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Nr. 235 3$. Jahrgang

Seilage ües vorwärts

Sonnabend, 21. Ntalmi

Die Kalipreiserhöhung. Hefter die Vorgänge bei der Erhöhung der Kalipreise erhalten wir folgenden Bericht: Es ist allgemein aufgefallen, daß zu einer Zeit, wo auch in Deutschland auf der ganzen Linie auf Preisabbau hingedrängt wird, gerade die Kaliindustrie mit bedeutenden Preiserhöhungs- forderungen auf dem Plan erscheint. Die Kalipreise sind bekannt- lich gesetzlich gebunden, nur mit Zustimmung des Reichskalirates können sie vom Synditat erhöht werden. Das Reichswirtschafts- Ministerium kann Erhöhungsbeschlüsse beanstanden oder auch die Preise nach Anhörung des Reichskalirates und des Kalisyndikats herabsetzen. Seit Dezember 1919 sind die Kalipreise nicht mehr erhöht worden, obwohl die Inlandspreise tatsächlich schon seit Sommer 1929 die Selbstkosten nicht mehr decken. Für das Ausland hat man der Kaliindustrie bei der Preisregelung nach oben fteie Hand ge­lassen, nach unten aber darf unter dem Inlandspreise nicht vertauft werde». Die Bewegungsfreiheit der Preisgestaltung am Auslandsmarkt sind vom Kalisyndikat immer weidlich ausgenutzt worden, well es !»ts Friedensschluß Konkurrenz nicht gab. Namentlich bei een Preisabschlüssen mit Amerika hat das Kalisyndikat in den letzten -Zahren weit übers Ziel geschossen und hat dabei die Industrie selbst stark geschädigt, wie sich das jetzt zeigt. Amerika zahlte bisher un- gesähr nur den dreifachen Satz des Friedenspreises. Aber bei der Valutaentwicklung Ende 1919 und Anfang 1929 bedeuteten diese Preise einen ganz enormen Gewinn. Der Dollar stand damals weit über 199 M. deshalb konnte auch die Kaliindustrie im Frühjahr und Sommer 1929 Gewinne ausschütten, wie sie»och nie dagewesen waren. Einige Werke waren vorsichtig genug und legten sich gute Reserven zurück. Andere aber taten das nicht und verteilten außer- ordentlich hohe Gewinne. Dadurch gewann damals alle Welt die Ansicht, daß die Kalipreise viel zu hoch seien. Das war aber tat- sachlich im Hinblick auf die Inlandspreise ein Trugschluß. Die Kali- industrie aber hatte selbst noch nicht den Mut, im Sommer 1929 höhere Preise zu verlangen, weil alles aufgeschrien hätte, wenn diese Industrie bei solchen Ueberschüssen Preiserhöhungen verlangt hätte. Dazu stellte im Sommer 1929 der Reichsernährungsminister. Herr Herme«, in vielen Konferenzen der Landwirtschaft Preis er» niedrigungen für Kali in Aussicht. Trotz ungeheurer Werksüberschüsse wurden damals Lohnfor- derungen der Kaliarbeiter- und Angestellten von den Kaliherren nicht uuhr bewilligt. Die Löhne der Braunkohlenleute standen höher als die in der Kaliindustrie. Früher war das umgekehrt. Im Herbst 1929 riefen Arbeiter und Angestellte das Schiedsgericht an, welches einen günstigeren Schiedsspruch fällte. Der Arbeitgeber» verband lehnte ihn ab. Das Arbeitsministerium erklärte Anfang 1921 den SchiÄsspruch für die Arbeiterlöhne für verbindlich. Die Kaliherren pfiffen aber darauf und verweigerten die Lohnerhöhungen weiter. Inzwischen war der Absatz nach dem Auslande stark zu- rückgegangen. Der Absatz nach Amerika war ganz geschwunden, weil ein neuer Abschluß mit niedrigeren Preisen nicht zustande kam. Die elsässische Kaliindustrie hatte aber inzwischen die Situation gründlich ausgenützt und hat zu be- deutend niedrigeren Preisen nach Amerika ge- liefert. Die deutsche Kaliindustrie hingegen saß fest. Der Karren war gründlich verfahren. Die Werksherren machten bekanntlich in Versammlungen selbst dem Syndikat Vorwürfe. Die Selbstkosten waren inzwischen auf 59 bis 89 Proz. über die Inlandspreise hin» aufgeschnellt. Nun kam das Kalisyndikat im Januar 1921 mit Preiser- höhungsanträgen an den Reichskalirat heran. Arbeitnehmer und Landwirtschaft oertreten dort die Hälfte der Stimmen. Die Arbeit- nehmer, die man durch brüske Ablehnung ihrer Forderungen zurück- .zestoßen hatte, sollten nun den Kaliherren aus der Patsche helfen. Trotz einer Preiserhöhung von 69 bzw. 55 Prozent wurden aber immer noch kleine Lohnerh öhungen abgewiesen.»Die Arbeitgeber wollen die Gewerkschaften durch ihre Preis- und Lohnpolitik zerschlagen". So hörte man wieder­holt i» Arbeiterkreisen sich äußern. Denn den Arbeitervertreier hätten wir sehen wollen, der es gewagt hätte, den Kaliherren höhere

Einnahmen zu verschaffen, ohne die so stark zurückgebliebenen Löhne und Gehälter ebenfalls zu erhöhen. Gesteinigt wären sie worden. Und nicht etwa von überradikalen Elementen. Nein, sehr ruhig- denkende Arbeiter sind so verbittert über das traurige, kurzsichtige und trotzig ablehnende Verhalten der Kaliherren, daß eine Zu- ftimmung der Arbeitnehmervertreter einen Sturm der Ent- rüstung heraufbeschworen hätte. Die Preiserhöhung wurde am 1. Februar im Reichskalirat ab- gelehnt. Die Arbeitgeber hofften nun, durch Einlegung von Feier- schichten und Kündigungen eine Aufregung gegen die Arbeitnehmervertreter im Kalibergbau heraufzubeschwören, angeb- lich, weil diese durch ihren Widerstand die Preiserhöhung hinter- trieben hätten. Das ist aber nicht wahr, denn das Ministerium hätte gegen eine Preiserhöhung damals Einspruch erhoben. Das war be- kannt. Die Arbeiter wurden immer gereizter und forderten in Konferenzen strikte Ablehnung jeder Preiserhöhung, wenn nicht die entsprechenden und berechtigten Lohnerhöhungen vorher bewilligt würden. Nun kam jetzt im April das Syndikat mit einer neuen noch höheren Forderung an den Kalirat. 65 bis 75 Proz. sollten die Preise der verschiedenen Kalisorten hinaufgesetzt werden. Die Frachterhöhung ab 1. April trifft allerdings die Kaliindustrie sehr stark, weil sie nicht nur die höheren Kosten für die Kohlenzufuhr usw., sondern nach§22 des alten Kaligesetzes bei Entfernungen von über 599 Kilometern auch 19 bis 25 Proz. der Frachten für das verkaufte Kali zu tragen hat. Die Landwirtschaftsoertreter wollten nur einem geringen Prozentsatz der Erhöhung zustimmen. Die Schiedssprüche der Arbeiter und Angestellten wollten die Kaliherren aber nur dann voll erfüllen, wenn es 79 und 75 Prozent Preis­erhöhung gab. Die Arbeitervertreter oerlangten auch für die Ar» beitslosen bei Stillegungen und für die vielen Feier- schichten meist drei in der Woche find eingelegt eine Ent­schädigung für die Arbeiter. In der Sitzung des Reichskalirats am 21. April fielen die 2 Angestelltenvertreter um, weil sie unter Feier- schichten nicht zu leiden hatten und sich mit der in Aussicht gestellten Nachzahlung des Schiedsspruches ob 1. Januar hatten ködern laflen. Sie stimmten für die Preiserhöhung von 65 bis 75 Proz. Die Vertrete der Landwirtschaft und Arbeitervertreter lehnten abermals ab. So wurde zwar der Antrag des Kalisynditats mit 17 gegen 13 Stimmen beschlosien, aber das Reichswirtschaftsministerium legte sein Veto ein und inhibierte den Beschluß insoweit, als er die Preise um über 35 Prozent erhöhte. Neue Verhandlungen mit dem Reichswirtschaftsministerium führten schließlich dahin, daß es die Preiserhöhungen w der Höhe bewilligte, wie sie das Kalisyndikat im Januar selbst beantragt hatte, nämlich in Höhe von 56 Prozent für 49 prozentiges Düngesalz und 59 Prozent für alle übrigen Sorten. Das Ministerium hatte aber dabei ausdrücklich zur Bedingung gemacht, daß die ftaglichen Schiedssprüche für Angestellte und Arbeiter erfüllt, die Lohnerhöhungen also nachgezahlt werden müßten. Diese Preis- erhöhung ist ab 21. April in Kraft gefetzt, aber der Arbeitgeber- oerband der Kaliindustrie weigert sich trotzdem, die Schiedssprüche anzuerkennen. Er pfeift also auf die Bedingungen des Ministeriums. Nur ab 1. Mai sollen den Angestellten etwa 19 Proz. und den Ar- beitern nur 2 bis 4 M. pro Schicht durchschnittlich mehr gezahlt werden. Die Erbitterung in der Arbeiterschaft wird über dieses Vorgehen der Kaliherren noch großer werden. Stillegungen er- folgen eine ganze Anzahl, aber kein Arbeiter oder Angestellter be- kommt einen Pfennig der gesetzlichen Entschädigung. Die Quoten werden nämlich von den stillgelegten Werken erst später ander- weit verwertet, wenn die Vorräte aufgezehrt sind. So wollen die Herren das Gesetz umgehen, welches bei Quotenoerkäufen für Arbeiter und Angestellte Entschädigung in der Weise vorsieht, daß Lohn und Gehalt bis zu 26 Wochen zu zahlen sind, falls keine an- dere entsprechende Arbeit nachgewiesen werden kann. Die Absatzschwierigkeiten sind jetzt sehr groß. Des- halb glauben die Herren, den Arbeitern alles bieten zu können, aber das wird wieder anders: denn die deutsche Landwirtschaft und auch das Ausland braucht mehr Kali, als jetzt bezogen wird. Die Preiserhöhung macht pro Pfund Brot etwa 1 Pfennig, bei den Kartoffeln pro Zentner noch keine 49 Pfennig aus, selbst wenn alle ftaglichen Aecker mit Kali gedüngt werden. Der jetzige A b» satzrückgang wird also sicherlich nicht lange anhalten,

namentlich wenn das Kalisyndikat in Amerika endlich zu bedeutend niedrigeren Preisen abschließt, und die elsässische Konkurrenz aus dem Felde schlägt, die größtenteils durch die zu hohen Preise künstlich großgezogen wurde. Die Arbeitgeber sollten end- lich einsehen, daß es sich schwer rächen kann, wenn sie die Arbeiter, wie bemerkt, so reizen. Die Werks st illegungen müssen vorgenommen, das Weiterabteufen von Werken muß endlich ganz verboten werden. Denn es sind schon längst zu viel Werke vorhanden, nämlich über 299, vor 19 Jahren waren es kaum 79, und über 69 sind noch an- gefangen, zum Teil teufen sie trotz der schlimmen Lage noch ruhig weiter ob und oerlangen in Kürze auch Beteiligungsziffern auf Kosten der alten Werke. Diesem Wahnsinn, den die Industrie selbst nicht steuert, hätte die Regierung längst ein Ende bereiten müssen. Denn die Preise müssen in die Höhe gehen, wenn so unwirtschast- lich verfahren wird und trotz Ueberfluß immer noch mehr Produk- tionsstätten hergestellt werden. Hoffentlich wird der Reichs- wirtschaftsrat und der Reichstag endlich seines Amtes walten und Remedur schaffen. Die Sozialisierungskommission hat ihre Vorschläge in bezug auf die Kaliindustrie kürzlich veröffentlicht. Die Mßwirt- schaft des Privatkapitals in der Kaliindustrie, welches der schädlichen Spekulation freie Hand ließ und nicht den Mut fand, dem Weit- rennen nach Werksgründungen Einhalt zu tun, hat es verdient, daß durch eine zweckmäßige Sozialisierung in dieser Industrie endlich Ordnung geschaffen und die Privatmißwirtschaft abgelöst wird.

GroßSerllu Nonnenfließ unü Schwärze. Die diesmalige SonntagSwanderung beginnt am Bahnhof Melchow der Stettiner Fernbahn. Wir Verlasien das Dorf in östlicher Richtung auf dem Wege nach Schönholz. Bald ist der Wald erreicht, ein schöner Mischwald mit vielen Buchen und Birken. Das frische Grün der jungen Blätter erzählt vom wiedererstandenen Frühling, und auch die Vögel verkünden ihn mit ihrem Gesang. Wir kommen durch das Dörfchen Schönholz. An seinem Aus- gang wenden wir uns gen Ost; bald sind wir wieder im Wald und haben da? Nonnenfließ erreicht. Im tief eingeschnittenen Tal schlängelt es sich gewundenen Laufs dahin. Buchenbestandene Höhen bilden die Uferhänge, aus denen Quellen sprudeln. Die Bodenflora des Laubwalds ist jetzt in schönster Ent- faltung anzutreffen. Weiß und gelb leuchten die Anemonen; sie wirken mit den blauen Blüten des Leberblümchens und des WaldveilchenS ein buntes Muster in den Teppich des Waldbodens. Die Blütenstände des in der Mark nicht sehr häuflg vorkommenden gelben Bienensaugs sehen wir hier sehr zahlreich, und auch daS Milzkaut mit seinen hellgrünen Blättern und gelblichen Blütche« bildet große Bestände. Waldmeister, Schattenblume und ihre Ler- wandte, da? Maiglöckchen, gesellen sich in den Reigen der Frühlings. blüher. Am Liesenkrüz vorüber, wo einst eine schirmartige Laube stand, kommen wir zum Geschirr, eine ehemalige Papiermühle�''"' Wir kletterten auf die Höhe hinauf und folgten dem Gestellweg gen West. Jenseits der zweiten Chausiee biegen wir nach Nordwest ab;'- überschreiten die Stettiner Bahn und find bald an der Schwärze. Auf einer Brücke überschreiten wir dieses Fließ und wandern dicht neben ihm gen West. Der Wald wird auS Laub- und Nadelbäumen gebildet; mehrere sehr starke alte Buche» von knorrigem Wuchs ragen hier auf. Wir halten uns immer in der Nähe des Fließes und kommen schließlich zum Schwärze-See, wo die Schwärze ihren Ursprung hat. Am ForsthauS Schwärze vorüber und in bis­heriger Richtung weiter bis zu einer Straße, die von Heegermühle kommt. Dieser folgen wir ein Stück nach Südwest, und dann auf dem Weg nach Melchow in südlicher Richtung. Hügelketten und Senken wechseln miteinander ab. Dann kommt eine Dünenlandschaft, die entstand, alS sich die Wasser de? Urstroms verlaufen hatten. Der Steilhang der Dünen liegt gen Nordost, der Flachhang gen Südwest; also waren eS süd­westliche Winde, die die Dünen zusammengeweht haben. Wir sind im Thorn-EberSwalder Urstromtal, in dem auch der Schwärze-See

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Skine Menschenkind. IN. Der Sündenfall. Von Marti» Andersen Nexö .

12. Der Sommer ist kurz. Sttne saß an dem hohen Feldram und schützte sich gegen den Nebelregen. Das Bich weidete unten auf der Moor - wiese. Mehrere von den Tieren waren von dem weißen Regennebel ganz eingehüllt, aber sie tonnte hören, wie sie drinnen in dem dicken Dunst das Gras abbisien; bei solchem Wetter blieben sie von selbst in der Nähe. Das Fell der Tiere hing voller Tropfen, und das Brom- beergestrüpp, unter dem sie saß, war ganz silbergrau vom Naß; sobald sie die geringste Bewegung machte, regnete es auf sie herab. Aber sie hatte gar kein Verlangen danach, sich zu rühren; ganz still saß sie da und wünschte sich noch stiller, unter die Erde wünschte sie sich. Auch in ihren Augen- wimpern hingen Tropfen, groß wie die, die sich an der Spitze jedes Blattes sammelten und es herabdrückten. Manchmal lösten sie sich und fielen auf ihre Wange herab, bald von einem der Blätter und bald von ihren eigenen Wimpern: es war nicht leicht, den Unterschied festzustellen, und sie machte auch keinen Versuch dazu. Nur wenn ein Tropfen weiter und in ihren Mund hinablief, war es von selber klar, woher er kam. Sie kauerte da auf dem Hügel, die nasien Füße unter dem Rock hervorstreckend; zwischen ihren Zehen war grünes Gras, die Haut unter der Fußsohle war weiß und hatte große Blasen von Feuchtigkeit. Die eine Hand hielt sie gegen den Mund geballt: sie biß auf die Knöchel und starrte unbeweg- lich vor sich hin, ohne mit den Wimpern zu zucken. Es sah aus, als wäre sie vollständig ins Stocken geraten. Der Boden wogte schwarz, auf dem Felde waren Schritte zu hören, es war Karl! Es hellte sich in ihr ein wenig auf, sie sah sich um. Vor ihrem verschleierten Blick lag alles so seltsam zerbrochen da, als wäre die Welt in tausend Stücke gegangen. Sie hob das Gesicht und sah erwarwngs- voll zu ihm auf.Nun nimmt er mich wohl in feine Arme und küßt mich/ dachte sie, unternahm jedoch nichts. Karl ober ließ sich still neben ihr nieder. Eine Weile saßen sie und schauten em jeder vor sich hin; dann suchte seine Hand im Grase die ihre.Bist du böse aus mkhr fragte er.

Sie schüttelte den Kopf.Du kannst ja nicht dafür, daß du so unglücklich warst." sagte sie. Sie starrte dabei weg, und chre Lippen zitterten. Karl beugte sich vor, um chren Blick einzufangen, mußte es aber aufgeben.Ich Hab' die ganze Nacht zum lieben Gott Sebetet, daß er mir meine Sünde vergibt, und ich glaube, er at es getan." sagte er nach einem Weilchen tonlos. So." Stine hörte, wie er es sagte, ohne daß es in ihr Bewußtsein eindrang. Es war ihr so herzlich gleichgültig, wie er sich mit dem lieben Gott auseinandersetzte. Aber wenn du es verlangst, werd' ich vor die Brüder hintreten und alles bekennen." Hastig wandte sie sich ihm zu; in ihrem Gesichtsausdruck war wieder Leben und Hoffnung:Kommt denn der Schul- lehrer her, glaubst du?" Ihm wollte auch sie sich gern an- oertrauen. Nein, ich meinte ja die Brüder der Gemeinde," sagte er. Ach so, ja, das müßte er machen, wie ihm gut schiene. Das ging sie nichts an. Kurz darauf erhob er sich und ging fort: Stine blieb ver- wirrt sitzen. Er hatte sie nicht geküßt, hatte ihr nicht ein- mal die Hand gedrückt; und sie gehörten nun doch zusammen, waren unglücklich verbunden durch das, was Schuld genannt wird. Sie hatte, sich bereits darauf eingestellt, Sellen bei ihm zu entdecken, zu denen sie auffehen konnte; er ließ sich nicht länger ausschließlich als Kind betrachten, das ihres Trostes bedurfte. Er hatte Besitz von ihr ergriffen, so daß sie ahnte, daß sie es nie wieder verwinden werde. Und es verlangte sie nach etwas, das sie bei ihm bewundern könnte, um sich hier- mit zu versöhnen; es war notwendig für sie, daß sie ihn liebte, um wenigstens etwas Sinn in das Geschehene zu bringen. Und nun benahm er sich, als ob sich nichts ereignet hätte, als ob nur etwas Garstiges, Langwelliges zwischen ihnen wäre. Verständnislos starrte Stine ihn an. Die Tage bekamen einen anderen dunkleren Ton. Es kam vor, daß sie sich ganz sorglos mll ihren verschiedenen Arbeiten beschäftigte, daß sie bei den Kindern des Tagelöhners saß und mll ihnen plauderte, und doch lauerte es in ihrem Innern, wie ein Wesen, das sie die ganze Zeit über bos- hast im Auge behielt. Lächelte sie, so konnte es diesem Wesen einfallen, eine schwarze Hand vorzustrecken und das Lächeln wegzuftreifen. Und manchmal überwältigte es sie ganz. Daun war gar Vicht » Erfreuliches av den Dingev» alle» er-

schien schwarz und trist, und sie hatte nur den einen Wunsch. das Geschehene von sich abstreifen zu können, zu werden wie früher, sich in den Staub vor irgend jemandem zu werfen und Vergebung für ihre Sünde zu erlangen. Es verstrich einige Zeit, bevor sie sich beruhigte und ihr Gemüt so weit Heilung fand, daß sie wieder in ihre sorglose Mädchenwelt zurückgleiten konnte. Aber es ist schwierig, die Hecke wieder zu schließen, die einmal durchbrochen ist. Stine wußte es von der Weide her und verspürte auch hier, wie wahr es fei. Sie hatte die Für- sorge für ein Wesen übernommen, und an und für sich war daran nichts Ungewöhnliches. So weit sie zurückdenken konnte, waren immer Anforderungen an ihre Fürsorge, an das Muttergefühl in ihr gestellt worden. Sie hatte alle Kräfte aufbieten müssen, um anderen das Dasein zu erleichtern, bis alle Forderungen gleichsam von selbst an ihr haften blieben: sie sollte helfen. Nun wäre sie gern ein wenig verschont geblieben. Es war Sommer; selbst in Stines Blut war die Sonne eingedrun- gen, sie hatte allen Kummer verjagt und eine fülle Lust ent» zündet, zu leben und sich zu vergnügen. Am Sonnabend war abends Tanz und Spiel, bald auf den Meerhügeln, bald vor irgendeinem Gehöft, und Stine fand sich getreulich ein. Sie hatte früher nie an richtigen Tanzveranstaltungen teilgenom- men und gab sich dem Genüsse hin in gleicher Begeisterung, mochte sie mll einem Manne oder einer der Freundinnen tanzen. Sie genoß den Tanz selbst: es war so wunderschön, die Augen zu schließen und in sanften Wirbeln davongetragen zu werden. Aber Karl ließ sie nicht gern zum Tanze gehen, er lag gewöhnlich irgendwo vor den Gehöften und paßt« ihr auf, bat und bestelle flehentlich, nicht hinzugehen. Stine machte sich nichts aus dem, was er da erzählte von Sünde und der- gleichen, aber leicht war es trotzdem jetzt nicht, sich ihm gegen- über zu behaupten; sie pflegte dann kehrt zu machen und zum Bakkehof zurückzugehen. Hätte er wenigstens einen Spaziergang mit ihr unternommen! Sie konnten am Strands entlang in der Richtung auf das Dorf zu gehen, ohne einem Menschen zu begegnen. Aber das fiel ihm nicht ein. Sie hielt ihn zum besten, indem sie sich den Anschein gab, als ginge sie zu Bett, und dann schlich sie sich auf dem anderen Wege hinaus und verließ den Hof. Und wenn der Tanz auf die Verfammlungsabende fiel, freute sie sich.(Forts, folgt.)