äußerst stark besucht war, erstatteten die beiden Delegirlen Dr. Gradnauer und Sindermann Bericht über den Frankfurter   Parteitag. Nach lebhafter Drs- kussion fand eine dem Verhalten der Delegirten beistimmende Resolution Annahme. Ferner wurde folgende Resolution an- genommen:Die heutige Versammlung erklärt sich mit den Be- schlüssen des Parteitages einverstanden, bedauert jedoch, daß in bezug auf die Budgetfrage kein Beschluß zu stände kam, der für die Zukunft eine Richtschnur in solchen Fällen giebt." Die Genossen Herbert und Storch erstatteten den Stettiner Parteigenossen Bericht und wurde deren Haltung auf dem Parteitag von der Versammlung im Wesentlichen als richtig anerkannt. In C r e f« l d berichtete der Genosse W e s ch über den Parteitag. Ihm wurde der Vorwurf gemacht, daß er sich nicht an sein Mandat, wonach er für die Berliner   Anträge bezüglich der Gehälter der Parteibeamten hätte stimmen muffen, gehalten habe. W e s ch entgegnet, daß er sich habe überzeugen lassen, daß der Parteitag die Gehaltsfrage überhaupt nicht regeln könne; er sei aber für Einsetzung einer Kommission gewesen. Nach Er- scheinen des Protokolls wird sich voraussichtlich eine zweite Ver- sammlung nochmals mit dieser Angelegenheit beschästigen. Bon der Agitation. Im Rheinland   sprach aus Ver- anlassung des rheinischen Agitalionskomitees Genosse Bruno G e i s e r in der Zeit vom 31. Oktober bis zum 7. November in 7 gut besuchten Versammlunge», die zum Theil von sozialdemo- kratischcn Vereinen abgehalten wurden oder Partei- und Volks- Versammlungen waren, in Elberfeld  , Düsseldorf  , Crefeld  , Duis- bürg, Solingen  , Remscheid   und Barmen. Er behandelte überall mit bestem Erfolge die Themata:Unsere Wellmächte, ihre Triumphe und ihr Untergang." fernerDie Ausgabe des ziel- bewußten Proletariats" undDer Kamps gegen den Um- stürz". Parteipresse. Die MagdeburgerVolksstimme" legt von jetzt ab jeder ihrer Sonntagsnummer«ine Beilage bei, betitelt:Der Landbote  ". Diese Beilage ist berechnet für die Landbeivohner und ist ihr Inhalt diesem Zwecke gemäß zu- geschnitten. Die Abonnenten derVolksstimme" sollen durch diese Neuerung durchaus nicht beeinträchtigt werden, der Preis bleibt derselbe."" Auch die Himmelspolizei zeichnet sich in Sachsen   durch schneidiges Vorgehen gegen denUmsturz" aus. Ueber einen unliebsamen Auftritt am Grabe des kürzlich verstorbenen Genossen Drechsler in Netzschkau   bei Zwickau   schreibt unser dortiges Parteiorgan:Bei der Beerdigung Drechsler'» kam es zu einem, für die Angehörigen und die Masse der sonstigen Anwesenden sehr unangenehmen Auftritt. Diakonus Lenk hielt die Grabrede. Nach Beendigung derselben, die von den anwesenden Sozialdemokraten mit vollkommenster Ruhe angehört wurde, trat Genosse Rohleder auS Elsterberg   an den Geistlichen heran und bat um die Erlaubniß, am Grabe unseres Parteifreundes einige Worte reden zu dürfen. Herr Lenk gestattete dies nicht. Rohleder legte alsdann den von den Elstcrbcrger Parteigenossen gewidmeten Kranz am Grabe mit einem kurzen Abschiedsgruß an den Todten nieder. Da geschah es. daß Herr Diakonus Lenk  , der sonst immer höflich grüßend. immer die Hand an der Hutkrempe, die Straßen Netzschkau's  durchwandelt, plötzlich in großen Zorn gerieth und auf unseren Genossen mit den Worten eindrang:Sie haben hier ruhig zu sein, Sie haben das Gesetz über- treten, Sie haben eine heilige Handlung gestört, nennen Sie mir Ihren Namen." Da die Grabrede und das Gebet dieses Herrn unter größter Ruhe stattgefunden hatte, so wurde natürlich vou Nohleder und Anderen dagegen protestirt, dieheilige Handlung" gestört zu haben.Ihr seid ruhig, und Ihr macht, daß Ihr fortkommt", unter diesen Worten, welche die Erregung unter dem Publikum nur noch vergrößerten, be- hauptete Herr Lenk den Friedhof. Der Name Rohleder's wurde auf Veranlassung des Geistlichen von einem Schutzmann fest« gestellt. »» 6v 0V0 Unterschriften sollen für die Mehnert'sche Angst- Petition gegen denUmsturz" in Sachsen   zusammengebracht worden sein. Wenn das nichts mehr Hilst, dann ist überhaupt kein Kraut gegen denUmsturz" gewachsen. Ungetrübte Heiterkeit,?o schreibt dieLeipziger Volks- zeitung", bereitet uns dasVaterland" mit der Bemerkung, der erste Führer der Sozialdemokratie, August Bebel  , sei auf den« Frankfurter   Parteitage der eigentliche Besiegte gewesen, Vellmar  sei ihm über. Zu dieser naiven Behauptung setzt das Blatt mit geheimnißkrämerischer Miene wörtlich hinzu:Es giebt Leute, die schon jetzt einen baldigen Sturz Bebel's prophezeien." Es ist immer lustig, die Gegner sozialdemokratische Staatsgeheimnisse auspacken zu sehen; das Vaterland hat aber allen unfreiwilligen Witzblättern hierin etwas voraus. »» Ueber die Auflösung des'Elberfelder Frauenvereins, die bereits im Februar d. I. geschah, soll endlich am 11. Dezember die richterliche Entscheidung stattfinden. » Polizeiliche  », Gerichtliche» re. In der Volks-Buchhandlung in Halle wurden vor einigen Monaten eine Anzahl Exemplare von Max Kegels Liederbuch, V. Auflage, polizeilich beschlagnahmt, vor einigen Tagen aber zurückgebracht. Auch eine Beamtenbeleidigung.Ich be« antrage, daß gegen das Auftreten des Ueberwachenden Beschwerde geführt wird; es ist eine Unverschämtheit, die Versammlung auf­zulösen, die Wahrheit wollen sie eben nicht hören!" Diese Worte soll nach der Auflösung einer Steinarbeiter-Bersanimlung in Dresden   der Steinmetz Sachse in die Menge gerufen haben, und fühlte sich der damalige Ueberwachende dadurch beleidigt. In der Verhandlung bestritt Sachse auf das Entschiedenste, so gerufen zu haben, allein es traten gegen ihn drei Gendarmen als Belastungszeugen auf. Das Gericht erkannte die Anklage für gedeckt, und wurde Sachse zu 1 Woche Gefängniß verurtheilt. Verboten hat die Polizei in Löbtau  -Dresden  das Stiftungsfest des dortigen Arbeitervereins, weil angeblich Eintrittskarten an NichtMitglieder verkauft worden seien. Es geschehen noch Zeichen und Wunder. In Dresden  , so da liegt in Sachsen  , ist der Genosse R e i ch a r d t. der auf grund des Kautschuk-Paragraphen Polizei- Haft absitzen sollte, weil ergroben Unfug" verübt haben sollte, freigesprochen worden. Das Gericht stellte sich auf den vernünftigen Standpunkt, daß durch die Ausführungen Reichardt's in einer Versammlungöffentliches Aergerniß" nicht erregt werden könne. Aufgelöst wurde eine Versammlung in Strießen bei Dresden  , als der Referent, Landtags-Abgeordneter Postelt, bemerkte, daß, während die Oppositton der Herren Landwirthe unter dem besonderen Schutze der Behörden stände, die Sozial- demokraten unter dem verstärkten Drucke der Polizei agitiren müßten. Das schien dem überwachenden Beamten etwas ganz Neues zu sein; er glaubte in seinem Rechtlichkeitsgefiihl offenbar, der Referent verleumde die Behörden und deshalb entzog er ihm das Wort. Hiergegen verwahrte sich der Vorsitzende mit dem Bemerken, daß der Beamte sich erst an ihn, den Borsitzenden wenden müßte, bevor er dem Redner das Wort entziehen könnte. Infolge dessen wurde die Versammlung aufgelöst. Wegen Beleidigung eines Oheramtsrichters waren ange- klagt der Redakteur desNorddeutschen Volksblattes" Genosse u g und der Bäckermeister Jürgens zu Oldenburg  . Die eleidtgung sollte enthalten sein in einem Artikel, in dem gesagt war, daß an einem Sonntage im August ein Oberamtsrichter eine Vergnügungsfahrt nach Rastede   gemacht habe, ohne Chausseegeld zu bezahlen. Durch die Verhandlung vor dem O l d e n- b u r g e r Landgericht eragb sich, daß die Thatsache wohl wahr, daß aber der Herr Justizrath eine Diensttour gemacht hatte; bei solchen wird Chausseegeld nicht gezahlt. Der Staats- anwalt beantragte wegen der Schwere des Vergehens 14 Tage Gefängniß. Der Gerichtshof schloß sich dem Antrag bezüglich des Angeklagten Jürgens an, gegen Hug wird ein neuer Termin staltfinden, weil dieser den Nachweis erbringen will, daß seine Thäterschaft ausgeschlossen war. Unberücksichtigt blieb der Umstand, daß der Justizrath an der Erregung des Jrrthums mit Schuld war. Er hatte weder seine Umform an. noch am Chausseewärterhaus sich genügend legitimirt. Daß der Herr Justizrath seine Familie mit auf vi« Diensttour genommen, kann auch nicht dazu beigetragen haben, jenen Jrrthum zu zer- stören. Ein eifriger Staatsanwalt scheint der Frank- furter Assessor Wahn werden zu wollen. Der Redakteur der FrankfurterVolksstimme". Genosse Wilh. Schmidt, wurde in einem Preßprozeß zu 100 M. Geldstrafe verurtheilt, weil er zwei Schutzleute in Hanau   beleidigt haben sollte. Am 8. Juli kehrte der HanauerArbeiterschutz-Verein" Abends 10 Uhr von einem Waldfeste heim, und die Musik spielte, während die Theilnehmer die Marseillaise   sangen. Es veranlaßte eine gewisse Aufregung unter den Vereinsmitgliedern, als zwei Schutzleute die Musik und den Gesang untersagen wollten. Man rief:Weiter spielen!" und die Menge, mindestens 200 Personen, umstellte die Beamten. Das vermittelnde Ein» treten einzelner Vereinsmilglieder verhütete, wie eS in dem Ar« tikel heißt, traurige Vorkommnisse. In dem Bericht sind aber verschiedene Angaben enthalten, die von den Polizisten als be- leidigend empfunden werden und sich nicht erweisen lassen. Der Staatsanwalt Assessor Wahn sieht darin eine schwere Beleidigung und beanttagt 3 Monate Gesängnißstrafe, aus grund des Z 21 de» Preßgesetzes. Genosse G r i l l e n b e r g e r. der weqen Beleidigung des Nürnberger Magistrats von dem Stadtgewalttgen, dem ersten Bürgermeister von Schuh  , verklagt worden war, ist zu 200 M. Geldbuße verurtheilt worden. Grillenberger hatte Schuh, den weiland deutschfreisinnigen Landtags- Abgeordneten, der uiit nn- erhörter Rücksichtslosigkeit die Arbeiterbewegung tribulirt, das bayerische Vereinsgefetz so wundersam(Zulassung von Frauen zu Versammlungen) ausgelegt und die Arbeiterinnenorganisation zerstört hat, weil eine Arbeiterin als Delegirlin nach Frankfurt  geschickt wurde, des groben Amtsmißbrauchs bezichtigt. Der Anits- anwalt hatte einen Monat Gefängniß beantragt. Es wird natürlich Berufung eingelegt werden.