Rekchskanzler wkrth über SnanSs Rebe. Verllu. 28. April. (MTB.) Ein Mitarbeiter der„Deutschen Allgemeinen Zeitung" bot den heute in Freiburg i. Br. weilenden Reichskanzler um eine Aeußerung zu dem auf Ober- schlesien bezüglichen Teile der Rede Briandi. Der Herr Reichs- kanzler erklärte etwa folgendes:„Ich erkenne gern an, daß die Rede des französischen Ministerpräsidenten aus einen maßvollen Ton abgestimmt ist. In der Sache ober geht cherr Briand bei der Begründung der polnischen von Frankreich unterstützten Ansprüche von Voraus- setzungen aus, denen die Tatsallien teilweise widersprechen. Ein h i st o r i s ch e r Anspruch der Polen auf Oberschlcsien besteht nicht, denn Obcrschlesien ist nicht, wie cherr Briand meint, vor sechshundert Jahren durch Gewalt an Deutschland gekom- men, sondern e« ist vor neunhundert Iahren gewaltsam von Polen erobert worden, und zweihundert Jahre später, also vor siebenhundert Iahren, hat es sich infolge des Verzichts des polnischen Großherzogs Wladislaus Las- k o n o g i, also auf völlig friedlichem Weg« von Polen getrennt. Wenn die Polen , wie Herr Briand weiter behauptet, zur Zeit der Pariser Verhandlungen von 1919 starke Gründe für den Glauben hatten, daß die Abstimmung zu ihren Gunsten ausfallen würde, so fußten diese Gründe weder auf der früheren mittelalterlichen Ber« zangenheit, noch auf der jllnasten Vergangenheit, denn bei den letzten Reichstagswohle n vor dem Krieg« hatten die Polen in Oberschlesien kaum 39 Prozent der abge- gebenen Stimmen erhalten, die Deutschen 79 Prozent. Vielleicht hoben die Polen aus diesem Grunde bei den Per- ho Zungen von 1919 ausdrücklich das Abstimmung». recht der Emigranten verlangt, weil sie hofften, da. d-mch die Stimmenmehrheit zu erlangen. Wenn ste sich in dieser Rechnung getäuscht haben und wenn die auswärtigen Stimm- berechtigten in ihrer Mehrzahl für Deutschland eingetreten find, so kann nur der geringen Voraussicht der Polen , -icht aber den Deutschen ein Vorwurf daraus gemacht werden. Im übrigen ist es selbstverständlich nicht zutreffend, wenn cherr Briand alle überhaupt von Emigranten abgegebenen Stimmen den Deutschen zuzählt, denn unter jenen befanden sich selbswerstSnd» l-ch auch eine große Anzahl von Dusgewanderten, die f ü r Volen gestimmt haben. Die Polen haben historisch keinen Anspruch auf Oberschlesten; sie haben nach dem Ab. stiinmungsergebnis keinen Anspruch auf Ober- schlesien, denn die deutsche Mehrheit von fast Vi Million Stimmen läßt sich nicht fortdisyutieren; sie haben moralisch keinen Anspruch, da sie mit dem Auf- stand die Gewalt on die Stelle des Rechts zu sehen gesucht haben. und sie haben wirtschaftlich keinen Anspruch, weil die oberschlestsche Industrie von den Deutschen geschaffen ist und weil nach dem Urteil der nichtdeutschen Fachmänner die Polen dies« blühende Industrie nicht zu erhallen, geschweige denn weiterzuentwickeln vermöchten. In dem Wunsche finde ich mich aber mit dem französischen Mini st erpräsidenten zusammen, daß die Gerechtigkeit siegen muß. Die deutsche Regierung, welche sich außerordentlich« Zu. rückHaltung in dieser Frage auferlegt und so erhebliche Opfer gebracht Hot, darf auch daraus rechnen, daß die endgültige Regelung der oberschlesischen Frage in objektiver und g«. rechter Weise erfolgen wird. Etwa» anderes als die» verlangt sie nicht._ Teilabrüstung in Zeantreich. Varl», 28. Mai. (TU.) Auf Grund. des Berichte» des Ober. kommondo» der Rheinormee über die Zahl der notwendigen Truppen hat die Regierung beschlosten, sofort all« verheirateten Soldaten und all« Stützen der Familien der Klasse 1919 zu ent« lasten. In zahlreichen Garnisonen hatten die 1919er für Eni- lostung demonstriert.
Loucheur berichtigt. Zu der von uns am Sonntag veröffentlichten und beifällig de- sprcchenen halbamtlichen Wolss-Mcldung über das grundsätzliche ütNvernehmen Loucheurs mit der Verwendung deutscher Arbeitskräfte in einem bestimmten Abschnitt der zerstörten Zone in Nordfrankreich läßt L o u ch e u r durch chaoas aus Brüssel , wohin er sich zu einer Besprechung mit dem belgischen Finanz- minister Theunis begeben hatte, berichtigend mitteilen, die Nachricht fei in dieser Form unrichtig. Er habe nur, indem er die Frage de, grundsätzlichen Einverständnisses der französischen Re. gierung noch offen ließ. Deutschland ersucht, greifbare Vor. schlüge in dieser Richtung zu machen. E» ist recht eigentümlich, daß das Wolffsche Bureau dies« Be. richtigung, die wir au» französischen Blättern entnehmen, über. Haupt nicht veröffentlicht hat. Die Frage ist u. E. zu wichtig, als daß die deutsche Oesfenllichteit über die Aeußerungen der Gegenseite im Unklaren geHollen werden dürfe. Indessen hoffen wir, daß e» sich bei der Auslassung Loucheurs nur um rein s o r- mal« Differenzen in der Interpretation seiner bisherigen Zusagen handelt, und wir erwarten, daß das Wiederoufbauministerium im Einvernehmen mit den deutschen Gewerkschaften die gewünschten konkreten Borschläge alsbald einreichen wird.
& die üeutfch-belglsche Grenze. Der Dolschasierrat hak alle deutschen Vorstellungen wegen der Grenzziehung zwischen Veulschland und Belgien endgültig abgelehnt.
Gmile Gombes f Die Havas meldet, ist der frühere französische Ministerpräsident Emil« Combes in seiner cheimatstodt P o n» im Alter von 39 Iahren g e st o r b e n. Mit ihm verschwindet von der politischen Bühne Frankreichs ein Mann, der viele Jahre hindurch als Symbol de» ontttlerikalen, freidenkerischen Kurses der Dritten Republik an, gesehen wurde. Von den Katholiken wurde er nicht allein deshalb gehaßt, weil er als Ministerpräsident von 1992—1298 die Tren- nung von Kirche und Staat durchführte, sondern auch weil sie in ihm, dem einstigen Zögling eines Priesterseminars, einen Re- negaten erblickten. Bei dem freidenkerischen Frankreich , das bei Kriegsausbruch fast ununterbrochen das fjeft in der chand behielt, war der„kleine Vater" Eombes dagegen außerordentlich populär. Nach seinem Abgang spielt« Combes weiter«ine hervorragende Rolle als Führer der radikalen Partei und hatte nament- lich den Senat ganz in feiner chcmd. Aber sein Wirten beschränkte sich fast ausschließlich auf die Kulisse. Während des Krieges ist er allerdings mit 89 Jahren noch einmal persönlich aufgetreten, als er im Kabinett Briand (1918/16) einen Posten als Minister ohne Portefeuille zur Stärkung des Burgfrüdengedankcns annahm. Wenn er auch seitdem nie wieder hervorgetreten ist. so ist«« doch bekannt, daß er den neuesten reaktionären Kur», der seit den allgemeinen Neu» mahlen vom November 1919 in Frankreich herrscht, mit großer Sorg« verfolgte.
Das Urteil öer partekgenosten. Am Montagnachmittag fand im Gewerkschaftshaus in Darmstadt eine stark besuchte Versammlung der Funktionäre und Ver- trauensleute der SPD. , Bezirk Darmstadt , statt, um zu dem Thema:„Das angenommene Ultimatum der Entente und der Eintritt der S o z i ald e m o kr a ti- schen Partei in die Reichsregierung" Stellung zu neh- men. Das einleitende Referat wurde von dem Reichstagsabgeord- neten Dr. Q u e f s e l erstattet. Nach eingehender Diskussion wurde folgende Entschließung einstimmig angenommen: „Die Funktionäre und Vertrauensiente der SPD. Bezirk Darm- stadt, erklären sich mit der chaltung der sozialdemokraiischen Reich?- tagssraktion betr. Zustimmung zu dem Entente-Ullimatum« i n v e r- st a n d e n. Ebcnio wird alz notwendig« Folgerung hieraus der Eintriti unserer Genossen in die Reichsregierung gebilligt. Dos große Opfer, welches die Sozialdemokratische Partei durch die Ueber- nähme der gewaltigen Verantwortung gebracht hat. wird vollauf gewürdigt und sind die Funktionäre und Vertrauensleute bereit, ihrerseits die Partei in der so schwierigen Aufgabe zu unterstützen. Nunmehr muß es die Aufgabe unserer Genossen in der Regierung sein, alle Kräfte einzusetzen, um zu erreichen, daß die besitzenden K l a s s e n zur Erfüllung der Cntentesordcrungen alles das aufbrin- gen. wozu sie nach ihrer ganzen Kriegspolitik und entsprechend ihrer Zahlungsfähigkeit verpflichtet sind. Ebenso muß die Entwaffnung sofort durchgeführt werden. Wenn nun bedauert werden muh. daß zurzest eine Erweite- rnng der Koalition unter Einbeziehung der USP., bedingt durch deren ablehnende chaltung, nicht möglich ist, so müssen wir anderer- seit» mit aller Entschiedenheit aussprechen, daß«ine Verbreiterung der stoalllion nach rechis durch Einbeziehung der Deutschen Volks- parkel, unbedingt abgelehnt werden muß. Ein« Partei, die durch Ablehnung des Ultimatums, aus reinem Parteiegoismu«, bereit war, das deutsche Volk in da» größte Unglück zu stürzen, kann nie und nimmer berufen sein, nunmehr an Verantwortung«. voller Stelle mitzuwirken. Diese Partei hat sich durch ihr Per» hallen selb st ausgeschaltet und muß im Interesse des Volkes kaltgestellt bleiben. Auch würde der Wiedereintritt dieser Partei in das Reichskabinett, im Ausland« den denkbar fchlech« testen Eindruck hervorrufen. Aus ollen diesen Gründen richten wir an die SPD.>Reichs« tagsfraktion das Ersuchen, in dieser Frage mit der Deutschen Volkspartei in keinerlei Verhandlungen mehr einzutreten, dagegen aber keinen Versuch zu unterlassen, um den Anschluß nach link« herbeizuführen. Denn nur durch die Einigkeit de» Proletariat» können die Widerstände der Reaktion gebrochen werden.
tzörsing gegen Grgesch. Magdeburg , 28. Mai. (Eigener Drahtbericht des„Vorwärts".) Von den im Londratsamt Rathenow, Provinz Brandenburg , be- ichäftigte» Major Bernecker und dem angeblichen Eleven iftal» f« l b a ch wurde, offenbar im Einverständnis mit dem L a n d r a t v. Bredow, der Ausbau der Orgesch in verschiedenen Kreisen der Provinz Sachsen systematisch durchgeführt. Die Mitglieder wurden sorgfältig ausgewählt und aufgefordert, sich mit Waffen aller Art, Jagdgewehren ufw. zu bewaffnen. Bedenken wurden mit dem Hinweis zerstreut, feit der bekannten Aufhebung de» Frei- korpsoerbo!» könne die Regierung nicht mehr eingreifen, auch feien d,e Behörden mit der Organisierung einverstanden. In den Land- orten hoben sich aus ehemaligen Kavalleristen sogenannte R» i- terverein« gebildet, die aus ihrer Zugehörigkeit zur Orgesch kein Hehl machen. Den Behörden ist bekannt geworden, daß zahl» reiche Waffenloger vorhanden sind, die in größeren und kleineren Räumen hinter neugezogenen Mauern versteckt sind. Di« Suche nach diesen Waffenlagern habe bereits begonnen, und e» ist anzunehmen, daß in den näckstcn Tagen einige dies« Mauern fallen werden. In der Arbeiterschaft hoben diese Vorgänge dem Gedanken Nahrung gegeben, bei weit«em versag«« d« Behirdea durch Bildung von ähnlich«« Organisationen sich yor den sehr zu befürchtenden reaktionären Ueberfällen zu schützen. Um den dar. au« entspringenden Gefahren zu begegnen, hat Oberpräsident H ö r s i n g eine Verordnung herausgegeben, die Bildung von Freikorps und anderen militärischen Verbänden, sowie die Anwer» bung von Freiwilligen und alle sonstigen Vorbereitungen, den Zu» sommenschluß von Personen zu Kampf» oder Selbstschutzorganisa. klonen aller Art und die Ausnahm« von entsprechenden Anzeigen, Aufsätzen in Zeitungen und Zeitschristen, sowie die Veröffentlichung von Aufrufen dieser Art und die Verbreitung von Nachrichten über die Bildung oder Tätigkeit solcher Verbände verbietet. Alle der- artigen Organisationen werden ausgelöst. Di« � Strafandrohung geht aus Gefängnis. Haft oder Geldstrafe bis zu 15 090 Mk.
deutsth-chinesischer Zrkeüensschluß. Am 29. Mai ist in Peking ein Abkommen zwischen Bevoll' mächtigten der deutschen und der chinesischen Regierung unterzeichnet worden. Hierdurch wird der Kriegszustand zwischen Deuischland und China rechtlich beendet. Die diplomatischen Beziehungen werden wieder aufgenommen und der deutsch « Handel in China erhält wieder freie Bahn. Da» Abkommen soll unverzüglich den gesetzgebenden Körperschaften zur Genehmigung vorgelegt werde». GS trägt den Charakter«ine« vorläufigen Bertrage«;«in eigentlicher Freundschaft», und Handelsvertrag zwischen Deutschland und China soll später auf der Grundlage diese« Abkommen, ab- geschlossen werden.— Privatmeldungen, die diesem Wolssbericht vorausgeeilt waren, sprechen auch von deutscher Anerkennung einer WiedergulmachungSpflicht gegen China . Rollet nach Helgoland . Da» am Dienstag in Hamburg «inge» trossen « Torpedoboot Aventurier ist am Mittwoch nach Helgoland i« See gegangen. An Bord befindet sich«in« Kommission mit «eneral Rollet, der sich von der Ausführung und dem Fortschritt der Sprengungsarbeiten an den Befestigungen überzeugen will. Ausgewiesen. Zur Paßrückgabt an die sowjetrussische Handels- Mission in Rom wird offiziös erklärt, Worowski habe sich als Bot- schafter betrachtet und damit seine Befugnisse überschritten. Genosse Camille huysmans feiert heute seinen 89. Geburtstag. Das ist«in Alter, in dem Politiker noch auf der Höhe ihrer Schas - fenskraft zu stehen pflegen, und von Huysmans bei seiner jugend- starken Elastizität und Tatkraft ist anzunehmen, daß es jetzt viel, leicht erst gerade richtig anfängt. Und doch gehört die Tätig. keit de» Genossen Huysmans als langjähriger Sekretär der Zweiten Internationale jetzt schon der Geschichte an. Wir oerehren in unserem Freund Huysmans einen echten internatio- nalcn Sozialisten, der es wie wenige versteht, sich in die Seele der Völker einzuleben und auf Getrennte» vereinigend zu wirken. Und so können wir ihm an diesem Tage nichts besseres wünschen, als daß er den Sieg der Idee erleben möge, für die er in Rot und Gefahr stets seinen Mann gestanden hatl Die gepstmle Erhöhung der Eiseubahnsahrpreisc. Da» Bayerische Ministerium für ssziole Fürsorge hat an da» Reichsverkehr»» Ministerium in Berlin eine Vorstellung gerichtet, welche die ge- plante weitere Erhöhung der Fohrpreise im Eisenbahn -Rahverkehr als eine gerodezu unerträgliche Belastung der Vorort- bewohner mißbilligt und unter Hinweis auf die Wohnungsnot und die S i e d l u n g s t ä t ig k« i t vor einer Tarifpolittk warnt, die nie zu einer Gesundung der Wohnungsverhältnisse und damit des wirt- schaftlichen Lebens kommen läßt.
Wivtf&aft Meöergutmachung und Kapitalflucht. Die Erfüllung der Wiedergutmachungsforderungen, an die fetzt energisch herangetreten werden muß, stellt an die Reichefinanzen die schwersten Anforderungen. Das Rcichsfinanzministerium ließ bereits durch WTB. verkünden, daß seine Arbeiten wett genug gediehen seien, um den Sachverständigen zur Beratung vorgelegt werden zu können. Einzelheiten über das neue Steuerprogramm sind noch nicht bekannt, da das Reichstobinett zu den bisherigen Vorschlägen noch keine Stellung genommen hat. Es sickern aber bereits Nachrichten durch, die daraus schließen lassen, daß neben einer Erhöhung der Körperschaft» st euer der Ausbau indirekter Steuern beabsichtigt ist, insbesondere ist infolge des großen Unterschiedes von Inland- und Weltmarktpreis ein Ausbau der K o h l e n st e u e r, die heute 29 Proz. des Wertes ab Grub« beträgt, durchaus denkbar. Noch ehe überhaupt ein Gesamtplan vorliegt, melden sich im„Berliner Börsen-Eourier" die Börsen- interessenten zum Wort, um einer Erhöhung der Börsen»� steuer entgegenzutreten. Die Interessenten haben es sehr ellig. Und sie sind auch in der Wahl ihrer Mittel nicht skrupelfrei. In diesem Falle droht man „nur" damit, daß das Kapital andere Wege suchen werde, um sich Spetiilattonsfteiheit zu verschaffen, so daß durch eine Erhöhung de« Börsenumsatzstempels die Kapitalabwanderung ge- fördert wird. Es lohnte nicht, auf dies« vorbeugenden Mahnruf« interessierter Börsenleute hinzuweisen, spräche nicht aus ihnen das unverhohlen« Bestreben des Börsenkapital», da» in den letzten Iahren Unsummen verdient hat, sich beizeiten an einer besonderen Belastung vorbeizudrücken. Lediglich deshalb, weil die Börse«inen besonderen. Instinkt für die Steuergefahren hat, fühlen sich ihre Vertreter zuerst zu einem der Proteste veranlaßt, die die nahe Zu» kunst uns wahrscheinlich in großer Zahl bringen wird. Wohl stim» men die Politiker der bürgerlichen Parteien der Auffassung zu. daß da» Ultimatum unter allen Umständen erfüllt werden muß. Aber die Syndici der Unternehmernerbände werden in keinem Falle es versäumen, ihr Talent durch Abfassung geharnischter Proteste zu be- künden, wenn ihre Berufsgruppe mit Steuererhöhungen belastet werden soll. Dem in den Anfängen entgegenzutreten, ist Pflicht. Wenn weite Kreise der Industrie und des Handels das Ultimatum abgelehnt haben, so gab es auch unter ihnen viele besonnene Elemente, die es gern angenommen hätten, wenn sie die Forderungen der Entente für erfüllbar gehalten hätten. Jetzt, nachdem das Ulti- matum unterzeichnet ist, kommt es darauf an, auf Wege zu sinnen, wie die ungeheure Summe von rund 59 Milliarden Paplermark jährlich aufgebracht werden soll. Durch Proteste sicherlich nicht. Und auch nicht dadurch, daß sich die Berufsgruppen mit der Zeit zu geschlossener Abwehr aller den Besitz belastenden Steuern aufrasfen, wie man es beim Kriegsnotopfer erlebt hat. Die Reichsregierung wird einen doppelt schweren Stand haben, da sie mindestens mit dem passiven Widerstand eines Teils derjenigen Leute rechnen muß, die die Kriegsgefahr einer Unterschrift des Diktats vorzogen. Daher ist es notwendig, die Leistungsmäglichkeit unvoreinge- nommen zu prüfen. Gerade well das Bürgertum, insbesondere Handel und Industrie, gegen da» Ultimatum waren, kann als sicher angenommen werden, daß ein« Erhöhung der bisherigen Steuern und Abgaben niemal» ausreichen wird, um vor allem in den ersten Iahren die Wiedergutmachungen aufzubringen. Noch immer hat das Reich ein großes Defizit, und dos trotz der größten Anspannung der Steuerschraube. Im Außenhandel erzielt Deutsch - kond kein« Ueberschüsse, im Gegenteil, die Einfuhr ist größer al» dir Ausfuhr. Da» besagt nichts anderes, als daß die im Innern ver- brauchten ausländischen Lebensmittel und Rohstoffe ebenso wie dl« noch immer einströmenden Luxuswaren nicht mit dem Ertrag der Arbeit, sondern mit Schuldtiteln bezahlt werden, die zu einer steigenden Verschuldung Deutschland » an da» Ausland führen müssen. Die Zahlen, welche die Außenhandelsstatisttk darüber gibt, sind trügerisch. Sicher ist aber, daß der Menge nach die Einfuhr die Aussuhr überragt. Bei den Werten wird sich ein ähnliches Bild ergeben. Es haben sich aber bereits deutsche Guthaben im Aus» land gebildet, teils von geflüchtetem Kapital, teils von deutschen Kapitalserträgen, die zu produktiven Zwecken im Ausland angelegt wurden. Von Zett zu Zeit hört man, daß Stinnes brasilianische Erzkonzessionen oder österreichische Aknenmehrheiten oder schwedische Reedereibeteiligungen erworben hat. Was Stinnes tut, tun andere auch. Und es wäre verfehlt, gegen die Anknüpfung internationaler kapitalistischer Beziehungen, die früher zum Ausbau de» deutschen Außenhandels dienten, zu protestieren, wenn nicht aus der Tatsach« der Auslandsbeteiligung hervorginge, daß zu einer Zeit passiver Handel», und Zahlungsbilanz deutsche Vermögenswerte ins Aus» land wandern, wo sie unversteuerten Zins und Profit bringen. Volkswirtschaftlich gesehen, bedeutet das nichts andere», als eine Abgabe deutschen Volksvermögens an das Ausland, ein« Fort » gäbe von Substanzwerten ohne Nutzen für die Reichskasse. Ist man sich darüber klar, daß aus den lausenden Einnahmen die Wiedergutmachungsschuld nicht bestritten werden kann, so er» kennt man auch die Notwendigkeit, daß deutsche Substanzwerte. deutsches Kapital zur Bezahlung herangezogen werden müssen. Es sind nun au» parteigenösfischen Kreisen Vorschläge dahingehend aufgetaucht, daß das Reich sich eine Beteiligung an der Industrie und an dem Grundbesitz sichern soll, um aus ihren Erträgnissen und Im Notfalle auch durch ihren Verkauf die Kriegsentschädigungen zu bezahlen. Hier ist der springend« Punkt. Wenn das Reich damit rechnen inuß, mit der Substanz der deutschen Volkswirtschaft Zah» lungen auszuführen, so muß es zunächst auch darüber verfügen können. Bor einem neuen Entente-Ullimatum, das unfehlbar kommen wird, wenn Deutschland die Zahlungen verweigert, kann das Reich nicht erst die Steuerzahler um ihre gütige Mithilfe bitten, sondern es muß s e l b st Werte in der Hand haben, die über die normalen Steuerquellen hinausgehen. Unter diesem Gesichtspunkt wird man die Frage behandeln müssen. War es schon bisher möglich, daß Substanzwerte der deutschen Volkswirtschaft entglitten sind, so muß bei dem erhöhten Anreiz zur Kapitalflucht, den eine Verschärfung der Steuerschraube mit sich bringen muß, dagegen Vorkehrung ge» troffen werden, daß das Reich in seiner größten Rot nicht mit leeren Händen dasteht.
Reue Velrlebseinschränkungen. Die Firma Benz, Mann, heim beabsichtigt am 1. Juni das alte Werk stillzulegen, wodurch zirka 1000 Pe sonen brotlos werden.— L a n z- Mannheim legt den Betrieb seiner Luftschiffahrtswerft still. Unsere bodischen Ge- nassen haben ihr« Regierung um Sluskunft darüber ersucht, was sie zu tun gedenkt, um die drohende Arbeitslosigkeit von der Marn,. heimer Industrie abzuwenden.— Der Bochumer Verein für Bergbau und Gußstuhlfabrikation gibt be- könnt, daß eiye Betriebseinschräntung wegen des Nachlassens neuer Aufttäge unvermeidlich ist. Reue Einfuhrbeschränkungen der Schweiz treten am SS. Mai in Kraft und zwar gegen Fertigwaren, fertig« Bodentelle für Parketterie, Pinsel, Feilen und Raspeln. Waren aus Kupfer und Kupferlegierung, landwirtschaftlichez Gerät und Maschinen, Knöpfe und Reisearttkel.