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ftarfc s o z i a l i st i s ch e Fraktion steht, mit der man iu dieser Stärke in Parteikreisen nicht gerechnet hatte Der heutige Sieg kommt noch überraschender als der Novembersieg von 1919.' Damals waren alle Erwartungen hochgespannt. Diesmal war man daraus vorbereitet, eine kleine kampstüch- tige Schar in die neue Kammer hinüberzuretten, deren Auf- gäbe es sein sollte, die Angriffe der Reaktion auf die soziale Gesetzgebung, namentlich auf den Achtstundentag und die Be- triebskontrolle, abzuwehren. In dieser Erwartung- hatte der Parteivorstand mit einem durchaus negativen Programm in den Wahlkampf treten können. Im Lichte des Wahlerfolges sehen sich nun auf einmal die Dinge ganz anders an. Man wird die sozialistische Frak- tion unmöglich aus die bloße Abwehr einstellen können, wo alles dafür spricht, daß die Tatsache ihrer Gegenwart hin- reichen wird, um dem Angriff zu widerraten. Man wird auch nicht das Programm der Sabotage des ganzen bürger- lichen Regimes wieder aufnehmen können. Ganz abgesehen von den wenig erfreulichen Früchten, die es in den Köpfen der Massen und in dem Wirtschaftsleben des Landes getragen hat, hatte dieses Programm nur Sinn, solange man an die dicht bevorstehende soziale Revolution glaubte, in welchen Glauben der erste Wahlkampf nach dem Kriege die Massen gewiegt hatte. Heute vertagen selbst die Kommunisten den Entscheidungskampf noch auf Jahr- zehnte. Die neue Parteifraktion wird eine neue Stellung zu den Tagesfragen annebmen müssen. Und das tritt jetzt schon mit Deutlichkeit hervor. In einer Polemik mit dem Genossen Baratono schreibt der Chefredak- teur desAvanti", S e r r a t i', in der Nummer vom 19. Mai: .Der Ruck n a ch r e ch t s ist nicht unsere Erfindung und auch nicht eine Erfindung Turatis:. er ist eine geschichtliche Tatsache des heutigen Tages. Er stellt gleichsam den Rück- schlag dar auf die schroffe Wendung nach links in den vergan- genen Iahren, und wir alle unterliegen diesem Rückschlag, ob wir es offen eingestehen oder ihn ableugnen." So schreibt, fünf Monate nach dem Parteitag von Livorno  , der damalige Führer derEinheitskommunisten"! Daß der Ruck nach rechts auch in dem Bewußtsein und dem Willen der Parteigenossen lebt, geht übrigens auch daraus hervor, daß alle reformistischen Führer(außer Prampolini und Zibordi, die der Verhältnisse in Reggio Emilia   wegen die Kandidatur abgelehnt haben) wiedergewählt worden sind: Turati, Treves, Modigliani  , d'Aragona, Buozzi, Dugoni, Mazzoni usw. und daß sich unter den Neugewählten leitende Persönlichkeiten dersozialistischen Konzentration" befinden, wie Gino B a l d e s i und Prof. Pieraccini. Die am meisten links stehenden Genossen sind von den Wählern nicht bevorzugt worden, während die Kommunisten ihre leitenden Persönlichkeiten durchgebracht haben, so Gennari, Misiano und Bombacci. Nicht als Folge der fascistischen Einschüchterung, sondern als Folge des eigenen Machtbewußtseins, das natürlich durch diesen Ausgang dieses Wahlkampfes bedeutend ge- stiegen ist, muß die Partei sich dem Wege der positiven Arbeit zuwenden. Die Haltung unserer Partei während der Wahlen ist in unseren eigenen Reihen als duckmäuferig und lamms- geduldig sehr scharf bekrittelt worden; das günstige Ergebnis dieser Taktik, die offen die Gewalt ablehnte, gibt jetzt der Partei ein erhöhtes Prestige den Mafien gegenüber und zeigt gleichzeitig, was eine vom Vorstande ausgegebene Parole über die Arbeiterschaft vermag. Auch aus dieser Tatsache erwächst der Partei eine neue Verantwortung. Und es ist anzunehmen, daß sie sich dieser Verantwortung immer klarer bewußt wird. Wenn das Parteivorstandsmit- glied Baratono wieder einmal die Frage von Turatis Aus- schluß aus der Partei aufs Tapet bringt, so ist das Wort- geklingel. Die italienischen Mafien haben eine starke sozialistische Kammerfraktion gehabt, die vom November 1919 bis zum Frühjahr 1921 kaum irgendeine positive Leistung zu verzeich-
nen hat. Man darf die Wahlen nicht dahin deuten, als wären sie eine Billigung und Bestätigung dieser negativen Aktion- Die Kritik gegen die Fraktion ist vielmehr verstummt gegen- über dem Waffengerasiel der Fascisten: daher der Kraftauf- wand, die Einmütigkeit, der Ernst im Wahlkampf. Aber der Grund zum Zusammenhalt muß jetzt von innen kommen; man muß sich zusammenscharen um die gemeinsame Arbeit. Wieder steht die Partei einer schwachen Regierung gegen- über, die morgen auch nicht mehr Giolitti heißen könnte. Es gilt ihr mehr abzuringen als in der letzten Legislaturperiode. Schon vor den Wahlen machte sich die Regierung Sorgen über die Uebermacht der Opposition; nach den Wahlen ist aber jede Regierung schwächer, weil sie eine wichtige Waffe verbraucht hat: die Drohung der Kammerauflöfung. das Urteil üer Parteigenossen. Zwickau  , 23. Mai.  (Eigener Bericht desVorwärts".) Die am Sonntag in Netzschkau   i. B. tagende Generalversammlung des Sozialdemokratischen Bezirksverbandes nahm nach einem mit lebhaftem Beifall aufgenommenen Referat des Reichstagsabgeord- neten Genossen Richard Meier überDie politische Lage und die Regierungsbildung" einstimmig folgende E n t s ch l i«» ßung an: Die am 22. Mai 1921 tagende Generalversammlung der Sozialdemokratischen Partei für den Bezirksverband Zwickau  billigt den Beschluß der Sozialdemokratischen Reichstagsfrak- tion und des Parteiausjchufies, für die Annahme des Ultimatums der Entente zu stimmen, weil dadurch der Vormarsch der Entente- truppen, die Besetzung des Ruhrgebiets mit ihren katastrophalen Folgen für die deutsche Industrie und insbesondere für die beut» sche Arbeiterschaft sowie der Verlust des oberschlesischen Industriereviers abgewendet worden ist. Da die K o m m u n i st e n und vor allem die Rechts- Parteien trotz ihrer laut bekundetennationalen Gesinnung" in schwerster Stunde völlig versagten und bei einer Politik be- harrten, die unmittelbar zue Ausliieferung deutscher Landesteile in feindliche Hand geführt hätte, durste die Sozialdemokratische Reichs- tagsfraktion sich der Pflicht nicht entziehen, an eier Regierung tagsfroktion sich der Pflicht nicht entziehen, an einer Regierung vor den unmittelbaren katastrophalen Folgen einer Ablehnung retten und den ehrlichen Versuch machen will, das uns Auferlegte nach bestem Können zu erfüllen. Die Versammlung fordert, daß die Reichstogsfraktion jeden Versuch der Deutschen Volkspartei  , nachträglich in die Regierung zu gelangen, rückhaltlos zurückweisen wird. Die Versammlung erwartet weiter, daß die Sozialdemokrati- schen Regierungsmitglieder mit allem Nachdruck für eine den Interessen des werktätigen Volkes dienende Politik eintreten werden. In diesem Sinn« wird die gesamte Arbeiterschaft hinter der Regierung stehen." « Stuttgart  , 23. Mai.  (Eigener Drahtbericht desVorwärts".) Am gestrigen Sonntag versammelten sich in Stuttgart   der er- wetterte Landesvorstand Württembergs und Hohenzollerns   und die württembergische Landtags- j f r a k t i o n zwecks Stellungnahme zur Lage im Reich und Württem-! berg. Nach einem Referat des Genossen Keil, der es als hoch- erfreulich bezeichnete, daß unsere Partei in dieser Krisenzeit nicht den kleinsten inneren Erschütterungen ausgesetzt war, wurde in mehrstündiger Debatte. die Austastung vertreten, daß die Reichs- regierung nur dann mit Erfolg arbeiten könne� wenn die Regie- rungen der einzelnen Länder von demselben Geist erfüllt seien wie die Reichsregiening. Di« württembergische Partei habe deshalb dafür' zu sorgen, daß die Politik der Reichsregierung in Württemberg   nach allen Richtungen u n t e r st ü tz t werde. Ob unsere Partei diese Ausgabe innerhalb oder außerhalb der Landes­regierung zu erfüllen in der Lage sei, das hänge von der Haltung der württembergischen Regierung und von der endgültigen Gestal- tung der neuen Reichsregierung ob. Folgende Enstchliehung wurde e i n st i m m i g angenommen: Der erweiterte Landesvorstand der Sozialdemokratischen Partei'Württembergs und Hohenzollerns   und die sozialdemokratische Fraktion des württembergischen Landtages hallen die Politik der
Reichskagsstakklon für die«nker den gegebenen VerhZllntsten oklela mögliche. Es erscheint ihnen selbstverständlich, daß die Fraktion bei der Vervollständigung des Reich skabinetts den Einfluß des hetzerischen Nationalismus und des Großkapi. t a l s auf die Reichspolitik mit allen Kräften zn beschränken be­strebt sein muß. Sie halten jedoch die Zusammenarbeit der Sozial-- demokralie mit der Deutschen Voltspartei in einer Regierung nicht für eine prinzipielle, sondern für eine taktische Frage. Im gegen­wärtigen Augenblick erachten sie die Möglichkeit dne« solchen Zu-* sommenwirkens unserer Partei mit der Deutscheu Volkspartei ans innen- und außenpolitischen Gründen nicht für gegeben. Die Kon» ferenz erwartet, daß die Reichstagsfraktion die von ihr eingenom» mene Position mit allen Kräften zur Pefestigung der demokratischen Republik, zur Erfüllung der Verpflichtungen gegenüber der Entente mit allen verfügbaren Mitteln, sowie zur Verteilung der Lasten auf die verschiedenen Schichten der deustchen Bevölkerung nach Maß- gäbe ihrer Leistungsfähigkeit zu nützen entschlossen sein wird. Pflicht der Parteigenosten ist es, bei aller Wahrung und Aus» Übung des Rechts freier Kritik ihre Vertreter in der Reichsregierung enstchieden in den Bestrebungen zu unterstützen, dem sozialdemo- kratischen Dolksteil den Anteil an der Leitung der Berwoltunz des Reiche» und der Länder zu sichern, auf den er einen begrün- deten Anspruch hat._ Ekel und Verachtung. Der Alldeutsche Verband   veröffentlicht eine Ent- schließung durch die Rechtspresse, die mit den Sätzen beginnt: Noch einmal hat die alte reichsfeindliche Mehrheit des Reichstages, entgegen ihren eigenen feierlichen Erklärungen, sich dem feindlichen Machtspruch unterworfen und damit unter Preis- gäbe der deutschen   Ehre das Vaterland der fremden Will- kür ausgeliefert. Der Geschäftsführende Ausschuß findet kein Wort der Derm» teilung für dieses Verhalten der Reichstagsmehrheit und der ihr ent- nommenen sogenannten Regierung hart genug läßt sich aber aucb durch die Vorgänge der letzten Zeit in seiner Zuversicht auf die Wie- dererhebung des deutschen   Volkes nicht irre machen: Zur inneren Umkehr muh der Teil des deustchen Volkes, der der Verführung durch widerdeutsche Parteien verfallen war, seine Verführer durch ihre Taten bis zu Ekel und Verachtung kennen lernen, damit er sich von ihnen abwendet. Ekel und Verachtung kann einen allerdings er- füllen, wenn man sieht, wie die Gesellschaft, die Deutschland  systematisch in Krieg und Verderben hinein- gehetzt hat und sich bei Ausbruch des Krieges vor Jubel gar nicht lassen konnte, jetzt einen großen Mund riskiert. Der Alldeutsche Verband   ist der letzte, der das Recht hat, von deut- scher Ehre zu sprechen. Niemand hat die deutsche   Ehre mehr in den Kot getreten, als das morallose All- deutscht» m, das jeder Tat im Kriege zugc- jubelt hat, die deutsche   Ehre befleckte. Auch wir sind der Ansicht, daß das deutsche   Volk Ekel und Verach­tung gegen seine Verführer lernen muß. Aber diese Ber- führer sind die Alldeutschen.
Richterlicher Ingrimm. In derDeustchen Zeitung" tobt ein preußischer Richter unter Wutausfällen gegen die Republik  und die Verfassung darüber, daß die religiöse Eidesformel a b g e f ch a f f t ist. Am Schlüsse sägt er:Mit verhattenem Ingrimm wird da» Gebot befolgt bis zum erhofften Tag der kommenden Frei- heit." Wenn ein solcher Richter aber den Tatar anzieht und in einem Prozeß mit poiitischem Hintergrund, sei es über Sozialdemo- traten, sei es über Rechtsputschisten, sei es über Hohenzollernprinzen, zu Gericht sitzt, dann darf an seiner Objektivität und gänzlichen Un- Voreingenommenheit nicht gezweifelt werden! Die politisieren- den deutschnationalen Richter liefern jeden Tag aufs neu: den Beweis dafür, daß die Arbeiterschaft Recht hat, wenn sie zmn mindesten in ihnen keine objektiven Diener der Gerechtig- kcit, sondern gehässige Feinde erblickt, die nur auf Bestie- digung ihrer politischen Haßinstinkt« ausgehen, wo sie Recht sprechen sollen.
Münchener   Tage.
Es war der 29. Juni 1914, als ich zum letztenmal in Alteuropa von München   nach Berlin   zurückkehren mußte wie immer nach schwerem Abschied von der unvergleichlichen Stadt. Gern hätte ich ein paar Urlaubstage im Gebirge angeschlossen, das man von München  aus nur dann steht, wenn sich schon sch'echtes Wetter über die Häupter neigt; aber Iournalistenpflicht zwang nach Moabit  , wo om nächsten Tag über des herrlichen Kriegsheeres Soldatenschinderei verhandelt werden sollte natürlich nicht gegen die Schinder, sondern gegen Rosa Luxemburg  , die unsanft davon geredet hotte. Während wir an jenem glühenden Peter- und Paulstag durch Obcrfranken fuhren der geladene Zeuge August Winnig  , Verfasser desPreußischen Kommiß", nnd ich, ward in Sarajewo   Franz Ferdinand   und Sophie Hohenberg   ermordet. In Wien   begann alsbald jenes Sinnen über das Ultlmawm an Serbien  , dessen Nichterfüllung, erwartet und gewollt, zwar Serbien   schwer getroffen, die Habsburger   samt ihrem Staat aber weggeschwemmt hat in einem Malstrom von Blut und Tod und Tränen. Als mir jetzt das Pfingftglück einer Reife nach München   blühte zu Arbeitszwecken natürlich, bei einem Fahrpreis von 2l)7,2l) M. Schnellzug 3. hin und zurück, standen w i r unter einem Uttimatum, nnd man erwog im stillen, wie lange wohl die Rückfahrt dauern könnte, wenn nach der oberschlesischen auch die Rrihrkohle wegbliebe. Jndesten wurde dieses trübe Sinnen hinter Halle schon verdrängt, als einsteigender Münchener   Tritte den Schlaf scheuchten, indem wir ge- zwungen waren, die Bank zu räumen und uns auf den Fenstersitz zurückzuziehen. Alsbald regte sich das zarte Plappermäulchen einer Niünchener Hausfrau, die mit ihrem Jungen nach Haufe fuhr. Aber stehe da, sie war aus Magdeburg  , und vor lauter Schwärmerei für Bayern   konnte sie nicht umbin, ihr herzliches Bedauern darüber zu verkünden, daß sie nur der sächsischen Provinziolhaupsttadt ent- stamme. Aber weder dieser schöne Zug von Heimatliebe noch die Frage, ob denn Bayern   sich nicht von Norddeutschland loslösen wolle, und selbst nicht der Rastchlag, daß die Bayern   sich doch nicht hätten das Reservat" nehmen lasten sollen, vermochte die Bayern   zu irgend einer anderen Aeußerung als jenem listigen Augenzwinkern zu ver- anlassen, aus dem der Kundige sofort herausliest:Mir waars gmia!" Später am Morgen stellte sich dann auch heraus, daß diese Mänchener zu u n s gehörten, ob nun SPD. oder USP. Was einem jetzt in München   besonder» ausfällt, wenn man von Berlin   hinkommt, ist mehrere»: Du kriegst lauter blanke SV-Pf.- Stücke heraus und keine schmutzigen Stadtgeldscheine, deren Mün­ chen   überhaupt gar keine hat. Du siehst die alte bläue Polizei im Hein: auf der Straße und die Grünen trotz Belagerungsznstand nur in der Mütze und ohne Gewehr. Freilich im Hos der Polizei- direktst-n, wo sich auch jeder reichsdeutjchc Nichtbayer binnen
12 Stunden persönlich melden muß, und im Hofgarten lauern die Stacheldrahtverhaue, den Kohr und den Pöhner zu schützen. Man sieht wenn man nicht schon in die berühmten Badeorte geht, durch die die Autos rasen in den Gaststätten lang nicht so viel Schieber wie in Berlin   und das Angebot von Weiblichkeit auf den Straßen hält gor keinen Vergleich aus. Polizeistunde ist um 11 Uhr, aber nicht ganz so buchstäblich. Für 8 bis 10 M. kann man einfach wohnen und reichlich esten für ebensoviel. Die Halbe kostet 80 Pf., und es werden fröhlich drei Ouarteln geschenkt, wie in den jetzt wiederkehrenden Zeiten, wo es keinen Verein gegen betrügerisches Einschenken gegeben hat, dessen Mitglieder den Schenkkellner am Galgen im Knopfloch trugen. Die Menschen sind die ölten, lieben, zu jeder Auskunft bereiten Süddeutschen. Ohne geschwätzig zu sein, reden sie doch gern mit dem Nächsten und sehen in ihm nicht, wie so manche in der ab- gehetzten Viermillionenstadt, einen Wettbewerber, gegen dessen feindselige Tücke man sich vorsehen muß. » Die Theater haben auch in München   keine vollen Häuser mehr, zu Pfingsten natürlich schon gar nicht. Während aber in Hermine Körners Schauspielhaus HauptmannsElga" durch den Serien- husten beeinträchtigt wurde und es in den Kammerspielen Iohsts wortspitzemKönig  " nicht besser ging, fand ich im proletarischen Genossenfchaftstheater derNeuen Bühne" bei RosenowsDie im Schatten leben" ein ergriffen schweigendes Publikum, das nur, wie in der Berliner Volksbühne auch, manchmal voreilig über eine Kleinigkeit lacht und gor im Dialekttheater der Blumensäle beimBayerischen Hiesel" eine gar andächtige Hörerschar. Da sitzen die Leut' an Tischen, essen, trinken und rauchen und sind viel ruhiger dabei wie die Noblen im Großtheater. Uebrigens wurde da» Kino- stück vom Hiesel, dem Mathias Klostermeyer, der zuerst die Bauern vom Wild befreit, dos sich durch Herrenduldung ungeheuer vermehrt, von den lebenden Schauspielern ganz großartig gespielt. Neben Barictös und Kabaretts, die auch anderswo steben können, hat sich am Karlstor dieMonochia" oufgetan. lllk, Blöd­sinn kündigt sie an, tüchtigen Nepp übt sie praktisch doneben und ist darin ebenso unmünchnerisch wie in den Ausfällen gegen den Preiß". Aber Orgesch ist in München   mit seiner Arbeitermehrheit, wo der Bürgermeister Genosse Schmidt den Arbeiterturn- und Sport- kongreh begrüßt, nur Kabarettsache, mag auch Ludwig Thomas Miesbacher Anzeiger", derb bayerische Arizonakicker, überall zu haben sein. Nur beim großen Trachtenumzug am Pfingstsonntag, wo die Tiroler mit den ausgeladenen Grenzpfählen herzlich begrüßt wurden, gab es viel Schießgewehr und Ludwigssahnen. Freilich ist da- monarchistische K aus den Amtstafeln oft nur grad so ein bisset durchgestrichen, und om Amtsgericht in Tegernsee   hat man's bloß nicht mitübermalt, als die ganz« Tafel neu bepinselt wurde, so daß man es im Bedarfsfälle nur auch»och ouszujrijchen braucht.
Aber wir wissen ja, daß unsere wackeren deutschen   Richter auch so die alten geblieben sind und gleiben werden gel? Jedoch, wenn man wieder einmal diese köstlich dünn« Lust d:» Hochlandes atmet, denkt man weniger an die Politik und begibt sich lieber in die Kaaba des bayerischen Mekka., den Festsaal des Hof- bräuhauses mit seinen altehrwürdigen Deckensprüchen von des Bayernvolkes Fürsten  - und Biertreue. Ob man ins Isartal hinaus- geht oder auf.den einen Frauenturm steigt, ob man im Tierpark Hellabrunn oder auf dem salvatorheiligen Nockherberg ist, immer gilts halt: Wohin i mi wend, Wohin i schau, I stach an boorischn Himmi Schöj woaß und hellblau. Und auf der Heimfahrt das Gegenstück zu der edlen Magde- burgerin, die partout nich keene nich fein will: ein boarisch Ehr- paar, das seinem zweijährigen Mäderl das Bierglas hinhält, worauf das Kind ein Stück Glas herausbeißt. Und so gehts in Sonnenglut und Gewitter wieder heraus aus Bayern  . Richard Bernstein. Die Schildkröte, die mit dem Kopfe wackelte. Daß die Schild- kröt« nicht so unintelligent und phlegmatisch ist, wie man allgemein annimmt, zeigt die folgende rührende Geschichte, die Londoner  Blätter erzählen. 26 Jahre lang lebte eine Schildkröte in Ruhe und Frieden in einem Garten zu Portsmouth  . Ihre Besitzerin lehrte ihren Liebling, auf den Namen Joe zu hören. Wenn nun auch die Schildkröte nicht wie ein gutgezogener Hund mit'dem Schwanz wackelte, so tat sie doch alles, was eine Schildkröte nur tun kann, sie wackelte nämlich bei der Nennung ihres Namens mit dem Kopf. Bor einigen Tagen war Joe verschwunden, und die Herrin des gelehrten Tieres wandte sich an die Polizei. Sie beschrieb einem Detektiv ihren Liebling und bemerkte:Wenn man zu ihr sagt Hallo, Joe", steckt sie den Kopf heraus und wackelt damit". Der Detektiv sucht« nun Portsmouth   nach dem Tiere ob und fand in einem Laden einige Schildkröten, van denen die ein« ganz wie Joe aussah. Er trat hinzu und rief:Hollo, Joel", worauf das kluge Tier sofort mit dem Kopf aus dem Gehäuse herausschoß und heftig damit wackelte. Der Detektiv stellte fest, daß Joe von einem Manne, der ihn angeblich gefunden haben wollte, an den Laden- besitzer oerkauft worden war. Musik. Einen Kammcrmuükabcnd veranstailct Mittwoch in der Aula der Technischen Hockichule da« Kulturamt der Sludentenschasl. Mit- wirkende: Waghalter-Ouartett, Meta Seinemeher, Alirrd Richter. Ueber lvarftellung des Berylliums berichtete auf der Hauptver- sammluny Deutscher llh.-miter. Prof. Msred Stock in Dahlem  . ES ilt feinen Mitarbeitern zum ersten Male gelungen, reines Beryllium Ml- »nllcwar in tompatter ftorm zu gewiimc», währe:, d bisher da» erst 6.1 l.'iOO Krad schmelzende Metall nur in Form feiner Flitter zu erhalte» war. TcutscheS Notgeld olS Exportartikel. Tie kleine alte Thüringer  Bnrgenftadt Lobeda   bei Jena   hat künstlerisch bochwertiges Notgeld her. ausgebracht. ES kam gar nicht in den Verkehr, fondern wurde von einem Spekulanle» aujgekaiqt. der d im AaMm»«Hetze» mUL