Hand noch nicht ja erreichen sein. Um so nachdrücklicher müssen wir aber die Forderung nach völliger Gleichberechti» g u n g als das Mindestmaß des verfassungsmäßig Gewähr- leisteten erheben. Die Erschwerungen, die der Absplitterung von Bekenntnisschulen in den Weg gelegt sind, müssen nicht nur dem Buchstaben nach, sondern auch in ihrer Wirkung mindestens ebenso groß sein, wie bei weltlichen Schulen. Das ist aber bei dem Entwurf in seiner vorliegenden Form n i ch t der Fall. Darüber hinaus sollten gegen solche Absplitterung über- Haupt di� denkbar größten Sicherheiten geschaffen werden. Die Reichsverfassung bestimmt ausdrücklich, daß ein„geord- neter Schulbetrieb"— auch im Sinne des organischen Auf- baues des gesamten Schulwesens— durch keine Sonderschulen gehindert werden darf. 8 9 des Gesetzentwurfs ermöglicht aber in der Tat die Bildung konfessioneller oder weltanschaulicher Zwergschulen, da er in seiner Fassung alles eher als eindeutig ist. Wir wissen wohl, daß eine stärkere Bindung unter Umständen auch die Errichtung einer weltlichen Schule in einzelnen Gemeinden vorläufig unmöglich machen könnte. Aber wir müssen und wollen diesen Augenblicks verlust um der Zukunft willen mit in den Kauf nehmen, wir müssen die unabwendbare Zersplitterung auf das irgend er- reichbare Mindestmaß zurückführen— im Interesse der Lei- stungsfähigkeit unserer Schule wie auch letzten Endes im Jnter- esse unserer Sache, denn, wenn irgendwo, so arbeitet hier die Zeit für uns. Die Sozialdemokratie hat die Pflicht, nun endlich auf eine schnelle Verabschiedung dieses Gesetzes zu dringen, natürlich nur in einer Form, die ihren berechtigten Forderungen —- bei aller Würdigung der Grenzen des zurzeit Möglichen— gerecht wird. Wenn es sich nur darum handelte, den Entwurf in seiner vorliegenden unzulänglichen Form zum Scheitern zu bringen, ihn„oerschwinden zu lassen", wie es unlängst in einer Entschließung ausgedrückt war, so wäre dies Voraussicht- lich die leichteste Sache von der Welt, denn mit dem Herzen kann keine der durch unüberbrückbare Gegensätze der Welt- anschauung getrennten politischen Parteien hinter einem sol- chen Kompromiß auf kulturellem Gebiets stehen. Aber gerade wir haben dafür zu sorgen, daß die weltliche Schule endlich Heimatsrecht in Deutschland bekommt, das ihr ohne ein Ausführungsgesetz zu Art. 146 auch heute noch versagt ist. Das Gesetz kann aber nur Zustandekommen,. wenn Zentrum und Sozialdemokratie in gemeinsamen Verhand- lungen eine gemeinsame Basis finden, die keinem un- erträgliche Opfer zumutet. Alles andere ist politische Kinderei; vor allem der in demokratischen Lehrerkreisen gehegte Gedanke, das Zentrum solle auf die Konfessionsschule und die sozialisti- scheu Parteien auf die weltliche Schule verzichten. Mit der „Simultanschule ", die dann herauskäme, wäre weder dem Zentrum, noch uns gedient. Eine solche verschleierte Kon- sessionsschule als Normaltyp würde der weltlichen Schule den Weg weit stärker verbauen, als das Schulkompromiß. Wir müssen deshalb im vollen Bewußtsein dieser Ver- antwortlichkeit an dem Zustandekommen des Gesetzes unter Berücksichtigung der von uns zu erhebenden Mindestforde- rungen mitarbeiten. Wir können diese unsere Forde- rangen um so eher offen erheben und ihre Erfüllung ver- langen, weil wir niemand vergewaltigen wollen, sondern nur für uns dieselbe Freiheit beanspruchen, die wir den Anhän- gern der versinkenden Kultur zu geben bereit sind. Eine wirkliche Verständigung auf diesem kultu- rellen Gebiete ist gerade wieder für die beiden Parteien, die die Not des Vaterlandes abermals zu gemeinsamer Arbeit zusammengekettet hat, ausgeschlossen. Und doch muß hier wie in Weimar vor zwei Jahren ein Ausweg gefunden werden, der nur in gegenseitiger Duldung liegen kann. Aber wohl gemerkt: in gegenseitiger Duldung. Die Sozialdemo- kratie wird bereit fem, daran mitzuarbeiten, wenn man ihr diese Arbeit nicht durch unannehmbare Forderungen von der anderen Seite unmöglich macht. Der Gedanke der Mitbestimmung der Erziehungsberech- tigten, der Selbstbestimmung der einzelnen Schule liegt nicht
Theater-Grgefih in Darmftaöt. Uraufführung von Kastmir Edschmid,„Äean". Dem Dichter, dem Regisseur, dem Bühnenmaler, den Darstellern, der Kostümentwerferin den aufrichtigsten Dank zuvor. Doch das Stück trete zurück. Hier hat der Skandal den Vortritt. Warum pfiffen Bebrillte und llnbebrillt« auf mitgebrachten .Teufelspfeifen, Fußballschiedsrichterpfeifen, Torpedopfeifen, Schlüssel größten Kalibers, die aus Haustüren des 15. Jahrhunderts zu stammen schienen? Um dos alles eingehend zu begründen, müßte man lange Spalten füllen. Hier nur einiges: Es gibt der künstlerischen, ehemals großherzoglichen Marstallburfchen nebst feminimem Anhang in Darmstadt massenhaft, die in Fürstenverhimmelung im Wildenbruch- stil groß geworden sind und sich nicht in ihren Gehirnganglien aus- denken können, daß diese Zeit auch in der Kunst vorbei ist. Dieser Clique gefällt auch der neue Intendant nicht, Gustav Härtung, der in kurzer Zeit das hessisch« Landestheater aus der Aera künstlerischer Stagnation zu künstlerischer Höhe geführt hat. Daß er diesen Cle- menten an der Darm, die in Ehrfurcht erstarben, wenn ein Prinzeß- chen die Hofloge betrat, und je nach den Rangstufen auch im Theater in den verschiedenen Rängen gothagemäß verteilt waren, nicht Kon- Zessionen machte, das ist das.Verbrechen" Hartungs, dos ihm die ehemalige Hofkamarilla nicht oerzeiht. Run ist Härtung— wie jeder echte Künstler— kein Tagespolitiker. Er ist K ü n st l« r und will nur Künstler sein. Er will sein« Theaterbesucher mit der guten jüngsten Literatur vertraut machen. Das oersteht dies« Alt-Darmstädter.Gesellschaft" nicht. Run könnte jemand, der das Werk Edschmids nicht kennt, meinen. daß„Kean" unerhört scharf die höfssche Reaktion angreife. Dann hätte der Putsch wenigsten» noch ein Fünkchen von Berechtigung. Aber nicht einmal das ist der Fall. Das Edfchmidsche Schauspiel ist nichts anderes als«ine Entkisschung und Modernisierung der früher so viel in Deusschland gespielten von Dumas dramatisierten Geschichte des großen, von Frauen vergötterten englischen Schau- spielers Kean, der nach einem tollen Bohemienleben, das ihn zur gleichen Zeit in die vornehmste englische Gesellschaft wie in die schlimmsten Apachen- und Verbrecherteller führt. Die vorkommenden „Aristokraten" sind nicht einmal hervorragend vertrottelt dargestellt. Der Prinz von Wales hat sogar viel sympachisch Menschliches. Run hat zwar Edschmid einige bissige Aphorismen im Dialog. Aber nichts, was selbst«inen enragierten.Orgesch"-Bruder aufreizen könnte. Das Wert schließt sogar im hohen Ethos. Di« Aufführung zeigt eine Regieleistung ersten Ranges. Einheitlich« Disziplin beherrschte sämtliche Darsteller vom kleinsten Statssten bis zu den führenden Künstlern. Es war also nichts an der Aufführung, was den Radaubrüdern zum Skandal hätte Anlaß geben könne«,
abseits von den Wegen, die die Sozlakdemo krakle bei der Er- Neuerung unserer Schule überhaupt zu gehen gedenkt. Aber der Verzicht auf die staatliche Schulautokratie bedeutet nicht zugleich den Verzicht auf jede freiheitliche Entwick- lungsmöglichkeit unserer Schule, bedeutet auch nicht den Willen zur Auslieferung der Schule an ihre alten Zwingherren. Der Glaube an eine künf- tige Kulturgemeinschaft unseres Volkes, der uns beseelt, gibt uns vielmehr die Zuversicht, daß die Schule aus einer Ange» legenheit der weltanschaulich zerklüfteten Gesellschaft einst eine Sache dieser Gemeinschaft werden wird. Wenn der Weg dazu nicht verlegt wird, so müssen wir der Ausführung des Kompromisses zustimmen, so darf am inneren Kampf der Weltanschauungen jetzt ebenso wenig wie in Weimar die gemeinsame Front zur Abwehr der äußeren Not zugrunde gehen._ Deutsche Voltspartei unö Regierung. Ueber das Verhältnis der Deutschen Volkspartei zur Re- gierung läßt sich die„Voss. Ztg." folgendes mitteilen: Wenn auch der rechte Flügel der Deutschen Volkspartei den Reichskanzler wegen seiner Steuerpolitik schroff ablehnt, ist es doch nicht unwahrscheinlich, daß die Mehrheit der Fraktton für eine wohl- wollende Neutralität gegenüber dem Kabinett zu gewinnen wäre, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt würden: 1. Die Besetzung der beiden noch freien R e i ch» m i n i- st e r i e n, also das der Finanzen und des Wiederaus' baues, durch Sachkenner. 2. Eine Steuerpolitik, die sich von dem Dilettantismus der Erzberger -Periode fernhält und den Bedürfnissen der wirtschaftlichen Entwicklung Rechnung trägt. 3. Ein Umbildung der preußischen Regierung in der Weise, daß die veuffche Volksparkei in die bestehende ü.oallllon eintritt und im preußischen Kabinett enssprechend ihrer Zahl and Bedeutung verkreteu wird. In parlamentarischen Kressen hat man den Eindruck, daß unter diesen Bedingungen eine Unterstützung der Regierung Wirth auch durch die Deussche Volkspartei zu erreichen wäre, da diese Partei mit der Regierungskoalition und dem Kabinette darin einer Mei- nung ist, daß die Verpflichtungen aus dem Ulttmatum, da die Unter- schrift nun einmal gegeben worden ist, auch erfüllt werden müssen. Ob die Besprechungen, die in dieser Richtung gepflogen werden, zu einem Ergebnis führen werden, bleibt abzuwarten. Sie werden allerdings erschwert durch die wenig maßvolle Hallung einzelner volksparteilicher Organe, die zu einer Entfremdung zwischen Volks- partei und Zentrum zu führen droht, und die schroffe Ableh- nung einiger sozialdemokratischer Führer.- Um beim letzten zu beginnen: Es sind nicht„einige sozial- demokratische Führer", sondern es ist d i e S o z i a lo e m o- k r a t i sch e Partei, die ein Zusammengehen mit der Deutschen Volkspartei ablehnt. Es kann nach sozialdemo- kratifcher Auffassung auch keine Rede davon sein, daß sich das Reichskabinett durch Eingehen auf irgendwelche Bedingungen die„wohlwollende Neutralität" der Deutschen Volkspartei er- kauft. Vielmehr muß das Kabinett feine Verantwortung tragen und die Deutsche Volkspartei die ihr e. Das Kabinett hat die Politik zu treiben, die es im Interesse des deutschen Volkes zu treiben für notwendig hält, die Parteien, die glauben, diese Politik bekämpfen zu dürfen, müssen dafür vor Volk und Geschichte die Verantwortung übernehmen. Die Sozialdemokratische Partei hat angesichts der uner- meßlichcn Schwierigkeiten des Reichs einer bürgerlichen Re- gierung, in der drei Volksparteiler saßen, lange, vielleicht z u lange, sehr weitgehende Rücksicht erwiesen. Wenn die Volks- partei nicht mehr in der Regierung sitzt, so liegt das nicht daran, daß die Sozialdemokratie sie hinausgedrängt hat, son- dern vielmehr daran, daß die bürgerliche Regierung mit den Volksparteilern in sich selber zusammengebrochen i st. Und wenn jetzt die Deutsche Volkspartei , die bekanntlich viel„nationaler" ist als wir, lieber das Chaos und den Franzoseneinmarsch kommen lassen will, als daß sie sich mit notwendigen Belastungen des Besitzes abfindet und— im Besonders nach dem Akt in der Apachentneipe und nach Schluß gab es hitzige Kämpfe. Aber je mehr die Banausen pfiffen, desto tobender war der Beifall. Eines ist erfreulich. Härtung wird den Darmstädter Zopfgeistern- die Sttrn bieten. Die Demonstratton galt aber auch Kasimir Ed- fchmid, der ob seines schriftstellerischen Freimuts als Darmstädter viele Feinde unter dem Darmstädter Muckertum hat. Max Eck-Troll.
Die erste Bertiner Kunstausstellung. Die Zeit der Kunstaus- stellungen ist wieder herangekommen, und wieder bietet auch die „Große Berliner" einen Ueberblick über die Iahresernte der Künstler. Diese massenhaften Anhäufungen von Kunst, die eine zweifelhafte Errungenschaft oer neueren Zeit darstellen, sind in Berlin noch nicht 15V Jahr- all. Wie Dr. Georg Malkowsk? im „Sammler" erzählt, fand die erste Berliner Kunstausstellung im Jahre 1786 statt. Sie war von der Akademie der Künste ver- anstallet. Der 46 Oktaoseiten umfassende Katalog zählte 347 Rum. mern auf, die ausführlich beschrieben wurden. Im ersten Zimmer dieser Ausstellung waren auf der einen Seite die Fleißproben der Akademieschüler untergebracht, auf der anderen Seite Arbeiten kunstübender Dilettanten. Unter den 20 ausstellenden Amateuren befanden sich außer vier Prinzen und dem jungen Alexander von Humboldt elf Damen. Das zweite Zimmer enthielt die Werke auswärtiger und ftemder Künstler, die in Berlin gelebt: es waren aber unter den acht„Ausländern" fünf Potsdamer. Den dritten Raum hatten die Akademiker belegt Der bedeutendste unter den Akademikern, Thodowiecki,. zeigte eine Illustration zu Lessings „Nathan", außerdem ein- Folge von Sttchen zu Pestalozzis„Lien- hard und Gertrud". Im vierten Zimmer war eine Sammlung von Gipsen, im fünften der Besitz der Akademie an älteren Meistern zu sehen. Die musikalische Schildkröte. Zu unserem Bericht über„Die Schildkröte, die mit dem Kopfe wackelte" in Nr. 239 schreibt uns Genosse Max Schütte:„Ich möchte Ihnen dazu eine Beobachtung berichten, die ich an einem solchen Tiere gemacht habe. Als Student kaufte ich in Leipzig eine europäische Sumpffchildkröte und brachte sie nach Ablauf des Semesters in meine Heimat. Da bemerkten wir eine auffällige Erscheinung. Im Hauptzimmcr meiner Eltern standen auf Tischen mehrere Vogelbauer, dessen In- sassen oft lautes Geschrei erhoben. Wenn ich die Schildkröte bei mir in dem angrenzenden kleinen Zimmer hatte und hier der Lärm der Vögel zu hören war, kroch sie, wenn die Türe geöffnet war, regelmäßig heraus und in das große Zimmer, und hier in gerader Richtung zu den Vögeln hin und lauschte mit aufgerichtetem Kopfe stundenlang deren Gesang, der sie offenbar mächtig anzog. Im Oktober ging ich zur Fortsetzung meiner Studien nach Berlin und nahm die Schildkröte m.'t, kehrte dann mit ihr in den Weih- nachtsferien zu den Evern zurück. Ich setzte sie in das kleine Zimmer. Doch sofort machte sie sich auf die Beine, fand ihren Weg in das Hauptzimmer und zu den Vögeln wieder und nahm hier den allen Platz ein, hatte somit trotz der Abwesenheit von
SkUe tssre r Presse zö reBett— ans dte preoMhett„FutteS- trippen" verzichtet, so werden die Folgen auf sie fallen. Das deutsche Volk wird sich von solchen„Patrioten" nicht noch mehr zugrunde richten lassen, als es schon zugrunde ge- richtet ist!_ Sozialüemokratie und Staatsrat. In der gestrigen Sitzung des preußischen Staatsrates legte unser Redner, Genosse M e e r f e l d- Köln, am Schlüsse seiner Ausführungen mit wenigen Worten die Stellung unfe- rer Fraktion zum Staatsrat dar. Er sagte: Meine Parteifteunde in der preußischen Landesversammlung haben seinerzeit die Schaffung eines Staatsrats entschieden bekämpft. Ihre Gründe sind auch die unsrigen. Wir wollen die au» dem fteiesten Wahlrecht hervorgegangene preußische Volks- tammer nicht bevormunden und in ihren Entschließungen beschränken lassen. Es widerspricht dem Grundsatze der vollen Volkssouveränität, wenn über der Volkskammer eine Art Ober- haus errichtet wird, das dazu noch infolge des indirekten Wahl- syftems den Bolkswillen verfälscht. Die parteipolltische Zu- sammensetzung des Staatsrats entspricht durchaus nicht der Stärke der Parteien im Lande. Die Verfassung hat dem Staatsrat, wenn er auch überwiegend nur als Gutachter tätig sein soll, dennoch ziem- lich weitgehende Rechte eingeräumt. Meine Fraktion wird die Ver- fassung natürllch respektteren. Sie wird aber scharf und ensschieden jeden über das geschriebene Recht hinausgehenden Anspruch des Staatsrats bekämpfen. Das pollfische Bewaßsseiu des Volkes verfrägk keine erste Sammer mehr, keine Neuauflage jenes politischen Petrefatts, wie seinerzeit der Historiker Treisschke das Herrenhaus genannt hat. Jeder dahingehend« Versuch der rechten Seite des Staatsrats müßte zu heftigen Konflikten und zur Unterbindung einer ersprießlichen Tätigkeit in Gesetzgebung und Verwaltung führen. Auch aus diesen Gründen wird darum meine Partei den Anspruch, den Staatsrat zu einem bevormundenden Oberhaus zu machen, ent- schieden bekämpfen. Diese entschiedene Erklärung war sehr am Platze!
Wilhelms fingst vor Bismarck . Vor dem 10. Senat des Kammergericht» fand heute die Berufungsverhandlung des Prozesses um den dritten Band von Bismarcks„Gedanken und Erinnerungen " statt. Dos Landgericht I hatte diesen Prozeß bekanntlich zugunsten der klägerischen Partei, des Exkaisers, ensschieden und dem Verlag Cotta die Veröffentlichung untersagt. Inzwischen ist der dritte Band im Ausland veröffentlicht worden. In der heutigen Verhandlung wurde vom Vertreter der Buch- Handlung Cotta das Urteil der ersten Instanz scharf krittstert. Dieses Urtell stellt bekannttich die polltischen Gelegenheitsbriefe Wilhelms als individuelle Geistesprodukte hin, dem der Schutz des Urheberrechts zustehe. Demgegenüber führte der Vertreter Cottas aus, daß diesen Briefen nichts Schöpferisches, Zeit- loses anhafte, daß nach der Definition des Landgerichts auch jedes beliebige Telegramm schutzfähig, zum„literarischen Werk" gestempelt werden kam, und daß, wenn Bismarck etwa die Briefe in indirekter Form wiedergegeben hätte, niemand daran hätte Anstoß nehmen können. Der Gerichtsvorsitzend« war sorgsam bemüht, die Parteien davon abzubringen, die betreffenden Briefe zu verlesen, damit nicht auf diese Weise eine„Veröffentlichung" erfolge.(Die Briefe sind längst bekannt.) Der Vertreter des Exkaisers zog sich im wesentlichen darauf zurück, daß der Verlag Cotta mit den B i s m a r ck s ch e n Erben(aber nicht mit Wilhelm! Red. d.„B.") einen Vertrag ge- schlössen hätte, bei Lebzeiten des Kaisers den Band nicht zu ver» öffentlichen. Selbst wenn man von dem Urheberrecht Wilhelms ab- sehe, müsse daran die Veröffentlichung scheitern.— Das Urteil wird erst in einem späteren Termin verkündet werden
Da» Ver krau ensvotmn für Briaud ist mit 391 gegen 157 Nim- wen angenommen worden. Den Kampf aufgegeben hat der englische Abg. Pemberion Billing. Nach heftigen Konflikten mit dem Sprecher legte er sein Mandat nieder, weil es unmöglich sei, in einem von Lloyd George beherrsch- ten Parlament seine Unabhängigkeit zu wahren.
mehr als zwei Monaten die Stätte sogleich wiedererkannt, ein neuer Deweis, daß die Schildkröten keineswegs„unintelligent und phlegmatisch" sind." Die Sokainseuch«. Das Kokattsschnupfen ist erst während de» Krieges auf dem Wege des internattonalen Lasteraustausches zu uns gekommen: vorher kannte man nur das Einpinseln von Kokain- lösungen auf das Zahnfleisch oder andere Schleimhäute, sowie ge- legentlich das Einspritzen. Die Wirkung des Kokainschnupfens äußert sich in Heiterkeit, Geschwätzigkeit usw„ der Puls wird beschleunigt. die Pupillen erweitern sich, man findet sich„schöner aussehend". Das Gefühl für Hunger und Anstrengung schwindet. Aber bei Gewöhnung tritt ein rapider Verfall ein. Morphinisten, die noch Kokain nahmen, verloren in einigen Monaten 20— 30 Proz. ihres Körpergewichtes. Sie werden bleich, grau, welk, die Augen fallen ein, Schlaflosigkeit stellt sich ein, schließlich Geistesstörung , besonders Verfolgungswahn. Oftmals begehen die Kokainisten Selbstmord, weil sie glauben, ihren Verfolgern nicht entgehen zu können. Kokainisten leiden unter aller- lei Halluzinationen, sie sehen dunkle Flecke und Löcher auf weißen Gegenständen, fühlen Käfer in der Haut, laufen mit ungewaschenen Händen und in unordentlicher Kleidung herum. Sie schreiben ellen- lange Briefe mit Schachtelsätzen und vielen Anmerkungen, Inhalt- lich voller lügenhafter Phantasien; jedes Gefühl für Ehre, Wahrheit und Recht ist ihnen abhanden gekommen. Geheimrat Leppmann in Berlin , der sich mit dem Kokainismus in feiner gerichtlichen Be- wertung(der Kokainist als Zeuge, als Angeklagter usw.) beschäftigt hat, ist der Ansicht, daß diejenigen, die der Kokainseuche verfallen, schon von Hause aus geistig minderwertig gewesen sind. Spiel. leidenschaft. Hang zu Perversitäten und Kokainismus gehen Hand in Hand, und diese Dreiheit ist es auch, die jetzt in ursseren Nachtlokalen die neueste Entwicklung unserer Lebewelt beiderlei Geschlechts charakterisiert._ Erstanffahrnnge« der Woche. DienSt.: Neue» voMtheater »Die St. JakobSfahrtt.— Mittw.; Kammesspiel«:.Der Strohhut-.— Don».: Leffingtheater:„Die Ballerina-— Freit.: Schauspielhaus:„Stroh-,„D i e F l i e g e-. Uraniadorträge. Sonntag, Montag, Freitag, Sonnabend:„Der Harz -. Dienstag:„Die Schönheit der deutschen Land- schast-. Mittwoch:„Die Steiermark -. Am Donnerstag spricht Theo Rockcnfcllcr über den.Modernen Lustverkehr-. Grobe Volkäoper Berlin . AI » letzte Opernauffährnng in dieser Spielzeit geht in der Neuen Well, Montag. „La Traviata - in Szene. «Die Schwarz-Weih-Ansstellung der Akademie am Passier Platz ist nur noch kurze Zeit dem Publikum zugänglich, und zwar täglich, auch Sonntag», von 10 bis b Uhr. In der Bolksbübne ist Carl Hauptmann » Drama„Die lange I u l e- mit Johanna K o ch. B a u e r in der Titelrolle und Ernst Stahl - Nachbaut als Schuster Dreiblatt m Vorbereitung. Regie: Edgar Klitsch . Bühnenbilder HanS Strohbach. Für die Reform der Rechtschreibung. Der Vosstand des Bezirks- verbände» Grotz-Berlin des Bundes entschiedener Schulrcformer richtet an die RegierungSinltanzen, insbesondere den RcichSschulauSschug, die dringend« Bitte, bei der Neuordnung der R-chtschretbung mindestens die Groß- schreibung der Dingwörter abzuschaffen.